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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Progressiv klassisch
  2. 2 Rogers LS5/9 Classic: Klangtest & Vergleiche

Die British Broadcasting Corporation (BBC) gilt bis heute nicht nur als Garant für qualitativ hochwertigen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sie hat auch im Bereich der Audioproduktion Standards gesetzt – und zwar im Wortsinne: Ihre strengen akustischen Spezifikationen und Qualitätspflichtenhefte für Abhörmonitore sorgen sowohl in den BBC-Studios als auch außerhalb für den sprichwörtlichen guten Ton. Im Laufe der Jahrzehnte baute eine Vielzahl renommierter Hersteller (z.B. Falcon, Harbeth, KEF, Linn, Rogers und Spendor) in Lizenz verschiedene BBC-Lautsprecher, die auch im HiFi-Bereich ihre Liebhaber fanden und finden. Falls sich jemand dafür interessiert, wie die stets etwas kryptisch wirkenden Typbezeichnungen der BBC-Abhören entstanden sind und was sie bedeuten: Schauen Sie mal auf der Website vom BBC-Monitor-Liebhaber Mark Hennessy vorbei, er hat zum Thema erschöpfende Auskunft zu bieten. Genug des Vorgeplänkels, kommen wir zu unserem Probanden, dem LS5/9 Classic (www.mediabit-vertrieb.de | ab 6.900 Euro) des britischen Herstellers Rogers, der neben dem LS5/9 auch noch den BBC-Monitor LS3/5A im Lautsprecherportfolio hat.

Der Rogers LS5/9 ist ein klassischer kompakter Zweiwegler mit frontseitiger Bassreflexöffnung, dessen Annalen bis ins Jahr 1981 zurückreichen. In diesem Jahr erkannte die BBC die Notwendigkeit für einen sogenannten „Medium Power“-Monitor, der überall da zum Einsatz kommen sollte, wo für große Monitore kein Platz war. Wie es bei Rogers heißt, war das 1970 gegründete Unternehmen bereits in der Frühphase in die Entwicklung dieses Lautsprechers eingebunden und anfangs auch der erste und einzige Lizenznehmer für den LS5/9.

Das technische Grundkonzept

Der "Metallkäfig" vor der 34-mm-Kalotte der Rogers LS5/9 Classic

Der „Metallkäfig“ vor der 34-mm-Kalotte der Rogers LS5/9 Classic bietet nicht nur mechanischen Schutz, sondern optimiert zudem das Abstrahlverhalten im Hochton

Das Gehäuse des Rogers LS5/9 Classic besteht aus furniertem, neun Millimeter starkem Birkensperrholz, wobei sämtliche Holzverbindungen zur Erhöhung der Stabilität innen zusätzlich mit Buchenholzleisten verleimt wurden. Die Gehäuseplatten sowie die ebenfalls neun Millimeter starke Schallwand sind mit Bitumenplatten bedämpft. Zwei Treiber finden sich in dem mit 89 dB/W/m recht effizienten System: ein 21-cm-Tiefmitteltöner mit invertierter Sicke und halbtransparenter Polypropylenmembran, durch die die Zentrierspinne schimmert – sowie ein bei 3 kHz mit 18 dB/Oktave steil angekoppelter 34-mm-Kalottenhochtöner vom französischen Hersteller Audax, der jedoch von Rogers modifiziert wird: Eine metallene Schutzkappe mit einem speziellen Lochmuster („Dispersion Loading Protective Plate“) soll die empfindliche Kalotte des Hochtöners nicht nur vor tollpatschigen Fingern schützen, sondern auch das Abstrahlverhalten optimieren. Sie wirkt so solide und steht so weit heraus, dass der Hochtöner vermutlich selbst dann keinen Schaden nimmt, wenn der gesamte Lautsprecher im harten Studioalltag mal vornüberkippt. Die Chassis, heißt es bei Rogers weiter, werden paarweise selektiert; Qualitätskontrolle und Montage der Lautsprecher finden standesgemäß in Großbritannien statt.

Ungewöhnliches unter der Frontbespannung

Und dann gibt es da noch eine Besonderheit, die jedoch erst dann zutage tritt, wenn man die Frontbespannung abnimmt. Übrigens: Gehört wird die Rogers LS5/9 Classic ausschließlich „mit“, der akustische Einfluss der Frontbespannung ist Teil des Abstimmungskonzepts. Verdeckt von ihr findet sich auf der Schallwand jedoch eine Hochtonpegelanpassungsmöglichkeit mit drei Stufen: neutral (0) sowie +1 und -1 Dezibel.

Hochtonpegeleinstellung der Rogers LS5/9 Classic mittels Kabelbrücke

Mit dieser Kabelbrücke lässt sich der Hochtonpegel der Rogers LS5/9 Classic feinabstimmen

Grundsätzlich kennt man ja auch von anderen Herstellern die Option, Höhen oder Tiefen anzupassen. Nubert beispielsweise bietet das bei manchen Modellen über rückseitige Kipp- oder Knebelschalter an, bei den großen Tannoy-Heritage-Lautsprechern gibt’s schraubbare „Pinökel“, die man in verschiedenen Gewinden platzieren kann. Alle diese Lösungen haben jedoch einen Nachteil: zusätzliche Bauteile und Übergangswiderstände. Daher geht man bei Rogers auch dieses Thema mit fast schon nerdig anmutender Konsequenz und entsprechend ungewöhnlicher Ausführung an: Wer den Hochtonpegel anpassen will, der muss seinen Lötkolben scharfschalten und das Kabel am aktuellen Lötpunkt entlöten und dann an einem anderen der insgesamt drei zur Verfügung stehenden Lötpunkte wieder festlöten. Das geht auf den ersten Blick nicht unbedingt als nutzerfreundlich durch, ist jedoch aus rein elektrischer Sicht des langfristig ungestörten Signalflusses am Ende die „solideste“ Lösung.

Gute innere und äußere Werte

Generell scheint man bei Rogers Wert auf einen optimalen Signalfluss zu legen: Das beginnt bei den hochwertig anmutenden, versilberten und ins Gehäuse versenkten Single-Wiring-Anschlussbuchsen (die allerdings nur Bananas aufnehmen, es gibt keine Schraubklemmen oder dergleichen), setzt sich fort bei der Weichenplatine – deren Bauteile von Hand mit Silberlot verlötet werden – und mündet in eine ebenfalls durchgehend verlötete Solid-Core-Kupfer-Innenverkabelung. So muss das eigentlich sein in der Preisklasse, es ist aber leider nicht selbstverständlich.

Verlöteter Kontakt am Hochtöner der Rogers LS5/9 Classic

Vorbildlich: Auch die Kontakte an den Treibern der Rogers LS5/9 Classic sind nicht – wie sonst leider üblich – bloß gesteckt, sondern verlötet

Die offenbar guten inneren Werte setzen sich außen fort. Wirkt das Gehäuse nicht zuletzt aufgrund seiner blickdichten Frontbespannung aus dichtgewebten Nylonfäden nicht wirklich aufmerksamkeitsheischend, so fällt doch sofort die außerordentlich hohe Material- und Fertigungsqualität auf: Ob es nun die quasi nicht vorhandenen Spaltmaße sind, ob es der bombenfeste Sitz des Lautsprecheranschlusses ist oder ob man angesichts der extrem liebevoll konstruierten Frontgitterverspannung, die mit einem durchgehenden, innenliegenden Klettverschluss fixiert ist, staunt: Das macht richtig was her, die Rogers LS5/9 Classic ist ein richtig schönes, klassisches Tonmöbel und scheint wie für die Ewigkeit gemacht zu sein. Noch dazu ist das Holzfurnier (bei unserem Testmodell: Olive) richtig schön und toll gemasert, wie ich finde. Drei weitere Furniervarianten werden angeboten: Palisander, Nussbaum und „Amazaque“, ein aus Afrika stammendes Tropenholz. Übrigens: Wer mag, kann sich gegen Aufpreis darüber hinaus eine Lackierung in einer beliebigen RAL-Farbe bestellen.

Rogers LS5/9 Classic: Klangtest & Vergleiche

Schicken wir die LS5/9 mal auf den Platz! Zuerst gönne ich ihnen, weil fabrikneue Exemplare am Start sind, eine ausgiebige Einspielzeit von 120 Stunden. Die brauchen sie auch, direkt aus dem Karton wirkt die tonale Balance für meinen Geschmack etwas zu sehr in Richtung Hochton verschoben, was sich aber bereits nach knapp über 70 Stunden deutlich abmildert und nach grob 120 Stunden gänzlich verflüchtigt. Befeuert habe ich die Rogers LS5/9 Classic mit meinem Valvet-A4-MKII-Monoblöcken, angesteuert über die Röhrenvorstufe Tsakiridis Alexander, „gefüttert“ von meinem Netzwerkspieler Cambridge Audio CXN(V2) sowie meinem CD-Spieler C.E.C. CD5.

Firmenlogo auf der Frontbespannung der Rogers LS5/9 Classic

Die Rogers LS5/9 Classic werden mit aufgesetzter Frontbespannung gehört

Von wegen gemütlich …

Simple Minds Sparkle in The RainNormalerweise beginne ich Hörberichte gerne mit dem tonalen Profil, doch hier möchte ich einmal eine Ausnahme machen, denn was mich bei den LS5/9 am meisten – positiv – erstaunt, ist etwas anderes: die Dynamik. Der Zufall will es, dass ich mal wieder Lust auf das recht gut abgehangene Simple-Minds-Album Sparkle in The Rain bekomme. Wer sich erinnert: Die Steve-Lillywhite-Produktion knallt richtig, ist klanglich außerordentlich wuchtig und kommt dynamisch wesentlich zackiger daher als die eher handzahm produzierten Vorgängeralben New Gold Dream und Sister Feelings Call.

Als die ersten massiven Schlagzeug-Beats von „Up on the Catwalk“ erklingen, zucke ich fast zusammen: Wow, der LS5/9 ist pfeilschnell unterwegs und knallt die massiv nach vorne gemischte Snare mit einer derartigen Wucht ins Hörzimmer, dass ich in einem Blindtest wohl alles andere erwartet hätte als ausgerechnet einen BBC-Monitor. Das klingt in seiner Direktheit, die über alle Frequenzbereiche geboten wird, schon fast mehr nach einem auf Dynamik hin optimierten Hornkonzept – wie beispielsweise den Horn Acoustic Feria.

Die Frequenzweiche der Rogers LS5/9 Classic

Auf der Frequenzweiche der Rogers LS5/9 Classic finden sich hochwertige Kondensatoren von Epcos und – um Mikrofonieanfälligkeit zu reduzieren – wachsgetränkte Spulen

Nein, grobdynamisch lässt der Rogers LS5/9 Classic nichts anbrennen, wenn auch konzept- und bauartbedingt – dazu aber später noch im Bereich Tonalität – natürlich ein komplett nach unten durchgezeichnetes Tieftonfundament fehlt. Auch beim Track „‘C‘ Moon Cry Like A Baby“ (gleiches Album) bin ich sofort von der Unmittelbarkeit und Dynamik gefesselt: Hier sind es vor allem die pfeilschnelle und „giftige“ Hi-Hat und die glattpolierten, extrem akzentuierten Keyboard-Einwürfe, die einem um die Ohren fliegen. Das macht richtig Spaß und hat mit der nach meiner Erfahrung tendenziell etwas „gemütlicheren“ dynamischen Gangart der BBC-Monitore wenig zu tun. Toll.

The Cure Three Imaginary BoysEin ähnliches Qualitätssiegel kann ich der Feindynamik verleihen: Wenn in dem The-Cure-Frühwerk „10:15 Saturday Night“ (Album: Three Imaginary Boys) zu Beginn nur ganz leise eine einsame Gitarrenspur, eine Hi-Hat und das traurige Seufzen von Robert Smith zu hören sind, dann erzeugt das schon nach drei Sekunden eine ganz eigene, zwingende, fast sakrale Atmosphäre – die dann radikal umkippt, als das Schlagzeug plötzlich und unerwartet losdrischt. Von ganz leise-intim nach krachend-laut: Überhaupt kein Problem für den LS5/9.

Schön auch im Track „The Pamphleteer“ der Weakerthans: In der ersten Strophe liegt der Fokus der Aufmerksamkeit auf der recht dominant gemischten Gitarre und dem Gesang. Das Schlagzeug nimmt sich zurück, Bassdrum und Rimshots geben den Takt vor und im Hintergrund spielt der Drummer immer wieder sehr leise Ghostnotes / Kontrapunkte auf den Toms. Diese sind lautstärkeseitig extrem weit zurückgenommen, aber der LS5/9 bildet sie trotzdem extrem sauber ab, sie ergeben ein gewisses rhythmisches Kribbeln unter der Haut. Leises neben Lautem sauber und in vielen Abstufungen zu präsentierten, das kann der LS5/9 definitiv.

I did it my way

Die Hochtoneinheit der Rogers LS5/9 Classic

Nicht nur bei der Dynamik, auch bei der Tonalität geht der LS5/9 für meinen Geschmack einen etwas anderen Weg als die mir bisher bekannten BBC-Monitore, wobei ich fairerweise zugeben muss, dass es am Ende natürlich auch noch einen Unterschied macht, welche Hochtoneinstufung man wählt: Ich habe den Auslieferzustand gewählt, der interessanterweise als default für den Heimbereich mit -1 dB verlötet ist: Vermutlich nimmt man damit auf die HiFi-Hörgewohnheiten Rücksicht; im Studiobereich hört man gerne – gerade im Hochtonbereich – mal etwas genauer hin, leuchtet also stärker aus, um Aufnahmen wirklich auf den Zahn zu fühlen. Wie auch immer: Ich bin überrascht, wie frisch und luftig der Rogers LS5/9 Classic klingt.

Meine Harbeth 30.1 beispielsweise, die ich über viele Jahre besaß, baute ihr Klangbild ganz klar aus der Mitte heraus auf und bildete dann nach oben wie unten heraus sehr geschickt verrundet/abgesoftet ab. Was ein, wenn auch nicht lehrbuchartig neutrales, so doch außerordentlich stressfreies und langzeittaugliches Bild ergab. Der Rogers-Lautsprecher hingegen liefert im Hochtonbereich und auch im Superhochtonbereich deutlich mehr Frische, „Air“ und Luftigkeit, was ich aber hier nicht als Überbetonung verstehe, sondern als letztlich, gegenüber anderen mir bekannten BBC-Lautsprechern, neutralere Gangart.

Absolut nicht verschwiegen – die Auflösung

Die Rogers LS5/9 Classic mit Frontbespannung

Die Rogers LS5/9 Classic mit Frontbespannung

Das bringt einerseits natürlich eine schöne Detailfülle in den oberen Mitten und im Hochtonbereich mit sich, ist auf der anderen Seite dann eben auch nicht stets ein Ohrenschmeichler. Wenn wir zum Beispiel nochmal zum oben erwähnten The-Cure-Song zurückkehren, da gibt es gegen Ende – die Älteren unter Ihnen werden sich erinnern – eine wirklich recht fürchterliche Gitarrenspur, die erstens gegenüber den anderen Instrumenten deutlich zu laut erscheint und bei der zweitens gnadenlos am Mischpult alle Höhen „reingedreht“ wurden.

Sowas reicht der Rogers LS5/9 Classic (und natürlich jeder andere, hochtonseitig neutral abgestimmte Lautsprecher) völlig ungerührt durch, das beißt dann eben mal in den Ohren. Eine Harbeth 30.1 agiert da deutlich zahmer, hier sprintet man bei solchen satirisch überhöhten Hochtoneskapaden nicht zum Lautstärkeregler. Dafür verschweigt einem die Harbeth im Hochtonbereich schon mal das eine oder andere feine Detail: So kann man – wir sind immer noch bei The Cure – über den LS5/9 extrem gut hören, dass das für die Produktion verwendete Schlagzeug erstens offenbar im Einkauf sehr billig war und zudem wohl nicht mit Liebe gestimmt wurde, was man an den matschigen Toms, der scheppernden Snare und den nach Blech klingenden Becken unmissverständlich hören kann. Sowas sollte ein Monitorlautsprecher eben auch zeigen!

Das Anschlussterminal der Rogers LS5/9 Classic mit Buchsen von Multi-Contact

Das Anschlussterminal der Rogers LS5/9 Classic mit Buchsen von Multi-Contact, die in Deutschland noch einem zusätzlichen Versilberungsprozess unterzogen werden

Damon Albarn Everyday RobotsSie wollen das komplette Klirrspektrum einer Twang-Gitarre („Up on the ladder“, Radiohead)? Sie möchten jederzeit sämtliche Field-Recording-Nebengeräusche in Damon Albarns Album Everyday Robots verfolgen können, ohne dabei das Gesamtbild des Songs aus den Augen zu verlieren? Sie möchten die versehentlich nicht stummgeschalteten Mischpult-Spuren in frühen Aufnahmen von The Police oder U2 zählen? Dann sind die LS5/9 genau das richtige für Sie. In Sachen Auflösung sind sie nahezu auf Augenhöhe mit meinen wunderbar durchhörbar zeichnenden ProAC K-1 (große Kompakte, 10.200 Euro).

Die reine Wonne – das Mittenband

Herausgedrehte Schraube am Hochtöner der Rogers LS5/9 Classic

Die Treiber der Rogers LS5/9 Classic werden von Schrauben mit Maschinengewinden bzw. eingelassenen Gewinden gehalten

Im Mittenband und gerade dem wichtigen Stimm- und Formantenbereich punktet der Rogers LS5/9 Classic neben wunderbarer Feinzeichnung mit realistischen Klangfarben. Das macht nicht nur Aufnahmen zum Hörgenuss, bei der die Stimme das wichtigste „Instrument“ ist (Sinatra und vergleichbare Crooner, Soap&Skin etc.), sondern auch Musikstücke mit reichlich natürlichen Instrumenten. Da gibt es von Beirut diese wunderbare Miniatur „At Once“ (Album: No No No): Kaum länger als zwei Minuten und lediglich vier immer wieder gleiche Akkorde brauchen Zach Condon und die Seinen, um unfassbares Wohlgefühl zu erzeugen. Nach 50 Sekunden übernimmt ein vielstimmiger Chor aus Blasinstrumenten die Führung, die von Sekunde zu Sekunde lauter und strahlender aufspielen, bis die sprichwörtliche Sonne aufgeht. Hier ist der Rogers LS5/9 Classic komplett in seinem Element und schickt die immer heller und bunter werdenden Farbschattierungen mit einer Klarheit in den Raum, dass einem – vor Wonne – die Unterarmbehaarung zu Berge steht.

Mitteltonseitig sind die Unterschiede zu meinen ProAC K-1 eigentlich nur tonaler Natur, etwas sachlicher, kühler anmutend die ProAc, etwas wärmer und unterm Strich rechtschaffen neutral die Rogers.

Der Bass oder alles, was man so braucht …

Polypropylenmembran der Rogers LS5/9 Classic

Polypropylenmembran des Bassmitteltöners der Rogers LS5/9 Classic

Allerdings: Wenn der Hochtonbereich für mich die „gelernte BBC-Linie“ auch ein Stück weit nach oben hin verlässt, dann tut das der Tiefton nicht in gleichem Maße. In Sachen Bassquantität erinnert der LS5/9 mich eher an die Harbeth Compact 7ES-3 XD, wo ich im Fazit schrieb „Kein echter Tiefbass, keine Disco-Box. Alle musikalisch relevanten Tieftoninformationen jenseits der Eingeweidemassage sind dennoch vernehmbar und werden konturiert dargeboten.“ Könnte ich 1:1 auch für den LS5/9 schreiben. Wenn Sie also spekulieren, dass Sie mit dem LS5/9 nicht nur einen luftig-frischer aufspielenden, sondern auch bassstärker auftretenden BBC-Lautsprecher bekommen, dann würde ich sagen: nein, eher nicht. Der Tieftonbereich des LS5/9 bildet zwar alle Informationen ab, die man so „braucht“, es gibt aber klar Lautsprecher in dieser Preis- und Größenklasse (und auch darunter), die wesentlich tiefer und substanzieller in den Basskeller hinabsteigen, da fallen mir zum Beispiel die Elac Vela BS 404 (3.198 Euro) oder XTZ Divine Delta (3.990 Euro) ein. Die aber beide nicht zuletzt in puncto Auflösungsvermögen hinter den Rogers-Lautsprechern zurückstehen.

Wobei der Rogers LS5/9 Classic den Tiefbass keineswegs ab einer bestimmten Grenzlinie „beschneidet“, sondern nach unten hin angenehm organisch und linear ausfadet. Der Bassbereich gerät sagenhaft impulstreu, unverschleppt und schnell. Das bezieht sich sowohl auf die Attack, als auch den Rest der Hüllkurve. Wo manch ein Mitbewerber bei einer mit Wucht getretenen Bassdrum noch ein wenig „nachschlabbert“, kann der LS5/9 eine komplette Vollbremsung ohne Bremsenquietschen hinlegen.

Die Rückseite der Frequenzweiche der Rogers LS5/9 Classic

Die Rückseite der Frequenzweiche der Rogers LS5/9 Classic

Wir finden beispielsweise beim oben erwähnten Simple-Minds-Album eine recht stumpfe Stadionrocknummer namens „Waterfront“. Dominierendes Instrument ist hier ein Synthesizer, der einen Bass-Sound emuliert und über das gesamte Stück hin reichlich stoisch punktierte Achtelnoten ausspuckt. Das wird immer wieder konterkariert von überraschend einschießenden Gitarren- und Schlagzeugfills. Meine ProAC K-1 blasen gerade diesen Bass-Synthi-Sound deutlich tiefer und substanzieller in den Wohnraum, allerdings zeichnen die LS5/9 die Konturen des Klangs – und zwar sämtliche – merklich besser und präziser nach. Das (wiederum) verleiht dem Track am Ende fast mehr Intensität als der schiere Tiefgang der ProAC K-1 sie vermittelt; ein wirklich spannender Effekt und ein Lehrstück dahingehend, dass es eben sehr viele Faktoren gibt, die Musik zu einem Erlebnis werden lassen. Zweiter Nebeneffekt der eher ausfadenden Bassabstimmung ist eine enorme Pegelfestigkeit: Es ist mir nicht gelungen, den LS5/9 im Tieftonbereich in die Verzerrung zu kriegen, zumindest nicht bei Lautstärken, die ich selbst länger als eine Minute ertragen könnte.

Hochtonpegelbrücke der Rogers LS5/9 Classic in der Nahaufnahme

Let’s talk about Bühne  …

Sprechen wir noch über die Bühne: Hier war der LS5/9 auffällig unauffällig und wählt sowohl mit Blick auf die Lokalisationsschärfe als auch Bühnendimensionierung einen für mich sehr angenehm wirkenden ausbalancierten Mittelweg. Will heißen: Der dargebotene Raum mutet zu jeder Zeit realistisch breit, hoch und tief an. Die Ortbarkeit der Schallquellen ist sehr gut, trotzdem wirken Aufnahmen nicht so, als seien sie am Reißbrett entstanden. Nicht zuletzt bei älteren Klassikaufnahmen mit reiner Laufzeitstereofonie (ohne Stützmikrofone) ergibt sich daraus ein extrem authentisches Bild. Nachgerade fantastisch ist die Mittenmanifestation, was allerdings nicht verwundert, denn gerade das ist bei der Rundfunkproduktion essenziell: Mono-Stimmen klingen extrem natürlich, manifestieren sich plastisch-körperlich – und man kann ihnen daher auch über lange Zeiträume ermüdungsfrei folgen. Übrigens: Anders als die oben erwähnten Harbeth Compact 7ES-3 XD spielen die LS5/9 eher ab der Grundlinie nach hinten, also nicht über Gebühr Richtung Hörplatz.

 

Gehäusekante an der Rogers LS5/9 Classic mit Oliven-Furnier

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Shunyata

Test: Rogers LS5/9 Classic | Kompaktlautsprecher

  1. 1 Progressiv klassisch
  2. 2 Rogers LS5/9 Classic: Klangtest & Vergleiche

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