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Ein Walnuss-furniertes Gehäuse, das eher an einen Schrank als an einen Lautsprecher erinnert und das nur ein einziges, recht großes Chassis auf der Front trägt. Klangregler, eine Erdungsklemme am Lautsprecherterminal und das Ganze kommt aus Schottland – richtig, wir reden über Lautsprecher von … Fyne Audio (Vertrieb: www.tad-audiovertrieb.de). Geben Sie es zu, ich habe Sie aufs Glatteis geführt. Sie wollten „Tannoy‟ sagen. Was man angesichts der Fyne Audio Classic X (Preis: 7.699 Euro), um die es im Folgenden geht, verstehen kann. So ganz unrecht haben Sie nicht …
Über Fyne Audio kann man nicht schreiben, ohne Tannoy zu erwähnen. Wer sich ein wenig in der HiFi-Szene auskennt, weiß schon beim Anblick der Fyne Audio Classic X warum. Da sind vor allem die ikonischen Koaxialtreiber, bei denen ein Hochtonhorn im Zentrum der Membran eines vergleichsweise großen Konustreibers sitzt. Diese Bauform war lange Zeit das Markenzeichen des englischen Traditionsunternehmens Tannoy – auch wenn Tannoy natürlich nicht der einzige Hersteller ist, der derartige Chassis baut.
Tannoy hat nicht nur ein Standbein im HiFi-Markt, sondern auch im Umfeld professioneller Tonstudios. Dieser Tatsache ist es zu verdanken, dass die „Schotten‟ 2015 von der Music-Tribe-Gruppe aufgekauft wurden. Die damit verbundene Fokussierung auf die Pro-Sparte gefiel nicht allen Mitarbeitern. So kam es, dass sich einige bewährte Mitglieder der Mannschaft rund um den ehemaligen technischen Leiter Dr. Paul Mills mit einer neuen Firma – Fyne Audio – selbstständig machten. Dass sie vielen bewährten Konstruktionsprinzipien treu blieben und sie mit frischen Ideen zu neuen Produkten weiterentwickelten, durfte nicht überraschen. Das soll es nun aber mit Tannoy gewesen sein. Von hier an geht es ausschließlich um unsere aktuellen Testkandidaten, die Fyne Audio Classic X.
Fyne Audio Classic X: Technik & Konzept
Wer glaubt, Fyne Audio versuche hauptsächlich den Nischenmarkt Schottischer Tonmöbel zu besetzen, irrt. Der weitaus größere Teil des Lautsprecherportfolios besteht aus sehr modern anmutenden Lautsprechern, wie etwa den bereits auf fairaudio vorgestellten Modellen Fyne Audio F1-5 und Fyne Audio F501. Auch mit Themen wie Home Cinema oder Installationslösungen fremdeln die Schotten nicht. Tatsächlich stellen die schrankähnlichen Tonmöbel der Classic-Serie mit aktuell vier und die der Vintage-Serie mit drei Modellen die kleinsten Produktlinien dar, wobei die Classic- preislich unter der Vintage-Serie angesiedelt ist. Innerhalb der Classic-Serie sind die Classic X mit ihren Zehn-Zoll-Treibern die mittleren Modelle, darüber gibt es noch die Classic XII mit Zwölf-Zoll- und darunter die Classic VIII mit Acht-Zoll-Chassis – die auch als Regallautsprecherversion Classic VIII SM zu haben sind.
Gemeinsam ist den meisten Lautsprechermodellen von Fyne Audio, dass sie mit Koaxialchassis arbeiten. „IsoFlare‟ nennt Fyne Audio die Chassis, deren Abstrahlcharakteristik der einer idealen Punktschallquelle nahekommen und die eine besonders gute Stereoabbildung gewährleisten sollen. Bei der Sicke kommt eine spezielle, „Fyneflute“ genannte Technologie zum Einsatz. Die erkennt man an den markanten Rippen. Diese Rippen sollen verschiedene negative Einflüsse, vor allem Resonanzen, unterbinden. Weitere Besonderheiten aller gehobenen Fyne-Audio-Modelle sind die „Basstrax‟ genannten Schallführungen, bei denen die Bassreflexöffnung nach unten, auf einen auf einem zweiten Gehäuseboden montierten Kegel mit Traktrix-Kontur abstrahlt, der den Schall leitet und dafür Sorge tragen soll, dass er in alle Richtungen abgestrahlt wird. Das mache die Lautsprecher aufstellungsunkritischer, so die Schotten.
Die meisten Fyne-Audio-Lautsprecher verfügen über Regler, mit denen man den Frequenzgang beeinflussen und so an den Hörraum beziehungsweise den eigenen Hörgeschmack anpassen kann. Zudem gehört auch Fyne Audio zur wachsenden Gemeinde der Lautsprecherhersteller, die der Erdung der Chassis eine klanglich relevante Rolle beimessen. Folglich gibt es neben den Lautsprecherklemmen einen Anschluss für einen Erdungsleiter.
Die Fyne Classic X bieten dank separater Anschlussklemmen für Hoch- und Tieftöner die Möglichkeit des Bi-Wirings und Bi-Ampings. Gute Kabelbrücken gehören ebenso zum Lieferumfang wie massive Spikes samt Teller, die empfindliche Böden schützen. Die Spikes mögen akustisch die beste Lösung sein, optisch haut die Sache meiner Meinung nach aber nicht ganz hin. Ansonsten trifft das Aussehen der Classic X meinen Geschmack zu 100 Prozent. Über das schwarz-goldene Design des Regler-Feldes kann man diskutieren, okay, man kann aber auch einfach die rustikale Frontbespannung davor setzen, die mir ebenfalls gut gefällt.
Noch ein paar technische Infos zu den Fyne Audio Classic X: Die IsoFlare-Chassis haben einen Durchmesser von 250 Millimetern, also etwa zehn Zoll, die Membran des Tiefton-Parts besteht aus einer Mischfaser mit sehr glatter Oberfläche; auf den ersten Blick hätte ich gedacht, es handele sich um eine Kunststoffmembran. Den Hochton-Part übernimmt ein Druckkammertreiber mit einer 75-Millimeter-Titanmembran, der durch einen vergleichsweise kleinen Trichter abstrahlt und dort mündet, wo bei einem konventionellen Chassis die Staubschutzkalotte sitzt. Die Trennfrequenz zwischen Hoch- und Tieftöner liegt bei recht niedrigen 750 Hertz. Die Chassis arbeiten auf ein Doppel-Bassreflex-Gehäuse, nach unten geht es laut Hersteller bis auf 26 Hertz (-6 dB) hinab. Mit einer Impedanz von acht Ohm und einen Kennschalldruck von beachtlichen 94 dB/W/m sollten sich die Fyne Audio Classic X auch für den Betrieb an Röhrenverstärkern eignen.
Fyne Audio Classic X: Hörtest und Vergleiche
Einen Röhrenverstärker habe ich gerade nicht in Betrieb, dafür aber den fantastischen Audio Analogue Class-A-Boliden ABsolute. Doch die ersten Töne, die die Fyne Audio Classic X von sich geben, sind … erschreckend. In den Mitten trötet es mich heftig an, im Bass grummelt es irgendwo vor sich hin, das hat alles erst mal wenig mit hifideler Musikwiedergabe zu tun.
Michael Hülsewiesche vom TAD Audiovertrieb, der mir die Fyne Audio Classic X vorbeigebracht und beim Auspacken und Aufstellen geholfen hat, beruhigt mich. Die Lautsprecher hätten eine ganze Zeit lang nicht gespielt, kämen gerade aus dem Auto, hätten das Geschüttel einer mehrstündigen Fahrt hinter sich und müssten sich deshalb erst einmal akklimatisieren. Neue Fyne-Audio-Lautsprecher bräuchten gar eine Einspielzeit von rund 200 Stunden, bis sie ihr klangliches Potenzial entfalteten, mein Testmuster sei aber schon mal eingespielt worden und würde deutlich schneller wieder zur Hochform auflaufen … Also dürfen die Fyne Audio Classic X zunächst rund eine Woche kontinuierlich im Hintergrundbetrieb spielen, danach empfinde ich das Klangbild als stabil.
Alles geregelt?
Als nächstes experimentiere ich mit der Aufstellung und den Drehreglern für „Energy‟ (Hochtöner-Pegel > 750 Hertz) und „Presence“ (circa 2500 bis 5000 Hertz). Recht unmittelbar auf meinen Hörplatz ausgerichtet und mit beiden Reglern in Mittelstellung, tun mir die Classic X ab dem Präsenzbereich bis in die Höhen des Guten zu viel. Also nehme ich „Energy“ auf ein für mich angenehmes Maß zurück. Den Präsenzbereich lasse ich in der Mittelstellung, so passt es für mein Hörempfinden am besten.
Ein bisschen wundert es mich schon, dass die Fyne Audio Classic X gen Hochton so offensiv abgestimmt sind, dass mir die mittlere Einstellung des Hochtonreglers, die laut Fyne Audio die Neutralstellung sein soll, zu viel ist. Angesichts der recht dichten, magnetisch haftenden Frontbespannungen kommt mir allerdings ein Verdacht – der sich bestätigt, als ich die Lautsprecher im Vergleich mit und ohne Bespannungen höre. Mit dem Stoff vor den IsoFlare-Chassis klingt der Hochton merklich verhaltener. Hier erweist sich die Mittelstellung des „Energy‟-Reglers wirklich als passend. Doch natürlich kann man mit den Reglern nicht nur den Einfluss der Frontbespannungen kompensieren, sondern die Boxen auch auf den Hörraum beziehungsweise den eigenen Geschmack einstellen. Das finde ich gut, zumal die Classic X mit praxisgerecht ausgelegten Klangreglern ausgestattet wurden. Die andere Seite der Medaille ist, dass ich keine „absolute Aussage“ zur Tonalität machen kann, denn die lässt sich ja mithilfe der Regler beeinflussen.
Räumliche Darstellung
Die Frontbespannungen haben noch einen weiteren Einfluss, und damit sind wir beim Thema räumliche Abbildung. Das soll ja eine Paradedisziplin von Koaxialtreibern sein. Und tatsächlich, ohne Frontbespannungen liefern die Classic X eine sehr klare, scharf umrissene Bühne, auf der die musikalischen Akteure sehr präzise zu lokalisieren sind. Auch der Aufnahmeraum ist in seinen Dimensionen klar erfahrbar. Die Bühne beginnt dabei ziemlich genau bei der Grundlinie zwischen den Boxen. Das Ganze wirkt auf mich ein wenig wie eine „Guckkastenbühne“, bei der ich als Zuhörer vor dem zum Publikum geöffneten Bühnenkasten sitze. Ich bin ganz klar in der Zuschauerposition und betrachte (okay: höre) das Geschehen quasi „von außen“.
Nun gehöre ich aber zu den Menschen, die eine etwas stärker involvierende Räumlichkeit mögen. Das gelingt am besten, wenn die Lautsprecher den Hörraum zumindest in gewissen Grenzen miteinbeziehen. Rundum- und Dipol-Strahler, wie es etwa die Kingsound Queen V teilweise sind, machen das – allerdings oft in einem unkalkulierbaren Maß, sodass das Konzept je nach Raum auch floppen kann. Andere Technologien, die ein bisschen Diffusschall „versprühen‟, funktionieren meiner Erfahrung nach zuverlässiger, ein Beispiel sind etwa die Larsen 8. Zu nennen sind auch Technologien wie die „Perforated Phase Aligning“-Akustiklinsen, die Paradigm vor Hoch- und Mitteltönern einsetzt. Eine andere Möglichkeit sind zusätzliche, nach hinten oder oben abstrahlende Hochtöner, so wie Lyravox sie etwa bei den Karlsson oder DoAcoustics bei den Armonia Mundi Impact eingebaut haben.
Offenbar streuen die Frontbespannungen der Fyne Audio Classic X den Schall auch ein wenig, denn mit den Bespannungen ist die Abbildung nicht mehr ganz so messerscharf, dafür scheint die Musik mehr mit meinem Hörraum zu tun zu haben. Die Guckkastenillusion wird abgemildert und die Musik rückt ein Stück auf mich zu. Die Entscheidung, ob Sie die Classic X mit oder ohne Frontbespannungen hören, sollte also keine rein ästhetische, sondern eine klangliche sein. Das Schöne ist: Sie haben die Wahl, ob Sie es lieber „studiomäßig-straight“ oder „authentisch-livehaftiger-weicher“ serviert bekommen.
Der Bassbereich
Genug zur Frontbespannung! Im Bass macht sich der Stoff nicht bemerkbar – und er kann vor den sich rund um die Lautsprecher öffnenden Basstrax-Schallführungen auch nicht abgenommen werden. Das recht üppige Volumen, das die kantigen Gehäuse den Zehn-Zoll-Chassis zur Verfügung stellen, macht sich in einer tiefreichenden, souveränen Basswiedergabe bemerkbar. Der Akzent liegt dabei eher auf der Quantität – wenn es sein muss, entfesseln die Lautsprecher wirklich beeindruckende Energien. Dass es durchaus etwas kontrollierter und detaillierter, also in Sachen Qualität noch etwas mehr geht, zeigen dagegen meine Divine Audio Bellatrix (9.000 Euro), die im Tiefton etwas schlanker, dafür aber auch ein wenig präziser agieren.
Bei meinem aktuellen Lieblings-Dancefloor-Track, „2 Die 4‟ von Tove Lo auf dem Album Dirt Femme, geht es tief in synthetische Abgründe hinab. Dass es hier unten noch recht differenziert zugeht, bringen die Bellatrix klarer zu Gehör, während mir die Classic X den Beat mächtiger in den Magen schieben. Die Bellatrix spielen im Bass neutraler, während die Fyne Audio ein kleines bisschen mehr Schub geben, was der Sache nicht schadet. Der Spaßfaktor ist also bei den Classic X etwas höher, die Durchzeichnung bei den Bellatrix.
Mitten und Hochton
Die Fyne Audio F1-5 beschreibt mein Kollege Jochen Reinecke als „samtig‟ und eher eufonisch. Die Classic X empfinde ich dagegen als „straight‟. Stimmen präsentieren sie mit einer nahezu monitorhaften Direktheit und Klarheit, das ist schon eine Ansage. Dabei überrascht mich die wirklich tolle Auflösung, die die IsoFlare-Chassis bieten. Die Fyne Audio Classic X sind Lautsprecher zum bewussten Hinhören. Das klare, transparente Klangbild lädt dazu ein, die Ohren zu spitzen und tief in die Musik hineinzuhören. In den allerhöchsten Lagen scheinen sich die Classic X dagegen zurückzunehmen. Das feine „Air‟ von Hochtonspezialisten wie etwa das einer Bändchen-bestückten Jean-Marie Reynaud Abscisse bieten sie jedenfalls nicht. Gleichwohl sind sie im Vergleich zu meiner Divine Audio Bellatrix im Hochton offensiver abgestimmt.
Ich sagte es schon: Die Fyne Audio Classic X sind Lautsprecher zum Hinhören – weniger zum „Nebenherhören“. Sie neigen stets dazu, sich beziehungsweise der Musik, die gerade spielt, Gehör zu verschaffen. Einfach mal zur gefälligen Hintergrundberieselung laufen lassen? Das funktioniert mit anderen Lautsprechern besser.
Dynamik
Dass dem so ist, liegt zum Teil auch daran, dass die Classic X sehr dynamisch agieren. Das Horn mit seinem 75-Millimeter-Druckkammertreiber und die zehn Zoll große Papiermembran sind in der Lage, Transienten sehr unmittelbar umzusetzen. Die Fyne Audio Classic X sind keine Kinder von Traurigkeit.
Im Gegenteil, sie sind grob- wie feindynamisch stets auf Zack und scheinen es kaum erwarten zu können, sich auf jeden Impuls zu stürzen – sei es eine feine Nuance oder ein mächtiger Pegelsprung. Nicht jedem gefällt das, ich weiß. Ich aber mag Lautsprecher, die diese Form von Lebendigkeit besitzen, vor allem, wenn sich das nicht in Nervosität äußert, sondern souverän klingt, wie das bei den Classic X der Fall ist. Meine Horns FP10 zum Beispiel hatten dieses Talent auch, klangen aber „grobschlächtiger“ als die Fyne Audio. Und ja, je nach Musikrichtung würde ich meinen Divine etwas mehr von diesem Esprit wünschen.
Selbst mittelmäßige Aufnahmen klingen über die Classic X angenehm lebendig. Logisch, dass sie richtig dynamisches Material dann noch einmal eindrucksvoller zur Geltung bringen. Was zum Beispiel hervorragend funktioniert, ist großes Orchester. Da geht in Sachen Dynamik die Post ab.
Die Préludes von Franz Liszt (eingespielt vom Chicago Symphony Orchestra unter Sir Georg Solti) hatten das traurige Schicksal, dass ihr Hauptthema vom NS-Regime im Zweiten Weltkrieg als Erkennungsmelodie für den Wehrmachtbericht verwendet wurde. Warum, weiß man sofort, wenn man das Thema, das sich zu einer dramatischen Fanfare steigert, hört. Andere Stellen der Symphonie sind dagegen sehr leise und wehmütig. Die Fyne Audio Classic X haben überhaupt keine Probleme damit, die hohen dynamischen Anforderungen, die die verschiedenen Stimmungen mit sich bringen, souverän umzusetzen. Im Gegenteil, das ist das Material, mit dem diese Lautsprecher aufblühen.
Test: Fyne Audio Classic X | Standlautsprecher