Demnächst im Test:

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Dan D'Agostino

Wir schreiben das Jahr 2019 A.D. Ganz Britannien ist vom nahenden Brexit gelähmt. Ganz Britannien? Nein, eine gar nicht mal so kleine Firma namens ATC Loudspeaker Technology (deutscher Vertrieb: www.audiotra.de) sieht die Sache eigentlich ganz entspannt. Was nicht zuletzt an prall gefüllten Auftragsbüchern und dem resultierenden, deutlichen Wachstum der Firma gerade in den vergangenen drei Jahren liegt.

ATC Loudspeaker Technology ist natürlich alles andere als ein Newcomer. Schon seit 1974 produziert der Hersteller highfidele Komponenten: Angefangen hat man mit Lautsprecherchassis in London, später kamen dann mehr und mehr andere Produkte hinzu und der Firmensitz wurde in die Nähe von Stroud verlegt, inmitten der wunderschönen Cotswolds. Was sich für deutsche Ohren unter Umständen unappetitlich anhören mag, leitet sich etymologisch von Schafshütten (cots) auf sanften Hügeln (wolds) ab). Und in der Tat sind die Cotswolds eine Hügelkette, die aussieht, als sei sie einem besonders romantischen viktorianischen Roman entsprungen – oder die Kulisse der schrulligen Inspector Barnaby-Krimiserie, sollte Ihnen das näherstehen. Kalksteinbruchmauern säumen enge, geschlungene Straßen, schirmen herrschaftliche Anwesen vor neugierigen Blicken ab. Wobei – so viele neugierige Blicke gibt’s hier nicht wirklich. Selbst an so herrlichen Sommertagen wie jenen, die ich hier verbringen durfte, verlaufen sich erstaunlich wenige Tagesausflügler aus dem nicht mehr ganz so nahen London hierher. Das mag auch daran liegen, dass es hier eigentlich ziemlich oft und ziemlich viel regnet. Dem nahen Atlantik sei Dank, denn der ist nicht nur für das geradezu überbordende Grün der Gegend verantwortlich, sondern auch für ihre äußerst klare, reine Luft. Lovely!

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht: Kricketfeld

Das Kricket-Feld darf auch in den Cotswolds nicht fehlen – Blick ins sogenannte Golden Valley südlich von Stroud

In der Tat ist die Region noch so was wie ein touristischer Geheimtipp – auch wenn wohlhabende Londoner und pensionierte Rockstars sie gleichermaßen als Rückzugsgebiet entdeckt und die Immobilienpreise entsprechend hochgetrieben haben. Ich will’s ihnen nicht verübeln, wenn ich könnte, würde ich es den Gents and Ladies wohl gleichtun. Wo sonst in Europa sind freilaufende Kühe der natürlichen Art (will heißen: keine Hochleistungsmilchlieferanten) ein ganz normaler Anblick auf einem Golfplatz, der zudem noch ganz besondere Komplikationen wie Bombenkrater aus dem Zweiten Weltkrieg aufzubieten hat?

Britische Gastfreundschaft

Dem Charme der Gegend in nichts nach steht auch die Gastfreundschaft des ATC-Teams, und nicht zu vergessen auch dem der Organisatoren des Field-Trips vom deutschen Vertrieb Audiotrade (www.audiotra.de), Markolf Heimann und seine Frau Manuela. Nach dem kurzen Hopser über den Ärmelkanal geht’s vom Londoner Flughafen Heathrow vorbei an Schloss Windsor (die Queen war leider nicht zu Hause) und Swindon. Das alles auf der „falschen“ Seite der Straße, was mir nach einigen Jahren UK-Abstinenz gerade auf den Motorways ein ums andere mal ein flaues Gefühl im Magen verursacht. Da trifft es sich gut, dass bei ATC nicht nur Tee und Shortbread auf dem Tisch stehen, sondern der (im wahrsten Sinne des Wortes) Fleisch gewordene Gegenbeweis zum Vorurteil, in England gebe es nur Fish and Chips, und alles andere sei kulinarisch minderwertig. Resümee des ersten Lunch: Roast Beef können sie, die Briten.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Platine mit Elkos

Ben Lilly, Technical Sales Manager bei ATC, zeigt ein Aktivmodul für die Classic-Serie

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Getränke-Automat

Britischer Humor: „Nur für Freitagnachmittage!“

Aber hier geht’s ja nicht ums gute Essen, sondern um ATC. Schauen wir also genauer auf die britische Lautsprechermanufaktur und lassen Zahlen sprechen. Nein, keine Umsätze, darüber spricht man, ganz Gentleman-like eben, nicht. Aber kommunizierbar sei, dass etwa 50% der Umsätze auf das Hifi-Geschäft und die andere Hälfte aufs Profi-Business mit Master- und Recordingstudios entfallen, und im Hifi-Sektor etwa 95% des Umsatzes mit Lautsprechern gemacht würden, und nur etwa 5% mit externer Elektronik. Dröselt man die Anteile der Verstärker- und Weichenkomponenten in den Aktivlautsprechern gesondert auf, verschiebt sich das Bild natürlich deutlich stärker Richtung Elektronik.

Durch die Decke

Gut 40 Jahre lang hat man bei ATC Loudspeaker Technology eine erfolgreiche, aber auch irgendwie ruhige Kugel geschoben. Billy Woodman kam im Jahr 1970 aus Australien nach Großbritannien und wagte den Sprung in die Selbstständigkeit – mit der Idee, Lautsprechertreiber zu bauen – schon vier Jahre später, nachdem er für die Firma Goodmans in, wie er sagt, „speziellen Projekten“ als Entwicklungsingenieur gearbeitet hatte – dem laut Billy zu diesem Zeitpunkt größten Hersteller von Unterhaltungselektronik in Europa. Dort habe er eine neue Serie von PA-Lautsprechern entwickelt, mit denen Goodmans zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht auf den Markt gehen wollte. Weil er die so stiefmütterlich behandelten Technologien als zu wertvoll hielt, als dass sie in Vergessenheit landen sollten, gründete er kurzerhand ATC. „Wir wollten ganz bewusst nicht das Rad neu erfinden – unser Ansatz war es von Anfang an, existierende und bewährte Technologie immer besser zu machen“, sagt Billy Woodman.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Pause

Der Junior wird zum Senior: William Woodman (links, stehend) hat vor genau fünf Jahren die Geschicke von ATC Loudspeaker Technology in die Hand genommen

Als erster Großkunde tat sich alsbald Martin Audio auf, die unter anderem PA-Systeme für Supertramp bauten. Und eben diese wiesen von nun an Mitteltöner von ATC Loudspeaker Technology auf. Natürlich handelte es sich dabei um die Soft-Dome-Mitteltonkalotte, mit deren zugrundeliegender Idee Billy bereits zu Studienzeiten schwanger gegangen war. Den Weg in die Aufnahme- und Masteringstudios fanden die Monitore von ATC allerdings erst mit dem Anbruch des digitalen Aufnahmezeitalters – im Zuge der Umstellung von analoger auf digitale Technik nahmen viele Studiobesitzer die Gelegenheit wahr, auch die Lautsprecherbestückung auf den neusten Stand zu bringen. ATC war zu diesem Zeitpunkt der einzige ernstzunehmende heimische Chassishersteller – der Markt war zu diesem Zeitpunkt von den amerikanischen Anbietern Altec, JBL und Gauss dominiert – und die englischen Studios ließen sich vom Knowhow und dem nahen Service nur allzu gerne begeistern. Das Hifi-Business tat sich ungleich schwerer – einerseits gab es die klassischen BBC-Studiomonitore, die, so Billy Woodman, zwar gut auflösten, aber keine Dynamik konnten: „Man konnte damit noch nicht mal ein Piano in pianissimo hören!“ Andererseits waren amerikanische Lautsprecher zwar dynamisch gut drauf, doch „…die hatten ihre Ursprünge in den Kinosälen, kamen von dort mit dem Umweg über die Musikstudios in die Wohnzimmer der Leute und klangen ehrlich gesagt nicht sonderlich gut. Ich wusste, dass es da einen Mittelweg geben muss.“ Doch erst mit der ATC SCM 50 gelang ein Achtungserfolg – der sich mittlerweile zur ökonomischen Success-Story gemausert hat.

Alles was Recht ist

Als William Woodman Jr., der zuvor viele Jahre als Anwalt gearbeitet hatte, im September 2014 offiziell die Firmenleitung von seinem Vater Billy übernahm, hatte ATC Loudspeaker Technology noch 28 Mitarbeiter – und fast alle, die in den Anfangstagen an Bord gekommen sind, arbeiten auch heute noch bei ATC. Nun sind 28 Lads (Jungs) und Gals (Mädels) ja nicht gerade wenig, würde man in Anbetracht der üblichen Besetzungen der meisten Manufakturen sagen. Doch Will Woodman Jr. wollte mehr – und er bekam das auch. Heute beschäftigt ATC in Stroud über 60 Köpfe, die sich um so gut wie jeden Schritt der Fertigung von Lautsprechern kümmern. Denn ATC ist eine der wenigen Firmen der Branche, die wirklich jeden Schritt von der Spulenwicklung bis zur Treibermontage im eigenen Haus durchführen. Nur zwei Bauteile beziehe man von lokalen (!) Lieferanten, und zwar die meisten Gehäuse sowie die Schwingspulen samt Träger und Rohkalotten der Hochtontreiber, die aufgrund der cleveren Antriebskonstruktion ohne Ferrofluid auskommen.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Montage-Zwingen

Hier kommt zusammen, was zusammengehört: Mit diesen Pressen gehen Hochtonkalotten und Schwingspulenträger eine ewige Verbindung ein

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Bauteile

Nur die besonderen Schwingspulen der Hochtöner werden nicht bei ATC selbst gewickelt

Die drehen frei

Wie um diese „Inkonsequenz“ wiedergutzumachen, geht man bei ATC an anderer Stelle aber sogar noch einen Schritt weiter: Der für die Spulen gelieferte Draht wird von einer eigens dafür entwickelten Maschine abgeflacht – so bekäme man 20% mehr Kupfer auf die Spule als mit dem runden Standarddraht, sagt Ben Lilly, seines Zeichens Technical Sales Manager bei ATC Loudspeaker Technology und „Tour-Guide“ durch die Räumlichkeiten des Herstellers. Und damit habe man eben bei gleichem Wicklungsdurchmesser einfach „more power“. Der so behandelte Draht wird dann gleich nebenan von einem Unikat auf die Schwingspulenträger gewickelt. Billy Woodman baute seine eigene Wickelmaschine bereits in den 1970ern und laut Ben Lilly wurde jede einzelne jemals bei ATC verbaute Spule auf ebendiesem Apparat hergestellt. Marvelous!

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Maschine in Produktion

Mit dieser Maschine wird der Spulendraht abgeflacht, damit mehr Kupfer auf die Spulen passt

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Spulenwicklung

Diese selbstgebaute Maschine wickelt seit 1974 jede jemals bei ATC gefertigte Spule

Bob Polly, der Operations Director von ATC, wird nicht müde zu erläutern, warum man so anders sei als, nun ja, eigentlich alle anderen: „Wir sind schon eine Seltenheit in der Branche. Niemand sonst baut noch wirklich etwas, während wir alles in-house machen. Wir sind mit einiger Sicherheit die Einzigen in Großbritannien, die all ihre Treiber komplett selbst herstellen.“ Daraus lässt sich natürlich eine ganze Menge Stolz aufs eigene Baby herauslesen, doch der kommt nicht von ungefähr. In der Tat ist die Fertigungstiefe bei ATC beeindruckend und teilweise sogar erstaunlich – schließlich sind die Produkte der Firma alles andere als nur „abgehobene“ High-End-Schrulligkeiten. Die kleinsten Modelle, die kompakten ATC SCM7, starten in Deutschland schon bei 1.200 Euro für ein Pärchen, aktiv geht’s bei 6.000 Euro für ein Paar des Zwei-Wege-Standlautsprechers ATC SCM19A los. Das Ende der Fahnenstange des regulären Hifi-Programms markieren die aktiven Monster-Drei-Wegler ATC SCM300ASLT für 53.400 Euro pro Paar, inklusive zweier externer 4-Kanal-Endstufen.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Verstärker mit Lüftung

Die externe Endstufe der SCM300ASLT bedarf guter Belüftung. Das Signal wird über Multicorekabel zum Lautsprecher geprügelt

Angesichts von insgesamt vier 38er-Bässen und einem Gesamtgewicht von über 270 Kilogramm für das Komplettsystem ist das irgendwie gar nicht mal so teuer, sagt mein Berliner-Neubau-Mietwohnung-geplagtes Männerhifiherz. Passiv gibt’s den Lautsprecher auch, und zwar ab 38.900 Euro. Noch etwas exklusiver positioniert sich die auch optisch als Sondermodell erkennbare ATC EL150A. Hier befeuert eine 6-Kanal-Class-A-Endstufe mit einer Gesamtleistung von 700 Watt einen etwas extrovertierter verpackten Drei-Wege-Lautsprecher – allerdings nur mit einem Tieftontreiber à 37,5 Zentimeter Durchmesser – für 82.500 Euro. Passiv schlagen die ATC EL150A mit 55.400 Euro zu Buche.

ATC SCM300ASLT und ATC EL150A.

Die beiden aktiven Kracher im ATC-Programm: Das reguläre Modell ATC SCM300ASLT und die Sonderversion ATC EL150A

Alles aus einer Hand

Noch erstaunlicher wird dieser komplette Self-Made-Approach, wenn man bedenkt, dass (sehr) viele Arbeitsschritte tatsächlich noch von Hand durchgeführt werden. So misst ein Angestellter jedes einzelne Aktivmodul durch und stellt die Werte für einzelne Bauteile per Hand feinfühlig auf den optimalen Wert ein.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Mitarbeiter mit Oszilloskop

Ein Angestellter misst und justiert einzelne Bauteile eines Dreikanal-Aktivmoduls aufs Millivolt genau

Auch in der Treiberfertigung geht nichts ohne qualifizierte Spezialisten: Dort werden die Fasermembranen der Tief- und Mitteltöner in einem Harz getränkt und anschließend rückseitig mit einem weißlich-transparenten, dämpfenden Polymer bepinselt. Alles von Hand, versteht sich. Ob die Membranen so nicht zu schwer würden, frage ich. Nein, denn die verwendeten Antriebe seien in der Lage, diese bestens in ihrem Resonanzverhalten kontrollierten Membranen ebenso schnell und gnadenlos zu dynamischen Höchstleistungen zu prügeln, wie das bei jeder dünnen Metall- oder Papiermembran der Fall wäre – nur eben mit deutlich geringeren Resonanzen, so Ben Lilly. Wie zum Beweis drückt er mir den Antrieb des ATC Soft Dome Mitteltöners in die Hand, und ich verstehe: So was bauen viele andere noch nicht mal an ihre Subwooferchassis an. Zudem seien die Schwingspulen doppelt im Unterhang-Prinzip (die Wickelhöhe ist kleiner als die Luftspalthöhe) ausgeführt, um eine permanent kolbenförmige und damit verzerrungsarme Bewegung der Schwingspule zu garantieren. Apropos Magnet: Sogar der wird hier in der Chassis-Fertigungshalle selbst magnetisiert, nur die Rohteile lässt sich ATC zuliefern. Dazu steht immer noch die allererste Magnetisiermaschine bereit, aber man habe in einen etwa zehnmal so starken Magnetisierungsschrank investieren müssen, um die Antriebe der neuen Modelle überhaupt und auch so schnell magnetisch machen zu können, wie der Markt sie nachfragt.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht aufgetürmte Treiber in Werkstatt

Die Polymerbeschichtung der Rückseite wird sogar auf die Tief-/Mitteltontreiber der kleinsten Box, der ATC SCM7, von Hand aufgetragen

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Produktionsmaschine

Der originale Magnetisierer von ATC …

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Hochtöner-Produktion

… und was da so reinkommt

All der Aufwand soll natürlich nicht umsonst gewesen sein, und deshalb befindet sich am Ende der Fertigungshalle ein dedizierter Treiber-Testraum. Hier wird tatsächlich jedes einzelne Lautsprecherchassis direkt nach seiner Fertigstellung einer, mit Verlaub, barbarischen Tortur unterworfen, bevor es „approved for mounting“, also für die Montage freigegeben wird. Mitteltöner und kleinere Tieftöner bis 16 Zentimeter Durchmesser werden kurzerhand auf eine spezielle Box montiert und dann gnadenlos durchgewalkt. Größere Bässe und Subwooferchassis kommen in den Genuss einer Sonderbehandlung auf dem offenen Tisch. Dabei wird jeder Treiber mehrere Minuten lang Signalen zwischen einigen wenigen Hertz und einem Kilohertz ausgesetzt, und zwar mit einer Spannung von 20 Volt. Kurzzeitig müssen die Treiber sogar bis zu 35 Volt aushalten.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Maschine

Ben Lilly vor der Messkammer für Mitteltontreiber

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Chassis in Hand

Woofer von diesem Kaliber müssen freilaufend getestet werden – und das nicht gerade mit Samthandschuhen …

Klangvolle Namen

Diese Demonstration ist bei aller Dramatik beileibe kein Overkill, mit dem die Jungs von ATC die anwesenden Journalisten beeindrucken wollen, sondern notwendige Qualitätssicherung. Schließlich stehen auf der Kundenliste der Manufaktur so illustre Namen wie die Rolling Stones, Roger Waters, U2, Coldplay, David Gilmour – und die Firma Dolby, die mit einer ganzen Armada von ATC-Aktivmonitoren und Subwoofern die Dolby-Atmos-Abmischungen in den Blackbird Studios durchführen: Dort steht ein 9.1.6-Surround-System mit drei ATC SCM300ASL Pro Lautsprechern für die Frontkanäle und insgesamt zwölf (!) ATC SCM100ASL Pro an der Decke, den Seiten und den Rear-Kanälen. Ganze sechs ATC SCM1-15ASL Subwoofer (vier stehen vorne, zwei weitere seitlich hinten) mit jeweils einem 15-Zöller und satten 650 Watt Leistung komplettieren die Mega-Anlage. Ich kenne Leute, die alleine dafür die Pilgerfahrt ins amerikanische Nashville antreten würden. Wie dem auch sei: Solch anspruchsvolle Kunden dürfen nicht enttäuscht werden, weder von der Zuverlässigkeit noch von der Klang-Performance der Produkte, denen sie Vertrauen schenken.

Blackbird Studio

Eine Klangkathedrale der ganz besonderen Art: In den Blackbird Studios in Nashville mischt Dolby seine Atmos-Soundtracks auf insgesamt 21 aktiven ATC-Profi-Lautsprechern ab (Foto: Ben Lilly, ATC)

Übrigens standen bei meinem Besuch in der ATC-Fertigung gerade vier Rohgehäuse der ATC SCM 150 ASL in einem hellen Grauton herum. „Die gehen demnächst nach Kalifornien und werden mit einigen anderen Exemplaren dort im neuen großen Masteringstudio von Apple zum Einsatz kommen“, lässt Ben Lilly durchblicken. „Natürlich mussten wir sie in Apple Light Grey lackieren – aber sagen wir mal so: Geld spielt bei Apple nicht unbedingt so eine große Rolle…“

Nur Hören bringt die Wahrheit ans Licht

Natürlich darf bei so einem Besuch der Musikgenuss nicht zu kurz kommen. ATC hat dafür einen dedizierten Hörraum geschaffen, in dem fast optimale Bedingungen zum Musikhören herrschen. Laut Will Goodman Jr. wurde ein „Raum im Raum“ konzipiert, der eigentliche Hörraum also in einen größeren Raum resonanzoptimiert integriert. An den Wänden finden sich sowohl absorbierende als auch den Schall diffus reflektierende Akustikelemente. Zudem steht hier so ziemlich jedes derzeitig erhältliche ATC-Lautsprechermodell sowie eine Auswahl der ATC-Elektronik, zu der ich gleich noch ein, zwei Wörtchen verlieren werde. Nun aber heißt es hören!

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Anlage

Der Hörraum von ATC mit den ATC SCM100SE. Links daneben die ATC SCM40 (Drei-Wege) und die ATC SCM19A (Zwei-Wege), die beiden Standlautsprechermodelle aus der Entry-Serie

Als erstes Schmankerl serviert Ben Lilly uns die ziemlich massige SE-Version der ATC SCM100ASLT. Ziemlich direktes Resümee: Die 74 Kilo schwere Aktivbox sieht zwar aus, als ob sie mit Vorliebe die Abrissbirne schwänge, doch sie erweist sich als äußerst feinfühlige, dabei frappierend präzise und gerade im Bassbereich unglaublich linear spielende Box. Das ist im ersten Moment recht ungewohnt – ich könnte mir vorstellen, dass einige Erst-Hörer den großen Kisten (zu Unrecht) mangelnden (Tief-) Bass unterstellen werden. Der von vielen anderen Schallwandlern bekannte Zusammenhang zwischen Lautsprechervolumen und Bassdominanz, an den sich viele Hörer bereits gewöhnt haben, wird hier nämlich als Effekthascherei entlarvt. Bei längerem Hören aber überzeugen die zweifelsfreie Linearität, der gnadenlos kontrollierte Bass und die absolut verzerrungsfreie Dynamik dieser überdimensionalen Aktiv-Monitore mehr als jedes Wummer-Spektakel. Und wenn man noch ein paar Stücke mehr spielt, stellt man fest, dass diese Trümmer von Lautsprechern lediglich die originale tonale Balance der Musikaufnahmen mit größerer Genauigkeit als üblich widerspiegeln, und dass eben einige Tracks von Haus aus deutlich mehr Tieftonenergie besitzen als andere – auch wenn einem das zuvor nicht aufgefallen sein mag. Das ist wirklich erwachsenes, gleichermaßen involvierendes wie unbestechliches High-End.

Hin und her

Im Anschluss demonstriert Ben Lilly mit Hilfe seiner ziemlich genialen, auf ein Zehntel Dezibel genau justierbaren Umschalteinrichtung die klanglichen Unterschiede zwischen passiven und aktiven Modellen anhand der kleinsten Drei-Wege-Boxen von ATC, den SCM40. In der passiven Variante sind die ATC SCM40 mit einem Paarpreis von 5.200 Euro das günstigste Modell, das mit dem „ATC Soft Dome“-Mitteltöner zu haben ist. Das nachgestellte „A“ im Produktnamen kostet nicht nur 4.200 Euro mehr, die Aktivvarianten bringen pro Seite auch drei Endstufenkanäle mit sich. Mit 242 Watt Dauerleistung ist jeder Lautsprecher spezifiziert – und das macht sich mehr als deutlich bemerkbar. Erstaunlicherweise vor allem im Hochton, der nicht nur klarer klingt, sondern auch feiner auflöst. Dynamisch legt die aktive Variante ebenfalls einen Zacken zu, und der Mittenbereich gewinnt an Plastizität und Transparenz. Dabei hören wir die Passivvarianten immerhin mit einer ATC P1-Endstufe, die an 8 Ohm satte 150 Watt liefert und auch schon mit 2.990 Euro in der Preisliste steht. Addiert man nun noch ein adäquates Lautsprecherkabel hinzu, summiert sich das schnell auf den Aktiv-Mehrpreis. „Warum also passiv?“, ertappe ich mich selbst zu fragen. Als HiFi-Tester kann ich die Frage mit „nötige Flexibilität“ beantworten, aber ganz im Ernst (und das ist meine private Meinung): Würde ich ausschließlich privat und zu meinem persönlichen Plaisir Musik hören, wäre meine Antwort hier sehr eindeutig: Die Aktive muss es sein.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Elektronik

Die noch unfertige Front des Vorverstärker-Topmodells ATC SCA2

Elektronik

Dabei hat ATC auch für Passiv-Fans einige Pfeile im Köcher. Neben den bekannten und sehr klassisch entwickelten CD-Spielern, Vollverstärkern, Vor- und Endstufen seit kurzem auch das CD-Spieler- und Vollverstärker-Duo ATC CD2 und ATC SIA2-100 im Medium-Format mit einer Breite von nur 31,5 Zentimeter. Der Vollverstärker ATC SIA2-100 besitzt unter anderem einen integrierten DAC. Leider noch nicht für die Augen der Öffentlichkeit bestimmt: Eine Statement-Kombi, deren Prototypen ich erfreulicherweise schon in Augenschein nehmen durfte. Ich bin mehr als gespannt auf dieses Duo, das schon im jetzigen Stadium ein haptisches und optisches besonderes Erlebnis bietet.

ATC Loudspeaker Technology Firmenbericht Rückseite Amp

ATC stellt sogar die Klemmen für die Lautsprecherkabel selbst her

Goodbye, farewell, mach et jut!

Nein, das hier ist mit Sicherheit kein Abschied für immer. Dazu hat der ehrliche, unverstellte und doch geradezu liebevolle Charme von ATC mich zu sehr für sich gewonnen. Würde sich irgendwann mal ein Wechsel in meiner Kette anbahnen, dann stünde eine traditionelle „kompakte“ ATC aus der Classic-Serie ganz sicher ganz weit oben auf meiner Shortlist. Und sollte ich gar irgendwann nicht mehr den Pflichten des Hifi-Testers nachgehen, wird es wohl heißen: Make it active, Baby!

Deutscher Vertrieb:
ATR Audio Trade Hi-Fi Vertriebsgesellschaft mbH
Schenkendorfstraße 29 | D-45472 Mülheim an der Ruhr
Telefon: 0208-882 66 0
E-Mail: webadmin@audiotra.de
Web: www.audiotra.de

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Teufel

Über die Autorin / den Autor

Equipment

Analoge Quellen: Laufwerk: J.Sikora Initial Max mit Alu-Base und geregeltem Netzteil Plattenspieler: Pro-Ject Carbon Debut EVO Tonarm: Kuzma Stogi Reference S12 VAT Tonabnehmer: Transrotor Figaro, Ortofon 2M Bronze, Ortofon 2M Red Sonstiges: UKW-Tuner: Grundig FineArts T2

Digitale Quellen: D/A-Wandler: ifi iDSD nano, Norma Audio REVO DAC-Modul CD-Player: Technics SL-G700 Streamer: Métronome DSS 2, Cambridge CNX (V2) Computer/Mediaplayer: Nucleus by Roon, MacBook Pro

Vollverstärker: Audio Hungary Qualiton X200 KT150 (Röhre), Linn Classik Movie II (Surroundreceiver mit integriertem DVD-Player)

Vorstufen: Hochpegel: Norma Audio REVO SC-2 Phonoverstärker: Linnenberg BIZET (MC), Norma Audio PH3 (Modul)

Endstufen: Norma Audio REVO PA-150

Lautsprecher: ATC SCM50PSL, Divine Acoustics Bellatrix, JBL 4309, Argon Audio Forte A5

Kopfhörer: Denon AD-H7200, Teufel Real Blue PRO, Beyerdynamic Free BYRD

Kopfhörerverstärker: Meier Audio Corda Classic

Kabel: Lautsprecherkabel: Ortofon Reference SPK Black, Kimber Kable 12TC All Clear, Audioquest Rocket 22, Fastaudio Black Science SPK NF-Kabel: Gutwire EON-Z, Ortofon Reference 7NX-705, Graditech Kide 1 & Kide 3, Audioquest Yukon, Audioquest Mackenzie, fastaudio Black Science NF Digitalkabel: Supra Cables Sword Excalibur USB, AudioQuest Vodka & Cinnamon Ethernet, Graditech Kide Digital RCA, AudioQuest Carbon RCA Netzkabel: Supra Cables LoRAd 2.5 SPC, Gutwire SV-8, Gutwire G Clef 2, AudioQuest NRG-2 Sonstiges: Erdungskabel Gutwire Ultimate Ground

Rack: Roterring Belmaro 33 (Customized)

Zubehör: Stromfilter: Supra Cables LoRad Netzleiste MD08 DC 16 EU Mk 3.1 Sonstiges: Audioplan PowerStar S4, bFly PowerBase M, bFly BaseTwo M, YDOL Relax 60 und fastaudio Absorber, Acoustic System Resonatoren Silver & Gold, The Gryphon De-Magnetizer, Audioplan Sicomin Antispikes und Gerätefüße, bFly MASTER Absorberfüße, Solidsteel SS6 (Lautsprecherständer)

Größe des Hörraumes: Grundfläche: 24,5 m² Höhe: 2,7 m