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Als Hifi-Tester hört man ja ziemlich viele Komponenten. Dass darunter nicht nur Legenden und Highlights sind, liegt in der Natur der Sache. Umso schöner, wenn dann mal beides zusammen eintrifft – wie im Falle der Rogers LS3/5a Classic (4.600 Euro, Vertrieb: https://www.mediabit-vertrieb.de/). Der Legendenstatus der LS3/5a ist unbestritten. Diese Mini-Monitore scharen eine treue Fangemeinde um sich – und nur wenige andere Lautsprecher können auf eine ähnlich lange Produktionshistorie zurückblicken.
Zufälligerweise wären da noch meine ATC SCM50 zu nennen, die ebenfalls schon seit über 40 Jahren gebaut werden. Die Geschichte der LS3/5a haben Sie wahrscheinlich schon zigmal gelesen, deshalb hier nur die Kurzfassung:
Die BBC
Für Außenübertragungen insbesondere in Übertragungswagen benötigte die BBC einen kleinen, zum Nahfeld-Abhören in solch kleinen Räumen geeigneten Studiomonitor – und spezifizierte und lizenzierte mehrere passende Monitortypen an mehrere Herstellerfirmen. 1970 war dies die LS3/6, und vier Jahre später die LS3/5, die 1976 aufgrund von Modifikationen beim Tiefmitteltöner noch ein „a“ spendiert bekam.
Alles Rogers
Die Firma Rogers wurde schon weit vorher geründet, und zwar anno 1947 im Norden Londons von einem gewissen Jim mit dem entsprechenden Nachnamen. Der baute erst mal Röhrenverstärker, um in den 60er- und frühen 70er-Jahren als eine der ersten britischen Firmen Transistorverstärker und Tuner mit klanglichem Anspruch nachzuschieben. Die Lautsprecher-Erfolgsgeschichte der Firma begründet insbesondere die LS3/5(a), von denen Rogers eigenen Angaben zufolge gut 25.000 der insgesamt etwa 60.000 bis 100.000 (die Schätzungen schwanken) auf den Markt gebrachten Paare verkaufte. Die BBC kooperierte mit insgesamt acht Lizenznehmern, darunter Spendor, Harbeth, Harwood, Chartwell und Goodman.
Der Sündenfall
In den frühen 1980er-Jahren erfolgte dann eine der wenigen größeren Änderungen der Spezifikationen, die von Fans des Lautsprechers fast schon als „Verrat“ aufgefasst wurde: Die Nennimpedanz sank von 15 Ohm auf 11 Ohm. Lautsprecher vor diesem Sündenfall sind gebraucht heute meist teurer als ihre jüngeren Nachfolger der 1980er- und 90er-Jahre. Unsere zum Test geladenen Rogers LS3/5a Classic bieten hingegen – wie viele andere der derzeit erhältlichen Varianten, darunter die von Falcon (3.000 Euro) und Harwood (1.600 Euro) – wieder die guten alten 15 Ohm.
USP
Wo wir gerade beim „elefant in the room“ sind: Die Rogers LS3/5a Classic sind die derzeit teuersten mir bekannten Modelle der originalen BBC-Spezifikation. Die Harwood-Version ist als Bausatz bereits ab 1.150 Euro zu haben. Die Unterschiede? Nun, die Treiber stammen schon lange nicht mehr allesamt von KEF – alleine von dieser Sache her können die Preise stark differieren. Rogers habe die nicht mehr hergestellten KEF-Tiefmittel- und Hochtöner anhand der Originalchassis analysiert und detailgetreu nachbauen lassen, so der deutsche Vertrieb mediabit aus München. Deshalb komme man so nahe an die BBC-Spezifikationen wie keine andere Marke. Mehr dazu gleich.
Co-Produktion
Rogers gehört seit 1993 zur Firma Wo Kee Hong mit Sitz in Hongkong. Die Entwicklung, die Hörtests, die Montage der Membranen von Tieftöner und Tweeter, die Qualitätskontrolle und das paarweise Matching erfolgen in England. Dort wurden in der Entwicklungsphase über mehrere Monate unterschiedliche Mischungen für die Beschichtungen der Bextrene-Membran (ein proprietäres Polystyrol-Copolymer, vulgo Plastik) des 110 Millimeter großen Tiefmitteltöners ausprobiert und klanglich beurteilt. Bextrene hat nämlich – neben seiner hervorragenden inneren Dämpfung – die unschöne Eigenschaft eines niedrigen Young-Modulus, was darin resultiert, dass eine unbehandelte Bextrene-Membran bereits bei 1,5 Kilohertz akustisch „aufbricht“. Das ist zu tief für eine sinnvolle Ankopplung der meisten Hochtöner. Eine Beschichtung soll dieser Unart effektiv entgegenwirken. Der Findungsprozess gestaltete sich allerdings ziemlich aufwändig und langwierig, so Rogers, denn jede Beschichtung ziehe eine Trockenphase von 24 Stunden nach sich, nach der eine zweite Schicht aus einem anderen Material aufgebracht werde. Die Kombinationsmöglichkeiten – und damit der Zeitaufwand – dürften also enorm gewesen sein.
Der 19 Millimeter durchmessende Hochtöner besitzt eine Membran aus Mylar, einer PET-Folie. Hört sich unspektakulär an, aber hat es in sich: Mylar bietet mit die beste Ratio aus Gewicht und Festigkeit, die derzeit erzielt werden kann. Dennoch sitzt darüber ein mechanischer Schutz aus Lochgitterblech – gut so. Um den Tweeter herum findet sich selbstverfreilich das von der LS3/5a bekannte, diffraktionsabsorbierende Rechteck aus Filz. Der zu den BBC-Spezifikationen perfekt passende Schwingspulenträger der Tweeter besteht ebenfalls nicht aus einem Material aus der Gruppe der „üblichen Verdächtigen“, sondern aus Nomex, einem Aramidfaserpapier, das eine sehr hohe Hitze- und Flammbeständigkeit besitzt und bis etwa 370 °C nicht schmilzt und tropft. Nomex kommt bei anspruchsvollen Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt, beim Militär, in der Schifffahrt und in der Automobilindustrie zum Einsatz.
Spezialistengehäuse
So klein die Gehäuse mit ihren 31 auf 19 auf 16 Zentimetern sind, die BBC hat sich nicht nehmen lassen, hier weiter zu optimieren und seinen Lizenznehmern klare Vorgaben gemacht: Birken-Sperrholz soll es sein, und zwar mit einer Stärke von zwölf Millimetern für die Seitenteile, den Boden, die Decke und die Rückwand, und neun Millimeter für die Schallwand, an jeder Ecke mit Buchenholzstreben verstärkt und innen stark bedämpft. Rogers lässt die Gehäuse von einem „ausgewiesenen Spezialbetrieb“ streng nach den originalen BBC-Vorgaben fertigen. Die per Klettband bündig auf die Fronten aufgebrachten Abdeckungen aus Tygan, einem schweren gewebten Nylonstoff, sind nicht nur Sicht- und Fingerschutz, sondern Teil der akustischen Abstimmung und sollten beim Hören unbedingt aufgesetzt bleiben.
Auf der Rückseite sitzen zur Kontaktaufnahme mit dem Verstärker 4-Millimeter-Bananenbuchsen – aber nicht irgendwelche, sondern in Deutschland silberbeschichtete Typen der Schweizer Firma Stäubli (Multi-Contact). Die sehen vielleicht simpel aus, doch das bedeutet keineswegs, dass sie klanglich nicht erste Wahl sein können. Der Vertrieb verspricht jedenfalls „einen deutlich besseren Kontakt als die übliche Standardware und damit natürlich besseren Klang.“ Im Inneren leiten dann recht dünne Kupferkabel die Signale zur Frequenzweiche und von dort zu den Chassis.
Frequenzweiche
Bei der mit dreizehn selektierten Bauteilen bestückten Weiche geht’s gleich weiter mit dem Aufwand: Sie ist auf einer einlagigen Glasfaser-Leiterplatte aufgebaut, deren Leiterbahnen sich insgesamt aus einer Unze (ca. 25 Gramm) Kupfer rekrutieren. Alle Spulen werden von Hand in England gewickelt, und sämtliche weiteren Bauteilentscheidungen seien das Resultat von langwierigen Hörtests. Alle Frequenzweichen würden paarweise gematcht, so der Vertrieb.
Dass sich all dieser Aufwand bei den LS3/5a von Rogers – Detailakribie, Entwicklungstiefe, eine zu Teilen in England stattfindende Fertigung – nicht umsonst realisieren lässt, dürfte klar sein. Zumal der Stereophile-Kollege John Atkinson schon vor langer Zeit über die LS3/5a sagte, dass „allein das Gehäuse den Hersteller so viel kostet wie einen Endkunden ein typischer Massenmarkt-Lautsprecher“.
Ach so: Wem die Rogers LS3/5a Classic zu klein erscheinen und zu wenig beziehungsweise nicht ausreichend tief hinabreichenden Bass produzieren, der kann die neu entwickelten AB3-Subwoofer-Module für genau passende 4.600 Euro erstehen, die zugleich als Ständer fungieren.
Klangtest und Vergleiche: Rogers LS3/5a Classic
Warum ich Kompaktlautsprecher mag, hatte ich bereits im Test der ATC SCM20PSL (5.500 Euro) erläutert. Und mit den Rogers LS3/5a bestätigt sich diese Präferenz wieder einmal sehr beeindruckend – wenn auch auf eine etwas speziellere Art als mit den Studiomonitor-Derivaten aus Stroud in den Cotswolds. Wie genau? Weiterlesen!
Size matters – oder doch nicht.
Das fängt schon damit an, dass die Euro/Volumen-Relation der Rogers LS3/5a so hoch sein dürfte wie bei nur wenigen anderen Lautsprechern, insbesondere unterhalb der 10k-Grenze. Was ich zum Anlass nehme, nochmals zu sagen: Ja, und? Denn daraus lässt sich bei einem passiven, geschlossenen und nicht durch DSPs entzerrten Lautsprecher nur ein einziger einigermaßen verlässlicher Rückschluss ziehen: Tiefer Bass, fulminante Grobdynamik und höchste Maximalpegel sind nicht zu erwarten. Und damit haben wir den Wahrheitsgehalt von „size matters“ beim Lautsprecherbau auch schon ausgeschöpft.
Denn bei passender Aufstellung (je nach Raum zwischen wenigstens zehn und maximal 40 Zentimeter von der Rückwand weg) agieren die Rogers gar nicht mal überschlank im Bass, sondern gefühlt erstaunlich vollständig – selbst wenn unter 50 Hz im realen Hörraum nichts wirklich Substanzielles mehr ankommt. Bassdrums und große Toms produzieren zwar keinen physischen Impact, wirken aber beileibe nicht kraftlos. Die Rogers liefern bei der Wiedergabe der Trommeln in Hiromis „Wonderland“ vom Album Spark hinreichend druckvollen Bass und Oberbass sowie einen ausnehmend farbigen, warmen und erdigen Grundton, der den E-Bass im selben Stück griffig grummeln lässt.
Da spielt sicherlich die mit voller Absicht eingebaute leichte Betonung bei 160 Hertz eine Rolle, doch von einer wirklich deutlich hörbaren Überhöhung, die man den LS3/5a gemeinhin nachsagt, kann ich in meinem Raum und bei dieser Aufstellung nur den Hauch einer Ahnung wahrnehmen. Um eine natürliche Balance in Bass und Grundton zu erzielen, ist meiner Erfahrung nach nur ein wenig Experimentieren mit der Aufstellung der Rogers nötig – doch das ist kein Hexenwerk. In meinem 25 Quadratmeter großen und gut bedämpften Hörraum mit seinen kleinen Basspeaks bei 45 und 90 Hertz erziele ich die besten Ergebnisse mit immerhin 30 Zentimeter Luft im Rücken. So kommt Heavy Rock wie „The Runner“ von Foals (Album: Everything Not Saved Will Be Lost Part II), wenn schon nicht satt oder fett, so doch überraschend vollständig, geerdet und mit Drive und Verve aus den Winz-Lautsprechern. Klar näher dran an den straff-nüchternen ATC SCM20PSL als an den vollmundigen Raidho X1.6 (7.300 Euro), aber so oder so: Erstaunlich!
Typisch britisch? No/Yes way!
Die Mitten der Rogers LS3/5a Classic kann ich insgesamt nicht mit blütenreinem Gewissen als „typisch britisch betont“ bezeichnen. Eher empfinde ich sie als einigermaßen linear in die umgebenden Frequenzen eingepasst; eventuell mit einer minimalen Tendenz zur durchsichtigen Schlankheit, was am unverblümten Hochton liegen dürfte (siehe weiter unten). Stimmen reproduzieren die Rogers ähnlich offen wie die ATC und sogar noch einen Hauch klarer als die Raidho X1.6. In „Tear Jerker“ von Chilly Gonzalez‘ und Jarvis Cockers Mega-Album Room 29 rieselt mir die Gänsehaut nur so den Rücken runter, so klar, ausdrucksstark und präzise artikuliert stellen die Rogers Cockers zerbrechlich-warmen, intim eingefangenen Gesang dar. Sibilanten können eine gewisse Schärfe haben – aber nur, wenn es so auf der Aufnahme drauf ist. Das ist also keine generelle Tendenz.
Was allerdings typisch britisch ist, das sind die reichen, dennoch nicht überdeckenden Klangfarben, die Detailfreudigkeit und die Transparenz in den mittleren Lagen. In „Pure Pleasure Seeker“ von Molokos Album Things to Make and Do habe ich die Modulationen der Synthies und des Saxophons im Mittenbereich selten so klar durch den fluffigen Klangteppich und die leicht dominant aufgenommenen Bässe verfolgen können – vielleicht mit den ATC SCM20PSL. Den Raidhos fällt es schon schwerer, da mitzuhalten. Auch dichte Strukturen wie im intensiven „Blood of the Past“ von The Comet Is Coming feat. Kae Tempest (Album: Trust in the Lifeforce of the Deep Mystery) legen die Rogers LS3/5a Classic mit verblüffender Mühelosigkeit frei und verleihen dem hart gespielten Saxophon schillernde Farben. Das klingt absolut nicht analytisch oder nervig, sondern einfach klar und ist ganz selbstverständlich „da“.
Mit offenen Karten
Obenrum spielen die Rogers LS3/5a Classic frischer und spritziger, lebendiger und extrovertierter als das Gros der Lautsprecher ihrer Klasse, einschließlich der ATC SCM20PSL, und mit nach oben hin sanft ansteigendem Pegel, so sieht es die BBC-Spezifikation eben vor. Zwar reproduziert die Mylar-Kalotte den Hochton nicht so feinseidig beziehungsweise etwas härter als die Tweeter der ATC oder gar der Raidho X1.6 – und die feindynamische Eleganz und das mikroskopische Auflösungsvermögen der dänischen Magnetostaten erreichen sie nicht. Andererseits legen die Mylar-Tweeter in Sachen Transientenattacke und ganz obenrum in Richtung Superhochton wie gesagt noch mal eine kleine Schippe Energie drauf, so dass die Glöckchen in Erika de Casiers „Polite“ einen Hauch silbriger und heller scheinen als mit ihren teureren Mitbewerbern.
In ihrer Klasse macht den Rogers in Sachen Feindynamik kaum eine Box was vor – die LS3/5a unterstreichen unmissverständlich, dass feindynamische Abstufung den Realismus der Wiedergabe sogar in einem noch höheren Maße steigern kann als grobdynamisch unlimitierte Fähigkeiten. Eigentlich klar: Wir hören meistens gar nicht laut genug, um eine große Trommel dynamisch vollumfänglich zu reproduzieren. Modulationen in der Intensität eines Pianos, einer Stimme, von Gitarrensaiten jedoch lassen sich selbst bei niedrigen Lautstärken gut darstellen und wahrnehmen. Das liegt sicherlich unter anderem daran, dass die Rogers einerseits nicht versuchen, mit „viel Bass und Slam aus wenig Box“ zu beeindrucken, und es den Entwicklern andererseits gelungen ist, die Stärken der LS3/5a so gekonnt miteinander zu verblenden, dass man sofort „hängenbleibt“.
Auf den Punkt
Zu den großen Stärken zählt das fantastische Timing, die gelungene zeitliche Kohärenz der Rogers LS3/5a Classic. Die ATC SCM20PSL, an die ich mich beim Hören mit den LS3/5a durchaus des Öfteren erinnert fühle, müssen sich den Titel „Weltbeste Zwei-Wege-Breitbänder“ ab sofort mit den Rogers teilen, denke ich. Egal, welches Instrument ich mir rauspicke, nie habe ich das Gefühl, ein Mehrwegesystem zu hören. Das Piano und die transientenstark gespielte Gitarre in „Temptation“ von Diana Kralls Album The Girl in the Other Room geraten maximal „auf den Punkt“. Klasse!
TARDIS
Bei der empfohlenen Aufstellung mit sich vor dem Hörplatz kreuzenden Hochtonachsen lösen die Rogers LS3/5a das Klangbild extrem gut von den Lautsprechern ab, man nimmt sie nicht als Schallquellen im Raum wahr. Sie leuchten die Bühne bei „This Boy“ von Brendan Perry (Album: Ark) weit links und rechts über die Basisbreite der Lautsprecher hinaus klar aus und begrenzen sie erst weit in der Tiefe des Raums hinter der Lautsprecherebene. Die Obertöne des Pianos in „Tear Jerker“ oder die der Schlagzeugbleche in „With All My Love“ von Melanie De Biasio (Album: No Deal) schweben in die Tiefe des Raumes davon und klingen länger nach als mit den meisten anderen Schallwandlern – egal, welcher Klasse –, die ich kenne.
Dabei gelingt den Rogers das Kunststück, Stimmen nicht stets gemeinsam mit der Instrumentierung auf eine Ebene zu platzieren: Wenn zum Beispiel die Streicher in Brendan Perrys „This Boy“ oder das Schlagzeug der Jazzband in „Danny Boy“ von Jacintha recht weit in der Tiefe des Raums spielen, stellen die Rogers LS3/5a Classic den Gesang klar differenziert auf oder auch mal knapp vor die Lautsprecherbasis – eben genau so, wie es auf einer Bühne nun mal zugehen kann. Bei alledem bilden sie ähnlich dreidimensional ab wie die ATC SCM20PSL, selbst wenn sie einzelne Schallereignisse vielleicht nicht ganz so sauber voneinander abgrenzen wie die diesbezüglich herausragenden Raidho X1.6.
Test: Rogers LS3/5a Classic | Kompaktlautsprecher