Kennen Sie einen HiFi-Hersteller, der auf seine Endstufen 20 Jahre Garantie gibt und jedes seiner Geräte vor der Auslieferung einem 100 Stunden langen Stresstest unterzieht? Bryston aus Kanada macht sowas (Vertrieb für Deutschland: www.avitech.at/de/). Doch neben Langlebigkeit und Betriebssicherheit erwartet der Kunde ja auch guten Klang. Denn wenn der Sound dem Hörer daheim nicht „schmeckt“, sind die vorgenannten Bemühungen ja vergebens …
Ein fein abgestuftes Portfolio an Endstufen hat Bryston im Programm – von der kleinen 2.5B³ mit 2 x 135 Watt an 8 Ohm bis hin zum Monoblock 28B³, der ein leibhaftiges Kilowatt an 8 Ohm raushaut. Hier und heute möchte ich mich mit der „zweitkleinsten“ Endstufe befassen, der Bryston 3B³ (6.250 Euro), die mit 200 Watt pro Kanal schon für die meisten Wohnzimmeranwendungen mehr als genug Leistung abliefern dürfte. Doch zunächst, im Sinne der Redundanzvermeidung: Wer mehr über den Hersteller Bryston erfahren möchte, dem möchte ich Jörg Dames‘ Rezension der Bryston 7B³ ans Herz legen sowie Martin Mertens‘ Test der Bryston 4B³ im Verbund mit der Vorstufe BP17³. Gehen wir doch lieber gleich ans Eingemachte und schauen wir uns den Probanden näher an.
Die Bryston 3B³ kommt als Stereo-Endstufe, die auf Wunsch per rückseitigem Kippschalter in den Monoblockbetrieb versetzt werden kann. Zugang ist wahlweise per XLR oder Cinch möglich, der jeweils aktive Eingang muss ebenfalls über einen Kippschalter angewählt werden. Ein dritter Schalter gestattet es, den Gesamtverstärkungsfaktor anzupassen, 23 oder 29 dB stehen zur Verfügung. Der professionelle Anspruch sämtlicher Bryston-Endstufen zeigt sich nicht nur an der geradezu bollwerkartigen Verarbeitung, sondern auch daran, dass sie in zwei Versionen erhältlich sind: einer „Haus-und-Hof-Version“ sowie einer Studio- beziehungsweise PA-Variante mit Befestigungen für 19-Zoll-Racks sowie praktischen Handgriffen zum Herausziehen und Hineinschieben in selbige. Doch während es sich hierbei noch um reine Äußerlichkeiten handelt, so wird auch unter der Haube geklotzt statt gekleckert.
Ein wesentlicher Teil der Schaltungsdesignkriterien für diesen und andere Vertreter der aktuellen „Bryston Cubed“-Serie sei eine optimale Leistungskurve „vom ersten bis zum letzten Watt“ gewesen, teilt der Avitech-Vertrieb mit. Während viele andere leistungsstarke Amps erst etwa ab einem Drittel der maximalen Ausgangsleistung aufwärts einen wirklich guten Signal-Rauschabstand hätten, wolle man bei Bryston auch bereits bei einstelligen Wattzahlen ein völlig ungetrübtes Klangerlebnis bieten. Zum einen habe man durch die Auswahl selektierter, extraschneller Treibertransistoren Crossover-Verzerrungen nahezu vollständig eliminieren können.
Das Ausgangsstufendesign wiederum sei so gewählt worden, dass die von den Treibertransistoren aus „gesehene“ Kapazität möglichst gering sei. Auf diese Weise ließen sich „Umladeverzögerungen“ in der Endsektion, die zu Nichtlinearitäten im Nulldurchgangsbereich beitragen, quasi ausschließen. Der nächste zentrale Ansatzpunkt sei die Unterdrückung von HF-Verzerrungen. Das gelte nicht nur für Treiber- und Endstufe, sondern auch und insbesondere für die Stromversorgung – auch hier habe man mit hocheffektiven Unterdrückungsmaßnahmen schon an der Quelle dafür gesorgt, dass über den Netzstrom keine schädlichen HF-Anteile in die Schaltung gelangen können. Apropos Netzstrom: Statt – wie häufig anzutreffen – eines Trafos mit zwei Abgriffen wurden der Bryston 3B³ gleich zwei separate Ringkerntrafos, für jeden Kanal einer, spendiert.
Ausgefeilte, solide Technik erfreut natürlich erfreut zwar stets des Testers Herz – doch was bringt das Ganze im Hörraum?
Bryston 7B³: Klangtest & Vergleiche
Oh Boy, es bringt so ziemlich viel! Es fällt wirklich schwer, angesichts dessen, was diese Endstufe abliefert, nicht ins Schwärmen zu geraten. Der Autor dieser Zeilen hat ziemlich genau vor zehn Jahren seine Karriere als HiFi-Rezensent begonnen und seitdem eine dreistellige Zahl von Komponenten und Lautsprechern durch seinen Hörraum geschleift. Selten genug beeindruckt ein Gerät so sehr, dass man sich noch Jahre danach an den Test erinnert – die Bryston-Endstufe 3B³ ist definitiv ein solcher Kandidat. Aber nun noch einmal etwas emotionsärmer und ganz von vorne!
Ganz zentrale Talente dieser Endstufe sind ihre Breitbandigkeit und Linearität. Das macht es dann auch herrlich einfach, die Tonalität dieser Endstufe zu beschreiben: Sie hat keine! Wir HiFi-Redakteure ringen ja immer um die kleinen Details, Betonungen, Schattierungen in Mittel-, Tief- und Hochton: Funkelt oder dunkelt es obenrum, grummelt oder federt es eher im Tiefton? Ganz ehrlich, diese Kriterien kann man bei der Bryston 3B³ schlicht und einfach überspringen, denn sie macht nur eines, und das goldrichtig: Sie ist der vielzitierte „verstärkende Draht“, der vollkommen ungefiltert und unverbogen tonal wirklich alles durchreicht, was die Zuspieler anliefern.
Nehmen wir beispielsweise einen Track, der auf dem ganzen Frequenzband Vollgas gibt: Lana del Reys „The Next Best American Record“ (Album: Norman Fucking Roswell; auf Amazon anhören). In den ersten 32 Takten eine leise Akustikgitarre, eine Synthesizerfläche und Lana del Reys Stimme. Es folgt eine Bridge mit verhaltener orchestraler Besetzung und leisen Marschtrommeln im Hintergrund. Und im Refrain geht’s richtig los: puckerndes Schlagzeug, allerlei Synthesizer, hochfrequente synthetische Drumsounds und ein zwar nicht lauter/vorwitziger, aber dennoch abgrundtiefer Subbass, der einem so richtig die Schuhe auszieht. Über die Bryston-Endstufe liegt das alles völlig transparent da. Klar, hell, unverhangen die Höhen der E-Drums, bauchig-intensiv, dabei aber vollkommen authentisch, die akustische Gitarre – und der Subbass fährt mit unglaublicher Macht in die Magengrube, aber: eben nicht mittels tonaler/lautstärkemäßiger Überbetonung, sondern durch die schiere Tiefe bis in die allerunterste Oktave. Das Klangbild suppt also nicht in irgendwelche Niederungen ab, sondern es bleibt bis in die allerhöchsten Höhen vollständig transparent. Das ist wichtig, denn die Hauptrolle in diesem Track spielt natürlich die laszive Stimme von Lana del Rey. Ein weniger gut abgestimmter, jedoch subbassfähiger Amp hätte nun ebendiesen Subbass „nach vorne geholt“. Das geschieht bei der Bryston-Endstufe nicht: Lana del Rey darf weiterhin die Sonnenkönigin spielen und trotzdem kribbelt der Subbass wohlig an den Mageninnenwänden.
Nächstes Talent: Geschwindigkeit. Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal eine so pfeilschnelle Endstufe vor der Flinte hatte. Und das gilt in jeder Lage und bei geringsten wie allerhöchsten Lautstärken. Gerne fühle ich Komponenten mit Friedemanns Stück „Sourdos“ auf den Zahn (Album: Rendez-Vous / Best of Biber Records). Dieser Instrumentaltrack besticht durch ein wunderbar klares, präzises Gitarrenspiel im Verbund mit einem Marimbaphon und einem rhythmischen Händeklatschen sowie durch einen fortwährenden Wechsel aus virtuosen Sequenzen und stillen, verhallten Passagen zum Ausruhen. Wenn Friedemanns Finger über die Saiten hetzen und dabei von katzenpfötig-sanft bis hin zum extrascharfen, metallischen Anreißen die gesamte Klangpalette der Akustikgitarre abrufen, dann reicht die Bryston-3B³-Endstufe das mit einem fantastischen, fast ins Flamencohafte lappenden Timing durch.
Das funktioniert ohne Abstriche auch mit deutlich rockiger und rauher produzierter Musik – beispielsweise mit „Fifteen Minutes“ vom neuen Album This is not a safe Place der Shoegazer Ride (auf Amazon anhören). Dieser Track klingt dermaßen nach Sonic Youth, dass man als Hörer nicht so genau weiß, ob das jetzt ein Plagiat oder eine Ehrerbietung ist. Mulchig abgemischte Drums, mit Wut geschrabbelte, angezerrte Moll-7/9-Akkorde, tief rumpelnder E-Bass und im letzten Drittel des Songs ein kurzer massiver Wutausbruch mit fiepender Rückkopplung und zerrenden Gitarrenspuren. Das simple, aber effektive Schlagzeugspiel erhält über die Bryston 3B³ etwas ungemein Vorantreibendes und Zwingendes, der Lastwechsel im letzten Drittel wird keine Nanosekunde verschleppt und föhnt mit einer Vehemenz los, dass einem die Haare zu Berge stehen. Interessanterweise funktioniert das auch bei geringer Abhörlautstärke, was im Grunde viel schwerer zu realisieren ist als bei hoher. Denn um diese Unterschiede und Lastwechsel auch bei Zimmerlautstärke wiedergeben zu können, braucht es eben grob- und feindynamische Talente gleichermaßen.
Wie war das noch mit dem „ersten bis zum letzten Watt“? Hier handelt es sich nicht um ein leeres Marketingversprechen. Auf seinem neuen Album „Tumult“ hat Herbert Grönemeyer (auf Amazon anhören) neben dem üblichen Gebell, Genuschel und Gerumpel auch eine textlich wie musikalisch ganz außergewöhnlich gelungene Ballade versteckt, sie heißt „Wartezimmer der Welt“. Ein ganz einfaches und umso wirkungsvolleres Klavier-Leitmotiv, konterkariert von stark in den Hintergrund gemischten, dumpfen E-Piano-Akkorden, dazu eine brutal nah ans Ohr gemischte, nachgerade intime Stimme von Grönemeyer mit einer langgezogenen Tiefpass-Hallfahne. Das alles hat selbst auf 9-Uhr-Position des Lautstärkestellers eine Intensität, die schwer zu fassen ist. Und wenn man weiter aufreißt: reine, klare, unverhangene Musik, keine noch so zarte Rauschfahne, kein Störgeräusch, keine Betonungen, sondern „der reine Stoff“ vor einem abgrundtief schwarzen Hintergrund. Und so fällt einem hier auch auf, dass „Herbie“, der ja bei nahezu allen seinen Liedern spätestens im Refrain mit einer gedoppelten Gesangsspur als produktionstechnischem Trick arbeitet, ausnahmsweise mal eine Gastsängerin als Double nimmt. Über meinen Vollverstärker Hegel H90 habe ich das beispielsweise beim ersten Durchhören nicht gemerkt. Seit ich es über den Bryston-3B³-Amp (in Verbindung mit meiner Vorstufe Abacus Preamp 14) wahrgenommen habe, höre ich es beim Hegel auch – aber darauf gestoßen hat mich die Bryston-Endstufe. Schon cool.
Auf die Gefahr hin, dass ich langweile: Auch die Stereobühne führt das Prinzip des „verstärkenden Drahts“ kompromisslos fort. Was auf der Aufnahme vorhanden wird, wird ungerührt durchgereicht. Hat man eine erstklassige Aufnahme wie Pink Floyds „Time“ (Album: The Dark Side of the Moon), dann versinkt man beim Ticken und Bimmeln der Uhren, die sich weit im Stereopanorama auffächern, vollständig in einem psychedelischen Traum. Wer da in die Realität zurückfinden will, der muss draußen erst mal eine Runde Joggen gehen, was hier an (sorry!) Holografie geboten wird, ist spektakulär. Hat man indes eine Aufnahme, bei der die Mikrofone und Panorama-Einstellungen am Mischpult eher nach dem Zufallsprinzip auf- bzw. eingestellt wurden (frühes Zeug von Dinosaur Jr. beispielsweise), dann klingt das eben auch über die Bryston 3B³ so, sie ist also kein „Raumausstatter“, der bei Bedarf die Innenarchitektur ein Stück weit geradebiegt, sondern auch hier eher ein echtes Studiowerkzeug. Hier wird auch nichts beschönigt, indem ein künstlicher Raum um die Akteure oder ein „Pulsieren“, wie man es bei Röhrenendstufen schon mal erlebt, aufgezogen wird: Die Darstellung ist eher unmissverständlich-präzise als euphonisch.
Bryston 3B³: Vergleiche
Üblicherweise blicken wir ja bei fairaudio immer ein bisschen nach links und rechts und vergleichen mit anderen Komponenten. Bei der Bryston 3B³ fällt mir das ziemlich schwer, weil sie in sämtlichen relevanten Disziplinen überperformt. In ihrer Klarheit, Breitbandigkeit und Transparenz erinnern sie mich am ehesten noch an die A4e-Endstufen von Valvet (um die 6.900 Euro); klanglich können sich die Bryston und die Valvets durchaus messen – aber die Bryston liefert dreimal so viel Sinusleistung und dürfte somit in Bezug auf den unverzerrten Gesamtpegel und die Kompatibilität mit verschiedensten Lautsprechern trotz ihres geringeren Preises vermutlich die überlegene Investition darstellen. Ein bisschen erinnert mich die Bryston 3B³ auch an die Moon-Endstufe 330 A (4.000 Euro), insbesondere was ihre Transparenz und Feinauflösung angeht, allerdings hat die Moon-Endstufe in ihrer Über-Alles-Tonalität insgesamt einen minimalen Schlag ins Sonore, während die Bryston linealglatt durchzeichnet und gleichzeitig bis in die unterste Oktave herunterkommt, selbst wenn diese im Ausgangsmaterial nur leise vorliegt. Doch auch in Bezug auf die Geschwindigkeit und das Timing hat die Bryston 3B³ gegenüber dem Moon-Amp die Nase vorn – letzterer ist zwar weit entfernt von „behäbig“, gleichwohl nicht so involvierend schnell unterwegs wie die Kanadierin.
Zu guter Letzt noch eine ganz spannende Erkenntnis: Ob’s am hohen Dämpfungsfaktor oder der Breitbandigkeit liegt – die Bryston-Endstufe hat mit allen meinen Lautsprechern perfekt harmoniert und buchstäblich das Beste aus ihnen herausgeholt. Selbst die im Hochton eher gutmütig agierende Harbeth 30.1 wurde von ihr zum Funkeln und Strahlen angeregt – aber eben nicht durch eine Hochtonanhebung: In der Kombi mit der obenrum eher alert aufspielenden Audes Maestro 116 zeigte sich ein insbesondere tonal genauso ausgewogenes Klangbild. Keine Ahnung, wie das funktioniert – aber es funktioniert.
Test: Bryston 3B³ | Endstufe