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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Power & Charme
  2. 2 Vincent SA-32 & SP-332: Klangeindruck

Wer sich einen Röhrenverstärker kauft, der tut das aus gutem Grund: Er oder Sie ist auf der Suche nach einem ganz bestimmten Klangideal. Doch häufig fehlt es Röhren-Amps, vor allem in weniger ambitionierten Preisklassen, an der nötigen Leistung, um auch mit watthungrigen Lautsprechern zu überzeugen. Hybridkonzepte versprechen Abhilfe: Wir haben dem Gespann aus der Vorstufe Vincent SA-32 und der Endstufe SP-332 (Preis der Kombi: 2.898 Euro) genauer auf den Zahn gefühlt.

Wer die Wahl hat, hat die Qual: Das Portfolio des Herstellers Vincent (Web: www.vincent-tac.de) umfasst zahlreiche Elektronikkomponenten, dazu noch zwei Powerfilter sowie diverse NF- und Lautsprecherkabel. Das Schöne dabei: In fast jeder Gerätegattung bietet Vincent mehrere Geräte zur Auswahl, sodass der geneigte Käufer die Möglichkeit hat, sein Budget fein abgestuft zu verwenden. Noch schöner ist, dass selbst mit einem vergleichsweise schmalen Geldbeutel hier und da schon audiophile Höhenluft geschnuppert werden darf – so haben wir beispielsweise im Jahr 2016 den 999 Euro kostenden Hybridvollverstärker Vincent SV-500 mit einem „fairaudio’s favourite“-Award auszeichnen dürfen.

Vincent Vorverstärker SA-32

Heute stellen wir wieder Hybridgeräte auf die Probe: die Kombination aus der Vorstufe SA-32 und dem Endverstärker SP-332. Zunächst zur Vorstufe: Es handelt sich um eine reine Hochpegelvorstufe, die insgesamt sechs Quellgeräten Zutritt bietet, fünf davon unsymmetrisch per Cinchanschluss – eine darf symmetrisch per XLR „ran“. Vier Ausgänge stehen zur Verfügung: ein Festpegel-Cinch-Ausgang, um das Eingangsmaterial durchzuschleifen, sowie drei geregelte Ausgänge, von denen wiederum einer als symmetrischer XLR-Anschluss ausgeführt ist.

Vorstufe Vincent SA-32 von vorne...

Vorstufe Vincent SA-32 von vorne…

Das Anschlussfeld der Vorstufe Vincent SA-32

…und von hinten

Zwei Features der Vincent SA-32 kriegt man heutzutage bei Vorstufen nicht immer geboten: Da wäre zum einen eine abschaltbare Klangregelung (Bass und Höhen) und zum anderen eine schaltbare Eingangspegelabsenkung um 8 dB. Gerade Letzteres finde ich sehr nützlich, gestattet es doch, auch Quellgeräte mit recht forschen Ausgangspegeln so einzusetzen, dass der Lautstärkesteller nicht nur im ersten Achtel genutzt werden kann.

Blick in die Vincent SA-32

Blick in die Vincent SA-32

Eingangsseitig wie auch bei der Klangregeleinheit werden 6N16-Doppeltrioden in Differenz-Gegentaktschaltung eingesetzt, die Ausgangsstufe ist diskret mit Transistoren in Class-A-Beschaltung ausgeführt.

Endstufe Vincent SP-332

Endstufe Vincent SP-332

Auch bei der Endstufe SP-332 setzt Vincent auf die 6N16 – zumindest in der Eingangsstufe. Bei der Leistungsverstärkung kommt eine Riege von zwei mal vier Bipolartransistoren zum Zug. Damit diese die Sinusleistung von 150 Watt pro Kanal an 8 Ohm rausblasen können, brauchen sie natürlich eine entsprechende Stromversorgung: Die besteht bei der SP-332 aus einem 500-VA-Ringkerntrafo, Elkos mit einer Gesamtkapazität von 80.000 Mikrofarad sowie einer röhrenbewehrten Spannungsstabilisierung. Es lassen sich übrigens zwei Lautsprecherpaare anschließen, die alternierend oder auch gleichzeitig betrieben werden können.

Blick in die Endstufe Vincent SP-332

Blick in die Endstufe Vincent SP-332

Hübsch, und häufig erst bei deutlich teureren Geräten anzutreffen, sind die hintergrundbeleuchteten VU-Meter an der Gerätefront. Kleiner Gag am Rande: Damit Endstufe und Interieur des Hörraums optimal zueinanderpassen, lässt sich die Hintergrundbeleuchtung per rückwärtigem Schalter einstellen: Zur Wahl stehen die Farben Blau, Grün, Rot und Weiß. Technisch mindestens genauso hübsch: Bei Vincent sind die Netzphasen rot markiert, das macht das klanglich durchaus relevante Ausphasen der Geräte zum Kinderspiel.

Die VU-Meter der Vincent SP-332 lassen sich in vier Farben illuminieren

Die VU-Meter der Vincent SP-332 lassen sich in vier Farben illuminieren

Bevor es an den Hörparcours geht, noch ein paar Worte zur Verarbeitungs- und Anfassqualität: sehr erfreulich, was Vincent da für einen Gesamtpreis von weniger als 3.000 Euro abliefert! Beide Geräte wirken wesentlich „teurer“, das Design ist edel und allürenfrei, die Schalter und Potenziometer machen einen wertigen Eindruck – und vor allem die Endstufe mit ihrem Gewicht von 21 Kilogramm zeigt, dass offenbar nicht am falschen Ende gespart wurde: Allein der Ringkerntrafo und das Gehäuse sind nicht von schlechten Eltern. Und nachdem sich der Rezensent vom Zwacken in den Bandscheiben erholt hat, das auf das Hineinwuchten der Geräte ins Rack folgte, gibt’s zur Belohnung jetzt Musik.

Vincent SA-32 & SP-332: Klangeindruck

Ich habe mir inzwischen angewöhnt, den ersten Probetrack per Shuffle aus meiner digitalisierten Musiksammlung auszuwählen. Sonst neigt man nach einer gewissen Zeit dazu, die immer gleichen Songs zum Antesten aus der Schublade zu ziehen. Der Zufallsgenerator will mich offenbar foppen und wählt ausgerechnet „Music“ von Madonna aus – auweia! Würde man so einen diskothekenmäßig-artifiziellen, am Reißbrett konstruierten Track nicht lieber von einem reinrassigen Transistorboliden um die Ohren gehauen bekommen?

Vorstufe Vincent SA-32 und der Endstufe SP-332

Die Vincent-Kombi zeigt sich ungerührt: Sie schiebt die Bässe mit Nachdruck in die Stube, lässt die zahlreichen Synthesizer-Einsprengsel kreuz und quer durch einen virtuellen und ziemlich dreidimensionalen Raum kacheln und verleiht Madonnas durch eine Vielzahl von Effektprozessoren gejagte Stimme einen unerwartet humanoiden Zauber. Die programmierte Drum-Sektion hat Timing, Tempo, ja: Biss, allerdings eher durch die Unmittelbarkeit, mit der die Vincent-Kombi agiert, als durch ein übermäßiges Zupacken im Hochtonbereich. Denn – und das dürfte nicht erstaunen – das tonale Profil von Vincent SA-32 und SP-332 ist dann doch ein eher „röhrentypisches“: Es baut sich aus neutral-balanciert gehaltenen Mitteltonlagen heraus auf und ist an den Frequenzgangenden sanft abgemildert. Sowohl beim Übergang vom Bass zum Subbass als auch vom Hochton in den Superhochton ergibt sich ein organisch wirkender, minimaler Abfall. Das Hörvergnügen wird dadurch jedoch nicht geschmälert, denn aufgrund der Zackigkeit und auch Schubkraft, mit der die Vincent-Amps loslegen, ergibt sich dennoch ein anmachender und spielfreudiger Charakter.

Television - Marquee MoonVersorgen wir den Amp nun mal mit richtig handgemachter Musik vom Album Marquee Moon von Television (auf Amazon anhören), dessen Titelstück wohl eines der, nun, konsequentesten Gitarrensoli der Prä-Punk-Ära beinhaltet. Fünf Minuten dauert dieses Solo, und fünf Minuten lang hören wir eine Twang-Rhythmusgitarre, die überwiegend auf zwei Harmonien herumdengelt. Dazu eine Leadgitarre, die sich ganz bewusst jedweder Virtuosität enthält und stattdessen mit einer Nonchalance, die an Neil Young auf Psychopharmaka erinnert, herumdaddelt und gniedelt, dass man beim ersten Hören des Stücks große Fragezeichen auf der Stirn stehen hat. Doch die Sache hat Methode! Ehe man sich’s versieht, entsteht in diesem Solo plötzlich eine Struktur, auch dank der akzentuierten Spielweise des Drummers, der mit seiner immer wieder ins Triolische kippenden Spielweise rhythmisch heftig „Kontra gibt“ – und irgendwann rastet die ganze Sache plötzlich ein, man sitzt atemlos vor den Lautsprechern und fragt sich, wie die drei Musiker aus dieser sich immer weiter zuspitzenden Nummer jemals wieder herausfinden sollen. Und doch: Sie finden heraus, mit Leuchten und Strahlen, mit einem echten Gänsehautmoment.

Endstufe Vincent SP-332

Oh, ich merke gerade, ich habe hier sehr weit ausgeholt und die fairaudio-Redaktion sitzt schon mit gezücktem Korrekturstift und will – wusch! – Sätze, ja sogar Absätze streichen. Gibt’s aber nicht, denn in diesen fünf Minuten kann man – eine gute Wiedergabekette vorausgesetzt – tonal so ziemlich alles erfahren, was es über Gitarren zu erfahren gibt. Das Zusammenspiel aus Tonabnehmer, Saiten, Tremolohebel, Verstärker und Mikrofon (mit dem der Verstärker abgenommen wird) einerseits und Spieltechnik andererseits macht die E-Gitarre zu einem sagenhaft vielseitigen Instrument. Ob sanft mit den Fingern gezupft oder hart mit dem Plektrum angerissen, ob clean oder angezerrt, ob sauber oder bewusst dirty mit Neben- und Umgreifgeräuschen gespielt, ob Fingerpicking oder Wimmerkralle: In diesen fünf Minuten Marquee Moon kriegen wir vieles von dem geboten – und die Vincent-Kombi zieht in jeder Sekunde mit.

Anschlussfeld der Endstufe Vincent SP-332

Anschlussfeld der Endstufe Vincent SP-332

Sie lässt uns den sanft knirschend-singenden, harmonischen Klirr hören, den der Gitarren-Amp der Rhythmusgitarre produziert. Sie lässt uns genau daran teilhaben, wie der Leadgitarrist sein Instrument anfangs eher sanft behandelt und später eher quält, wie der Anteil der Verzerrungen von Minute zu Minute zunimmt, weil der Gitarrist immer heftiger in die Saiten fasst. Sie zeigt uns aber auch jedes feinste Flattern beim Ausklingen des Federhalls im Gitarrenverstärker und am Schluss, als die Band tatsächlich in eine gewaltige, schwebende Klimax findet, wie erlösend ein Mollakkord sein kann, wenn man die letzten 300 Sekunden nur ein immer chaotischer werdendes, vorwiegend monophones Gegniedel gehört hat. Kurz gesagt: Die Mischung aus Schnelligkeit und Unmittelbarkeit auf der einen Seite und ausgezeichneter Feinauflösung des Mittenbandes und der oberen Mitten ist es, die diese Verstärker-Kombi besonders macht, und zwar nicht nur in ihrer Preisklasse.

Bauhaus - The Sky’s gone outWenn Sie hingegen zu den Menschen gehören, die im Superhochton jedes feine Detail zwingend brauchen (weil Sie beispielsweise eine Diplomarbeit über das Zusammenspiel von programmierten und echt gespielten Hi-Hats im Gesamtwerk von Donald Fagen schreiben müssen), dann sind Sie mit der Vincent-Kombi nicht ideal bedient, da geht woanders mehr, zum Beispiel beim Vollverstärker Hegel H90 (1.695 Euro) oder auch bei den Vor- und Endstufen aus dem Hause Abacus Electronics. Das gilt auch für die unterste Oktave im Bass, die die Vincent-Kombi eher gnädig abrundet – ich rede aber tatsächlich von der untersten Oktave, die in erste Linie von synthetischen Quellen stammt. Bei akustischen beziehungsweise elektroakustischen Instrumenten, beispielsweise dem knackig-tiefen E-Bass in Bauhaus‘ Uptempo-Nummer „The Third Uncle“ (Album: The Sky’s gone out), habe ich über die Vincent-Kombi nichts vermisst, während die monströsen Sägezahnbässe der letzten vier Alben der Pet Shop Boys dann schon etwas handzahmer serviert werden.

Sehr schön wiederum, und auch dem Röhrenklischee ein Stück weit entsprechend, ist die Art und Weise, wie das Vincent-Duo den stereofonen Raum darbietet: weitläufig, ausnehmend tief und dabei zu keiner Zeit diffus, sondern recht klar gerastert – Letzteres können (durchgängig) transistorierte Amps ja manchmal besser. Hier spielt das Hybridkonzept offenbar die positiven Seiten beider Klangwelten parallel aus. Wenn wir mal bei der Band Bauhaus bleiben: Die Gitarren im Stück „All we ever wanted was everything“ stehen frei halblinks und halbrechts im Raum, die fast unhörbar leise Hi-Hat gefühlt zwei Meter weiter hinten genau in der Mitte – und die sägende, verhallte Gitarre im Refrain flutet den Hörraum in Wellen. Man kann über die Vincent-Kombi in diesem Gesamtbild einerseits so richtig schön versinken, andererseits aber immer noch mit dem Finger auf die einzelnen Schallquellen deuten, das gefällt mir richtig gut. Über meinen Hegel H90 lassen sich die Instrumente zwar auch genau im Panorama ausmachen, doch es fehlt vergleichsweise irgendwie an „Gesamt-Tiefe“.

Die Vincent SP-332 lässt sich symmetrisch wie unsymmetrisch ansteuern

Die Vincent SP-332 lässt sich symmetrisch wie unsymmetrisch ansteuern

Wer bis hierhin aufmerksam mitgelesen hat, der ahnt bereits: Klassische Musik ist ein absolutes Heimspiel für die Vincent-Kombi. Nicht nur Kammermusik, auch voll besetztes Orchester gerät zum Hochgenuss. Fazil Says „Istanbul Symphony“ (op. 28, komponiert 2009-2010) beamt den Zuhörer direkt in das Spannungsfeld zwischen Orient und Okzident: Hier trifft eine klassische Orchesterbesetzung auf orientalische Percussion, Flöten und Zither – und die Art und Weise, wie die Vincent-Kombi hier die Klangfarben zeichnet, macht die Musik zu einem höchst emotionalen Erlebnis. Aber nicht nur die leisen, elegischen Stellen „zum Hinhören“ sind damit gemeint, aufgrund ihres transistorierten „Turboladers“ kann die Endstufe auch das teilweise brachiale Schlagwerk mit Vehemenz ins Zimmer schaufeln – es ist überhaupt kein Problem, diese Sinfonie in originaler Orchesterlautstärke zu genießen. Versuchen Sie das mal mit einer kleinen 8-Watt-Triode! Grobdynamisch lassen „Vincent und Vincent“ also nichts anbrennen, die schon erwähnte unterste Oktave habe ich bei diesen und ähnlichen Orchesterwerken nicht vermisst; mag sein, dass es bei den untersten 32-Fuß-Lagen einer Kirchenorgel untenrum nicht ganz so guttural tönt wie beim Original.

Ach ja: In einem kurzen Quercheck habe ich Vor- und Endstufe auch noch mal mit reinrassigen Transistor-Counterparts gepaart. Insgesamt erscheint mir die Endstufe etwas breitbandiger und universeller zu sein: Im Duett mit dem Abacus Preamp 14, aber auch mit dem abgezweigten Vorstufetrakt meines Hegel H90, vermag die Vincent SP-332 an den Frequenzgangenden noch ein Schippchen draufzulegen, ohne den grundsätzlichen Röhrencharme zu verleugnen. Nichtsdestotrotz kann sie im Bass wie im Superhochton nicht die Autorität und Standfestigkeit einer Bryston 3B³ mitbringen – wäre ja auch erstaunlich angesichts der Tatsache, dass die mehr als dreimal so viel kostet wie die Vincent SP-332.

Eingangswahl der Vorstufe Vincent SA-32

Die Vorstufe SA-32 wiederum erinnert mich in ihrem tonalen Profil an mein Arbeitsgerät Audreal XA-3200MK2 (reinrassige Röhrenvorstufe, um 900 Euro), sie bietet aber im stereofonen Panorama eine etwas bessere Ortungsschärfe, während die Audreal-Vorstufe im Bass etwas tiefer herunterkommt und auch den Obertonbereich geringfügig heller ausleuchtet. Die Paarung der Vincent-Vorstufe mit der Endstufe Valvet E2 (2.750 Euro) ergab übrigens einen etwas feiner aufgelösten Hochtonbereich.

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HifiPilot BW24

Test: Vincent SA-32 & SP-332 | Vor-End-Kombi

  1. 1 Power & Charme
  2. 2 Vincent SA-32 & SP-332: Klangeindruck

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