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Überarbeitet und Master. Wer bei diesen Wörtchen zuallererst an seine dunklen Augenringe und seinen Chef denkt, könnte vielleicht etwas Urlaub vertragen, greift mit Sicherheit aber ein wenig kurz. Denn von AVM (https://avm.audio/de/) gibt’s seit Kurzem den Ovation A 6.2 Master Edition (5.990 Euro), eine technisch an entscheidenden Stellen überarbeitete Version des von uns vor über vier Jahren getesteten, erfolgreichen Vollverstärkers Ovation A 6.2.
Wer bin ich?
Der AVM Ovation A 6.2 Master Edition ist wie sein Vorgänger ein kraftvoller Class-AB-Transistorverstärker: In der Ausgangsstufe der in Doppelmono gehaltenen Verstärkerschaltung stellen pro Kanal zwölf Mosfets bis zu 180 Watt an 8 Ohm bereit. Der Vorgänger war je Kanal mit 225 Watt deklariert und auch die größeren Brüder AVM Ovation A 6.3 und A 8.3 besitzen mit ihren 20 Mosfets je Seite einen Tick mehr Leistung. Der eigentlich entscheidende Unterschied: A 6.3/A 8.3 weisen einen integrierten DAC und entsprechende Digitalschnittstellen auf, der A 6.2 Master Edition ist hingegen durch und durch analog.
Den Wunsch nach einem analog-puristischen Ovation-Vollverstärker alter Schule hätten viele Kunden, die einen separaten hochwertigen DAC besitzen oder schlichtweg keinen benötigen, immer wieder an AVM herangetragen, so Firmenchef Udo Besser. Und so finden sich ausschließlich zwei XLR– und fünf Cinch-Hochpegeleingänge am A 6.2 Master Edition. Hinaus mit den analogen Signalen geht’s über die beiden Vorverstärkerausgänge (XLR, Cinch – Stichwort: Bi-Amping mit der SA 6.3-Endstufe), eine 6,35-mm-Kopfhörerklinke, eine Festpegel-Cinchbuchse oder – na klar – über die Lautsprecherklemmen.
Weniger „na klar“ ist, dass die griffigen, gerade für Spades noch komfortableren Lautsprecherklemmen nun den A6.3/A8.3 entlehnt sind. Und dass es zwar auch schon beim „alten“ A 6.2 einen Kopfhörerausgang gab, aber keine dedizierte Verstärkerschaltung. Im A 6.2 Master Edition hingegen wird das Kopfhörersignal nicht einfach abgezwackt, sondern von einem eigenen Class-A-Verstärker aufbereitet: Impedanzen von etwa 20 bis 600 Ohm sollen von ihm sicher gehändelt werden. Ich habe probeweise kurz einen MrSpeakers Ether 2 (16 Ohm) und AKG K712 Pro (62 Ohm) angeleint. Mein spontaner Eindruck (unbedingt aber ein paar Stunden gesondert einspielen, anfangs tönt’s zu hell und mit leicht exponierten Höhen): tonal neutral, ausgedehnte Frequenzenden, schön luftig und dynamisch zupackend. Da sollten auch bei anspruchsvolleren Kopfhöreraficionados die Mundwinkel nach oben weisen. Der Lautsprecherausgang lässt sich im Menü derweil übrigens mit wenigen Tastendrücken manuell deaktivieren.
Am Rad gedreht
Apropos „kontrolliert“: AVM liefert, logo, natürlich eine Fernbedienung mit, eine ansehnliche aus Metall noch dazu – aber noch schöner ist’s, am Rädchen zu drehen: Die beiden samt Achse aus dem Vollen gedrehten, runden Regler auf der anderthalb Zentimeter starken Alu-Front des A 6.2 ME bringen nämlich zum einen eine gewisse Masse mit und sind zum anderen tatsächlich kugelgelagert. Der Lautstärkeregler läuft daher schön nach, wenn man ihn anschubst, was die Pegelstellung flott von der Hand beziehungsweise dem Finger gehen lässt. Ein nettes Feature, gerade, wenn es mal flugs leiser (argh, die Schwiegermutter ruft an) werden soll. Klar, eine Mute-Taste täte es natürlich ebenfalls … aber verflixt, wo liegt denn die Fernbedienung jetzt schon wieder rum?
Und so schön oldschoolig die Mechanik, so avanciert neuzeitlich die Technik dahinter: kein verschleißanfälliges Potenziometer mit potenziellen Gleichlaufproblemen, sondern eine vollsymmetrisch beschaltete 256-stufige-Widerstandleister, die unmittelbar auf die entsprechenden Transistoren in der Vorstufe einwirkt. Der Pegel lässt sich in zweihundert Stufen justieren und die Kanalabweichung (Gleichlauf) liege, so AVM, durch die Bank unter 0,05 dB. Auf die „Leisehör-Qualitäten“ des AVM komme ich im Klangteil übrigens noch zu sprechen.
Masterabschluss
Hinter „Lautsprecherklemmen“ und „dedizierter Kopfhörerverstärker“ können wir bereits einen Haken setzen. Welche Upgrades hat AVMs Master-Sechser noch in petto? Unter anderem einen neuen Trafo – der laut Udo Besser die Initialzündung zu dessen Entwicklung auslöste – samt zugehöriger in vier unabhängige Sektionen gegliederter Netzteilperipherie. Dieser gesamte Bereich sei AVM zufolge ausnehmend klangrelevant, obwohl messtechnisch nicht immer in Gänze verifizierbar. Der im AVM Ovation A 6.2 Master Edition verbaute, von 120000 µF Siebkapazität flankierte 1000-VA-Ringkerntrafo stamme von einem für AVM neuen Hersteller, den man laut Besser eher zufällig kennenlernte. Mit anderer Wickeltechnik konstruiert, hat er vor allen Dingen die Ohren der AVMler überzeugt: Insbesondere Dynamik und Spielfreude sollen weiter zulegen – wir werden hören.
Und wenn man schon das Thema „Energieversorgung“ angeht, gerät natürlich auch das Thema „Energietransport“ ins Visier: Herausgekommen ist eine komplett neue Innenverkabelung. Last, but not least: Der Class-A-Bereich der A/B-Verstärkerschaltung wurde erweitert. Heißt: Die „ersten“ acht Watt (an acht Ohm gemessen) belassen den Arbeitspunkt der Ausgangstransistoren im mittleren Bereich ihrer Kennlinien, was mögliche Übernahmeverzerrungen von vorherein vermeidet (mehr zu Class-A-Verstärkung in unserem Hifi-Lexikon).
Ach ja, eine von AVM „Cellini“ getaufte Version ist beim kleinsten Ovation-Vollverstärker jetzt ebenfalls realisierbar: Für 990 Euro Aufpreis kann man sich im Hörraum von einer schmucken Chromfront anglitzern lassen. Für uns soll es im Folgenden lieber ums „Ansounden“ gehen – ab ins Rack mit dem AVM Ovation A 6.2 Master Edition …
AVM Ovation A 6.2 Master Edition : Klangtest & Vergleiche
Bestens im Bilde
Eine auf dem linken Kanal erratisch vor sich hinsäuselnde Geige. Ganz rechts ein Cello, das nicht minder zaghaft und verschlafen Laute von sich gibt. Mittendrin irgendwann ein erster seichter Tomwirbel und das eine oder andere schüchterne Becken, ehe das Schlagzeug in Form eines ersten erkennbaren Rhythmus den Versuch eines klaren Gedankens unternimmt. Schließlich ein sanfter Schlagzeugbesen, der den anderen Instrumenten ein laues Morgenlüftchen um die Nase wehen lässt.
„The Stone Carriers“ von der norwegisch-britischen Combo des Schlagzeugers und Komponisten Thomas Strønen (auf Amazon anhören) lässt die Instrumente sich strecken, recken und behutsam erwachen. Man wähnt sich frühmorgens in einem größeren Schlafraum. Aber keine Sorge: Es gesellt sich noch ein aufgewecktes Klavier hinzu und alle Instrumente werden erfolgreich wach, die morgenmufflige Geige gibt sich sogar putzmunter.
Warum ich den Song so bildhaft beschreibe? Ganz einfach: Die organisch-emotionale Ansprache des AVM Ovation A6.2 Master Edition verleitet einen förmlich zu solchen Assoziationen und Phantasien. Nicht zuletzt aufgrund der phantastischen Mittenwiedergabe: Der A6.2 ME verzichtet zwar darauf, Stimmen und Instrumente mittels eines kleinen Wärmeplus aufzuhübschen, wie das etwa der Endverstärker Rotel Michi S5 kürzlich tat, und gibt sich tonal ähnlich erzneutral wie meine Funk MTX/Bryston 7B³-Kombi. Allerdings hat AVMs kleiner Master einen tonalen Kunstgriff auch gar nicht nötig: Sein wohliges, angenehmes, „süffiges“ Mittenflair rührt vielmehr aus einer besonderen Geschmeidigkeit: einem definierten und dennoch irgendwie runden Ton, der von Begriffen wie „strähnig“, „körnig“, „technisch“ nicht weiter entfernt sein könnte. Top!
Wenn gefordert, kann es der A6.2 Master Edition nichtsdestotrotz richtig knallen lassen: Beim rein elektronischen, hyperdynamischen „Zeit“ des vom Frankfurter Uwe Schmidt während der Techno-Boom-Phase Anfang der 90er-Jahre selbstproduzierenden Projekts Lassigue Bendthaus mache ich mir bei hohen Pegeln schon fast Sorgen um die explosionsartig beschleunigten Mitteltöner meiner Lautsprecher. Auch hier steht der AVM dem Funk/Bryston-Gespann kaum nach.
Apropos Rotel Michi S5: Dieser fürs Gebotene extrem preiswürdige Endverstärker ist mir nicht zuletzt wegen seiner hervorragenden Klangfarbendifferenzierung noch bestens im Gedächtnis. Und auch der AVM ist – wie in obigen Absätzen bereits durchscheint – ein Meister darin, akustische Instrumente und Stimmen klangfarblich überzeugend organisch darzustellen.
Master und Michi: unterschiedliche Wege
Gleichwohl schlagen beide Verstärker durchaus unterschiedliche Richtungen ein, die nach meinem Gefühl nicht zuletzt von der Hochtonwiedergabe herrühren: Der S5 dimmt ganz oben tonal ein wenig runter, zügelt ein wenig die Luftigkeit, zeichnet die Texturen und Konturen von Klangereignissen aber dennoch sehr präzise mit „hartem Bleistift“ nach. Der AVM Ovation A6.2 Master Edition macht’s eher umgekehrt: In Sachen Luftigkeit/Offenheit der Hochtonwiedergabe reicht er fast an meine „uferlose“ Funk/Bryston-Kombi heran – wovon übrigens auch seine herrlich leuchtende Mittenwiedergabe profitiert. Und übertrifft hierbei beispielsweise Amps wie den Abacus Ampollo oder eine von meinem Funk MTX angesteuerte Meridian 857 Reference. Nichtsdestotrotz zeichnet der AVM mit etwas weicherem Bleistift und setzt außerdem auf eher locker-geschmeidige denn steilflankig-zackige Feindynamik. Welcher Weg auch eingeschlagen wird: Uneingeschränkt langzeittauglich tönen am Ende sowohl der Michi als auch der Ovation A6.2 Master Edition.
Hervorzuheben ist unbedingt, dass es weder der Michi mit dem „Abdunkeln“ noch der Master mit dem „Geschmeidigmachen“ übertreiben. Selbst die subtile Hi-Hat auf dem rechten Kanal von Kasabians „Let’s Roll Just Like We Used To“ (Album: Velociraptor!; auf Amazon anhören) wird vom A 6.2 ordnungsgemäß herausgearbeitet. Gleiches gilt für die ganz leise abgemischten, zart-glänzenden Beckenklänge auf dem linken Kanal in der Bridge vor dem ersten Refrain, die sich gegen plötzlich auf den Plan tretende Bläser zur Wehr setzen müssen.
Gesund unterwegs
Der AVM Ovation A 6.2 Master Edition ist aufgrund der beschriebenen weicheren Linienführung im Hochton kein ausgewiesener Analytiker, aber in Sachen Auflösungsvermögen, wenn man so will, unterm Strich so ziemlich „gesund“ unterwegs. Er tönt tatsächlich fokussierter als sein röhrenbewehrter, großer Bruder AVM Ovation A8.3, über den ich vor fast genau einem Jahr diesen Song ebenfalls hörte. Mir sagte seinerzeit der komplett durchtransistorisierte und am Ende sogar „fairaudio’s favourite Award“ prämierte Ovation A6.3 (gleicher Testbericht) dann trotz seines geringeren Preises auch noch mehr zu. Die Transistor-Amps aus AVMs Ovation-Linie schätze ich grundsätzlich sehr.
Tief im Süden
Richten wir unseren Blick südwärts auf die Basswiedergabe: Die fast schon waffenpflichtig rasenden Bassdrumimpulse in „Odyssey“ (Album: The Migration, rein instrumental mit Jazz-Einschlag) der virtuosen Prog-Metaller Scale The Summit aus Texas perlen so trocken-definiert in den Hörraum, wie man sich das im Grunde nur wünschen kann. Ja, grobdynamisch ist der AVM amtlich auf Zack, bassseitig noch trockener als der Rotel Michi S5 und – wenn mich meine Erinnerung nicht trügt – auch einen Tick flinker und definierter als die Ovation A 8.3 & 6.3. Diese Stärke des A 6.2 ME ist neben seiner schönen Hochtonluftigkeit sicherlich mitverantwortlich dafür, dass das Klangbild insgesamt eine involvierende Leichtfüßigkeit ausstrahlt, die mir während des Testzeitraums immer wieder sehr angenehm ins Ohr fiel.
Und als wolle er jeglichen Anflug von Schwerfälligkeit ganz sicher vermeiden, lässt der AVM A6.2 Master Edition die auffallend großformatig aufgenommene Bassdrum in Foods „Where dry Desert ends“ (Album: This ist not a Miracle; auf Amazon anhören) weniger massiv schieben als der stämmige Michi S5 oder meine hochenergetischen Bryston 7B³. Heißt: Der AVM spielt zwar neutral und so tief, wie man das von einem Amp seiner Klasse erwartet, wuppt aber nicht ganz so viel Infraschall wie die ganz großen Jungs in den Hörraum. Die ausgangsleistungsseitig gar nicht so viel mehr in den Ring werfenden Ovation A8.3 & 6.3 schoben ganz, ganz tief unten ebenfalls noch ein bisschen stärker.
Laut & leise
Ich selbst kann mit dem Level an Tiefbassdruck des AVM Ovation A6.2 Master Edition sehr gut leben und freue mich, dass ich noch lauter „wummerfrei“ aufdrehen kann als sonst. Und laut kann er! Selbst mit meinen eher wirkungsgradschwachen Sehring S903 reicht das locker für Partys, von denen der HNO-Arzt abrät. Leise aber ebenfalls: Was sich abermals prima mit den S903 abchecken lässt, die hinab bis zu Flüsterpegeln erstaunlich komplett, homogen und dynamisch profiliert bleiben. Der AVM steht den Sehring hier in Nichts nach und eignet sich bestens für spätabendliche Hörsessions.
Greifbar echt
Dass ein Verstärker, der es vermag, Instrumente bildlich vor dem Auge erwachen zu lassen, auch räumlich nicht von schlechten Eltern ist, kann man sich denken. Die Stärke des A 6.2 Master Edition rührt allerdings weniger daher, auch noch feinste Hochtondetails „millimetergenau“ zu rastern – wie das etwa meine Funk/Bryston-Kombi vermag. Dafür müsste der AVM wie beschrieben noch härtere Umrisse zeichnen. Sondern daraus, Instrumente und Stimmen kohärent und plastisch, ja: wie „greifbar echt“ zu virtualisieren. Kohärent? Ich meine damit die Fähigkeit, einzelne, sich über einen größeren Frequenzbereich erstreckende Klangereignisse „widerspruchsfrei“ beziehungsweise schlüssig wie aus einem Guss zu definieren. Was selbst bei vermeintlichen Kleinigkeiten wie einem rhythmischen Rasseln im Intro von „Let’s Roll Just Like We Used To“ schön zur Geltung kommt: Vor meinem geistigen Auge formt sich dabei jedenfalls unwillkürlich ein kleiner Geldsack, der zwischen den Lautsprechen schwebt – da muss man gar nicht lange raten. Zugreifen lohnt bei den paar Talern dennoch nicht.
Bei alledem eigentlich bereits klar, gleichwohl eine Extraerwähnung wert: Die grundsätzliche Verortung von Klangkörpern gelingt dem AVM Ovation A 6.2 Master Edition ganz hervorragend. Stimmen wie die von Marc Nguyen Tan – quasi der Alleinunterhalter des französischen, mittlerweile gut abgehangenen Musikprojekts Colder (Album: Again) – stehen inmitten elektronischer Klänge stabil wie eine Eins präzise zwischen den Lautsprechern. Das gilt auch bei leisen Pegeln, was für den tadellosen Gleichlauf der Lautstärkeregelung des A 6.2 Master Edition spricht.
Test: AVM Ovation A 6.2 Master Edition | Vollverstärker