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Der schottische Anbieter Fyne Audio (Vertrieb: www.tad-audiovertrieb.de) ist ein noch recht junger Lautsprecherhersteller und hatte seinen ersten großen Auftritt in Deutschland anno 2017 auf der Münchner High End. Trotzdem rühmt sich das Unternehmen mit „200 Jahren Erfahrung“ im Audiobereich – so heißt es in der Produktbroschüre. Wie geht denn das zusammen?
Nun, der Großteil der Fyne-Audio-Gründungsmitglieder besteht aus „Abtrünnigen“ des Herstellers Tannoy, die ganz offenbar Lust auf etwas Neues hatten. Addiert man deren Dienstzeiten im Lautsprecherbusiness, erscheinen 200 Jahre als Summe tatsächlich realistisch. Gründer und technischer Leiter bei Fyne Audio ist Dr. Paul Mills, der alleine schon 27 Jahre Erfahrung als Entwicklungsingenieur bei Tannoy mitbringt. Und so ganz lässt sich dieses Erbe auch nicht verhehlen, wenn man auf die Produkte von Fyne Audio schaut: Optisch wie technisch den Auftritt prägend sind nämlich auch hier Koaxialsysteme mit raffinierter Schallführung, die in ihrer Gestaltung schon recht deutlich an die in vielen Tannoy-Lautsprechern verbauten Treiber erinnern. Unser heutiger Proband, der kompakte Fyne Audio F1-5, hat jedoch mit den eckigen und zuweilen arg rustikal erscheinenden „Vintage-Kisten“, wie man sie von der Tannoy-Prestige-Serie kennt, nichts gemein: Hier muss man schon ziemlich lange suchen, um einen rechten Winkel zu finden. Und statt gewachstem Holz gibt’s Hochglanzlack. Doch der Reihe nach.
Der Fyne F1-5 ist der kleinste Kompaktlautsprecher der F1-Serie, die aus zwei Standboxen und zwei Regallautsprechern besteht. Die F1-Serie ist die – auch preislich – avancierteste Produktlinie bei Fyne Audio; es gibt noch weitere Serien mit mehr als 20 Modellen, darunter auch Subwoofer und Centerlautsprecher.
Für ein Paar der lediglich rund 32 x 19 x 29 Zentimeter (HxBxT) messenden F1-5 muss man 3.800 Euro hinblättern, das ist für einen Lautsprecher dieses Formats kein Pappenstiel. Schauen wir mal, was dafür so alles geboten wird.
Fyne Audio F1-5 – technisches Konzept
Eines steht schnell fest: Materialauswahl und Verarbeitungsqualität sind erste Sahne. Geschwungene, nach hinten sich verjüngende Gehäuselinien, perfektes Hochglanz-Walnussfurnier (andere Ausführungen gibt es übrigens nicht) mit wunderschöner Maserung, Spaltmaße am Rande der Messbarkeit, hochwertige WBT-NextGen-Single-Wiring-Anschlussterminals mit Erdung – das macht einen guten Eindruck.
Dominierendes Element ist natürlich der Koaxialtreiber. Das 125-mm-Chassis hat einen Alu-Druckguss-Korb und kommt mit einer „Mischfaser“-Membran für den Tiefmitteltonbereich. Ein interessantes Detail finden wir am Randbereich der Membran, der Sicke: Ihr wurde ein spezielles Muster eingeprägt, das möglicherweise auftretende Resonanzen gewissermaßen „verwirbeln“ und damit minimieren soll. Der mit einer steifen Magnesiumkalotte bewehrte Druckkammer-Hochtöner setzt ab 1,9 kHz ein, sitzt hinter dem Tiefmitteltöner und verfügt über eine belüftete Hinterkammer, die dafür sorgen soll, dass die Eigenresonanz deutlich unter die Übernahmefrequenz rutscht, während sich die Aufbrechfrequenz oberhalb des menschlichen Hörbereichs befindet. Eine ausgefeilte Wave-Guide-Geometrie lässt den Schall des Hochtöners im Zentrum des Tiefmitteltöners austreten.
Der Fyne Audio F1-5 ist als Bassreflexsystem konzipiert, bei dem der Reflextunnel nach unten, mit definiertem Abstand zur Bodenplatte, feuert. Unterhalb der Bassreflex-Austrittsöffnung findet sich ein keilförmiger, auf der sogenannten Traktrix-Kurve basierender Diffusor, der die Schallenergie über 360 Grad gleichmäßig im Raum verteilt. Eine interessante Interpretation der Traktrix-Technologie, die bereits 1927 vom britischen Audiopionier Paul Voigt patentiert und ursprünglich für die Hornvorsätze in Kinobeschallungen gedacht war.
Erwähnenswert wäre noch die hochwertige Innenverkabelung aus dem Hause van den Hul sowie die offensichtlich mit Bauteilen aus der „höheren Schublade“ bestückte, kryogenisch behandelte Frequenzweiche, die ein ungewöhnliches Feature mitbringt: Man kennt ja Lautsprecher, bei denen man durch einen Schalter oder das Umlegen einer Kabelbrücke den Tief- und/oder Hochtonbereich anheben oder absoften kann. Beim F1-5 geht Fyne Audio einen anderen Weg: Unterhalb des Koaxialtreibers findet sich ein Potenziometer. In Mittelstellung (12 Uhr) spielt der Lautsprecher neutral. Bei Rechtsanschlag des stufenlos drehbaren Potis wird der Frequenzbereich zwischen 2,5 und 5 kHz um bis zu 3 dB angehoben und bei Linksanschlag entsprechend abgesenkt. Braucht’s das wirklich? Schauen wir mal!
Überraschung
Vor dem Genuss haben die Götter den Schweiß gesetzt. Der Fyne Audio F1-5 – fabrikneu aus dem Karton und standardmäßig an meine Endstufe Abacus Ampollo Dolifet angeleint – konnte mich zunächst nicht so richtig überzeugen. Es klang tonal irgendwie unausgewogen-pappig, ohne dass ich so richtig hätte sagen können, woran es nun genau fehlt. Das Klangbild erinnerte mich jedoch frappierend an meine Erstbegegnung mit der Tannoy Turnberry: Anfangs war ich geradezu schockiert, wie „wenig Sound“ aus „so viel Gehäuse“ kam – aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Hier war offenbar eine erhöhte Einspielzeit vonnöten. Nach circa 100 Stunden hatte sich der Klang der Turnberry dermaßen substanziell verändert und verbessert, dass ich den Lautsprecher nach Abschluss meiner Testarbeiten käuflich erwarb und damit viele Jahre sehr glücklich war.
Also ließ ich dem Fyne F1-5 ein ähnliches Prozedere angedeihen und pustete ihn in einem einwöchigen, durchgehenden Betrieb frei. Der Effekt war frappierend: Es war, als hätte ich einen völlig anderen Lautsprecher angeschlossen. Dann das weitere Standardprozedere: Bevor ich mich in Hörsessions mit Lautsprechern vertiefe, probiere ich der Reihe nach meine Amps aus und schaue, mit welchem es am besten harmoniert. Und dabei erlebte ich die nächste Überraschung: Die Fyne Audio F1-5 goutieren ein sorgfältiges Matching mit den weiteren Komponenten der Kette – und das deutlich mehr als andere mir bekannte Lautsprecher. So klang es weitaus am besten mit meinem Röhrenverstärker Tsakiridis Aeolos+ sowie der Endstufe Valvet E2, während die Paarung mit dem Abacus Ampollo Dolifet und dem Hegel H90 zwar auch „irgendwie gut“ war, aber nicht ganz die Qualitäten brachte, die die erstgenannten Verstärker aus dem F1-5 herauskitzeln konnten. Woran liegt’s? Ich kann nur mutmaßen: Sowohl der Abacus- als auch der Hegel-Amp besitzen einen überdurchschnittlich hohen Dämpfungsfaktor, beide führen die Lautsprecher nachgerade wie an der Abschleppstange. Das scheint dem Fyne-Audio-Monitor nicht so richtig zu behagen, er geht ganz offenbar lieber an der längeren Leine spazieren – und genau das tun wir jetzt mal.
Fyne Audio F1-5: Klangtest & Vergleiche
Sie suchen einen Studiomonitor, mit dem Sie Aufnahmen mal so richtig auf den Zahn fühlen, Salz in produktionstechnische Wunden streuen und Masteringfehler schonungslos aufdecken können? Sie delektieren sich am grisselnden Rauschteppich alter Stranglers-Aufnahmen und möchten kopfschüttelnd grummeln, weil der Tonkutscher bei Songs von The Police vergessen hat, ungenutzte Spuren am Pult stummzuschalten? Dann können Sie an dieser Stelle getrost die Lektüre dieses Tests beenden und zum Beispiel hierhin klicken. Alle anderen hingegen dürfen sich ein geziemendes Gläschen Laphroaig oder einen anderen schottischen Malt ihrer Wahl eingießen und weiterlesen.
Der Fyne Audio F1-5 ist meiner Ansicht nach vor allem ein Genusslautsprecher. Man kann mit ihm in andere Welten abdriften und der schnöden Realität für einen langen Zeitraum bestgelaunt abhandenkommen. Wie macht er das? Ist er ein Schönfärber, ein Schmeichler? Das nun auch wieder nicht. Aber er bringt eine sagenhafte Entspanntheit und Lässigkeit (nicht Nachlässigkeit!) mit, die auf mehreren Talenten beruht.
Der Raumfluter
Das erste und am deutlichsten hervorstechende ist wohl die Fähigkeit der Lautsprecher, sich „unsichtbar zu machen“. Hier pappt kein Klang an Membranen oder Gehäusen, die Musik fächert sich breit im Raum auf und ist dabei auch links und rechts jenseits der Boxen wahrzunehmen. Das funktioniert nicht nur bei akustischen Aufnahmen, die live mit Laufzeitmikrofonie eingefangen wurden, sondern auch bestens bei „vollsynthetischer“ und/oder am Rechner „zusammengeschobener“ Musik. Wie sich die zahlreichen Synthie-Spuren bei Depeche Modes „Behind the Wheel“ (Album: Music for the masses; auf Amazon anhören) im stereofonen Panorama breit wie tief auffächern und manifestieren, ganz so, als wären es akustische Instrumente – da bleibt einem fast die Spucke weg. Ich muss hier ausnahmsweise doch mal wieder den Terminus der „holografischen Wiedergabe“ bemühen und einen Groschen ins Phrasenschwein werfen: Selbst Klänge tief hinten im Raum scheinen greifbar. Aber auch kleinere Arrangements und „Girl with a piano“ sind ein Genuss: Wenn Adele in ihrem Song „Make you feel my love“ im Refrain ihre Stimme erhebt, dann gibt das eine amtliche Ganzkörpergänsehaut, weil die Dame real existierend in der Wohnstube zu singen scheint. Das ist Authentizität pur und ganz, ganz weit weg von Konserve.
Fein gezeichnet
Zudem sind Stimmen und akustische Instrumente ein Heimspiel für den Fyne F1-5. Vor allem im Mittenband verfügt dieser Lautsprecher über eine beachtliche Feinzeichnung und Akkuratesse, die es problemlos möglich machen herauszufinden, ob da ein echtes Klavier spielt (Dire Straits: „Telegraph Road“), bei dem man auch das sanfte Gleiten der Dämpfer auf den Saiten hört – oder eben ein Sample (Adele: „Make you feel my love“). Etwas anders sieht’s im Hochtonbereich aus. Dieser wirkt gegenüber anderen Vertretern der Zunft ein Stück weit abgedunkelt beziehungsweise gülden; damit einher geht, dass die Auflösung im Hochton zwar immer noch gut ist, aber nicht das Ende der highfidelen Fahnenstange darstellt und gegenüber der stupenden Feinzeichnung im Mittenband etwas abfällt. Hier fällt mir als krasses Gegenbeispiel die deutlich teurere B&W 805 D3 (6.000 Euro) ein, die im Hochton und Superhochton eine Auflösung mitbringt, die ich bisher bei kaum einem anderen Lautsprecher so gehört habe, aber diese hohe Detailzeichnung wiederum im Mittenband nicht ganz halten kann.
Interessant ist der Effekt, den der Regler auf der Front mitbringt. Hier lässt sich der Gesamtklang unkompliziert „auffrischen“, aber auch weiter abdunkeln. Anders als dedizierte Tiefton- oder Höhenanpassungen zäumt dieser Regler das Pferd gewissermaßen von hinten auf und macht es damit erstaunlich gut möglich, gewisse limitierende Effekte der Raumakustik oder der vorgeschalteten Elektronik auszugleichen. Denn während Bass- und Höhenregler zumeist nur eine bestimmte Frequenz und deren näheres Umfeld anheben beziehungsweise absenken, arbeitet Fyne über einen größeren Bereich, was insgesamt organischer wirkt und in den empfundenen Frequenzgang weniger arge „Dellen“ einbaut, sondern eher leichte Anstiege/Gefälle. Das ist eine praxisnahe Sache, auch wenn es mir persönlich in der „Flat“-Stellung insgesamt am besten gefiel.
Die oben angesprochene, wegen der milderen Höhen etwas dunklere Gangart des Fyne-Audio-Lautsprechers hat Vor- und Nachteile. Ein Nachteil ist es natürlich dann, wenn man im Hochton jeden Floh husten und jeden Grashalm wachsen hören möchte. Es kann aber auch ein eklatanter Vorteil sein, wenn man Musik hört, die „obenrum“ entweder etwas dick aufträgt oder aber aus der Anfangszeit digitaler Studioproduktionen stammt – und somit spitz, „nass“ oder artifiziell klingt. Gerade in den 1980er Jahren war das ja häufig der Fall, viele Produktionen aus dieser Zeit wirken über eine analytische Kette unangenehm steril: Hier fallen mir Bands wie Frankie Goes to Hollywood, Nik Kershaw, Hooters, Spandau Ballett ein, aber auch vermeintlich als audiophil hochgelobte Produktionen, die bei näherer Betrachtung und längerem Zuhören dann oft eben doch durch eine gewisse Sterilität ermüden (Dire Straits „Brothers in Arms“ oder Donald Fagen „Kamakiriad“ beispielsweise). Über den Fyne Audio F1-5 kann man diesen und anderen Alben und Künstlern stundenlang ermüdungsfrei lauschen. Selbst etwas mediokre Liveaufnahmen (Peter Gabriel „Plays Live“) machen plötzlich richtig Spaß, weil der F1-5 den Zeigefinger nicht so sehr auf Artefakte wie Rauschen oder einen „grisseligen“ Hochton legt, wie man ihn bei weniger guten Produktionen schon mal hat.
Gefühlter Klang
Im Tiefton kann der F1-5 natürlich weder mit einem ausgewachsenen Standlautsprecher noch mit so mancher größeren Kompakten mithalten; ab circa 80 Hertz abwärts wird es etwas dünner und noch eine Oktave tiefer ist dann alsbald Schluss mit lustig: Das Synthesizer-Intro zu „Telegraph Road“ (Dire Straits, Album: Love over Gold), unter dem eigentlich auch ein tieffrequentes, unruhiges Grummeln liegt, wirkt dadurch schon merklich weniger bedrohlich als über eine größere Box. Andererseits kommt ein bauchiger Bass (Madness, „Our House“, Album: The Rise & Fall / Babyshambles, „Fuck Forever“, Album: Down in Albion; auf Amazon anhören) aber durchaus souverän und auch mit Schmackes rüber. Dieser „Schmackes“ ergibt sich zum einen durch eine leichte Oberbassbetonung, zum anderen aber auch durch die gute Konturiertheit, Geschwindigkeit und Präzision – mit solchen Meriten kann man dem Fehlen eines absoluten Tiefgangs im „gefühlten Klang“ ja ein Stück weit erfolgreich entgegenwirken. Im Vergleich zur zwar deutlich günstigeren, doch circa 20 % größeren B&W 606 S2 Anniversary Edition (749 Euro) kann der Fyne Audio F1-5 jedenfalls klar mehr Tieftonenergie lostreten.
Was mich übrigens erstaunt: Selbst an einer Röhre (meinem Tsakiridis-Amp) kann der F1-5 durchaus flink aufspielen, die „lange Leine“ in Bezug auf den geringen Dämpfungsfaktor zeitigt hier keine negativen Effekte – weiter oben schrieb ich ja schon über den gut konturierten Bass. Doch auch obenrum geht’s flott zur Sache. So zeigt der F1-5 schonungslos auf, dass der Drummer in „All you Zombies“ von den Hooters zwar die Offbeat-Rimshots und Crashbecken hochpräzise ausführt, dafür aber in der Strophe bei der Hi-Hat zuweilen eiert und schleppt. Ebenso präzise schält er die fast an einen Drumcomputer gemahnende, ultrapräzise Hi-Hat- und Beckenarbeit des amerikanischen Drummers Christopher Parker in Donald Fagens Album Kamakiriad (auf Amazon anhören) (z. B. „Trans-Island Skyway“) heraus.
Sie sehen: Auf der einen Seite schaut der Fyne Audio F1-5 mit einer gewissen „Gnade“ auf das zugespielte Musikmaterial. Nicht mit Schönfärberei, aber eben einer gewissen Nonchalance. Auf der anderen Seite sieht er aber in manchen Disziplinen (Timing, Feinauflösung und Mikrodynamik im Mittenband) ganz genau hin. Diese ungewöhnliche Mischung aus Laissez-faire und Präzision ist nicht nur selten, sie hat auch ihren ganz eigenen Zauber, der einen umso mehr in den Bann zieht, je länger man mit dem Fyne F1-5 zu tun hat.
Test: Fyne Audio F1-5 | Kompaktlautsprecher