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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Musik statt Mätzchen
  2. 2 ATC SCM20PSL: Hörtest und Vergleiche

Die ATC SCM20PSL, das kompakteste und mit 5.500 Euro Paarpreis günstigste Modell der Classic-Serie von ATC Loudspeaker Technology Ltd., war lange gar nicht in Deutschland erhältlich. Kompaktlautsprecher in dieser Preisklasse gelten nicht unbedingt als Kassenschlager – schließlich will der HiFi-Kunde ja was für sein Geld haben! Diese „Mehr-ist-mehr-Denke“ scheint sich allerdings langsam zu ändern, und der deutsche Vertrieb ATR – Audio Trade aus Mülheim an der Ruhr hat die kleinen Engländerinnen nun über den Ärmelkanal geholt – endlich.

Ich mag kompakte Lautsprecher. Aus zwei Gründen: Sie tragen im Wohnraum weniger auf als große Standlautsprecher. Nicht wegen des Footprints – der benötigte Platz auf dem Fußboden bewegt sich ja meist im gleichen Rahmen. Doch sie sind weniger dominant, lassen optisch mehr Luft. Und sie klingen (bis in den mittleren bis oberen vierstelligen Preisbereich hinein) in den meisten relevanten Kriterien oft besser als vergleichbar teure Standlautsprecher – selbst wenn man die Kosten für ordentliche Lautsprecherständer hinzurechnet.

ATC SCM20PSL, vorne-links angewinkelt

Die Zweiwege-Box SCM20PSL ist das kompakteste und günstigste Modell aus ATCs Classic-Serie

Das ist eine Behauptung, der nicht jeder zustimmen mag, doch wenn man mal darüber nachdenkt, lassen sich schon einige Argumente finden, die dafür sprechen: Es fallen niedrigere Kosten fürs Gehäuse und die Bestückung an, das Entwicklungs- und Produktionsbudget lässt sich also in höherwertige Bauteile investieren. In den meisten Hörräumen von Ottonormalbürgern lassen sich tiefbassfähige Lautsprecher selten „ausfahren“ und neigen im schlechtesten Fall zum Dröhnen. Meistens müssen die Entwickler bei kleineren Lautsprechern weniger Chassis in Sachen Phase und Timing aufeinander abstimmen. Dazu kommt, dass ein kleineres Gehäuse meistens weniger resoniert und eine kleinere Front oft weniger reflektiert.

Häufig ist ein als offener, klarer und präziser wahrgenommener Klang die Folge all dieser Umstände. Die erwähnten visuellen Vorteile – und damit der potenziell „lotrechtere Haussegen“ – sind neben der rückenschonenderen Mobilität ein zusätzlicher Faktor.

WAF ist das schön!

Während das mit der Mobilität bei jeweils 18 Kilogramm schweren „Regalboxen“ dann doch so eine Sache ist, kann ich die Theorie mit dem visuellen Faktor aus eigener Erfahrung bestätigen. Kaum sind die SCM20PSL im seidig-warmen Kirschholzfurnier aus ihren Versandkartons befreit, höre ich hinter mir ein „Oh wie schön! Die bleiben bei uns, oder?“ von meiner besseren Hälfte. Nun, das werden wir sehen. Erst mal platzieren wir die Boxen neben meinen ATC SCM50PSL (15.500 Euro) auf den Lautsprecherständern SS6 von Solidsteel.

Links die ATC SCM20PSL, rechts daneben die ATC SCM50PSL

Links unser Testkandidat, die ATC SCM20PSL, rechts daneben die ATC SCM50PSL

Da sind die Ähnlichkeiten auf den ersten Blick unverkennbar. Rechtwinklig, praktisch und edel präsentieren sich die Geschwister – aufgrund der kleineren Proportionen wirken die SCM20 allerdings einen entscheidenden Tick eleganter. Der Größenunterschied verrät sich auch beim Klopftest, bei dem die SCM20PSL weniger Hohlraum verraten – einer der oben genannten Vorteile. Und das liegt sicherlich nicht nur an innen aufgebrachten Dämpfungsplatten aus Bitumen, die schließlich in beiden Modellen zum Einsatz kommen, sondern vor allem am kompakteren Design unseres Probanden. Aufs passende Finish bedachte Interessenten können übrigens aus vier Furnieren und satinschwarz oder weiß lackierten Oberflächen wählen.

Beim Gehäuseprinzip und den Treibern sind die Unterschiede grundlegender. Während die SCM50PSL eine Bassreflexkonstruktion mit nach vorne spielender Ventilationsöffnung ist, setzt ATC bei der SCM20, wie in den kleineren Entry-Modellen, auf ein geschlossenes Gehäuse. Und in beiden Classic-Modellen kommt zwar dieselbe 25-Millimeter-Seidenkalotte mit doppelter Aufhängung (Dual Suspension) namens ATC SH25-76S zum Einsatz, doch darunter trennen sich die Konstruktionswege.

Doch bleiben wir noch kurz beim Hochtöner: Durch den Einbau einer zweiten Aufhängung sollen die sich bewegenden Bauteile nur in axialer Richtung schwingen (also nicht taumeln), dergestalt Schwingungsmoden unterdrücken und für geringere Verzerrungen sorgen.

Prinzipzeichnung der Dual-Suspension-Aufhängung der ATC-Kalotte

Prinzipzeichnung der Dual-Suspension-Aufhängung der ATC-Kalotte

Die zusätzliche Stabilität, die dieser Ansatz im Vergleich zu konventionellen Hochtöner-Konstruktionen biete, mache den Einsatz von Taumelbewegungen dämpfendem Ferrofluid überflüssig, so ATC. Infolgedessen könne der Magnetspalt verkleinert werden, sodass der Hochtöner länger optimal funktioniere und zudem eine höhere Belastbarkeit als herkömmliche Designs biete. Der Antrieb des Hochtöners besteht aus einer „magnetisch getemperten“ Polplatte und einem Neodym-Ringmagneten, dessen Geometrie ATC mit Hilfe der Finite-Elemente-Analyse individuell optimiert habe. Mit einer Flussdichte im Magnetspalt von über zwei Tesla sei die Magneteinheit des SH25-76S vollständig gesättigt und daher frei von den Auswirkungen der Flussmodulation in der umgebenden Metallkonstruktion. Das senke die ungeraden harmonischen Verzerrungen im gesamten übertragenen Frequenzspektrum auf unter -70 dB und führe zu einem linearen Frequenzgang bis über 20 Kilohertz.

Der Höchtöner SH25-76S der ATC SCM20PSL

Der Höchtöner SH25-76S in der ATC SCM20PSL besitzt eine doppelte Aufhängung, um Taumelbewegungen zu minimieren

Statt der für die Classic-Serie typischen Bärennase und einem (mindestens) 25-Zentimeter-Basstrumm sitzt in der 18 Millimeter starken, aufs eigentliche Gehäuse aufgesetzten Schallwand der ATC SCM20 ein 15 Zentimeter durchmessender Tiefmitteltöner. Dessen überdimensionierte Staubschutzkalotte ist so konstruiert, dass sie als Quasi-Mitteltontreiber im Sinne der 8-Zentimeter-Mitteltonkalotte der größeren Classic-Modelle fungiert. Das Prinzip: Die höheren vom Treiber übertragenen Frequenzen versetzen nur diese Kalotte (und nicht den konusförmigen „Rest“ der Membran) in Schwingungen, was das Abstrahlverhalten im Mittelton verbessern soll.

Die überdimensionierte Staubschutzkalotte des Tieftöners der ATC

Die überdimensionierte Staubschutzkalotte des Tieftöners der ATC ist so konstruiert, dass sie als Quasi-Mitteltontreiber arbeitet

Dasselbe Prinzip setzt ATC auch bei den Kompaktmodellen der günstigeren Entry-Serie (SCM7, 11 und 19) ein. Der Treiber der SCM20PSL unterscheidet sich nicht von dem der ATC SCM19 (3.300 Euro). Beide verfügen über die ATC-eigene Super-Linear-Technologie (daher das SL im Namen, das P bedeutet „passiv“) mit einer 75 mm durchmessenden, kurzen Schwingspule in einem langem Magnetspalt, also einem Unterhang-Antrieb. Der Vorteil: Die Schwingspule bleibt selbst bei großen Auslenkungen der Membran noch im linearen Bereich des Magnetfelds, was für eine konstante Arbeitsweise auch bei hohen Belastungen sorgen soll.

Der Tiefmitteltontreiber der SCM20PSL

Das Tiefmitteltonchassis der SCM20PSL

Über die Frequenzweiche der SCM20PSL verliert ATC nicht viele Worte. Nur, dass es sich um ein Design zweiter Ordnung handele, lässt man verlauten. Man trennt den Hochton vom Mittel- und Tiefton also mit einer Flankensteilheit von 12 dB pro Oktave. Wer jemals eine Frequenzweiche der ATC-Classic-Serie gesehen hat, weiß, dass die Briten keinen Aufwand scheuen: So viel hochwertiges und größtenteils selbst spezifiziertes und hergestelltes Material findet sich in kaum einem anderen mir bekannten Lautsprecher (siehe unseren Firmenbericht über ATC).

Die Lautsprecherkabel docken an den typischen, stabilen ATC-Classic-Terminals an, die Bananenstecker, Gabelschuhe oder Litzen aufnehmen. Im Fall der SCM20PSL finden wir eine Bi-Wiring-Ausführung, der im Auslieferungszustand Blechbrücken eingesetzt wurden; die sollte man gleich entfernen und stattdessen ein gutes Bi-Wiring-Kabel oder hochwertige Kabelstücke einsetzen.

Die ATC SCM20PSL besitzt ein Bi-Wiring-Terminal

Die ATC SCM20PSL besitzt ein Bi-Wiring-Terminal

ATC SCM20PSL: Hörtest und Vergleiche

Selbstverständlich dürfen sich die ATC SCM20PSL an meiner Norma-Audio-Kombi aus dem DAC-Vorverstärker REVO SC-2 und Stereo-Endstufe PA-150 eine ganze Weile warmlaufen. Wirklich viel ändert sich aber nicht – jedenfalls im Vergleich zu den SCM50PSL, die selbst nach einem halben Jahr noch Klangveränderungen an den Tag legten, sind die SCM20 bereits frisch aus dem Karton zu gefühlten 95 Prozent „da“. Und die restlichen Prozentpunkte lassen auch nicht allzu lange auf sich warten: Eine gute Woche nach den ersten Tönen sind die Kompakten bereit zum Tanz mit dem Tester.

Die ATC SCM20PSL mit und ohne Frontbespannung

Die ATC SCM20PSL mit und ohne Frontbespannung

Fundamentales

Ich weiß, was Ihre erste Frage ist: „Können die ATC SCM20PSL was im Bass?“ Die Antwort darauf ist: Sie können alles, was sie können müssen. Und das heißt: Ein stabiles Fundament errichten, auf dem musikalische Strukturen glaubhaft aufbauen können. Markerschütternde Grobdynamik und echter Tiefbass können hingegen von so kompakten Lautsprechern sinnvollerweise nicht eingefordert werden.

Im Klartext bedeutet das, dass die SCM20PSL im Raum einen subjektiv als minimal schlank empfundenen, aber nie mageren Bass bis etwa 50 Hertz produzieren. Der Eindruck, dass die ATC SCM20PSL im Bass etwas schlanker auftreten als viele andere Kompakte ihrer Liga, liegt meines Erachtens vor allem daran, dass sie bis zu den genannten 50 Hertz wirklich neutral, also mit linearem Pegel und ohne Bassbäuchlein zwischen 80 und 120 Hertz spielen. Das ist man fast nicht mehr gewohnt. Ebenso selten hört man, wie sich die tiefste noch hörbare Oktave extrem linear abfallend ausblendet. Das wirkt im realen Hörraum angenehm natürlich, und irgendwie fällt es da gar nicht auf, dass ganz unten nicht mehr so viel passiert.

Kompaktbox ATC SCM20PSL, vorne-rechts angewinkelt

Die ATC SCM20PSL reproduzieren die wuchtige Bassdrum in Brendan Perrys „This Boy“ somit etwas straffer gespannt als die Magico A1 (12.000 Euro) und sicherlich nicht ganz mit demselben physischen Impact – jedoch in der Gesamtschau kaum weniger glaubhaft. Übrigens sind mit den SCM20PSL die Unterschiede zwischen meinem eher druckvoll agierenden Lautsprecherkabel Ortofon Reference SPK Black und dem gerade getesteten Kimber 8PR (619 Euro) im Bass deutlich nachvollziehbar: In diesem Setup bevorzuge ich das sattere (und teurere) Ortofon.

Dynamisches

Überraschenderweise können die kleinen ATC dauerhaft richtig laut und mit grobdynamischer Souveränität spielen. Sie stehen ihren mehr als doppelt so teuren amerikanischen Wettbewerberinnen in Sachen Pegelfestigkeit und Makro-Sprintvermögen in nichts nach – nur der erwähnte Ooomph fällt etwas „artiger“ aus, wobei sie immer noch mehr Druck mitbringen als etwa eine Wilson Benesch P1.0 (8.000 Euro). Ob das ein Kritikpunkt sein kann, hängt von Ihren Ansprüchen ab sowie wie von der Art der Musik, die Sie präferieren.

Mitteltonales

Ab den mittleren Lagen wird es tonal irgendwie … langweilig? Nein, das schickt Sie auf die völlig falsche Fährte. Musikhören mit den ATC SCM20PSL ist alles andere als das, doch die Beschreibung ihrer Tonalität ließe sich ganz nüchtern und unspektakulär mit einem Wort erledigen: neutral. Das ist sehr selten, dass ich das mit einer solch uneingeschränkten Überzeugung von einem Lautsprechermodell sage. Aber es ist nun einmal so: Vom Grundton an erkenne ich keine Abweichung von einem an Natürlichkeit orientierten Ideal, sobald die Positionierung im Raum stimmt.

Links die ATC SCM20PSL, rechts die ATC SCM50PSL

Links die Zweiwegebox ATC SCM20PSL, rechts der Dreiwegler ATC SCM50PSL

„Ha! Doch eine Einschränkung!?“ Ich bitte Sie! Eine auf die Lautsprecher zugeschnittene Platzierung gehört in jedem Fall zum kleinen HiFi-Einmaleins. Also: knapp 50 Zentimeter weg von der Rückwand, 2,1 Meter auseinander, mit leichter Einwinkelung zum Hörplatz hin, der gut drei Meter von der Lautsprecherbasis entfernt ist – so wird aus meinen knapp 25 Quadratmetern ein akustisch gut passender Full Brogue Oxford draus.

Diana Krall The Girl in the Other RoomStimmen, egal ob männlich (Jarvis Cocker in „Tearjerker“ vom Album Room 29) oder weiblich (Diana Krall in „Tempation“ vom Album The Girl in the Other Room auf Amazon anhören) besitzen die perfekte Balance mit Körper und Luft, Solidität und Offenheit. In dieser Disziplin spielen die kleinen ATC SCM20PSL neutraler als die schlankeren Wilson Benesch, ja, fast sogar auf dem hohen Niveau ihrer großen Geschwister und damit in Reichweite mit den Magico A1. Was genau fehlt zur Stimm-Performance der SCM50PSL? Noch ein Hauch mehr dynamischer Headroom, ein Jota Offenheit, eine Prise Artikulationsdetails. Nichts, was einem ohne den direkten Vergleich auffallen würde, doch gesagt sollte es schon sein.

Ach so: Die Klangfarben sind alle da, wo sie hingehören. Die ATC pinseln nicht zu fahl und nicht zu satt, romantische Ölgemälde mit wärmendem Unterton sind nicht ihr Ding. So eine akkurate Abstimmung mag nicht jedem zusagen, ich persönlich finde sie klasse.

Hochton, Auflösung und Feindynamik

Apropos Details: Da die ATC SCM20PSL mit demselben Hochtönermodell ausgestattet ist wie die SCM50, erwarte ich keine größeren Unterschiede in der Hochtoncharakteristik. Diese Vermutung bestätigt sich allerdings nur teilweise: Ja, die Tweeter spielen auch in den kleinen ATC sauber und unaufgeregt, jedoch erlauben sie sich hier etwas mehr „Pizzazz“, wirken frischer und prägnanter als in den minimal milderen SCM50PSL. Damit liegen sie voll auf der neutralen Linie, denn auch wenn man beim ersten Reinhören in die SCM20PSL eventuell denken könnte, dass der Hochton einen Tick lauter sei, so liegt das doch eher am Bassbereich ohne Überhöhungen, die einen neutralen Hochton weicher unterfedern und an „verhätschelte HiFi-Hörgewohnheiten“ angleichen können.

Hochtöner der ATC SCM20PSL

Wie dem auch sei, die von Bassschwere befreite Frische weckt offensichtlich den Entdeckergeist der Seidenkalotten. Ich kann jedenfalls nicht sagen, dass hier in Sachen Auflösung ein irgendwie geartetes Defizit gegenüber den SCM50 herrscht, fast im Gegenteil: In Chick Coreas „Return to Forever“ vom gleichnamigen Album servieren die Seidenkalotten die Metallpercussion sehr detailreich, dabei spritzig, klar und ohne falsche Zurückhaltung, was sie bei aller Baugleichheit mit den Geschwistern gefühlt näher an die Beryllium-Tweeter der Magico A1 führt. Die arbeiten zwar noch ein paar mehr Feinheiten heraus, wenn in Felix Labandes „Dirty Nightgown“ (Album: Dark Days Exit) die elektronisch erzeugten Effekte mit schwindelerregendem Tempo aus den Kalotten sirren. Doch auch hier handelt es sich eher um Nuancen.

Melanie De Biasio No DealDasselbe gilt für feindynamische Abstufungen: Beide Kompaktlautsprecher reagieren so unmittelbar und fein granuliert auf dynamische Mikrovariationen wie nur wenige andere dynamisch bestückte Modelle, die ich kenne. Da wären die Wilson Benesch P1.0 und die Grandinote Mach 2R (ab 6.600 Euro) mit ihrem „Superhochtöner“ zu nennen – doch beide spielen tonal nicht so balanciert wie die ATC. Sei es das Streicheln von Schlagzeugblechen mit dem Klöppel, der Besen auf den Schlagzeugfellen in „With All My Love“ von Melanie De Biasio (Album: No Deal auf Amazon anhören), oder das Klirren der Röhrenglocken in „Sing to the Moon“ von Snarky Puppy feat. Laura Mvula (Album: Family Dinner Vol. 2) und in Princes „Welcome 2 America“ vom gleichnamigen Album: Das Feingefühl der ATC-Treiber fasziniert. Und wenn das Xylophon in „My Favorite Things“ von Youn Sun Nahs Album Same Girl in tausend Schattierungen im Raum oszilliert, frage ich mich schon, wie ATC das mit seiner vollständig auf der Insel angesiedelten Fertigung zu diesem Preis eigentlich hinkriegt.

Räumlichkeit und Abbildungsvermögen

Etwas deutlicher werden die Unterschiede zwischen den kompakten Britinnen und den Magico A1 bei der Interpretation der räumlichen Abbildung. Die Magicos tendieren zum großen Raum, zur Stadionbühne – die ATC zum gemütlicheren Theatersaal, wenn auch nicht zum Puppentheater.

Was die mehr als doppelt so teuren A1 eigentlich absetzt, ist ihre Fähigkeit zur von der Bühnengröße unabhängigen Skalierung, also das Vermögen, Schallereignisse mal groß und mal klein darzustellen, egal welche Dimensionen der umgebende virtuelle Raum der Aufnahme nun besitzt – zudem nehmen sie sich als physische Gegenstände akustisch vollkommen aus dem Klangfeld heraus. Die ATC präferieren eine kompaktere, dreidimensional gut definierte Darstellung von Stimmen und (auch großen) Instrumenten, passen diese aber an einen in der Tiefe sowie nach oben und unten früher begrenzten Raum an. Auch ist die Position der Boxen im Raum etwas einfacher auszumachen als bei den teuren Magicos. Absolut gesehen habe ich jedoch keine Beschwerden, denn diese eher fokussiert-konzentrierte denn weitläufige Darstellung wirkt in sich stimmig.

Die Rückseite der ATC SCM20PSL

Breitband-Gene

Und mit dem Stichwort „stimmig“ komme ich zur Sahnehaube, die dem Klangkuchen den besonderen Touch gibt: Die tonale Balance und die unglaubliche zeitliche Geschlossenheit der ATC SCM20PSL ergeben – zusammen mit ihrer verzerrungsarmen Sauberkeit – eine für erfahrene, den klanglichen Sturm- und Drangzeiten entwachsene Hörer fast unwiderstehliche Mischung.

Paolo Nutinis Caustic LoveDenn nie zerfasern Instrumente, Stimmen oder Strukturen – selbst dann nicht, wenn die Aufnahme dies begünstigen könnte, wie im wunderschönen „Iron Sky“ von Paolo Nutinis Album Caustic Love (auf Amazon anhören). Wenn eine Wiedergabekette diesem an der Grenze zum Übersteuern aufgenommenen Track auch nur ein Gramm zu wenig Fleisch und Körper spendiert oder einen Hauch zu viel Verzerrungen produziert, dann schafft man es bei höheren Lautstärken unter Umständen gar nicht bis zur ergreifenden Rede Charlie Chaplins aus „Der große Diktator“. Und das wäre schade. Zum Glück wandeln die ATC SCM20PSL so sicher auf dem Pfad zwischen erdender Substanz und öffnender Klarheit, dass diese Gefahr nicht besteht. Und Funk-Tracks wie Stanley Clarkes mitreißendes „Hot Fun“ (Album: School Days) grooven sich selten so treffsicher in die Tanzbeine wie mit den kleinen ATCs – ein untrügliches Zeichen für quasi perfektes Timing. Hach, wat is dat schön! Nicht verwechseln sollte man diese musikalische Geschlossenheit allerdings mit der Fähigkeit, eine brachiale „Heavy Metal Wall of Sound“ zu erzeugen, denn das vermag die Kleine bei aller Liebe nun doch nicht. Aber dafür gibt’s ja die größeren ATC-Modelle.

Billboard
Divine Acoustics

Test: ATC SCM20PSL | Kompaktlautsprecher

  1. 1 Musik statt Mätzchen
  2. 2 ATC SCM20PSL: Hörtest und Vergleiche

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