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Mit dem Begriff „Manufaktur“ verbinden sich Vorstellungen von handwerklicher Herstellung und besonders hoher Produktqualität. Auch der individuelle Zuschnitt auf Bedürfnisse des Nutzers sollte bei einer Manufaktur natürlich möglich sein – gemeinhin also das glatte Gegenteil der heute üblichen Massenfertigung. Kehrseite dieser schätzenswerten Eigenschaften sind die regelmäßig geringer ausfallenden Stückzahlen – und damit höher liegende Herstellungskosten. Freilich verbindet sich mit dem Besitz eines Manufaktur-Produkts auch ein besonderer Stolz, der schwer zu beziffern ist.
So werde ich nie die glänzenden Augen eines Freundes vergessen, der sich seinen Traum – ein paar Schuhe aus der legendären Londoner Werkstatt von John Lobb zu besitzen – erfüllt hatte, während mein beschämter Blick auf die eigene profane Fußbekleidung aus dem Hause Deichmann fiel. Ohne Zweifel würde das englische Schuhwerk die Lebensdauer meiner Treter mehrfach übersteigen. Somit sollte sich, vermutete der stolze Besitzer, der höhere Preis auch bald amortisieren. Ich errechnete, dass dies überschlagsmäßig bereits nach knappen 250 Jahren soweit sein müsste, behielt diese Erkenntnis dann aber lieber für mich. Es gibt eben Dinge, die einfach unbezahlbar sind.
All dies geht mir durch den Kopf, während ich Richard Rudolph, verantwortlich für die Entwicklungsarbeit bei Acapella Audio Arts, gegenübersitze und wir den geplanten Test der Acapella High Cellini diskutieren. Tatsächlich legt Rudolph Wert auf die Feststellung, dass Acapella Audio Arts im Herzen eine Manufaktur und deshalb nicht so sehr an Stückzahlen, wohl aber an maximaler Klangqualität interessiert sei. Natürlich hört man das so oder so ähnlich auch von Herstellern massenkompatibler Miniböxchen, doch dürften die Dinge hier ein wenig anders liegen.
Im letzten Jahr habe ich einer Präsentation des Sphäron Excalibur – Acapellas großem und mit einem Preis von 500.000 Euro auch ziemlich exklusivem Hornsystem – beiwohnen können und dabei einen umfassenden Eindruck von der Vorgehensweise und dem Anspruch der Duisburger an die Performance ihres Referenzsystems erhalten (siehe Firmenbericht Acapella). Ich bin daher ausreichend gewarnt, die Worte des hochgewachsenen 31-Jährigen nicht als harmlose Floskel abzutun.
Immerhin 37.000 Euro müssen einkalkuliert werden, will man sich ein „Standard“-Paar Cellini ins eigene Heim holen, für die zum Test überlassene „High“-Version werden gar 49.000 Euro fällig. Für den sportlichen Aufpreis erhält man nicht nur enger tolerierte Bauteile, Treiber der höchsten Selektionsstufe und eine vollständig mit Silberleitern ausgeführte interne Verkabelung, sondern auch ein performanteres Bassabteil mit zusätzlichen Funktionen, worauf wir später noch zu sprechen kommen werden.
Bei Fachvorträgen ist es inzwischen „Good Practice“, mögliche Interessenskonflikte, oder nennen wir es „Geneigtheiten“, vorweg zu benennen. Insofern weise ich darauf hin, seit gut sechs Jahren im Besitz von Acapella-Lautsprechern zu sein. Meine Acapella La Campanella (circa 20.000 Euro) haben sich in dieser Zeit als wohlklingende und zuverlässige Begleiter erwiesen, weshalb bislang kein ernsthafter Gedanke an einen Austausch aufgekommen ist.
Nun sollen die Acapella Cellini, die im Portfolio der Duisburger den Einstieg in die Welt der mit Ionenhochtönern bestückten Schallwandler markieren, für einige Zeit ihren Platz einnehmen. „Einstieg“ bedeutet in diesem Fall allerdings auch, insgesamt knapp 240 Kilogramm Lautsprecher in die erste Etage zu wuchten. Mit tatkräftiger Hilfe seitens Acapella ist die Aktion überraschend zügig binnen eines Nachmittags erledigt.
Lautsprecher von Acapella sind im Grunde mehr als nur Schallwandler. Sie sind Möbel, Skulpturen, ja, manchmal fast schon kleine Monumente. Zumindest empfand ich es so, als seinerzeit die schwarz-roten La Campanella erstmals vor mir standen. Die größeren Cellini setzen sich erwartungsgemäß noch beeindruckender in Szene. Eigentlich hatten sie im Audioforum, dem in Duisburg gelegenen Vorführzentrum von Acapella Audio Arts, doch gar nicht so groß gewirkt. Umgeben von gewaltigen Systemen wie den Campanile, den Apollon und natürlich dem Sphäron Excalibur mochte das ja zutreffen, aber hier in meinem Hörraum ist das eine ganz andere Nummer. 168 Zentimeter perlweiß lackierte, lichte Höhe, gekrönt von ebenso strahlend weißen Hörnern mit dem wenig unscheinbaren Durchmesser von 62 Zentimetern verlangen Respekt.
Nicht dass die Cellini den Raum optisch oder gar akustisch ernsthaft erdrücken würden – hier standen schon ähnlich ausladende Kaliber wie etwa die telefonzellengroße Usher D2 (circa 20.000 Euro) oder Audiodatas über zwei Meter hohe, fast bis zur Decke reichende Sculpture (circa 39.000 Euro). Demgegenüber verströmen die Acapella mehr Eleganz und musikalisches Flair. Ihre Verarbeitung ist bis ins Detail auf sehr hohem Niveau ausgeführt und erinnert nicht grundlos an feinstes Möbelhandwerk. Ganz besonderen Reiz übt der Blick in die massiven, perfekt auf Hochglanz polierten Bronzehörner aus, in deren Tiefe die bläulichen Lichtbögen der Plasma-Hochtöner schimmern.
Technik
Die Acapella Cellini setzen ab den (oberen) Mitten und im Hochtonbereich auf die Verstärkung und Führung des Schalls mit Hörnern. Für die Lagen darunter vertraut man auf konventionelle Chassis, die nach den speziellen Bedürfnissen der Duisburger beim norwegischen Zulieferer Seas gefertigt werden.
Die hier verwendeten 10-Zöller könnten im Extremfall sogar 5000 Hertz übertragen. Bei den Cellini laufen sie freilich nur bis in die Region um die 800 Hertz und werden danach mit flachen Filtern ausgeblendet. So prägen sie einerseits den Grundtonbereich bis in die Mitten, geraten andererseits aber nie auch nur ansatzweise in akustisch-mechanischen Stress.
Die hervorragende Eignung als Mitteltöner sollte aber niemanden an der Basskompetenz der beiden in einem geschlossenen Gehäuse werkelnden Treiber zweifeln lassen. Zwei? Ja, tatsächlich verfügen die Cellini in der High-Ausführung über zwei Chassis je Seite, von denen eines unsichtbar im Inneren des Kabinetts den auf der Front montierten Kollegen unterstützt. Es handle sich hierbei um eine Art von „Compoundsystem“, ließ sich Richard Rudolph nach mehrfachem Nachfragen entlocken. Dies erweitere merklich die Tiefbassfähigkeit der Schallwandler, sodass die untere Grenzfrequenz der Cellini nun bei Ehrfurcht gebietenden 20 Hertz angesiedelt sei. Auch Sauberkeit und Kontrolle der Impulse konnten so im Vergleich zur normalen Cellini nochmals gesteigert werden.
Die High Cellini erlauben eine Anpassung des Bassbereichs an die Raumbedingungen in drei Stufen. In Stellung „Off“ arbeitet der innenliegende Tieftöner als reine Passivmembran. „Cut“ bedämpft ihn elektrisch und lässt den Bass kontrollierter und trockener erscheinen. In der Betriebsart „On“ werden beide Treiber angesteuert, wodurch der Bassbereich eine Anhebung um zusätzlich 3 dB gegenüber dem passiven Einsatz erfährt. Die Unterschiede, die sich aus den verschiedenen Betriebsarten ergeben, sind keinesfalls homöopathisch zu nennen, sondern jederzeit gut nachvollziehbar. Nicht wenige Hörräume reagieren auf ein zu viel an Bassenergie recht allergisch, weshalb auch die passiven Optionen einen echten Mehrwert darstellen können. Da meinem Zimmer tatsächlich aber ein Plus an Bassenergie gut zuträglich ist, bleiben während des Hörtests beide Treiber angeschlossen.
Im eigentlichen Mittel-/Hochtonbereich kommt das von den Duisburgern erdachte und ziemlich markante hypersphärische Horn zum Einsatz, das aufgrund der asymmetrischen Hornfunktion einen bis zu sechs Oktaven umfassenden Übertragungsbereich ermöglichen soll. Bei den Cellini müssen die Hörner allerdings nur über vier Oktaven rackern, wobei sie Frequenzen von etwa 800 bis 7000 Hertz zu verantworten haben. Als Antrieb dient ihnen eine ebenfalls aus dem Hause Seas stammende 25-Millimeter-Gewebekalotte.
Hinter den Bronzehörnern arbeitet Acapellas eigener Ionenhochtöner „Ion TW-1S“. Ein impulsschnellerer Hochtöner dürfte sich kaum finden lassen. Sein Übertragungsbereich beginnt bei ungefähr 7000 Hertz und reicht bis 40000 Hertz hinauf, womit dem Plasmahochtöner eigentlich die Aufgabe eines Superhochtöners zufällt. Für den Betrieb ist natürlich der Anschluss ans Stromnetz erforderlich. Zuleitungen in ausreichender Länge gehören zum Lieferumfang.
Weitere Anpassungen sind möglich: Der Mittel-/Hochtonbereich kann über rückseitig zugängliche Steckkontakte in fünf Stufen im Pegel variiert werden. Auch hier sind die Differenzen nicht zu fein gerastert und somit voll alltagstauglich. Ausprobiert habe ich alle Einstellungen und bin am Ende wieder in der goldenen Mitte gelandet. Je nach Raum können sich aber auch andere Varianten als stimmiger erweisen. Wenn es jetzt noch etwas mehr an Feinjustage sein darf, kann die über das Volumenpoti des Ionenhochtöners bewerkstelligt werden. Doch Vorsicht, das Spiel mit der Plasmaflamme verändert keinesfalls nur die Höhen, sondern wirkt sich sogar auf den Bassbereich und die Raumdarstellung aus.
Und noch ein weiteres kleines Detail scheint erwähnenswert: Die Acapella Cellini sind mit stabilen Lautsprecherklemmen ausgestattet. Allerdings haben die Duisburger bei ihrer High-Version einen massiven Silberleiter um die Basis der Klemmen gelegt, sodass die Lautsprecherkabel, wenn sie verschraubt werden, direkt mit diesen in Kontakt kommen. Sinnigerweise sind passend dimensionierte Spades Bananensteckern vorzuziehen, da sich nur so der Vorteil des direkten Signalpfades vollständig nutzen lässt. Vielleicht wirklich nur eine Kleinigkeit, aber gerade solche „Nebensächlichkeiten“ können in der Summe einiges bewirken.
Ungewohnt einsilbig wird Richard Rudolph, als ich ihn nach Details zur Frequenzweiche frage. Da orakelt es ein wenig von Filtern niedriger Ordnung und dass sich aufgrund gespiegelter Flankensteilheit ein besonders homogenes Klangbild ergebe. Und ja, die ein oder andere Spezialität, wie etwa besonders hochwertige Kondensatoren von Rike-Audio, fänden auch Verwendung. Verkabelt wird alles mit den eigenen Acapella-Verbindern, bei der High-Version (oder gegen Aufpreis) auch in Reinsilber.
Acapella High Cellini: Klangeindruck
Und los geht’s: Ein Duo aus Silvercores Line-Vorstufe L2 und der bewährten Dartzeel-Endstufe NHB-108B übernimmt die erforderliche Verstärkung. Verkabelt ist die Kette mit meinen gewohnten Analog-Tools-Leitern, wenngleich auch Acapella-Silberkabel eine verlockende Option dargestellt hätten. Doch so dürfte es wohl leichter fallen, die Unterschiede zu den La Campanella auszumachen.
Days of Thunder
Zunächst einmal: Der Spaßfaktor, den die Hörner mit sich bringen, sollte keinesfalls unterschätzt werden. Sie spielen viel lauter als ich dachte – so laut, dass man bei Charly Antolini und Knock Out 2000 (auf Amazon anhören) arbeitsrechtlich eigentlich einen Gehörschutz aufsetzen müsste. Einen solchen „akustischen Orkan“ erlebte ich zuletzt auf den Westdeutschen HiFi-Tagen 2019 mit den Hornlautsprechern Pure Emotion by AW (ab 70.000 Euro). Heute wie damals ist dynamisch weit und breit kein Ende in Sicht. Track 10, „Jammin‘“, steigert sich unablässig bis zum finalen Beat, wobei mein Blick mehr als einmal in Richtung Dartzeel geht, da meine Sorge angesichts der gefahrenen hohen Pegel und der explosiven Dynamik den leider nicht unbegrenzten Kraftreserven des Schweizers gilt. Aber nichts passiert, keine bei Überlast auslösende Sicherung verdirbt die gute Laune.
Da gehört dann unbedingt auch LSC 1817 Gaite Parisienne (LSC-1817 Classic Records/LP 180 g) mit den entfesselt aufspielenden Boston Pops auf den Teller meines Raven AC. Musikalisch mag das Repertoire zwar im Grenzbereich zwischen E- und U-Musik zu verorten sein, Wucht und Vehemenz eines symphonischen Orchesters bringen die Cellini aber mit spürbarem Druck und überzeugender Leichtigkeit rüber.
Feines und Leises
Ok, das fette Grinsen einmal beiseite gewischt: Auch wenn hier für großes Spektakel prädestinierte Hornlautsprecher spielen, sollte nicht unterschlagen werden, dass die Cellini es leise ebenso gut können. Schlägt meine derzeitige Lieblingspianistin Yuya Wang (The Berlin Recitals, DG) einen Akkord an, steht dieser zunächst kraftvoll im Raum, um dann in eine mehr oder weniger lange Phase des Abebbens überzugehen. Kurz bevor die Hörschwelle unterschritten wird, lässt sich meist nur das verhalten ausklingende Resonieren des Flügel-Korpus vernehmen. Nicht so mit den Cellini, die machen darüber hinaus auch das „dahinter verborgene“ unterschwellige Mitschwingen der Stahlsaiten wahrnehmbar. Dabei werden die absterbenden Töne nicht einfach nur leiser, sondern scheinen in einen Kampf aus An- und Abschwellen unterschiedlichster Resonanzfrequenzen verstrickt zu sein.
Überhaupt eignen sich die Acapella ganz wunderbar zum Hören mit abgesenktem Pegel. Sogar wenn nebenan die liebe Familie ihre verdiente Nachtruhe genießt, lassen die Cellini einen wachen Musikfreund wie mich nicht im Stich. Dynamisch auch unterhalb von Zimmerlautstärke voll da, bleiben Spannung und Emotion während des gesamten Leonard-Cohen-Konzerts in Londons O2 Arena 2008 (Album: Live in London; eine Aufnahmen für die Ewigkeit) erhalten. Am Ende nicht weniger als zweieinhalb Stunden nächtliches Konzerterlebnis, wofür mir tagsüber einfach die Zeit gefehlt hätte und das mir ohne die Cellini daher sicherlich entgangen wäre.
Tonal toll?
Sind Hörner mit im Spiel, muss die Frage nach bauartbedingten tonalen Verfärbungen natürlich gestellt werden. Die sich im Fall der High Cellini aber relativ leicht beantworten lässt: Es gibt schlichtweg keine.
Wenn Mezzo-Sopranistin Barbara Höfling Robert Schumanns „Heiß mich nicht reden“ (SACD Katzenberger Music Production 01) schmettert, könnte es kaum natürlicher zugehen. Kein Aufblähen der Stimme beim Forcieren des Tons, kein noch so geringes Tröten aus den Hornmündern. Energie pur, aber immer geschmeidig, ohne unnötige Härte oder nerviges Gezerre, nicht mal bei den ganz hohen Tönen. Richard Rudolph weist dazu auf den dafür erforderlichen großen, teilweise 180° überschreitenden Öffnungswinkel seiner Hörner hin, deren Berechnung besonders exakt erfolgen müsse, da sonst akustische Brechungen die gewonnenen tonalen Vorteile sogleich wieder egalisierten.
Die Grundabstimmung der High Cellini ist neutral mit einer, weil’s halt so schön ist, winzigen Betonung der unteren Mitten beziehungsweise des Grundtonbereichs. Das bekommt der gefühlsintensiven Baritonstimme Gregory Porters besonders gut – sie wirkt sonor, griffig, einfach authentisch. Sein schmachtendes „Water under Bridges“ (auf dem Album Liquid Spirit) generiert Gänsehaut pur. Meine ähnlich verfärbungsarm aufspielenden, immerhin mit Genen aus dem Studiobereich gesegneten Geithain 901 (circa 12.000 Euro) ließen es ehedem – bei aller tonalen Correctness – an diesem gewissen „Touch of Magic“ fehlen. Ein Umstand, der seinerzeit die Trennung nach einer langjährigen Beziehung einleitete.
Das Bass macht’s
Was vom ersten Moment an mit den Acapella High Cellini in Erstaunen versetzt, ist die verbindliche Autorität des Bassbereichs. Die Woofer der Acapella müssen heimlich in der Muckibude trainiert haben. Obwohl bei geschlossenen Gehäusen der -3dB-Punkt bekanntlich höher als bei ventilierten Boxen liegt, agieren die Zehnzöller mit heftigem Nachdruck und echter Schwärze. Schwärze und Druck, die mir die mit insgesamt vier 15-Zöllern bestückten Usher D2 eigentlich immer schuldig blieben. Solange bis zwei von ihnen aktiviert und per EQ und reichlich Verstärkerpower genötigt wurden, ihre diesbezügliche Enthaltsamkeit auf dem subsonischen Terrain aufzugeben. Allerdings war der damit eingehandelte Delay im Bass nicht mal ansatzweise wegzudiskutieren, sodass auch dieser Liaison ein Ende ins Haus stand.
Flächig ausgebreiteter Ultratief-Bass, etwa bei Karl Seglems „Solhaug“ auf Nordic Balm (auf Amazon anhören), ist für die Cellini ebenso wenig ein Problem wie die kurzen, knackigen Slapbässe, mit denen Marcus Miller auf Renaissance seine Fans unterhält. Noch mehr als schierer Tiefgang sind dabei vor allem Präzision und Schnelligkeit vonnöten. Kein Problem für die High Cellini: Selbst wenn die versteckte Passivmembran in Stellung „Off“ frei mitschwingen darf, ist ihnen in puncto Genauigkeit nichts anzukreiden.
Hochton ganz plasmatisch
Die Cellini lassen Schlagzeug-Becken bersten, wie ich es noch von keinem anderen Lautsprecher ohne Ionen-Hochtöner gehört habe. Die oberen Oktaven und hier insbesondere der enorme Reichtum an Obertönen, den dieser Hochtöner aus dem masselosen Lichtbogen extrahiert, sind eine Wucht. Präsent, schnell und unglaublich fein strukturiert, erlauben sie es, nahezu jedes Instrument, selbst hohe Frauenstimmen, ohne Schärfe zu reproduzieren. Der dabei erzielte Grad an Realismus und Natürlichkeit lässt sich natürlich nicht allein auf die Anwesenheit des Ion TW-1S reduzieren, einen nicht unerheblichen Einfluss darauf kann man ihm aber nicht absprechen.
Zuletzt hat mich, geschehen auf den diesjährigen Norddeutschen HiFi-Tagen, das hochtonseitige Vermögen der aktiven, mit Diamanthochtönern bestückten Lyravox Karlsson ähnlich bewegt. Enorm klar und fein strukturiert, hatte ich vor Ort an der Natürlichkeit der Hochtonwiedergabe wie der Gesamtperformance keinen Zweifel gehegt. Jetzt, mit den smoothen Acapella im Ohr, wird mir der unterschwellig vielleicht doch etwas zu crispe Charakter der Hamburger Schallwandler bewusst. Sollte mich also irgendwann in nächster Zeit eine gute Fee vor die Entscheidung für einen der beiden Lautsprecher stellen, fiele – sorry Hamburg – die Wahl zugunsten der Wandler aus der Stadt mit Europas größtem Binnenhafen.
Es stimmt schon: Sind im Hochton Hörner mit im Spiel, am Ende gar noch Ionenhochtöner involviert, fällt es den übrigen Frequenzen oft schwer, hier Schritt zu halten. Selbst der Cellini-Vorgänger Violon war von solchen Inhomogenitäten nicht völlig frei. Sein Nachfolger meistert diese Aufgabe. Hier passt einfach alles zusammen, so homogen-linear spielen nur wenige Lautsprecher. Vielleicht kommen eine Wilson Audio Sasha DAW oder die kleine Zellaton Legacy dem nahe. Die sind in den einzelnen Wegen allerdings nicht mit so unterschiedlicher Treibertechnik unterwegs wie unsere Cellini. Dennoch gelingt es ihr, das vollständige Glissando eines großen Konzertflügels ohne hörbare Bruchstellen wiederzugeben. Mit geschlossenen Augen ist es darüber hinaus nahezu unmöglich, die Lautsprecher als Klangquelle zu orten. Auch das ist nicht gerade eine Paradedisziplin großer Mehrwege-Systeme.
Lässig durchlässig
Im Test des großen Phonovorverstärkers von AVM habe ich darauf hingewiesen, wie lebendig und real der Akustikbass von James Leary auf David Manleys Direktschnitt James II aufgenommen wurde. Klar, es waren natürlich die Acapella High Cellini, die mir diesen Eindruck so gut vermitteln konnten. Das Knarzen der Basssaiten, der sonor und holzig schwingende Resonanzkörper, das tiefe Grummeln, keines dieser Details haben sie verpasst. Aber nicht nur im Bass sind sie als betont aufmerksame Klangvermittler in Erscheinung getreten, ganz allgemein beweisen sie enorme Durchlässigkeit für jede Art von Feinstinformation. Wem es beliebt, kann mit ihnen bei gut aufgenommenen symphonischen Werken selbst einzelne Musiker im Orchesters heraushören. Was allerdings, wie Konzertgänger wissen, im wirklichen Leben auch nur bis zu einem gewissen Grad möglich ist.
Bei den King’s Singers fällt das schon weitaus leichter. So wechseln sich bei „All of me“ (auf dem Album Gold) Soloparts und Chor regelmäßig ab. Auch wenn alle gleichzeitig singen, lassen sich über die High Cellini mit etwas Konzentration die großartigen Stimmen der königlichen Sänger punktgenau differenzieren. Ein Beweis für die hervorragende Präzision der Acapellas.
Es werde Raum
Angeschlossen an mein gewohntes Setup, vergrößern die Acapella High Cellini nicht nur die Abbildung von Musikern und Instrumenten ein wenig, sondern generieren auch ein dazu passendes großzügiges Raumgefühl. Tiefer und höher hinaus als bislang mit den La Campanella lassen sich Aufnahmeräume und Konzertsäle nun ausloten. In der Breite tut sich hingegen weniger – an den Seitenwänden ist mit den La Campanella wie mit den Cellini in der Regel Schluss. Dabei beginnt die Bühne ein wenig vor der Linie zwischen den Lautsprechern, ein unvermitteltes Zugehen auf den Hörer oder gar ein Bad in Klangwolken ist ihre Sache nicht.
Hania Rani und Dobrawa Czocher haben mit Biala Flaga (auf Amazon anhören) ein wunderbar poetisches Album eingespielt. „Odchodzac“ beginnt verhalten mit dem Flügel, der mittig im Raum steht. Bereits nach den ersten Tönen lassen die Schallreflexionen eine gute Schätzung von Größe und Höhe des Raumes zu. Nachdem sich Czochers Cello hinzugesellt hat, erlauben die Cellini eine genaue und plastische Vorstellung der Positionen beider Instrumente zueinander, wobei im Vergleich zu den La Campanella der „Luftraum“ um die Musikerinnen jetzt etwas ausgedehnter bemessen zu sein scheint. Und doch bleibt der eher intime Charakter der Aufnahme erhalten. Genau so soll es sein.
Test: Acapella High Cellini | Standlautsprecher