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Als mir die Redaktion in einer Mail mit den Worten „Welches Schweinderl hätten S‘ denn gern?“ zwei unterschiedliche Testgeräte zur Auswahl anbot, googelte ich die beiden Geräte kurz – und blieb dann am Canever Audio ZeroUno SSD (6.900 Euro) hängen. Der DAC mit integriertem analogem Vorverstärker schien zwar oberflächlich nur ein weiteres Produkt eines Technik- und Musikbegeisterten Ingenieurs zu sein. Beim Lesen der Websites des Vertriebs (https://www.hifi-welt.at/) und des Herstellers wurde mir jedoch klar, welch unglaublicher Aufwand hier an jeder Stelle getrieben wurde und wollte unbedingt wissen, wie dieses außergewöhnliche Schweinderl aus Italien klingt …
Aber es kam anders als gedacht: Nur wenige Tage nachdem mir Rainer Israel von Friends of Audio, der an der Entwicklung des ersten kommerziellen Canever-Audio-Produktes, dem ZeroUno DAC, nicht ganz unschuldig ist, den Canever ZeroUno SSD nach Hause brachte, verweigerte eine meiner Mono-Endstufen mit dunklen Rauchzeichen ihre Arbeit. Wie sich später herausstellte war eine defekte Diode der Übeltäter. Ma non tutto il male viene per nuocere (Italienisch in etwa für: „Hinter allem Schlechtem steckt auch etwas Gutes“). Und besser hätte es wirklich nicht kommen können: Rainer Israel bot mir kurzerhand auch noch die passende Stereoendstufe aus gleichem Hause mit dem klingenden Namen Canever La Scala (24.900 Euro) für den Test an. Ein paar Tage später standen dann zwei große Holzkisten mit insgesamt 100 Kilogramm Versandgewicht im Flur …
Vorstufe und DAC Canever ZeroUno SSD – Technik und Konzept
Canever, noch nie gehört? Ich bis zu diesem Test auch nicht. Unter diesem Namen kam 2016 das erste Produkt von Mario Canever, der Canever Audio ZeroUno DAC mit Ausgangsröhren auf den Markt. Dass Ingenieur Canever nicht nur ein ausgesprochener Opernliebhaber, sondern vor allem ein Experte in Sachen Netzteilentwicklung und Informatik ist, bekam ich auf der diesjährigen High-End-Messe in München mit. So erzählte mir Mario Canever, dass seine erste Aufgabe als Berufseinsteiger Mitte der 80er-Jahre die Entwicklung eines Schaltnetzteiles war. Danach war der Ingenieur für mehrere internationale IT- und Elektrotechnikunternehmen tätig und übernimmt auch heute noch nebenbei Auftragsentwicklungen für diverse OEMs. Diesen reichen Erfahrungsschatz merkt man dem ZeroUno SSD schon beim Auspacken an: So erläutert der Italienische Ingenieur auf den 69 Seiten der beiliegenden „Operating Instructions“ nicht nur ausführlich die Bedienung des Canever ZeroUno SSD (inklusive 13 Seiten „Windows Driver Installation“ und 10 Seiten „JRiver Media Center Tutorial“), sondern auch seine Technik und die verwendeten Komponenten. Von Geheimnistuerei scheint er offenbar wenig zu halten.
Das Gehäuse des komplett in Italien hergestellten ZeroUno SSD besteht aus einer Kombination aus Flugzeugaluminium und Edelstahl, um einerseits maximale Vibrationsfreiheit und andererseits bestmögliche Abschirmung gegenüber jeglichen elektromagnetischen Einstrahlungen zu gewährleisten. Das Ganze wird danach noch makellos in allen möglichen Farben lackiert (Standard ist das Anthrazitgraumetallic des Testmusters) und mit einem glänzenden Klarlack aus Acryl überzogen. Wie konsequent das ganze Konzept des Canever ZeroUno ist, sieht man auch an den drei Standfüssen, auf denen er steht. Hier wird keine billige Chinaware verbaut, sondern gelangen Spikes von Soundcare by Seas aus Norwegen zum Einsatz.
Haptisch ebenfalls Extraklasse: die beiden satt klickenden Vollmetall-Drehregler, die als reine Impulsgeber fungieren. Links für Ein/Aus und rechts der feinfühlige Lautstärkeregler, der während des Setups auch zur Menüauswahl dient. Der Highender kann hier von Selbstverständlichkeiten wie der Balance (in 0,5-dB-Schritten) bis hin zu sinnvollen Extras wie der absoluten Phase (positiv oder negativ) alle möglichen Einstellungen vornehmen. Gleiches geht übrigens auch – wenngleich haptisch etwas weniger ansprechend – mit der beiliegenden Apple-Fernbedienung. Funktional gibt es aber auch hier nichts zu beanstanden.
Für Mario Canever ist die Stromversorgung der Schlüssel zum Klanghimmel. Und zwar nicht nur bei Verstärkern, sondern vor allem auch bei digitalen Komponenten. In unserer DAC-Vorverstärker-Combo werkeln daher insgesamt 16 digitale und analoge Netzteile, die von sechs Ringkerntransformatoren gespeist werden. Überall im Gerät wird auf HF-Vermeidung und -Reduzierung geachtet. Eingesetzte HF-Filter stellen hierbei sicher, dass der ZeroUno SSD nicht die Stromversorgung der restlichen Hifi Anlage infiziert. Natürlich bekommt hierbei auch das sensible USB-Board seine eigene „Ultra-low-noise“-Spannung. Wer beim Hochfahren des ZeroUno SSD aufpasst, wird das „Battery Mode for USB“ im Display bemerken. Eine Batterieversorgung? Nein, besser: Canever puffert die Spannung hier zusätzlich mit einem Ein-Farad-Supercap und damit sogar noch sauberer als mit reiner Batterieversorgung.
Nicht minder konsequent: Mario Canever baut für digitale Eingangssignale eine proprietäre, im DAC-Chip integrierte Lautstärkeregelung ein. Um die analogen Signale kümmert sich dagegen ein Netzwerk aus ausgesuchten und hochpräzisen Dünnschichtwiderständen, deren Kombinationen 127 unterschiedliche Lautstärkestellungen ermöglichen.
Da Canever unzufrieden mit der Firmware des ESS Sabre DAC-Chips ES9018S für seine Audio-Geräte war, schrieb der Digitalspezialist kurzerhand seine eigene, optimierte Firmware und speichert sie auf einem Flashspeicher auf dem Digitalboard, um bei Bedarf einfach Updates aufspielen zu können.
Auf der Digitalplatine direkt neben dem DAC-Chip sitzt die 100-MHz-Masterclock von Crystek. Durch die unmittelbare Nähe zum ES9018S soll Jitter schon im Ansatz minimiert werden. Dass man den DAC-Chip und die Masterclock nicht auf Anhieb sieht, liegt an der USB-Platine mit dem „dicken“ Multicore-XMOS XU216-512-Chip mit seinen 16 CPUs und zwei weiteren Clocks direkt daneben für das Takten von PCM- und DSD-Datenströmen. Sie können sich schon denken, dass die USB-Platine nicht zufällig direkt über dem DAC-Chip residiert. Auf die Optimierung des Signalweges legt Canever eben großes Augenmerk.
Klanglich kritisch ist natürlich ebenso die Wegstrecke, die die analogen Signale nach dem DAC noch bis zu den Ausgangsstufen zurücklegen müssen. Mario Canever setzt hier Zwischenübertrager von Lundahl ein, um möglichst viele Bauteile im Signalweg einzusparen. Die finale Ausgangsstufe ist übrigens mit einer angegebenen Ausgangsleistung von 2,5 Watt ausgesprochen kräftig geraten. Zusammen mit einer Ausgangsimpedanz von unter einem Ohm (sic) gibt es dann wohl kein Kabel und keine Endstufe, die diese Vorstufe nicht treiben könnte. Meinen Grandinote-Demone-Endstufen war das dann aber schon wieder etwas zu viel der Vorarbeit: Bei hoch ausgesteuertem Musikmaterial übersteuerte das Signal manchmal schon hörbar. In solchen Fällen kann man dann einfach mit der „Level“-Funktion die Ausgangsspannung auf das passende Maß zurechtstutzen.
Endstufe Canever La Scala – Technik und Konzept
Sie erinnern sich noch an die beiden bleischweren Holzkisten aus der Einleitung? In ihnen steckt eine potente, zweiteilige Class-A-Hybrid-Stereoendstufe mit Ausgangsübertragern. Im „leichteren“ röhrenbestückten Gehäuse mit Display und den beiden Tastern an der Front, befindet sich der eigentliche Verstärker mit nur zwei Verstärkerstufen (später dazu mehr). Im schwereren Gehäuse ohne sichtbare Bedienelemente steckt dagegen das analoge Netzteil mit seinen vier Zylindern. Den beiden Kisten liegen neben einem normalen Netzkabel auch noch zwei dicke rote DC-Kabel zur Verbindung des Verstärkergehäuses mit seinem externen Netzteil bei. Es gibt von der La Scala übrigens ein Schwestermodell, die Olimpico, deren ebenfalls externes Netzteil durch den Einsatz eines hybriden Schaltnetzteiles fast schon portable zehn Kilogramm auf die Waage bringt und mit 17.650 Euro auch das Portemonnaie nicht ganz so schwer belastet.
Nachdem die Canever-Endstufe und das Netzteil auf meinen beiden Bassocontinuo-Endstufenbasen Platz genommen haben und verkabelt sind, schalte ich sie am mittig unter der Front des Netzteilgehäuses verdeckt positionierten Schalters ein. Hinten am Netzteil findet sich darüber hinaus ein praktischer Kippschalter. Mit ihm kann man die Leistungsabgabe zwischen 50 und 120 Watt (Class-A) umschalten. Wozu das gut ist, weiß jeder, der schon mal im Sommer mit Class-A-Endstufen Musik gehört hat. In der 50-Watt-Stellung bleibt die Canever La Scala dabei selbst nach einem langen Hörtag angenehm „kühl“. Kein Vergleich zu meinen Grandinote Demone, die im nächsten Winter durchaus als Ersatz für eine Gasheizung taugen würden.
Nach dem Einschalten wird der neugierige Highender dann über das Display des Endstufengehäuses mit einem detailliertem Echtzeitprotokoll über den Gesundheitszustand der Röhren und der Endstufenschaltung informiert. Das Ganze erinnert mich ein bisschen an das Hochfahren eines Kraftwerksblocks und steht nur im scheinbaren Widerspruch zum erklärten Ziel von Mario Canever einen möglichst einfachen Verstärker mit nur zwei Verstärkungsstufen zu erschaffen.
Aber der Reihe nach. Prinzipiell handelt es sich bei der Canever La Scala um eine Push-Pull-Endstufe, bei der die symmetrischen Eingangssignale direkt nach den XLR-Buchsen per Eingangsübertrager in ihre positive und negative Halbwelle aufgeteilt werden. Danach geht es direkt zur Spannungsverstärkung in eine 6N6P-Doppeltriode, bevor die Signale ohne Umweg über (nicht mehr notwendige) Koppelkondensatoren an einen Zwischenübertrager geleitet werden.
Normalerweise müssen in Push-Pull-Verstärkern komplementäre N- und P-Typ-MOSFETs eingesetzt werden. Leider ergänzen sich deren Spezifikationen aber nie perfekt, sodass es bei dieser Verstärkerart normalerweise zu „bösen“ Verzerrungen käme, wie mir Mario Canever erklärt. Nicht so in seinen Endstufen, da der bifilar gewickelte Zwischenüberträger ebenfalls als Phasensplitter arbeitet, um den beiden nachfolgenden Transistoren für die finale Verstärkung des Stroms zwei exakt gespiegelte Signale zur Verfügung stellen zu können. Dieser Kniff erlaubt Mario Canever zwei identische N-Typ-Transistoren einzusetzen und das Verzerrungsniveau noch niedriger zu halten.
Bei alledem schrieb er für die mikroprozessorgesteuerte Endstufe auch noch seine eigene Firmware. Diese „Bias Control Circuits“ sollen die unbedingte Symmetrie über den gesamten Signalweg immer und überall sicherstellen. Zudem verzichtet Canever auf eine Über-Alles-Gegenkopplung, was Intermodulationsverzerrungen im nicht hörbaren Frequenzbereich vermeide. Für Mario Canever ein absolutes Muss für natürlichen und dreidimensionalen Klang.
Damit die Transistoren ausschließlich in ihrem linearen Bereich arbeiten, sitzt vor den Lautsprecherausgängen noch ein schwergewichtiger Ausgangsübertrager mit einem breitbandigen Frequenzbereich. Um die Ausmaße der Endstufe trotz des enormen konstruktiven Aufwands nicht vollkommen ausufern zu lassen, hat der Ingenieur an Stelle ausladender Kühlrippen ein ausgeklügeltes Heatpipe-Konzept für die schwer schuftenden Transistoren erdacht. Und sollte das tatsächlich mal nicht ausreichen, stehen bei Bedarf noch vier temperaturgeregelte Lüfter Gewehr bei Fuß.
Nicht ausreichen – Fremdworte für das „Herz seiner Endstufe“, wie Mario Canever das externe Dual-Mono-Netzteil bezeichnet: Hier werden Leistungsreserven von satten zweimal 900 VA vorgehalten und die Spannung mit Gleichrichtern aus der Photovoltaik gewandelt, bevor sie dann noch mit insgesamt 470000 Mikrofarad Siebkapazität von Restwelligkeiten befreit wird und schlussendlich an die Endstufe fließt.
Beste Voraussetzungen also, um auch impedanzkritische und wirkungsgradschwache Lautsprecher problemlos anzutreiben. Mit meinen Gauder Akustik reichte im normalen Testalltag die rückseitig per Kippschalter einstellbare 50-Watt-Stellung vollkommen aus, ohne mit dieser klimafreundlicheren Einstellung auch nur jemals den Hauch einer dynamischen Limitierung gespürt zu haben. Man kann die 120-Watt-Stellung damit auch getrost als Backup-Lösung für den Fall der Fälle ansehen. Wer darüber hinaus den leitungsmäßigen und monetären Overkill sucht, kann ein Paar La Scala übrigens auch in Brückenschaltung betreiben. Mit dann doppelt so hoher Ausgangsleistung natürlich.
Klangtest & Vergleiche: Canever ZeroUno SSD und Canever La Scala
ZeroUno SSD
Wie schreibt Mario Canever am Ende seines technischen Handbuchs so schön? „Have fun with the ZeroUno SSD!“ Zur La Scala komme ich dann im Anschluss.
Aber vor den Spaß an der Musik hat der liebe Gott die Verkabelung gesetzt. Der erste ernsthafte Hörtest gilt demnach der bestmöglichen digitalen Verbindung zwischen meinem Streamer Auralic Aries G1 und dem Canever ZeroUno SSD. Und hier präferiert das Paar ganz klar die USB-Verbindung, die die klangliche Sauberkeit und Transparenz der optischen Verbindung mit der Spritzigkeit und Präsenz der digitalen XLR-Verkabelung vereint. Die aufwändige USB-Implementierung im Canever ZeroUno SSD macht sich klanglich ganz offenbar bemerkbar.
Den größten Teil meiner Hörvergleiche habe ich demnach mit meinem Streamer als digitalen Zuspieler gemacht. Im zweiten Teil widme ich mich dann noch der Qualität der analogen Eingänge des ZeroUno.
In der Konzerthalle: Raumdarstellung und Plastizität
Impressionante! Schon die allerersten Töne zeigen eines der größten Talente des kombinierten DAC/Vorverstärkers aus Norditalien auf: Er erschafft einen wunderschön in Breite und Tiefe aufgefächerten Raum ohne akustische Löcher. So breitet sich die imaginäre Bühne bei Melody Gardot (Album „Live In Europe“; auf Amazon anhören) mit „Lisboa“ gefühlt unendlich weit hinter der Lautsprecherebene aus und schert sich dabei keinen Deut um die Wände meines Hörraums. Das schafft der Canever ZeroUno SSD sogar noch ein Stückchen beeindruckender und überzeugender als meine in dieser Hinsicht sicherlich nicht schlechte Kombination aus TAD D1000 MK2 (17.000 Euro) und Vorstufe Grandinote Domino (12.900 Euro). Der Canever versetzt das Klanggeschehen hierbei in eine beeindruckende Konzerthalle, während meine japanisch-italienische Kombi die Musiker eher etwas intimer abbildet. Dabei bläht der ZeroUno Klangkörper aber keinesfalls auf, wie man es von dem einen oder anderen Röhrengerät vielleicht kennt, sondern bildet Instrumente und Stimmen ähnlich plastisch greifbar wie meine Referenzkombi ab.
Unbestechlich emotional – die Tonalität
Wie die Zeit vergeht: Das Debut von Nils Petter Molvaer mit seinem Meisterstück Khmer hat mittlerweile 25 Jahre auf den Rippen. Zum Jubiläum suchte ich mir daher das Titelstück in High-Res aus Qobuz heraus. Klasse, wie die Canever DAC/Pre-Kombination die Trompete in diesem Meilenstein des Nu Jazz mit sägendem, hellem, metallischem Klang absolut authentisch wiedergibt – und eben nicht der (vermeintlichen) Klangschönheit wegen in eine wärmere, goldenere Klangfarbgebung abdriftet. Ebenso betont der Canever bei Gitarren weder den Korpus noch die Saiten ungebührlich, was ebenfalls für seine tonale Ausgewogenheit spricht. Im direkten Vergleich mit meiner TAD/Grandinote-Kombi scheint mir der Canever ZeroUno SSD im Präsenzbereich dabei sogar noch einen Tick durchlässiger und damit ehrlicher, aber halt auch etwas weniger „gnädig“ als meine Haus-Kombi: Sie kennen sicher das Problem mit einigen Aufnahmen, die im Präsenzbereich von Haus aus etwas zu viel Energie mitbekommen haben – und damit gerade Frauenstimmen auch mal etwas lästig klingen lassen. Tja, der ZeroUno beschönigt hier nichts und zählt für mich tonal sicher zu den unbestechlichsten Komponenten, die bislang in meinem Rack Platz nehmen durften. Bitte assoziieren Sie das jetzt aber nicht mit fad oder emotionslos, denn der italienische DAC ist für mich genau das Gegenteil!
Schluss mit Gemütlichkeit: Dynamik
Auch wenn ich die Musik im Homeoffice nur mal nebenbei laufen lasse: Mit der Konzentration (auf die Arbeit) ist es schnell vorbei. Der Canever ZeroUno SSD zieht mich immer wieder in die Musik hinein. Gemütlichkeit ist generell nicht so seine Sache: Der Canever-DAC gehört sicher zu den Zackigen seiner Zunft und folgt Impulsen jeder Art schnell und trittsicher. Er arbeitet die feindynamischen Lautstärke-Abstufungen in Quincy Jones‘ „Body Heat“ vom gleichnamigen Album ähnlich gekonnt heraus wie meine TAD/Grandinote-Referenzkombi. Dass der Canever nicht nur feindynamisches Talent aufweist, sondern seine Schnelligkeit auch bei grobdynamischeren Impulsen mit Nachdruck und auf den Punkt genau umsetzt, bestätigten mir dann beispielsweise Finks ansatzlos schnalzende Gitarrenakkorde in „Pills In My Pocket“ (vom Album IIUII; auf Amazon anhören).
Hochton und Auflösung
Stimmt, ich habe bislang noch kein Wort über den Hochton verloren. Warum? Weil dieser irgendwie wie „selbstverständlich vorhanden“ anmutet. Einerseits sind alle Details da, andererseits prahlt der Canever ZeroUno SSD in keiner Weise damit – überbetont wird schon gar nichts. Ganz ähnlich wie bei den Diamanthochtönern meiner Gauder Akustik ist der Hochton des Canever eher seidig, frei von jeder Lästigkeit und dabei absolut rein (Hoff Ensemble mit „Innocence“ vom Album Polarity – An Acoustic Jazz Project).
Im Gegensatz zum ebenfalls neutralen Streamer/DAC Lumin P1 (9.900 Euro) mit seiner (ganz) leicht schlanken Klangbalance mit kristallklaren Höhen geht der Canever das Thema Auflösung nicht vor allem über den Hochton an, sondern behandelt die Definition umfassender. Er kehrt über sämtliche Frequenzbereiche hinweg kein Detail unter den Teppich. Dabei mutet es gleichwohl keineswegs so an, als würde der Italiener Feinheiten herausarbeiten – wie ein penibler Analytiker fühlt er sich beim Hören jedenfalls nicht an. Und trotzdem entdecke ich mit ihm beim Hören altbekannter Stücke immer wieder Details, die zwar auch zuvor hörbar waren, mir aber so nur beim konzentrierten Hören auffielen. Auflösung ist für ihn quasi en passant eine Konsequenz aus Neutralität, Schnelligkeit (siehe oben) und Reinheit.
Der Canever ZeroUno SSD als analoge Vorstufe
Da der Canever ZeroUno in der SSD-Ausführung praktisch einen kompletten analogen Vorverstärker mit zwei Paar analogen Eingängen in petto hat, bin ich natürlich neugierig, wie sich dieser im Vergleich zu den analogen Eingängen eines Lumin P1 beziehungsweise meiner Grandinote Domino schlagen würde. Also habe ich meinen TAD D1000 MK2 über ein Paar analoge Cinchkabel mit dem Canever verbandelt und den TAD mit ein paar Lieblings-CDs gefüttert.
Unter anderem landet dabei die Japan-CD des Albums Body Heat (auf Amazon anhören) von Quincy Jones mit dem zuvor schon per Stream gehörten „Soul Saga (Song Of The Buffalo Soldier)“ im TAD. Auch als reine Vorstufe bringt der ZeroUno SSD alle zuvor beschriebenen Meriten inklusive der stupenden Räumlichkeit mit: Die Mundharmonika bläst energisch aus der Tiefe des Raums, alle Stimmen und Instrumente sind räumlich wunderbar gestaffelt. Einzig die Umrissschärfe einzelner Schallerergnisse scheint mit der Grandinote noch etwas besser ausgeprägt. Im Gegenzug öffnet der Canever dafür auch ohne Zuhilfenahme seines integrierten DACs den Raum noch weiter.
Merklich deutlicher fallen da schon die klanglichen Unterschiede zwischen den analogen Eingängen des Lumin und Canever aus. Während der Lumin obenrum zwar wunderbar transparent, aber eben auch „heller“ sowie im Bass etwas schlanker agiert, folgt der Canever tonal klarer dem neutralen Pfad. Obendrein gibt es bei ihm auch etwas mehr Fein- und Grobdynamik, und eben – Sie ahnen es – Raum.
L’amplificatore di potenza: Canever La Scala
Wechseln wir zur Stereoendstufe. Was für ein klingender Name: La Scala, benannt vom Opernliebhaber Canever nach dem berühmten Opernhaus „Teatro Alla Scala“ (kurz: „La Scala“) in Mailand. Das klingt schon nach Drama und eben deutlich emotionaler als das trockene ZeroUno (italienisch für Null Eins). Wie viel Herzblut und Gehirnschmalz in dieses Endstufenschwergewicht eingeflossen sind, haben Sie ja schon oben lesen können. Leider ist dieser Bericht zu kurz, um alle Vorzüge der La Scala ähnlich ausführlich wie beim ZeroUno zu würdigen. Einerseits natürlich betrüblich, andererseits hat sich für mich nach diversen Quervergleichen herausgestellt, dass der relativ unscheinbare DAC mit seiner Vorstufe durchaus der klangbestimmende Part der Canever-Kombi ist.
Daher hoffe ich, dass Sie mir nicht böse sind, wenn ich hier nur noch auf die beiden wesentlichsten Klangeigenschaften der La Scala eingehe.
Hubraum und Bass
Nein, es geht hier nicht um Tuning und ich entschuldige mich jetzt schon mal für den x-ten Automobilvergleich, den Sie in einer Hifi-Gazette lesen müssen, aber wer weiß, ob es in ein paar Jahren überhaupt noch Verbrenner-Motoren und Class-A-Verstärker geben wird. Daher hier nochmal einen, weil er eben so gut zur La Scala passt:
Saßen Sie schon mal in einem Mittelklasseauto mit einem hubraumstarken V8-Motor, haben einfach nur die Zündung angemacht und sind vor sich hin gerollt? – Ja? Dann haben Sie jetzt eine Idee davon, was passiert, wenn Sie mit der Canever La Scala selbst leise und gar nicht mal basslastige Musik hören. Sie bekommen sofort ein Gefühl für die unglaubliche, immer gegenwärtige Kraft, die unter der Haube schlummert. Bass ist einfach und immer da, man muss nicht mal den Lautstärkeregler aufdrehen. Loudnesseffekte? Gibt es nicht. Man kann die Lautstärke beliebig variieren, ohne dass sich Frequenzanteile dadurch in irgendeine Richtung biegen würden.
Ein Beispiel für den unerschütterlichen, konturierten Bass der Canever-La-Scala-Endstufe bietet der Song „Unstoppable“ von Lianne La Havas‘ Album Blood. Wenn nach rund 50 Sekunden der voluminöse Tiefbass (steigt bis 30 Hz hinab) das zuvor vorherrschende Klangchaos mit Macht schlichtweg zu überrollen scheint, bevor er sich sanft wogend über das Thema des Songs legt, dann hat man eine Ahnung davon, was für eine unbändige Kraft in der La Scala steckt. Dass die Endstufe dazu auch noch Rhythmusgefühl beweist und eben kein ungelenker Monsteramp ist, zeigt sich im rockigen „Crawl“ von den Kings Of Leon (Album: Only The Night). Wenn ein Verstärker die druckvollen Gitarrenriffs und die federnden Beats derart kontrolliert und sauber zu differenzieren vermag, dann ist das schon große Kunst.
Im direkten Vergleich zu meinen ähnlich bepreisten Grandinote Demone, scheint die Canever-Endstufe ganz tief unten sogar noch etwas mehr Fleisch am Knochen zu haben und tiefer zu spielen. Sie ist diesbezüglich auch mit nichts zu vergleichen, was in den letzten Jahren sonst noch an kräftigen Endstufen bei mir gastierte (Pass Labs XA 100.5, Classé CAM 350, Parasound JC1). Und obwohl die La Scala dafür im Oberbass die Schraubzwingen relativ lockerer anlegt als die in dieser Hinsicht außergewöhnlich kontrolliert agierenden Grandinote, lässt sie absolut betrachtet auch hier nichts anbrennen.
… und wieder der Raum
War die weitläufige Raumabbildung mit präziser Zeichnung von Konturen schon beim Canever ZeroUno SSD eine Wucht, so zieht die Kombi aus ZeroUno und La Scala die Bühne nochmal etwas weiter auf – und weist jedem Musiker gleichwohl einen unverrückbaren Platz im Raum zu. Ein bisschen erinnert mich der Effekt an die Integration eines Subwoofers in eine bereits sehr hochwertige Stereoanlage: Logisch, der Tieftonbereich wird einerseits nach unten erweitert, aber andererseits dehnt er die Raumdimensionen merklich aus, ohne zwangsweise an Abbildungs- oder Ortungspräzision zu verlieren.
In diesem Sinne bringt die La Scala dann tatsächlich nochmals mehr Drama und die große (Opern-)Bühne zu Ihnen nach Hause.
Test: Canever Audio ZeroUno SSD und La Scala | DAC/Vorverstärker, Endstufe