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Endstufen zählen zu den Geräten, die ich besonders gerne teste. Zum einen mag ich das meist recht reduzierte Design. Zum anderen das in der Regel „muskulöse“ Schaltungsdesign beziehungsweise die Macht, im Bedarfsfall auch mal ordentlich Energie zu bewegen. Nicht zu vergessen aber auch: Leistungsverstärkern kommt die bedeutungsvolle Aufgabe zu, unterschiedlichste hochkomplexe Lasten kontrolliert an die Kandare zu nehmen und sich dabei auch noch möglichst unbeeindruckt von deren elektrischen Rückwirkungen zu zeigen.
Lautsprecher sind Motor und Generator zugleich und die Anforderungen, die sie an ihre Energielieferanten stellen, sind so wenig einheitlich wie der Lautsprechermarkt selbst. So schlicht die Mission von Endverstärkern, das Eingangssignal um einen fixen dB-Wert zu verstärken, auf den ersten Blick also auch anmuten mag, so herausfordernd ist die Aufgabe, ein gut klingendes, möglichst universell einsetzbares Kraftpaket zu bauen, das zudem absolut betriebssicher (bei den Einschaltströmen geht’s bereits los) und langlebig ist. Wie sagt ein befreundeter Elektroingenieur und Entwickler immer: „Große Endstufen muss man bauen können“.
Eine Kompetenz, die man einem Hersteller mit langen Garantiezeiten (20 Jahre) und noch längerer Historie (der erste Verstärker entstand 1973) zweifelsohne unterstellen darf. Und gerade die der Legende nach „unkaputtbaren“, auch im Studiobereich zahlreich eingesetzten Endstufen trugen/tragen ja maßgeblich zum Renommee von Bryston (Vertrieb für Deutschland: www.avitech.at) bei.
Apropos Geschichte: Die reicht eigentlich sogar noch länger zurück, denn Tony Bower, Stan Rybb, und John Stoneborough zeichnen für die 1962 erfolgte Gründung und mit ihren Nachnamen zugleich für den Firmennamen von Bryston verantwortlich, hatten aber nichts mit HiFi, sondern mit Blutanalysegeräten am Hut. Der Wechsel zum Audio-Hersteller wurde erst sechs Jahre später eingeleitet, als der NASA-Ingenieur John Russell Bryston aufkaufte, mit seiner Familie von den USA nach Kanada zog, und im Zuge eines Firmen-Relaunches der erste Amp von seinem Sohn Chris entwickelt wurde, der 1973 – zunächst als Prototyp – das Licht der Welt erblickte. Ein Tonstudio in Toronto zählte schließlich zu den ersten Kunden des in Dual-Mono aufgebauten 2 x 100 Watt-Verstärkers „Pro 3“ – und wenn sich Bryston zunächst auch im „Profi-Markt“ einen exzellenten Ruf erarbeitete, ist der HiFi-Markt heutzutage sogar das wichtigere Standbein der Kanadier.
Auch die erst letztes Jahr frisch auf den deutschen Markt gebrachte neue Endverstärkergeneration „Cube“ ist wahlweise im Studio- oder Home-Design – bis auf eine zusätzliche Eingangssignal-Unterdrückung bei den Pros technisch gleichwertig – erhältlich; auf die markanten frontseitigen Griffe müssen dabei auch Heimanwender (optional) nicht verzichten.
Die zum Test anstehenden Bryston 7B³ sind die zweitgrößten Monos des Hauses. Die 7er befinden sich in der Produkthierarchie eine Ebene über der populären 4er-Stereoendstufe (aktuell: 4B³), in die ich übrigens ebenfalls kurz „reinhören“ konnte und die ebenfalls einen eigenständigen Test wert gewesen wäre – Kollege Martin Mertens ist seit kurzem stolzer Besitzer eines 4er-Amps, mal sehen, vielleicht schieben wir da in unsere dichte Planung noch mal etwas rein.
Liefert die Bryston 4B³ bereits 2 x 300 Watt an 8 Ohm, sind die Bryston 7B³ pro Mono mit schlappen 600 Watt/8 Ohm deklariert. Als Umspannwerk im Inneren dient ein 850-VA-Ringkerntransformator, der allerdings im Bedarfsfall, so Bryston, „auch extrem höhere Leistungsspitzen“ bedienen kann. Ein besonders massiver Kern und damit einhergehendes ultrastarkes Magnetfeld ermöglichen es, sehr hohe Spitzenströme zu stemmen – nicht zuletzt können etwa die Siebkondensatoren unmittelbar vom Trafo, sprich ohne in den jeweiligen Phasengängen erneuten Energiebezug aus der Steckdose betankt werden, was einen spannungsstabileren Betrieb und folglich ein stabileres Klangbild zeitige.
Aber an Saft und Kraft hat es bereits den Vorgängermodellen nicht gemangelt – die technischen Unterschiede zwischen den Squared- und Cube-Modellen beziehen sich dann vornehmlich auch auf feinfühligere Themenbereiche. So folgt der Aufbau der Eingangsstufe nun einem neuen patentierten Design von Dr. Alexandru Salomie, einem langjährigen Bryston-Entwickler. Die Input-Buffer glänzten durch nochmalig gesteigerte Linearität/Stabilität sowie verminderte THD- und Noise-Werte, so Bryston, zudem seien sie extrem resistent gegen Verunreinigungen der Eingangssignale aufgrund von RF-Einstreuungen oder Emissionen anderer Audio-Komponenten. Ein weiterer entscheidender Evolutionsschritt ist sicherlich auch die erhöhte Bandbreite der gesamten – übrigens vollsymmetrisch gehaltenen – Verstärkungsschaltung, die allerdings mit 100 kHz immer noch nicht unbedingt extravagant hoch ausfällt: Noch höhere Bandbreiten hält Bryston nicht zuletzt mit Blick auf die RF-Störanfälligkeit für klanglich kontraproduktiv.
Um mal bezüglich dessen, was uns im Hörparcours erwartet, ein wenig vorzugreifen: Insbesondere die Verzerrungsarmut der Bryston 7B³ macht sich meiner Einschätzung nach klanglich – Thema „Durchlässigkeit, Feinstofflichkeit“ – signifikant bemerkbar, beim Thema „Luftigkeit“ meine ich im Vergleich zu älteren Bryston-Amps aber ebenfalls willkommene Unterschiede zu hören.
Die Class-AB-Ausgangsstufen der Bryston 7B³ sind übrigens gegenüber dem Vorgängermodell unverändert geblieben: Nach wie vor schieben je 16 bipolare Ausgangstransistoren Dienst, hälftig in unterschiedliche Polaritäten aufgeteilt bzw. für die jeweiligen Halbwellen abberufen. Bei einer Belastbarkeit von 230 Watt/16 Ampere je Halbleiter wird auch hier reichlich „Hubraum“ geboten.
Bevor man diesen nutzen kann, für notorische Bedienungsanleitungsignoranten zu guter Letzt noch einige Hinweise zum Einschaltprozedere: Der hintere Wippschalter (Master Circuit Breaker) dient keinesfalls zum „harten“ Ein/Aus, sondern ist eine auf Magnetbasis arbeitende Gerätesicherung, ein Öffnen des Gerätes und ein Wechsel von Schmelzsicherungen bleiben einem im Ernstfall dadurch löblicherweise erspart. Deshalb gilt es als erstes den Master Circuit Breaker „einzuschalten” und danach die Verbindung zur Steckdose herzustellen – dreht man die Reihenfolge um, verbleiben die Bryston 7B³ auch nach Druck auf die frontseitigen Taster (das eigentlich „harte“ Ein/Aus) gänzlich im Tiefschlaf, was unwissenden Neubesitzern unnötige Sorgenfalten auf die Stirn zu evozieren vermag. Ach ja, und auch das einige Sekunden währende Klackern gehört zur normalen Morgentoilette der Bryston 7B³ …
Test: Bryston 7B³ | Endstufe