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Test: Jean-Marie Reynaud Abscisse | Standlautsprecher

Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Test: Jean-Marie Reynaud Abscisse | Standlautsprecher

Februar 2015 / Martin Mertens

Nach dem Human Development Report der Vereinten Nationen von vor einigen Jahren zählt Frankreich zu den höchstentwickelten Ländern der Erde. Das Gesundheitssystem wurde von der WHO in der Vergangenheit sogar als das beste weltweit eingestuft. Und mit rund 83 Millionen ausländischen Touristen pro Jahr ist Frankreich angeblich auch das meistbesuchte Land der Welt. Superlative, die sich schnell googeln lassen, mir aber ziemlich neu waren. Geläufiger sind mir da eher die bedeutungsvolle französische Geschichte und reiche Kultur. So gibt es in Frankreich nicht nur eine weltweit beachtete Musikszene, sondern auch international bekannte HiFi-Marken. Spontan fallen mir ein: Focal, Cabasse, Jadis, Audiomat, Atoll, Lavardin, Advance Acoustic, Devialet, Trinnov, Triangle, Elipson, Jean-Marie Reynaud … die Liste ließe sich sicher deutlich erweitern.

Davon, dass französisches HiFi im internationalen Vergleich ganz vorne mitspielt, konnte ich mich schon hinreichend überzeugen. So habe ich meine Musik lange glücklich über einen Jadis Orchestra Blacksilver genossen. Für fairaudio standen die Lautsprecher Highland Audio Dílis 4405 oder die Triangle Magellan Cello 2 in meinem Hörraum; an Verstärkern lieferten sowohl die Vor-/Endstufenkombi Jadis JP15 und JA15 als auch der Vollverstärker Advance Acoustic MAP 101 samt passendem CD-Player MCD 200 beeindruckende Vorstellungen ab. Und auch die Kollegen mögen offenbar französisches HiFi, wie etwa die jüngsten Tests der Lautsprecher Triangle Signature Delta und der Focal Aria 926, des Streamers beziehungsweise D/A-Wandlers La Rosita Alpha New oder der Vor-/Endstufenkombi Advance Acoustic X-Preamp und X-A220 belegen.

Kommen wir zur Abscisse und der Lautsprecherschmiede Jean-Marie Reynaud, kurz JMR. Die Firma wurde von dem inzwischen verstorbenen Jean-Marie Reynaud bereits 1967 ins Leben gerufen. Als Lautsprecherentwickler ist er eine Legende. Heute wird die Firma von seinem Sohn geführt. Das aktuelle Produktportfolio umfasst zwölf Lautsprechermodelle. Das Firmengelände mit einer Fläche von rund 2000 m² inklusive eines reflexionsarmen Raums für Lautsprechermessungen zeigen, dass man es dort offenbar sehr ernst meint in Sachen Lautsprecher. Auf dem heimischen HiFi- und-High-End-Markt ist JMR schon lange eine Hausnummer. Dem Engagement von Arnd Rischmüller von H.E.A.R. (www.h-e-a-r.de) ist es zu verdanken, dass sich die französischen Preziosen auch in Deutschland steigender Beliebtheit erfreuen.

Jean-Marie Reynaud Abscisse Bändchen

Was die JMR Abscisse betrifft, fällt zuerst die Chassisbestückung auf. Bei den auf den Lautsprechern thronenden Hochtönern handelt sich um echte Bändchen. Das sieht man auch wegen der damit verbundenen aufwändigen Übertragertechnik nicht allzu oft. Noch interessanter wird die Sache, wenn man hört, dass die Bändchen schon ab 2.200 Hz ins Spiel kommen. Um hier genug Luft zu bewegen, braucht es Fläche – Hub können Bändchenhochtöner prinzipbedingt nur wenig. Die Fläche gewinnt man bei JMR nicht dadurch, dass ein besonders langes Bändchen eingesetzt wird, sondern ein in die Breite gehendes. Die Abmessungen der gezackten Folie, die die Membran des Bändchenhochtöners bildet, sollen dem goldenen Schnitt folgen. Querresonanzen über die Membran verhindert ein Schlitz in der Mitte. Eine dem Bändchen vorgesetzte Schallführung aus Aluminium soll das Rundstrahlverhalten optimieren. Damit will man bei JMR ein so gutes Ergebnis erzielt haben, dass das Ausrichten der Abscisse auf die Hörposition nicht notwendig sei. Wir werden hören.

Das aufgesetzte, runde Séparée des Hochtöners dient ebenfalls der Optimierung des Abstrahlverhaltens im Hochton. Darüber hinaus ist das Hochtongehäuse durch ein spezielles dämpfendes Material mit dem restlichen Gehäuse verbunden, damit keine Schwingungen der Tiefmittelton-Abteilung auf den Hochtöner übertragen werden. Da hat sich offensichtlich jemand gründlich Gedanken gemacht, und, was leider deutlich seltener ist, auch konsequent gehandelt.

Jean-Marie Reynaud Abscisse Bass

Der untere Konus der als 2,5-Wege-System konzipierten Abscisse läuft im Bass parallel zum Tiefmitteltöner

Bändchenhochtöner gelten als extrem schnell, dynamisch und hochauflösend. Damit der Mittelton hier mithalten kann, setzt JMR unterhalb der Hochtöner pro Box auf zwei Fünf-Zoll-Tiefmitteltöner mit leichten, aber steifen Membranen aus einer Karbon/Kevlar-Mischung. Bei den oberen Tiefmitteltönern der Abscisse optimiert ein Phaseplug das Abstrahlverhalten. Das zweite Chassis ist mit einer konventionellen Staubschutzkalotte aus Papier ausgestattet und unterstützt das obere Chassis unterhalb von 400 Hertz. Insgesamt handelt es sich also um ein sogenanntes 2,5-Wege-System. Um mit der auch im Verbund recht bescheidenen Membranfläche tiefe Töne zu reproduzieren, setzten die Franzosen auf ein Transmissionline-Gehäuse. Eine alles andere als alltägliche Bauform, gelten TLs doch als aufwändig – sowohl was die Entwicklung und Abstimmung als auch was die Fertigung der Gehäuse betrifft. Tief- und Tiefmitteltöner sind mit Hilfe von Gewindestangen mit den Rückwänden der Lautsprecher verspannt. Das soll eine perfekte Verbindung der Chassiskörbe mit Schallwänden und Gehäusen gewährleisten, wovon man sich bei JMR eine drastische Verbesserung der Impulsgenauigkeit verspricht. Hier vertritt man also die Philosophie einer harten Ankopplung der Treiber ans Gehäuse.

Jean-Marie Reynaud Abscisse Seite

JMR Abscisse: Weiche Linienführung und weiche Oberfläche aus Gummi

Eher weich geht es bei der Gehäuseoberfläche zu. Primär verwenden die Franzosen eine samtige Beschichtung rund um die Chassis, die, genauso wie die abgerundeten Gehäusekanten, unerwünschte Schallreflexionen am Gehäuse verhindern soll. Noch einen Schritt weiter geht man bei der Oberfläche meiner Testmodelle. Die besteht nämlich aus weißem Gummi. Oberflächenbeschichtungen aus Gummi sind eine Spezialität von JMR, die vor allem bei den großen Modellen zum Einsatz kommt. Zur Wahl stehen Schwarz oder Weiß, beides jeweils matt. Die Gummi-Oberflächen dämpfen laut JMR zusätzlich Schallreflexionen am Gehäuse. Wobei bei der JMR Abscisse optional auch andere, konventionelle Oberflächen zur Wahl stehen. Die Gummi-Oberflächen stellen aber laut JMR klanglich das Nonplusultra dar.

Jean-Marie Reynaud Abscisse Weiche

Erwähnenswert ist noch, dass die Frequenzweichen zweigeteilt aufgebaut sind, damit sich die einzelnen Bereiche nicht gegenseitig stören. Sie sind in eigenen Séparées unten in den Gehäusen der Lautsprecher untergebracht. Die Frequenzweichen selber kommen ohne Platine aus und sind stattdessen Punkt-zu-Punkt-verdrahtet. Hierbei kommen ausschließlich Bauteile, die mit einer Toleranz von 1 % selektiert wurden, zum Einsatz. Die empfohlene Einspielzeit von rund 200 Stunden ist laut Arnd Rischmüller übrigens den verwendeten Silber-Kondensatoren geschuldet, die ein bisschen brauchen sollen, bis sie ihre optimale Performance erreichen. Silber in Form von Silberkabeln kommt auch bei den serienmäßigen Brücken zwischen den Anschlüssen des Bi-Wiring-Terminals zum Einsatz.

Ok, ganz offensichtlich hat man bei JMR weder Kosten noch Mühen gescheut, um die Abscisse auf Höchstleistung zu trimmen. Dass sich der Aufwand lohnt, zeigen allein schon die technischen Daten. Trotz der extrem zierlichen und gefälligen Physis der Boxen gibt JMR den Frequenzumfang der Lautsprecher mit 35 bis 25.000 Hz an, und das Ganze bei einem Wirkungsgrad von 91 dB. Das macht extrem neugierig auf die klanglichen Eigenschaften der schönen Französinnen.

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Test: Jean-Marie Reynaud Abscisse | Standlautsprecher

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