Demnächst im Test:

Jörg Dames

Ausgebildeter Elektroniker, Diplom-Kaufmann, Musiker (Gitarre), Herausgeber von fairaudio

Jörg Dames

„Auf das Wesen kommt es an.“ – Dieser Gedanke ist alt. Sehr alt. Genau genommen über 2.500 Jahre. Zumindest, wenn es stimmt, dass der griechische Philosoph Thales tatsächlich einer der Ersten war, der lehrte, dass es im Leben eigentlich nicht um die Dinge selbst, sondern um etwas Tieferes geht – eben um deren Wesen.

Okay, hat mit Musik erstmal nichts zu tun und ist recht theoretische Kost. Aber durchaus praktisch. Auf den zweiten Blick sogar, was Musik betrifft. Warum? Na ja, auf die Frage nach meiner Lieblingsmusikrichtung würde ich wohl in etwa so antworten:

Ich mag`s ruhig, harmonisch, klassisch. Aber auch laut, dissonant, avantgardistisch. Nachdenklich, beruhigend sowie aggressiv aufwühlend. Eingewebt in dicht arrangierte Soundcollagen. Spärlich instrumentiert fasziniert ebenso. Begleitet von glockenklarem Gesang – alternativ von effektvoll verzerrten Stimmen. Das Ganze elektronisch oder rein akustisch.

Ein bisserl verwirrt liest sich das schon. Ist es aber gar nicht. Denn auf das Wesen der Musik kommt es mir an, nicht auf die Musikart oder das Genre. Ich meine, wahrnehmen zu können, ob Musik authentisch entstanden ist oder lediglich als Produkt designt wurde. Man hört, wenn Künstler am Werk sind, denen es nicht lediglich um das Ergebnis, sondern genauso um den Prozess des Schaffens an sich geht. Die eins sind mit dem, was sie tun. Egal ob sie laut oder leise, schnell oder langsam spielen. Sei es Gospel oder Death Metal. Es entsteht eine Tiefe in der Musik. Als Resultat „funkt“ es in einer besonderen Weise zwischen Musik und Hörer – zumindest wenn man in passender Stimmung ist. Man ist berührt. In welcher Form auch immer. Wichtig ist die Intimität. Das glaubhafte Rüberbringen der Emotion. Die Konsistenz innerhalb der Stücke. Die natürlich gewachsene Widerspruchsfreiheit zwischen dem Werden der Musik und deren Ergebnis. Echte Bio-Musik von mir aus. Man schmeckt das.

Die erste Band, in der ich spielte – eine Drei-Akkorde-Punk-Kapelle – hieß „Schlusslicht“. Unser Sänger wälzte sich sogar während der Proben, die im schmucklosen Keller eines Jugendzentrums stattfanden, ekstatisch über den Fußboden, um im nächsten Moment wieder wie von der Tarantel gestochen umherzuspringen. Er war immer „live“ – auch ohne Publikum. Immer „on stage“. Ohne cooles Outfit. Ohne Show. Er war einfach drin in der Musik. Er war zeitweise die Musik.

Damals noch dilettierender Schlagzeuger, greife ich heute gerne zur Gitarre und spiele ruhiger. Die schönsten Momente und die besten Stücke entstehen gleichermaßen: Man vergisst sich. Reflektiert nicht, dass man gerade Gitarre spielt. Keine Kopflosigkeit oder Entrückung, es fließt einfach nur selbsttätig. Das hört man. Und unterscheidet sich im Grunde gar nicht soviel von damals.

Drücke ich auf die Knöpfe meiner HiFi-Anlage erwarte ich genau das. Es geht nicht um ein vordergründig beeindruckendes Sound-Ergebnis. Auch nicht darum, dass in irgendwelchen klanglichen oder messtechnischen Teildisziplinen diskrete Bestwerte erreicht werden. Ich will Fluss, Selbstverständlichkeit, Glaubwürdigkeit. Aber kein Posing. Kein Hochglanz-Abbild der Musik. Ich will so involviert werden, dass mich meine Anlage sanft aufs Sofa nagelt – ohne wehzutun.

Ausgereifte Homogenität ist das entscheidende Stichwort. Gutes HiFi kann man nicht einfach in einer Materialschlacht hindesignen. Genau wie gute Musik nicht.

joerg.dames@fairaudio.de
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