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„Segel setzen, Leinen festmachen!“ Wie – der Spruch geht eigentlich anders? Nun, unsere heutigen Gäste, die Elac Vela BS 404, gemahnen nicht nur optisch an Segel, sondern heißen auch noch so (Vela, lat. für Segel) und kommen absolut „wirelessless“ als klassische Passivlautsprecher. Die BS 404 zählen zu den jüngsten Würfen des Kieler Traditionsherstellers, repräsentieren die großen Kompakten der 2018 eingeführten Vela-Serie und sortieren sich aktuell zwischen einem kleineren Regal- und drei Standlautsprechern ein. Bevor wir sie auf die Boxenständer setzen und an die bereits mit den Hufen scharrende Verstärkung leinen, schauen wir uns die Elac Vela BS 404 (3.198 Euro | https://www.elac.de/) aber noch ein bisserl genauer an:
Denn das macht durchaus Spaß – für meine Augen zählen die (weißen) Elac Vela BS 404 zu den ansehnlichsten Lautsprechern ihrer Klasse: Statt Kistendesign prägen Radien, ein trapezförmiger Querschnitt und eine markante „Einkerbung“ in der Bodenplatte den optischen Auftritt, der von der hochwertigen Lackierung sowie einer das MDF-Gehäuse nach oben abschließenden Aluminiumplatte zusätzlich veredelt wird.
Schönheit follows function – das Gehäuse der Elac Vela BS 404
Dabei sind viele Gestaltungselemente keineswegs reiner Selbstzweck, sondern folgen der Devise „form follows function“: Die in der Seitenansicht die Segeloptik befördernde untere Kerbe ermöglicht den Elac Vela BS 404 bassreflexseitig wohldefiniert nach Süden abzustrahlen (Downfiring) – und die Trapezform begünstigt die Gehäuserigidität (entgegen landläufiger Meinung zahlt sie dagegen kaum auf die „Vermeidung stehender Wellen“ ein, die eher bei Standlautsprechern in der Vertikalen ein Thema sein können).
Natürlich sorgt auch die doppellagig ausgeführte, metallene Topplatte für vermehrte Stabilität. Die innere, mit dem Gehäuse verschraubte Aluplatte ist dabei gleichzeitig Träger der Frequenzweiche und die auf ihr ruhende zweite Platte kommt mit einer beschichteten, schwarzen Außenoberfläche. Wer genau hinsieht, bemerkt, dass neben den runden Kantenverläufen des Lautsprechergehäuses auch die Schallwand leicht konvex geformt ist: Nur im Zusammenspiel ließen sich Kantenreflexionen – die ja am Ende wie Phantomschallquellen wirken – so wirkungsvoll unterbinden, wie man sich das bei Elac vorstelle, sagt Chefentwickler Rolf Janke.
Viele kleine Stellschrauben und ein technisches Gesamtpaket
Ich frage ihn – und greife der Klangbeschreibung schon mal ein wenig vor –, wie man es schafft, solche kompakt dimensionierten Lautsprecher (412 x 276 x 332 mm, 12 Liter Volumen) so pegelfest, grobdynamisch zupackend und basssouverän tönen zu lassen. Letztlich sei hier das Gesamtpaket und keine Einzelmaßnahme entscheidend, so Janke. Viele Detaillösungen, die bei Elac über Jahrzehnte gereift sind, spielten hier mit rein, wie etwa optimierte Sicken, die Dimensionierung und Abstimmung der Bassreflexrohre, die Motoren der Treiber oder simple Kniffe wie deren genau gegenüberliegende Litzenabgänge. Und bestimmt spielt auch mit rein, dass Rolf Janke mittlerweile seit über 30 Jahren bei Elac tüftelt, was auf eine entsprechende Kontinuität der Entwicklungsprozesse hindeutet.
Give me five: der aktuelle JET-Hochtöner von Elac
Apropos Entwicklungsprozess: Der berühmte JET-Hochtöner arbeitet bereits in fünfter Generation bei Elac. Die letzte Evolutionsstufe zeichnet insbesondere das Zusammengehen technischer Vorzüge aus, die früheren Versionen eher als „Inselbegabungen“ innewohnten. Weiter minimierte Verzerrungen, eine niedrigere untere Grenzfrequenz und ein hoher Wirkungsgrad (92,5 dB) gehen nun unter anderem Hand in Hand. Letzter trägt übrigens zur Vermeidung hoher Ströme und „durchgebrannter“ Treiber nach hohen Belastungen bei. Entsprechend würden kundenseitig so gut wie keine Ausfälle vermeldet, so Rolf Janke, und wenn, dann seien fast immer irgendwelche eher experimentell gefertigten bis gebastelten Endstufen im Spiel. Die Membran des dem JET-Hochtöner der Elac Vela BS 404 technisch zugrundeliegenden Air Motion Transformers (AMT) wiegt übrigens nur 0,27 Gramm, die bewegte Masse ist noch mal deutlich geringer (< 50 %), dennoch erreicht deren Fläche ungefähr das Sechsfache einer handelsüblichen 1-Zoll-Kalotte.
Sandwich mit Kristallbelag: der Tiefmitteltöner
Der JET-Hochtöner wird bekanntermaßen in Kiel von Hand gefertigt, der 18-cm-Tiefmitteltöner hingegen in Fernost produziert. Freilich nach spezifischen Vorgaben: Der Konus mit seiner typischen, facettierten („Kristallmembran“ im Marketingsprech) Membranoberfläche ist ein proprietäres Design und ebenfalls Resultat jahrzehntelanger Forschung. Die Sandwichmembran besteht aus Aluminium, auf das rückseitig ein dämpfender Zellstofffaserträger aufgebracht ist. Geringe Welligkeiten im Frequenzverlauf, keinerlei unangenehme Peaks oder Dips, die durch Weichentricks glattgebügelt werden müssen und ein sanfter Roll-off nach oben hinaus zählen laut Elac zu den Vorzügen des Treibers, die gleichzeitig den Frequenzweichenaufwand signalschonend gering halten.
Schonende Weichenstellung
Für Schonung des Musiksignals sollen nicht zuletzt die hochwertigen Folienkondensatoren (MKP) oder Luftspulen auf der Frequenzweiche Sorge tragen, die um 2400 Hertz herum im Zusammenspiel mit den elektromechanischen Eigenschaften der Treiber für eine akustische Trennung zweiter Ordnung sorgt. Als Wirkungsgrad resultieren 87 dB bei 2,83 V/m, das Impedanzminimum von 3,2 Ohm bei 240 Hertz kennzeichnet die Elac Vela BS 404 als 4-Ohm-Lautsprecher. Der Wirkungsgrad ist also nicht berauschend, dennoch stellen diese Werte natürlich keinen seriös gemachten Transistorverstärker vor irgendwelche Probleme.
Elac Vela BS 404: Klangtest & Vergleiche
Lassen wir doch gleich zu Beginn mal die tonale Katze aus dem Sack: Wer immer noch annehmen sollte, dass AMTs im Allgemeinen und Elacs JET-Hochtöner im Besonderen zu einem auffallend frischen oder gar silbrigen Sound führen, darf sich von den Vela BS 404 (wieder einmal) eines Besseren belehren lassen. Ich würde mit Blick auf die 404 gar von einem leicht erdigen Klangbild sprechen, das viele Hörer auf Anhieb bestimmt als „angenehm süffig“ empfinden werden. Zum Wohle?
Ja, auf jeden Fall für all jene Hörer, die nach den Tests der PMC twenty5.21i, Rogers LS3/5a Classic, Neat Acoustics Petite Classic oder Bowers & Wilkins 706 S3 womöglich schon befürchteten, eine gewisse Hochtonprägnanz und Klangfrische jenseits streng geradliniger Neutralität gehöre bei hochwertigen Kompaktlautsprechern mittlerweile einfach dazu. Klar, das hat das natürlich seinen Reiz. So hat mich etwa der knackig-sportliche und dennoch (hochwertige Mitspieler vorausgesetzt) stressfreie Charakter der Petite Classic derart gebannt vor der Anlage sitzen lassen, dass ich immer noch damit liebäugele, mir sie nochmal zuschicken zu lassen bzw. zu kaufen.
Aber letztlich zählen gerade tonale Eigenschaften zu den Aspekten, die sich am ehesten unter der Rubrik „Geschmacksache“ abheften lassen. Wobei die meisten Hörer meiner Erfahrung nach eher wärmere Klangbilder favorisieren – die möglichst dennoch mit genügend Präzision und Transparenz aufwarten. Womit wir bei den Elac Vela BS 404 wären … doch der Reihe nach und zunächst zu etwas ganz anderem:
Klein und doch erwachsen: Bass & Grobdynamik
Absolut beeindruckend ist, wie „erwachsen“ unserer Nordlichter tönen. In Sachen Bassautorität und Tiefgang schlagen die 404 alle oben genannten Lautsprecher und mithin sogar die erwähnten PMC. Und das, obwohl ich bereits bei den englischen Monitoren in dieser Sache überrascht und voll des Lobes war.
Die jeden zweiten Viervierteltakt einläutenden tiefen Bassimpule in „Am I“ von Kode 9 (Album: Black Sun) so vollumfänglich und druckvoll aus der Versenkung zu hieven, wie das etwa meine extrem tiefreichenden Standlautsprecher Sehring 903 vermögen – das schaffen logischerweise auch die Elac nicht. Dennoch arbeiten sie die Impulse so gut hörbar heraus, wie ich das von Kompaktlautsprechern dieser Größe absolut nicht erwarten würde.
Grobdynamisch haben die Elac Vela BS 404 ebenfalls die Nase vorn. Mögen die hochpräzisen, spurtreuen PMC auch einen Tick zackiger anmuten – was hörpsychologisch sicherlich aus ihrer forscheren Hochton- und mithin Obertoncharakteristik rührt: Die Elac setzen aufgrund der Tatsache, dass sie mit ihrem voluminöseren und tieferen Bass mehr „Masse“ verschleudern können, bei entsprechenden abrupten Lastwechseln unterm Strich mehr Energie um. Und reichen klanglich noch näher an Standlautsprecher heran. Übrigens gilt das auch für die Pegelfestigkeit, man könnte den Vela eigentlich schon Partytauglichkeit attestieren – aber letztlich weiß ich nicht, wie wild Sie gemeinhin zu feiern pflegen, der ultimative Partypegelcheck sei Ihnen beim Besuch Ihres toleranten Fachhändlers überlassen.
Bassseitig haben die Elac-Entwickler ihren Vela BS 404 eine minimale Pegelanhebung mit auf den Weg gegeben. Und hochtonseitig eine gleichsam minimale Pegelabsenkung. Insgesamt fühlt sich’s so an, als würde der Frequenzgang gleichmäßig leicht abfallend verlaufen, eine Abstimmung, die nicht ganz der strengen Lehre folgt, dennoch sowohl Homogenität als auch Langzeittauglichkeit befördert.
Transparenz ohne Silbertablett: Hochton und Mitten
Und der Transparenz – dem AMT sei Dank – keinen Abbruch tut: So schimmern Feinheiten wie das in der Bridge vorm ersten Refrain von „White Bird“ (Woven Hand – Blush Music) auf dem rechten Kanal eher gestrichen als geschlagen leise vor sich hinsäuselnde Becken so deutlich wahrnehmbar durch, wie ich das von meinen Sehring 903 kenne. Letztere lassen durch ihre linearere und sehr weitreichende (Super-)Hochtonwiedergabe solche Töne allerdings noch luftiger, noch feinpolierter erscheinen.
Bei den vielschichtig arrangierten und hochwertig aufgenommenen Elektrosounds von X10 (Album: Semblance) fangen die Elac Vela BS 404 sämtliche Facetten ein, die auch andere hochauflösende Lautsprecher wiedergeben. Gleiches gilt für die Feindynamik, die ja eh ein enger Verwandter der Auflösung ist: Klasse, wie gut wahrnehmbar sowie zackig akzentuiert die auf machen Lautsprechern kaum hörbaren Sechzehntel der synthetischen Hi-Hat in Clock DVAs „Final Program“ (Maxi-Single) aufs Tapet gebracht werden. Oder wie markant – und eben nicht die Bohne verrundet – die Wirbel des Schlagzeugbesens in „White Bird“ auf dem rechten Kanal geraten.
Ja, Detailwiedergabe und Feindynamik der Elac Vela BS 404 sind vom Feinsten, rücken beim Hören gleichwohl nicht automatisch in den Vordergrund, hier üben sich die Kieler gewissermaßen in Understatement, was je nach vorgeschalteter Elektronik, Raumakustik, Aufnahmequalität und Geschmack freilich seine Vorzüge hat. Gleichwohl mutet Niki Monos Gesang in „Godless Race“ mit meinen Sehring oder auch den Neat oder PMC noch charismatischer und vereinnahmender an, da ihre Stimme nach oben heraus mehr Prägnanz und Profil entwickelt sowie letztlich einen Tick mehr Charisma verströmt – die Vela wirken hier etwas zähmend, wenn man so will. Dafür bilden sie Stimmen und die Mitten generell angenehm unterfüttert und mit vollmundigeren Klangfarben ab als die in dieser Sache etwas heller ausleuchtenden Neat und PMC. Freilich ohne, dass die Elac Vela BS 404 dabei in Sachen Präzision/Auflösung das Nachsehen hätten. Unangenehm prononcierte Sibilanten, die man sich gerade mit den PMC schon mal eher einfangen kann, glänzen mit den Vela obendrein durch Abwesenheit.
Schön manifest: die Räumlichkeit
Räumlich gefällt mir an den Elac Vela BS 404, mit welcher Akkuratesse sie etwa Stimmen genau in der Bühnenmitte manifestieren. Und wie tadellos sich das Klangbild generell von den Boxen löst, wenn es sich dabei auch nicht übermäßig offensiv in Richtung Hörer oder in die Vertikale streckt. Wenn ich auf der Fernbedienung meines Funk MTX die Monotaste drücke, zentriert sich das Klangbild zudem vorbildlich, was für eine hohe Paargleichheit der Lautsprecher spricht.
In Sachen Ortungsschärfe und Plastizität liefern die BS 404 auf einem solch hohen Niveau ab, wie man das mit Blick aufs Zweiwege-Kompaktlautsprecherkonzept und die Preisklasse erwartet, ohne dabei zu überraschen: Sie definieren einzelne Musiker ein Deut weniger fokussiert und trennscharf als das etwa die in dieser Sache meisterhaften PMC oder auch die Sehring 903 (aktuellere Version) vermögen – dennoch illusionieren sie dem Hörer glaubhaft kohärent anmutende Akteure auf einer schlüssig inszenierten und realistisch dimensionierten Bühne.
Test: Elac Vela BS 404 | Kompaktlautsprecher