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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Klartext on Speed
  2. 2 Ichos Schallwandler N°Four MkII SE: Klangtest & Vergleiche

fairaudio's favourite Award AUSGEWÄHLT! Viele schöne Ereignisse wiederholen sich im Jahrestakt – so auch die Verleihung der fairaudio’s favourite Awards! Pünktlich zum Jahresende haben wir die in 2021 getesteten Kandidaten noch einmal Revue passieren lassen und uns gefragt: Welche konnten – vor allem klanglich – in ganz besonderem Maße überzeugen? Und da wir in eine Weihnachtspause gehen, möchten wir die kurze Auszeit dazu nutzen, diese besonderen Produkte noch einmal auf die Bühne zu bitten. Für Ihr regelmäßiges Feedback, Ihre Ideen und Anregungen sowie Kritik möchten wir uns bei Ihnen, liebe fairaudio-Leser, recht herzlich bedanken! Wir wünschen Ihnen ein erholsames Weihnachtsfest im Kreise Ihrer Familie, Freunde und Bekannten. Kommen Sie gut und vor allem gesund ins neue Jahr! Wir sind in 2022 wieder für Sie da. Rücken wir nun die aus vielen Produkttests ausgewählten Preisträger in das ihnen gebührende Rampenlicht. Unsere herzlichen Glückwünsche gehen an die Hersteller und Vertriebe dieser Komponenten! fairaudio’s favourite Award 2022 - SiegelIchos Schallwandler? Bereits 2016 hatte fairaudio das zweitgrößte Lautsprechersystem der österreichischen Manufaktur (https://www.ichos.at) im Test. Die Ichos N°Two vermochte dabei insbesondere unter dynamischen Aspekten rundum zu überzeugen, konnte allerdings einen leicht rustikalen Charme in der tonalen Ausarbeitung nicht vollkommen verbergen. Knapp zwei Jahre später präsentierte Ichos auf den Süddeutschen Hifi-Tagen etwas kleinere Standlautsprecher, die mich diesmal im Handstreich für sich einnehmen konnten. Tatsächlich hatten die seinerzeit in auffallendem „Orangerot“ lackierten Ichos No°Four zusammen mit der ausgezeichneten Elektronik von Silvercore das Hotelzimmer akustisch dermaßen im Griff, dass man die Messesituation vollkommen ausblenden und nichts als Musik hören mochte.

Tonal blieb nun alles im Lot – und pfeilschnell waren ja bereits die No°Two unterwegs. Ähnlich schnell war der Entschluss gefasst, ein zweites Mal Gastgeber der rückwärtig geladenen Hörner aus Wien zu werden und nunmehr die Ichos No°Four in meinen Hörraum einzuladen.

Ichos N°Four MkII SE von vorne, weißer Hintergrund

Die Ichos N°Four MkII in der SE-Version

Dass es sich nach der Messe letzten Endes doch noch etwas hinzog, den Vorsatz in die Tat umzusetzen, lag, neben vollen Terminkalendern auch am verständlichen Drang des Ichos-Entwicklers und -Chefs Robert Rothleitner die Performance seines erfolgreichsten Modells noch weiter auf die Spitze zu treiben. Genau das sei inzwischen merklich gelungen, weshalb sich aktuelle N°Four jetzt mit dem Kürzel MkII schmücken dürfen.

MkII plus SE: Da geht doch noch was …

Bei den Ichos N°Four MkII, die uns Robert Rothleitner zum Test schickt, handelt es sich um die nochmals optimierte und besonders audiophile SE-Version. In Analogie zu den High-Performance-Serien der Automobilindustrie stehen sozusagen die AMG- oder M-Sport-Modelle der Wiener Manufaktur vor mir.

Dann sehen wir mal als erstes unter die „Haube“: Das SE bürgt bei Ichos für eine besonders akkurate Selektion der verbauten Chassis. Dabei durchlaufen jeweils zehn Paare einen strengen Messzyklus. Nur das Treiberpaar mit den besten Werten darf am Ende seinen Dienst in einer SE verrichten.

Ichos N°Four MkII SE Spikes

Die Ichos N°Four MkII SE kommen mit Bronzespikes von Liedtke-Metalldesign

Im Rahmen der „Tunig“-Maßnahmen wird der Ichos N°Four auch eine höherwertige interne Verkabelung zugestanden, deren versilberte Kupferlitzen für noch mehr Präzision und Schnelligkeit gut sein sollen. Ausschließlich bei der SE-Version kommen außerdem Kondensatoren aus verzinnter Kupferfolie und Silber-Graphit-Widerstände des legendären dänischen Herstellers Duelund zum Einsatz, dessen Bauteile sich auch in Frequenzweichen so ultrateurer Lautsprecher wie den Kaiser Kawero Classic oder gar den Über-Hörnern Vox Olympian finden lassen. Darüber hinaus ersetzt Ichos die üblicherweise zur Dämmung verwandte Mineralwolle durch reine Schafwolle.

Um das „Fahrwerk“ nicht zu vergessen: Anstelle der normalerweise verwendeten Spikes aus Edelstahl, stehen die SE auf solchen aus Bronze vom deutschen Metallbauspezialisten Liedtke-Metalldesign. Auch das, versichert mir Robert Rothleitner, wirke sich nochmals klangsteigernd aus.

Äußerlich macht unser Proband ebenfalls bella figura: Spiegelbildlich ausgesuchte und ökologisch verträgliche Furniere aus heimischem Walnussholz kleiden die Flanken der N°Four, während sich Front und Rücken in tiefes Schwarz hüllen. Etliche Schichten Klarlack versiegeln dann die Oberfläche, bevor Spezialisten alles auf Hochglanz bringen.

Ichos N°Four MkII SE Hochtoneinheit und Furnier

Verarbeitung und Oberflächenfinish der Ichos N°Four MkII SE wirken hochwertig

Mir gefallen die kleinen Ichos N°Four in diesem sehr wertig ausschauenden Outfit richtig gut. Eine so extreme Politur ist natürlich Geschmacksache, doch es geht auch unauffälliger. In der pro Paar 7.390 Euro kostenden Standardausführung der Ichos N°Four MkII werden die Schallwandler in Schleiflack geliefert, wobei es dem Käufer freisteht, sich zur Individualisierung „seiner“ Lautsprecher der Farben der RAL-Palette zu bedienen. Echtholzfurniere und Hochglanzlack sind optional. 1.500 Euro werden für das Erklimmen des SE-Gipfels berechnet. Allerdings liften das geschmackvoll gemaserte Furnier für 700 Euro und die erstklassig ausgeführte Lackierung für weitere 1.000 Euro den Preis des Testmusters auf letztlich 10.590 Euro.

Ichos N°Four MkII SE: Technik

Ichos N°Four MkII SE Zutaten für SE-Variante

Treten wir einen Schritt zurück: Drei senkrecht auf der Front verlaufenden Nuten setzen einen besonders eleganten Akzent. Und auch die Proportionen stimmen. Einen guten Meter ragen die Ichos in die Höhe, sind 23 Zentimeter breit und knapp 35 Zentimeter tief. Mit einem Gewicht von 25 Kilogramm stellen die Standlautsprecher auch niemanden vor ernsthafte logistische Probleme.

Augenfällig sind die frontseitig zentral verbauten, 21 Zentimeter großen Treiber der No°Four. Sie verfügen über Membranen aus Papier, welche aufwendig mit balsamischen Ölen und Geigenlacken behandelt wurden. Typisch für Ichos-Schallwandler: Die Chassis sind von Haus aus Breitbänder, welche nicht nur nach vorn abstrahlen, sondern auch rückwärtig über ein Backloaded Horn beziehungsweise durch das unten offene Gehäuse in Richtung Boden. Das Prinzip des Backloaded Horns unterstützt in der Regel tiefere Frequenzen, was Breitbändern, die nicht selten eine Überhöhung der Mitten aufweisen, nur zupass kommen kann. Natürlich erfährt auch der Wirkungsgrad eines Lautsprechers durch so ein Horn eine merkliche Steigerung.

Ichos N°Four MkII SE Bassöffnung am Boden

Der Breitbänder der Ichos N°Four MkII SE strahlen nicht nur nach vorne ab, sondern auch rückwärtig über ein Backloaded Horn beziehungsweise durch das unten offene Gehäuse in Richtung Boden

Um Phasenverschiebungen weitgehend zu vermeiden, ist ein definierter Abstand zum Boden einzuhalten, der bei den Ichos N°Four über Spikes und deren Aufnahmen erreicht wird. Durch mehr oder weniger tiefes Einschrauben der Spikes ist es in gewissem Rahmen sogar möglich, Tiefgang und Energie der Hörner im Bassbereich zu beeinflussen. Robert Rothleitner gibt den -3dB-Punkt mit optimistisch tiefen 40 Hertz an, räumt aber ein, dass dieser nicht ganz unabhängig vom Raum und der Beschaffenheit des Bodens sei.

Bei Breitbandsystemen ist die Hochtonwiedergabe ein häufiger Anlass zur Kritik, weshalb hier gern sogenannte Schwirrkonusse zum Einsatz kommen, welche die Abstrahlung hoher Frequenzanteile verbessern sollen, indem sie wie kleinere, steifere Membranen wirken. Leider geht das nicht selten zu Lasten der Tonalität und wird dadurch schnell zum Bumerang. Um dieser Problematik zu entgehen, unterstützt Ichos die Hauptchassis mit dedizierten Hochtönern und lässt die Breitbänder ganz ohne Schwirrkonuss frei laufen. Dem hierzu ausgewählten 1-Zoll-Kompressionstreiber mit einem Diaphragma aus Aluminium setzen die Wiener einen CNC-gefrästen Waveguide vor die Nase. Ab etwa 7500 Hertz greift der Einzöller ins Geschehen ein, um schließlich Frequenzen bis zirka 24 Kilohertz zu übertragen.

Ichos N°Four MkII SE Sicke vom Breitbänder

Die 21 Zentimeter großen Breitbänder weisen Membranen aus Papier auf, die aufwendig mit balsamischen Ölen und Geigenlacken behandelt wurden

Zu seinem Schutz vor niederfrequenten Impulsen bemühen die Wiener lediglich einen speziell abgestimmten Kondensator, verzichten also auf eine klassische Frequenzweiche. Ergänzt wird dieses puristische Design nur durch Maßnahmen zur Impedanzlinearisierung. Natürlich ließen sich deutlich aufwändigere Weichen bauen, so Ichos, doch lieber folge man dem Ideal, tunlichst alles zu vermeiden, was sich dem Signal in den Weg stellen und dem Klangbild Energie und Dynamik rauben könnte.

Der Klopftest zeigt, dass die Ichos-Entwickler bei der Konstruktion von Lautsprechergehäusen nicht allein auf schiere Masse und akustische Dämpfung setzten, sondern ein gewisses Mitschwingen der Wände einkalkulieren. Das kennt man von klassischen englischen Monitoren, beispielsweise denjenigen von Spendor oder etwa Harbeth. Auch die Schallwandler von Living Voice folgen der Idee, Schwingungen nicht im Kabinett zu speichern, sondern gezielt und schnellstmöglich wieder abzugeben. Damit dies gelingen kann, werden die Gehäuse der Ichos N°Four MkII SE nicht aus MDF, sondern resonanztechnisch besser geeigneten HDF-Platten mit Wandstärken zwischen 19 und 28 Millimetern zusammengesetzt. Für zusätzliche Versteifungen an besonders neuralgischen Punkten kommt außerdem enorm festes Panzerholz zum Einsatz. Die abstandswahrenden Spikes sorgen dabei nicht nur für Bodenfreiheit und festen Stand, sondern sollen zudem im Kabinett angestaute Bewegungsenergie ableiten und darüber hinaus Schwingungen vom Boden in Richtung Lautsprecher blocken – von einer „mechanischen Diode“ haben Sie in diesem Zusammenhang bestimmt schon mal gelesen.

Logisch, dass es bei diesen Anforderungen nicht völlig egal sein kann, worauf die N°Four stehen. Dazu gleich mehr.

Ichos N°Four MkII SE: Aufstellung & Verstärkung

Ichos N°Four MkII SE im Hörraum

Ichos N°Four MkII SE im Hörraum

Bevor wir testen, was die N°Four MkII SE klanglich leisten, noch ein paar Worte zur Aufstellung. Bei einem Hörabstand von knapp unter drei Metern stehen Lautsprecher in meinem Zimmer üblicherweise leicht auf den Hörplatz eingewinkelt, wodurch sich eine bessere Abbildungspräzision und Raumdarstellung ergibt. Dergestalt ausgerichtet, sondern die beiden Kompressionstreiber für meinen Geschmack einen Hauch zu viel Hochtonenergie ab. Schnell wird klar: Die Ichos wollen idealerweise nicht auf Achse gehört werden, sondern nahezu parallel zueinanderstehen. Auch etwas Abstand zu Rück- und Seitenwänden schadet nicht. Zwischen 80 und 150 Zentimeter sind eine gute Idee. Ratsam ist es außerdem, eine möglichst waagerechte Höheneinstellung der Lautsprecher über die Kupferspikes vorzunehmen.

Verfügt man über Unterstellbasen wie sie etwa von Acapella oder Symposium-Acoustic angeboten werden, sollte man diese unbedingt ausprobieren. Obschon sich die Platzierung direkt auf Teppichboden als unproblematisch erweist, lässt sich so noch etwas mehr Präzision und Energie aus den Ichos herausholen.

Ist am Ende alles sorgfältig eingerichtet, verschwinden die Schallwandler akustisch weitgehend und sind nicht mehr als Schallquellen zu orten.

Die Verstärkung für die Ichos N°Four MkII SE

Die Ichos-Lautsprecher geben sich, wie bei einem deklarierten Wirkungsgrad von 92 dB zu erwarten, auch mit weniger kräftigen Verstärkern zufrieden. Wird bevorzugt bei gemäßigten Pegeln gehört, könnte selbst eine Single-Ended-300B-Röhre kein No-Go sein. Für Pegel jenseits von zimmerlaut braucht es dann aber schon besser jene 20 bis 30 Watt, die etwa der bereits aus dem Test der Equilibrium Idea S8 bekannte Röhrenvollverstärker Melissa von SoReal im Triodenbetrieb zur Verfügung stellen kann.

Verstärker für Ichos N°Four MkII SE

Stereoendstufe Dartzeel NHB-108, darüber der Hypridvollverstärker Riviera Levante

Bevor jetzt ein falscher Eindruck entsteht: Die hübschen Wienerinnen sind keinesfalls nur auf Röhrenamps abonniert. Nicht weniger goutieren sie hochwertige transistorierte Verstärkung. Meine Stereoendstufe Dartzeel NHB-108 (2 x 100 Watt), oder der Hypridvollverstärker Riviera Levante (2 x 130 Watt/ 2 x 30 Watt Class A) harmonieren mit ihnen ebenfalls ausgezeichnet. Letzterer arbeitet im Vorstufenabteil mit zwei ECC-83-Trioden und wurde mir testweise von Hifi-Welt, dem Vertrieb, welchem auch Ichos Schallwandler angehört, zur Verfügung gestellt.

Ichos Schallwandler N°Four MkII SE: Klangtest & Vergleiche

Erster Eindruck

Beethovens „Eroica“ kommt nach dem Beethovenjahr 2020 zum ersten Reinhören gerade recht. Und tatsächlich scheint der Levante, immerhin gut 17.000 Euro teuer, ein ziemlich kongenialer Partner für die N°Four zu sein. Bereits nach wenigen Takten wird klar, das ist beileibe kein amorphes Klangkonstrukt, welches einem der Toningenieur als Orchester verkaufen will. Hier sitzen echte Musiker mit ihren Instrumenten und musizieren gemeinsam. Auffallend, wie authentisch die Ichos dabei die Verhältnisse der Instrumente zueinander aufzeigen können. Größe und Lautstärken passen einfach. Die große Trommel besitzt Tiefe und Volumen, die Streicher klingen prägnant, aber nicht zu dominant, während Flöten mal ätherisch-schwebend, mal mit der akustischen Durchsetzungskraft hoher Frequenzen bestechen.

Ichos N°Four MkII SE Anschlussterminal

Kurzum: Die Ichos N°Four MkII SE präsentieren sich so unerhört ausgewogen und homogen abgestimmt, dass ich, um Vergleichbares zu finden, schon sehr weit oben ins Regal greifen muss. Spontan kämen mir da Auftritte von Wilson Audios Sasha DAW oder der kleinen Intonation Terzian in den Sinn. Auch Acapellas Cellini, die für ihre Perfomance kürzlich einen fairaudio-Award erhielten, gehören in diese Kategorie.

Doch, doch, den Vergleich mit den legendären Schallwandlern haben sich die Ichos redlich verdient, denn auch ihnen gelingt es, ein Klangbild zu entwerfen, welches erfahrene Hörer unbeachtet jeglicher Preisklasse und Größe sogleich als besonders sensibel tariert und stimmig empfinden dürften. Nicht unbedingt das, was man von einem solchen Backloaded Horn erwarten würde.

Im Bass ein As?

Freilich ist´s noch etwas früh, um einen abschließenden Haken hinter die Performance von No°Four MkII SE zu setzen. Gehen wir also ein wenig systematischer vor. Ab jetzt dürfen sich die Ichos vornehmlich am 7000 Euro teuren Röhrenvollverstärker SoReal Melissa beweisen. Preislich eine Kombi, wie sie sicherlich auch unter Real-Life-Bedingungen gefunden werden kann.

Ichos N°Four MkII SE oben seitlich

Dann bringe ich mittels einer Test-CD mit eng gestuften Sinustönen in Erfahrung, dass mit den N°Four in meinem Raum unter 50 Hertz eigentlich nicht mehr allzu viel passiert. Mit Musik stellt sich das gefühlt allerdings ganz anders dar, denn der akustische Bass Steve Swallows, dem Bassisten des Carla Bley Trios, besitzt auf Live goes on durchaus die auch von meinen Acapella La Campanellas gewohnte Sonorität – und ein Mangel an Tiefgang ist gleichfalls nicht zu attestieren. Geht es auf der Aufnahme weit hinunter, kann man mit den Ichos die in Bewegung geratene Luft geradezu fühlen.

These New Puritans - HiddenUm den Bassbereich noch weiter auszuloten, müssen jetzt die These New Puritans ran. Die Briten sind bekannt für ihren Mix aus Clubmusik, folkloristischen und symphonischen Anklängen und dafür, immer wieder große Trommeln und tiefe Synthiebässe zu bemühen. Erwartete ich gerade noch, den Ichos jetzt Grenzen aufzeigen zu können, hämmern diese bereits die Bassattacken auf Hidden (auf Amazon anhören) überraschend stabil und druckvoll in den Raum.

Ok, ganz so leicht lässt sich die Physik am Ende doch nicht austricksen. Dass sich bei den größeren Acapella in subsonischen Gefilden noch etwas mehr regt, wird spätestens mit Karl Saglems Album Nordic Balm deutlich. „Solhaug“ etwa lässt den grottentiefen Bassteppich vermissen, der für gewöhnlich zu Beginn des Stücks für Aufhorchen sorgt.

Allerdings ist so tiefes Bassgrollen im musikalischen Geschehen eher selten und natürlich eine Domäne besonders großer und schwergewichtiger Schallwandler. Dazu gehören die 25 Kilogramm leichten Ichos N°Four MkII SE sicher nicht, doch wirkt ihr Bass weder magersüchtig noch kraftlos. Die Ankopplung des Gehäusevolumens an meinen Raum via Öffnung zum Boden bringt, Test-CD hin oder her, ein akustisch rundum überzeugendes Ergebnis.

Dass unterm Strich bassseitig nicht das allerletzte Wort in Sachen Trockenheit und harter Konturiertheit gesprochen wird, mag dem Hornprinzip und den leicht mitschwingenden Gehäusen geschuldet sein. Wer nur darauf aus ist, wird andere Lautsprecher finden. In der Preisklasse der N°Four wären da etwa die mit geschlossenen Gehäusen angetretenen Equilibrium Idea S8 zu nennen, deren sauber in den Raum geschossenen Kickbässe recht nachhaltig beeindruckten. Aber auch, wenn der Bass der Ichos nicht ganz so zackig ploppt, sollte man sich hüten, ihm Tempo oder gar Präzision abzusprechen. Die Grundschnelligkeit ist da und befriedigt auch (meine) verwöhnte(n) Ohren. Doch die N°Four können mehr. Es gelingt ihnen – und das vermisse ich in dieser Qualität bei Speakern dieser Preisklasse meist – die unterschwelligen Texturen tiefer Töne ins rechte Licht zu rücken und den Klangfarbenreichtum des Bassabteils umfassend darzubieten.

Ichos N°Four MkII SE Makroaufnahme vom Furnier

Eine Fähigkeit, die etwa Bassist Brian Bromberg, der sein Album Bromberg plays Hendrix passgenau zum fünfzigsten Todestag des Gitarrenheroes frisch gemastert hat, sehr zugutekommt. Wenn Brombergs 300 Jahre alter italienischer Kontrabass Hendrix „The wind cries Mary“ anstimmt, arbeitet die Ichos den nahezu kantilenenhaften Ton des alten Holzes treffsicher heraus. Alles andere als schnödes, monochromes Bassgewummer, sondern akkurat feines Auffächern von Holz, Gehäuseresonanz und Saitenschwingen. In dieser Qualität schaffen das auch die erwähnten, in dieser Sache weniger differenzierenden Equilibrium Idea S8 nicht.

Mitten? Natürlich!

Können die No°Four den anschließenden Mittelton ebenso homogen und natürlich reproduzieren? Nicht umsonst werden Breitbändern im Allgemeinen und Hörnern im Besonderen klangfärberische Eskapaden weitaus eher zugetraut.

Doch mit solchen Vertretern ihrer Zunft sind die Ichos No°Four MkII SE allenfalls konstruktiv verwandt. Elia Dunis aktuelles, mit dem Gitarristen Rob Luft für ECM eingespieltes Album Lost ships geben die Ichos fein nuanciert und aufgelöst wieder. Der wasserklar intonierte, jegliche tonale Abweichung bloßlegende Gesang der albanisch-schweizerischen Sängerin dient als exemplarischer Beleg für die superbe Klangfarbentreue der No°Four. Einer dieser fast schon intimen Momente ist dabei das von Dunis Stimme und Lufts Gitarre getragene „Hier Encore“. Unsere österreichischen Gäste bringen einen wirklich nah an diese Stimme, sehr nah. Akustische Lupen? Wenn Sie so wollen.

Ichos N°Four MkII SE von oben fotografiert

Da gehen Equilibriums Idea S8 emotional mehr auf Abstand. Auch sie spielen neutral, aber ihre Neutralität wirkt im Vergleich zu den Ichos abgeklärter, weniger involvierend. Am nächsten kommen ihnen wohl die gleichfalls als Backloaded-Hörner konstruierten Audio Tunes Marvel, denen unser Test einen besonders natürlichen Umgang mit der menschlichen Stimme bescheinigte. Auch die Marvel beherrschen Drama und Emotion, wie Sopranistin Diana Damrau als Konstanze in Mozarts Entführung aus dem Serail seinerzeit bewies. Am Ende vergebens, denn die Ichos begeistern mich mit ihrer größeren Eindrücklichkeit einfach noch ein wenig mehr.

Allerdings soll nicht verschwiegen werden, dass sich die große Schwester der N°Four auf dem Terrain der klassisch ausgebildeten Stimmen vor vier Jahren etwas schwer tat. Mit heiserem Unterton wollte der Funke ausgerechnet bei den Aufnahmen der großen Maria Callas einfach nicht überspringen.

Maria Callas - Callas in Concert-The Hologram TourSchnee von gestern Freunde, denn mit der N°Four MkII werden die inzwischen neu abgemischten Aufnahmen der Sängerin, etwa auf Pure Maria Callas oder Callas in Concert-The Hologram Tour (auf Amazon anhören) zum wahren Vergnügen. Die Primadonna Assoluta erklimmt mühelos höchste Stimmlagen, ohne auch nur im Anflug verfärbt oder unangenehm harsch zu tönen. Prononciert und klar auf jeden Fall, aber nicht schrill, weshalb auch weniger passionierte Liebhaber des italienischen Belcantos ihre Freude daran haben dürften.

Klartext

Dennoch, auf Schmusekurs sind die Kompressionstreiber der N°Four MKII SE hochtonmäßig keineswegs. Hier wird präziser Klartext gesprochen, weshalb sie Auflösung, Energie und Klarheit auch unmissverständlich über den seidigen Schönklang einer textilen Kalotte stellen. Bei guten und exzellenten Aufnahmen ist die Dosis freigesetzter Hochtonenergie genau richtig. Allerdings darf von den Ichos kaum Nachsicht erwartet werden, sollte die Produktion höhenmäßig zu kühl und strähnig geraten sein. Dann rotzen sie das Ärgernis geradewegs so heraus, wie es eingefangen wurde. Was mir allerdings lieber ist, als von Lautsprechern über den wahren Inhalt einer Aufnahme im Unklaren gelassen zu werden. Sicher, ein paar Röhren im Signalweg sind meist eine feine Sache, doch die Ichos können auch ohne. Die Kombination aus Silvercores passivem Preamp 324 und dem mit bipolaren Transistoren bestückten Dartzeel NHB-108 funktioniert an der Ichos N°Four MkII SE bestens. Nach präzisem Anschlag erstrahlen Becken in metallischer Pracht und klingen sodann kontrolliert, sauber und lange aus. Haken dran.

Ichos N°Four MkII SE Hochtöner

Kein Selbstzweck

Der Detailreichtum, zu dem die Ichos N°Four fähig sind, braucht sich vor ausgewiesenen Monitorlautsprechern keineswegs zu verstecken. Die Ichos sind da sehr dicht dran, auch wenn eine Genelec 8361A oder die Lyravox Karlsson (beide hatten wir im Test) genretypisch das eine oder andere zusätzliche Detail mehr in die Waagschale werfen. Doch reiner Selbstzweck ist die Feinauflösung der Ichos sowieso nicht. Was zählt, ist ebenso der Blick aufs musikalische Ganze.

Beispiel gefällig? Ohne große Mühe lassen sich die Einzelstimmen des Moscow New Radio Choir unter Elena Rastorova (Russian Acapella Choral Music, Three Choruses From Tsar Feodor Ioannovich – Prayer) verfolgen, doch wenn gewünscht verschmelzen die Sänger und Sängerinnen bereits im nächsten Augenblick zu dem chortypischen Gesamtklang, welcher russische Choralkunst so einzigartig macht. Hat man erst den Schwenk in die akustische Totale vollzogen, ist gut erkennbar, dass der Chor nach Stimmlagen separiert und hinten ansteigend aufgestellt ist. Zusätzlich gibt es Rauminformationen in Form von Echos und Hall, die bei Chorgesang einfach dazugehören und dem Hörer einen ausgezeichneten Überblick über Größe und Höhe der Aufnahmeumgebung geben.

Jetzt fällt auch auf, wie groß der Aufnahmeraum, wahrscheinlich eine Kirche, tatsächlich ist. Bisher hatte ich das Thema Raumabbildung nicht als unbedingte Stärke der Ichos empfunden. Doch ein Quercheck mit Schuberts Oktett in der aktuellen Aufnahme mit Sabine Meyer an der Klarinette verdeutlicht nicht nur wie pieksauber die N°Four MkII SE einzelne Instrumente voneinander separieren (bei Oktetten gar nicht so einfach), sondern zeigt zudem eine richtig luftige, glaubhaft tiefe und in der Breite weit über die Lautsprecher hinausgehende Raumabbildung auf.

Pfeilschnell & pegelfest

Hesam Inanlou - AmidDas vier Stücke enthaltende Album Amid (auf Amazon anhören), eingespielt vom iranischen Komponisten und Weltmusiker Hesam Inanlou, entwickelt dank ausgefuchster Rhythmen, überraschend wechselnder Tempi und schwindelerregender Perkussion einen hypnotischen Sog. Die Tombak, eine mit den Fingern gespielte Trommel und das betont perkussiv eingesetzte Klavier bilden die Basis der quirligen Kompositionen. Inanlou spielt die Kamancheh, das typische Streichinstrument in der persischen Musik, auf eher ungewöhnliche Weise. Fast erschreckend direkt klingt das rasende Sirren, Knallen und Schwingen ihrer Saiten über die N°Four. So, als säße man tatsächlich nur eine Nasenlänge vor dem Instrument.

Ichos N°Four MkII SE aus der Froschperspektive, schwarzer Hintergrund

Nicht grundlos, denn als horngeladene Breitbänder sind die Ichos N°Four MKII SE in Sachen (Fein)Dynamik natürlich echte Könner. Mit Akribie spüren sie den vielschichtigen dynamischen Schattierungen dieser Musik nach und kommen dem Liveerlebnis damit verblüffend nah. Ihre ansatzlose und pfeilschnelle Signalverarbeitung weckt lang zurückliegende Erinnerungen an die teuren Treiber des britischen Breitbandspezialisten Lowther, welche, verpackt in hochkomplexen Audiovector Symphonic-Gehäusen, dynamische ähnlich fix reagierten. Allerdings nahmen sie es tonal nicht ganz so genau wie die Österreicher. Auch echte Pegelfestigkeit gehörte weniger zu den Stärken der englischen Preziosen. Anders die Ichos, die, obschon leise komplett und dynamisch agierend, gehobene Lautstärken geradezu herauszufordern scheinen. Und tatsächlich, vom Dartzeel NHB-108 befeuert, meistern sie den komplexen, dancefloorartigen Sound der Jazzrausch Bigband (Anspieltipp ist das gleichnamige Titelstück auf Dancing Wittgenstein) souverän und bei Bedarf sogar partytauglich laut. An gepflegte Unterhaltung ist da jedenfalls schon lange nicht mehr zu denken.

Und auch das noch …

Wenn sie also schon einmal der Eindruck beschlichen hat, die eigenen wohnraumfreundlichen Lautsprecher könnten abseits des einschlägigen audiophilen Programms, mit Handfesterem à la ZZ-Top etwa, nur wenig anfangen, dann wird ihnen diese Seite der Ichos N°Four MkII SE bestimmt gefallen: Neben akustischer Musik, Klassik und Jazz vermitteln sie nämlich den harten elektrischen Blues besagter texanischer Herren genauso locker und kompetent wie Roger Waters Amused to Death oder gar die vom zwölfjährigen Sohnemann beigesteuerten Rap-Tracks eines Capital Bra. Merke, auch ein besonders feinsinnig gestricktes (Backloaded)Horn will manchmal eben einfach nur Horn sein  …

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Canton GLE-Serie

Test: Ichos N°Four MkII SE | Standlautsprecher

  1. 1 Klartext on Speed
  2. 2 Ichos Schallwandler N°Four MkII SE: Klangtest & Vergleiche

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