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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Aufregend ehrlich
  2. 2 ATC SCM50PSL: Klangtest & Vergleiche

Es muss auf der High End 2016 in München gewesen sein: Kleiderschrankartige, maximal unlifestylige Lautsprecher spielten in einem der größeren Demo-Räume des Atrium 3.1 dermaßen livehaftig, druckvoll, agil und substanziell auf, dass sie einen bleibenden Eindruck bei mir hinterließen. Besagte Kleiderschränke waren Lautsprecher der Firma ATC Loudspeaker Technology Ltd., und wenn ich mich richtig erinnere, handelte es sich bei ihnen um die ATC SCM150ASLT – also aktiv (das „A“ in ASLT) angetriebene, mit Super-Linear-Technologie („SL“) ausgestattete Standlautsprecher ( „T“ wie „Tower“). Die sind eines der mannigfaltigen Spin-offs der „Ur-ATC“ namens SCM50, um deren aktuelle, passive Inkarnation ATC SCM50PSL (Preis: 13.500 Euro; Vertrieb: www.audiotra.de) es sich im Folgenden dreht. Es gibt übrigens auch eine aktive Version dieses Lautsprecher, die ATC SCM50ASL (18.000 Euro) – die kompakte Variante der von uns schon getesteten ATC SCM50ASLT.

ATC-SCM50PSL - viel klassischer kann ein Lautsprecher kaum aussehen

ATC-SCM50PSL – klassischer kann ein Lautsprecher kaum aussehen

Die 50er werden seit fast 40 Jahren mit immer wieder verfeinerten Zutaten in quasi unveränderter Grundform gebaut. Und das ist auch gut so. Denn erstens muss man ja nur um der Mode willen nichts ändern, was gut funktioniert, und zweitens finde ich die Form und Proportion dieser Dreiwegelautsprecher ebenso stimmig wie unaufdringlich. Die knapp 72 Zentimeter hohen Gehäuse der SCM50PSL stehen (leider ohne Verschraubungsmöglichkeit) auf filigran anmutenden, im Lieferumfang enthaltenen Stahlsockeln. Das Ensemble wirkt im Hörraum trotz seiner Old-School-Kistenoptik und der gar nicht so geringen Ausmaße erstaunlich kompakt und leicht. Okay, das matt satinierte Schwarz der Testmodelle müsste es für mich nun nicht sein – ich finde, englische Lautsprecher brauchen richtiges Holz.

Eine ATC-SCM50PSL bei der Endmontage

Eine ATC-SCM50 in der Endmontage

Doch genug des Geschmäcklerischen, jetzt geht’s ans Eingebaute, denn der Fokus der Entwickler aus Stroud in den schönen Cotswolds liegt zuerst einmal auf den Treibern. Da ist man ganz Profi-Ausstatter: Die Basis muss stimmen. Dementsprechend sind alle Chassis bei ATC reine Eigenentwicklungen und werden für die perfekte Qualitätskontrolle auch selbst gefertigt, bis hin zu den im eigenen Hause gewickelten Schwingspulen. Wer mehr zur Fertigungstiefe bei ATC wissen möchte, ist herzlich eingeladen, sich unseren Firmenreport aus dem Jahre 2019 durchzulesen.

Treibende Kräfte

Im Hochton kommen ATCs 25-Millimeter-Textilkalotten SH25-76 mit einer doppelten Aufhängung der Membran zum Einsatz, die für geringere Verzerrungen und weniger Kompression insbesondere bei höheren Lautstärken sorgen soll. Der Neodym-Magnet sei so aufgebaut worden, dass er Wirbelströme reduziere, so die Briten.

ATCs 25-Millimeter-Textilkalotte SH25-76

ATCs 25-Millimeter-Textilkalotte SH25-76

Dieses wirbelstromreduzierende Design besitzt auch der Über-10-Kilo-Trümmer von Tieftöner mit Faser-Harz-Verbundmembran, der am anderen Frequenzgangende akustische Tatsachen schafft. Wie seine Bezeichnung SB75-234SL andeutet, handelt es sich um einen Woofer mit einem Durchmesser von 23,4 Zentimetern. Der 9-Zöller ist mit einem enorm schweren und potenten „Super Linear“-Antrieb mit Unterhang-Schwingspule ausgestattet (Langhubantrieb mit kurzer Schwingspule in einem langen Luftspalt). „Super Linear“ meint, dass die Schwingspule selbst bei größten Auslenkungen der Membran noch im linearen Bereich des Magnetfelds gehalten wird – das ist eine Herausforderung, und vor allem um diese Aufgabe zu bewältigen, ist der massive Magnet des Treibers nötig. Unterstützt wird der SB75-234SL durch ein frontseitig austretendes Bassreflexrohr mit 75 Millimeter Durchmesser, dessen Öffnung zur Vermeidung von Strömungsgeräuschen abgerundet wurde.

Der Tieftöner ATC SB75-234SL besitzt einen Antrieb mit Unterhang-Schwingspule

Der Tieftöner ATC SB75-234SL besitzt einen Antrieb mit Unterhang-Schwingspule

Den Bereich zwischen den beiden Crossover-Punkten bei 380 und 3500 Hertz überträgt die von Fans liebevoll und aus offensichtlichen Gründen „Bärennase“ genannte 75-Millimeter-Mitteltonkalotte SM75-150S mit ihrer harzgetränkten Membran. Dieser Treiber besitzt ein ziemlich beeindruckendes Magnet-Membranfläche-Verhältnis. Einen so feisten Antrieb – der Magnet bringt 9 Kilogramm auf die Waage – findet man eher selten hinter einem reinen Mitteltöner. Zusammen mit der großen 75-mm-Unterhang-Schwingspule soll der wirkungsgradstarke SM75-150S eine überaus beachtliche Leistungsanlieferung verdauen können und dynamische Kompression weitestgehend vermeiden.

Legendär und beliebt: ATCs Mitteltonkalotte, die sogenannte „Bärennase“ 75-Millimeter-Mitteltonkalotte SM75-150S

Legendär und beliebt: ATCs Mitteltonkalotte SM75-150S, besser bekannt als „Bärennase“

Die ATC-Mitteltonkalotte verfügt wie der Hochtöner über eine doppelte Membranaufhängung, die in Verbindung mit dem ebenfalls wirbelstromreduzierenden Magnetdesign Verzerrungen minimieren soll. Die relativ hohe Übergangsfrequenz von 3500 Hertz und die hohe Belastbarkeit bei gleichzeitig gutmütigem Bündelungsverhalten führten zu einer deutlichen Entlastung des Hochtöners, ohne dass die horizontale Abstrahlung leide, so ATC.

Spiegelspiele

Die Mittelhochton-Treibereinheit ist leicht seitlich versetzt auf der Front der ATC SCM50 montiert. Das sieht erst mal ungewohnt aus, habe aber durchaus seinen Sinn, denn die Asymmetrie beuge starken Kantenbeugungen vor, so die Briten. Laut Michael Nothnagel vom deutschen ATC-Vertrieb ATR – Audio Trade sei das Rundstrahlverhalten der SCM50 als überaus gleichmäßig zu bezeichnen. Insbesondere wenn die beigelegten Stoffabdeckungen aufgesetzt sind, seien Kantenbrechungen und Reflexionen vernachlässigbar, weil die Rahmen der Abdeckungen die Stufe zwischen Schallwand zum Gehäuse „auffüllen“. Die dabei auftretende Schallabsorption sei mit unter 0,5 Dezibel im Hochton vernachlässigbar und wirke sich klanglich so gut wie nicht aus.

Nun stellt sich natürlich die Frage: nach innen oder nach außen mit den Treibern? ATC gibt dem Kunden hier zwar grundsätzlich Carte blanche, empfiehlt jedoch im Sinne einer präziser definierten Abbildung, Hoch- und Mitteltöner auf der Innenseite zu platzieren. Müssen die Lautsprecher aber mit sehr kleiner Basisbreite (deutlich unter 2 Meter) aufgestellt werden, kann es der Bühnenbreite guttun, wenn die Treiber außen liegen – das hängt stark vom jeweiligen Raum, der Nähe der Seitenwände und dem eigenen Geschmack ab.

British Housing? No, thank you.

Wer mal in Großbritannien war, konnte vielleicht schon die Qualität des „British Housing“ in Augenschein nehmen und sich glücklich schätzen, zu Hause in kontinentaler Maurerkunst zu leben. Zum Glück hat sich ATC nicht am Vorbild von unglaublich hellhörigen Pappkarton-Wänden orientiert, auch wenn die Gehäuse ganz in der Nähe der eigenen Montagehallen in England gefertigt werden.

ATC-Firmengebäude in Stroud, Cotswolds

ATC-Firmengebäude in Stroud, Cotswolds

Andererseits kann man auch nicht behaupten, dass hier Konstruktionsinnovation in irgendeiner Form vorläge. Weder aufwendige Innenverstrebungen, kreative Formgebungen zur Vermeidung stehender Wellen, Multi-Sandwichkonstruktionen noch Spezialmaterialien kommen zum Einsatz. Stattdessen gibt’s MDF mit ordentlicher, aber nicht außerordentlicher Wandstärke von 19 Millimetern, eine richtig massive, auf das eigentliche Gehäuse aufgesetzte Frontplatte von knapp vier Zentimeter Stärke und eine vom Lautsprechervolumen abgetrennte Kammer für die Frequenzweiche. All das ist pragmatisch in rechten Winkeln zueinander angeordnet. Im Inneren findet sich reichlich Dämmwolle, im unteren Bereich klebt etwas bedämpfendes Bitumen an den Seitenwänden. Die bei ATC gewickelten Spulen und die teilweise Coladosen-großen Kondensatoren des üppigen Weichen-Boards schinden dagegen Eindruck und sorgen für elektrische Flankensteilheiten von 18 dB im Bass und 12 dB im Mittel- und Hochton.

Selbstgewickelt: Spule auf der Frequenzweiche der ATC SCM50PSL

Selbstgewickelt: Spule auf der Frequenzweiche der ATC SCM50PSL

ATC SCM50PSL: Klangtest & Vergleiche

In meiner Kette spielen die passiven ATC-Klassiker an der Kombination aus DAC-Vorstufe Norma Audio SC2 DAC (7.400 Euro) und Stereoendstufe Norma Audio PA-150 (5.300 Euro). Als Lautsprecherkabel dient das Ortofon Reference Black SPK in Bi-Wiring-Konfiguration. Da die SCM50PSL, wie alle passiven ATC-Modelle aus der Classic-Range, Tri-Wiring/-Amping-Terminals besitzen, stellen die Chime Jumpers von Gutwire eine hochwertige Verbindung zwischen Mittel- und Hochtonklemmen her. Ein Hinweis: Der Anschluss mit Gabelschuhen ist eigentlich nicht vorgesehen, die Terminals sollen nur Bananenstecker und abisolierte Kupferstränge aufnehmen.

Sieht man auch nicht alle Tage: Tri-Wiring-Terminal der ATC

Sieht man auch nicht alle Tage: Das Tri-Wiring-Terminal der ATC

Ich gehe davon aus, dass primär drei Aspekte der Wiedergabe den geneigten ATC-Novizen schon beim ersten Hören neugierig machen dürften: der transparente Mitten- und Präsenzbereich, die unangestrengte, locker-leichte Dynamik und die Natürlichkeit des gesamten Klangbilds. Und nun der Reihe nach.

Natürlich!

Die ATC SCM50PSL spielen grundsätzlich erstaunlich unspektakulär – solange auf der Aufnahme nur Porridge drauf ist, servieren die Britinnen auch nur fade Weichkost. Spektakel um des Spektakels willen ist nicht das Ding der SCM50PSL, dazu geben sie sich insgesamt zu gesittet, zu neutral, zu korrekt. Doch wehe, die Tonkonserve besitzt klangliche Würze – dann wird’s feurig.

Jarvis Cocker und Chilli Gonzales - Room 29Dass korrekt nicht reizlos bedeuten muss, beweisen die ATC SCM50PSL nämlich exemplarisch mit ihren berühmten Mitteltönern. Diese breitbandigen Treiber lüften gleich mehrere Schleier vor der Stimme von Jarvis Cocker in „Belle Boy“ auf dem Mega-Album Room 29 von Chilly Gonzalez (auf Amazon anhören) (ein Dankeschön für den Tipp geht an Armin Kern von ATR). Sie offenbaren selbst minimale Klangdetails so unangestrengt und unaufdringlich, dass ich mich frage, wie ich die bisher überhören konnte. Und das sage ich als ehemaliger Besitzer einer Lansche No.3.1 (ab 18.500 Euro), deren schwereloser Plasma-Hochtöner deutlich in den Präsenz- und oberen Mittenbereich hinunter spielt, diesen Grad an blitzblanker Transparenz allerdings nicht erreicht. Auch in nicht unbedingt audiophilen Tracks wie Molokos „Pure Pleasure Seeker“ (Album: Things to Make and Do) enthüllen die ATC einfach mehr. Mehr Geknarze des Saxofons, mehr Geschwurbel der Wurlitzer, mehr Geklickere der Elektronik.

Geerdet

Diese fast schon unheimliche Detailfreude ist nicht alles, was den Übertragungsbereich der „Bärennase“ der ATC SCM50PSL ausmacht. Die luftige Auflösung begleiten sie mit einer akustischen Solidität, die konträr zu den Begriffen Leichtigkeit und Offenheit scheinen mag. Dabei ist es genau das, was echte Stimmen und Instrumente ausmacht: Sie betonen oder vernachlässigen weder den einen noch den anderen Aspekt. Die überaus dynamisch eingefangenen Piano-Anschläge von Chilly Gonzales auf dem genannten Album besitzen eine perlende und intendiert harte Qualität ohne jegliche Verfärbung, dynamische Limitierung oder Abrundung der Transienten im Präsenzbereich. Und bei aller Offenheit servieren die SCM50PSL auch Stimmen (David Bowie, Patricia Barber, David Sylvian) oder Snaredrums (Porcupine Tree, „The Sound of Muszak“) mit der genau richtigen Substanz und energetischen Vehemenz. Wohlgemerkt bleibt dabei tonal alles im sattgrünen Bereich; die ATC SCM50PSL sounden nicht, „konstruieren“ den Klang also nicht mit Betonungen oder Einbrüchen, sondern lassen ihn einfach ungehindert durch.

Die ATC SCM50PSL im Hörraum

Die ATC SCM50PSL im Hörraum

Im Resultat entsteht ein Realismus der Mitten- und Präsenzwiedergabe, eine mühelose Natürlichkeit dieses musikalisch essenziellen Bereichs, die ich auch von Lautsprechern dieser Liga in solch hoher Qualität weder fordern noch überhaupt erwarten würde. Ich hätte es nicht gedacht, aber ich höre mit den ATC SCM50PSL mit Hingabe und Faszination sogar Audiobücher. Nicht nur, um der Story mit Spannung zu folgen, sondern auch, um den fantastischen Detailierungsgrad der Stimmwiedergabe mit Gänsehaut auf den Oberarmen zu erleben – ganz abgesehen von der Aura des Raums, den die ATC aufspannen.

Aufregend

Wie schon angedeutet, machen die ATC SCM50PSL keine Gefangenen, wenn es um die schnellstmögliche Umsetzung von Dynamiksprüngen geht. Ob es sich um feine Nuancen von Gitarrensaiten, Schlagzeugblechen und Percussion, um die harten Piano-Anschläge eines Chilly Gonzalez (siehe oben) oder das dramatische Aufbäumen der Berliner Philharmoniker unter Claudio Abbado bei Prokofievs „The Montagues and the Capulets“ aus den Highlights von Romeo and Juliet handelt, macht dabei keinen Unterschied. Die ATC SCM50SPL liefern fein- und grobdynamisch ab und bringen bassige Impulse ebenso wie kantige Transienten blitzartig und subtil abgestuft rüber – das liegt in Sachen Speed fast (!) auf dem Niveau guter Hornsysteme wie der hORNS Symphony 2 (14.900 Euro). Allerdings benötigen die SCM50PSL mehr Leistung als die um 10 dB/1m/1W lauteren hORNS, um ihre grobdynamischen Fähigkeiten vollends zu entfalten. Sehr erfreulich ist auch die Art und Weise, wie die weiteren Qualitäten der SCM50PSL diese Dynamik und Schnelligkeit komplementieren, sie nicht als Alleinunterhalter exponiert hervorragen lassen.

ATC SCM50PSL - Schallwand

Fundamental

Dazu trägt zum Beispiel der Tiefton bei. Der Basstreiber in der ATC SCM50PSL schaufelt kontrolliert und präzise genau die richtige Menge an solider Tieftonenergie in meinen Hörraum, trotz ihrer nicht gerade allzu weit von der Rückwand entfernten Position. Dabei gelingt den SCM50PSL ein echtes Kunststück indem sie Eigenschaften, die so gut wie alle Lautsprecher – auch in dieser Preisklasse – mehr oder weniger gut, aber eben doch kompromissbehaftet zusammenführen, quasi kompromisslos umsetzen: Druck ohne erkennbare Limitierungen, eine Präzision wie aus dem Hause Lange & Söhne, Durchsichtigkeit wie von Carl Zeiss poliert, Farbe und Struktur wie von der Hand der Alten Meister aufgetragen.

Patricia Barber Modern CoolDer (etwas zu fett aufgenommene) Kontrabass von Michael Arnopol in „You and the Night and the Music“, interpretiert von Patricia Barber auf ihrem Album Modern Cool (auf Amazon anhören), kommt entschlackt und konturiert wie nach einem gelungenen Wellnesswochenende mit Fitnessstudioaufenthalt, ohne auch nur im Ansatz sehnig-ausgemergelt zu wirken. Im Vergleich zu den 33-Zentimeter-Bässen der deutlich voluminöseren ATC SCM100ASL, die ein guter Bekannte in seinem Tonstudio als Hauptmonitor einsetzt, produzieren die 24er der SCM50PSL vielleicht ein klitzekleines bisschen mehr Energie im Oberbass und atmen nach ganz unten nicht so locker und frei aus – doch das ist Jammern auf höchstem Niveau, denn auch die nominell mit einem -6dB-Punkt bei 40 Hertz angegebenen ATC SCM50PSL reichen im Hörraum deutlich weiter hinab, als die Papierform es vermuten lässt. Klar, die Lansche No.3.1 lässt noch etwas tiefere Einblicke in den Frequenzkeller zu – doch weder spielte sie auf dem Weg dahin so realistisch, noch so klar durchzeichnend, noch so präzise und druckvoll bei Bassimpulsen der fieseren Art.

Die ATC SCM50PSL im Hörraum - Anschnitt

Und bevor ich’s vergesse: Der Grundton der ATC SCM50PSL tönt linear, vorbildlich transparent und greifbar. Ein Kontrabass oder ein Cello besitzen diese ganzheitliche Gestalt, die nur absolut homogen spielende Lautsprechersysteme realisieren können und die man gemeinhin von perfekt austarierten Zweiwegemodellen kennt. Ich habe selten Lautsprecher gehört, die es mir so schwer machen, einzelne Frequenzbereiche herauszupicken oder auch nur im Ansatz zu erahnen, wo die Übergänge zwischen den Treibern liegen.

Sweet Treble

Das gilt auch für den Übergang zwischen Bärennase und Hochtöner. Letzterer wirkt optisch und im Vergleich zu den Schwergewichten für die tiefen und mittleren Lagen wie ein Spielzeug. Doch man sollte sich vom Äußeren der flach bauenden Einheit nicht täuschen lassen. Er schließt mit derselben feinen, klaren und unprätentiös-sauberen Charakteristik des Mitteltöners an ebendiesen an und verschmilzt mit seinen Chassis-Kollegen zu einer Klangeinheit. Zwar mag der Hochton im ersten Hörmoment ein wenig zurückhaltend anmuten, fast schon einen Hauch zu seidig und zahm in der Attacke. Doch wehe, er wird losgelassen: Krachendes Blechwerk wie im genannten „The Montagues and the Capulets“ von Prokofiev packen die 25-mm-Kalotten keinesfalls in Watte, sondern offenbaren ähnliche dynamische Sprinterfähigkeiten und die grundehrliche Direktheit von Bärennase und Woofer: Der SH25-76 hat das komplette Repertoire von feinseidig-samtig bis metallisch-kristallin drauf und tendiert nur minimal zu Ersterem.

Felix Laband Dark Days Exit_Die Auflösung feiner Hochtondetails wie in Felix Labands „Black Shoes“ (Album: Dark Eyes Exit; auf Amazon anhören) mit seinen transientenreichen Elektrogespinsten gerät dabei unspektakulär informativ und vollkommen ausreichend luftig und frei. Geht das noch luftiger, analytischer? Ja, zum Beispiel mit den Totem Acoustic Element Metal v2 (16.990 Euro), aber auch mit den etwas günstigeren Gauder Akustik Vescova MkII (10.098 Euro). Doch alles in allem bevorzuge ich die Charakteristik der ATC, da mit ihr das Zusammenspiel von Mitten und Hochton homogener wirkt.

Raumpfleger mit Diplom

Das Zentrum der virtuellen Bühne lassen die ATC SCM50PSL ziemlich genau auf der Lautsprechergrundlinie entstehen. Manch andere Lautsprecher, zum Beispiel die Dynaudio Contour 30i (7.000 Euro) oder die Qln Prestige 3 (7.800 Euro), können die Position der Bühne, abhängig vom zugespielten Material, etwas stärker variieren und den gesamten Aufnahmeraum mit seinem Orchester schon mal einen guten Meter weiter in die Tiefe hinter die Lautsprecher versetzen. Nicht zu verwechseln ist dies jedoch mit der Fähigkeit, einzelne Klangereignisse ausgehend vom und relativ zum virtuellen Bühnenzentrum nach vorne, hinten, links und rechts in den Raum zu projizieren, denn der Raum an sich gerät auch mit den ATC SCM50PSL groß und frei. Nah mikrofonierte Stimmen können sich auf dem Nasenbein des Hörers manifestieren – und die Orgel in „Lonnie’s Lament“, aufgenommen in der St. Johann Kirche in Erding (Album: Jazz on Vinyl 2), steht weit, weit hinten.

Die 75-mm-Mitteltonkalotte der ATC SCM50PSL

Die 75-mm-Mitteltonkalotte der ATC SCM50PSL

Eine Einschränkung gibt’s bei der Raumdarstellung aber doch: Es ist eine gewisse Deckelung in der Höhe wahrzunehmen. Die ist aber stark von der Position des Hörers und damit von der Relation von Tweeter- zu Ohrhöhe abhängig. Ich sitze relativ hoch auf der Couch, die ATC SCM50PSL stehen auf recht niedrigen Ständern, sodass meine Ohren sich leicht über dem Niveau der Hochtöner befinden. Im Resultat begrenzen die ATC den Raum nach oben hin bei etwa 20 Zentimeter über den Gehäusen. Fläze ich mich ein wenig lümmeliger auf der Couch, nimmt der Effekt ab – aber auch sonst fällt das nach spätestens 30 Minuten sowieso nicht mehr auf. Zumal die horizontal nutzbare Hörzone der SCM50PSL sehr breit ist. Auch wenn man fast genau vor einem der beiden Lautsprecher sitzt, entsteht der Eindruck einer echten Bühne. Hörgenuss zu zweit oder zu dritt steht damit nichts im Wege – und das übrigens weder mit höchsten noch mit sehr niedrigen Pegeln. Beides geht, beides goutieren die ATC SCM50PSL.

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Test: ATC SCM50PSL | Lautsprecher

  1. 1 Aufregend ehrlich
  2. 2 ATC SCM50PSL: Klangtest & Vergleiche

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