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April 2016 / Ralph Werner
Kennen Sie das? Sie sitzen vor hübschen, schlanken, in Großserie hergestellten Mehrwege-Bassreflex-Lautsprechern, die „eigentlich“ alles richtig machen – und langweilen sich. Falls ja, so ist es nicht ganz unwahrscheinlich, dass Sie in einem nächsten Schritt beginnen, sich für Breitband-Lautsprecher, Hörner oder andere Exoten zu interessieren, und damit potenziell auch für unsere aktuellen Testkandidaten, die Hornmanufaktur Marimba (www.hornmanufaktur.at). Ein wenig ist das nämlich so, als wären Sie Ihren Lebtag einen VW Golf gefahren, doch irgendwann hing Ihnen das zum Hals heraus, und jetzt muss dringend eine 35 Jahre alte S-Klasse her oder ein Uralt-Volvo … gar eine Diva von Citroën? Sie ahnen zwar, dass Sie in Zukunft kaum noch aus der Garage herauskommen werden – aber das Funkeln in den Augen, das ist plötzlich wieder da!
Mag sein, dass der Vergleich etwas übertrieben wirkt, aber ein Fünkchen Wahrheit ist schon dabei. Neben einem gewissen klanglichen Flair möchte man eben auch einfach mal etwas Besonderes besitzen, sich mit etwas Vintage-Charme umgeben. Und hat man erst einmal Blut geleckt, werden die inhärenten Limits solcher Konzepte quasi als Ausweis eines besonderen Charakters umgedeutet oder zumindest wohlwollend in Kauf genommen, weil’s eben nicht so glatt, sondern lebendig klingt. Wie es für viele Hörer unbedingt eine Röhre sein muss, so für andere ein Breitbänder – und sehr häufig geht die Vorliebe für das eine mit der anderen Hand in Hand.
Wessen highfideles Herz für solche Konzepte schlägt, dem ist die österreichische Hornmanufaktur von Gerald Hüpfel sicherlich nicht unbekannt. Seit Jahr und Tag entwirft und fertigt Hüpfel wirkungsgradstarke Breitbandkonzepte, und so ist auch der neueste Spross der „Diva“-Serie (sic!), die Hornmanufaktur Marimba, ein solches (die beide andere Familienmitglieder Eurydike und Aurora hatten wir schon zu Gast). In ihr arbeitet also ein Breitbandchassis auf ein den rückwärtigen Schall nutzendes, 2,6 Meter langes Backloaded-Horn von hyperbolischer Form – und das völlig filterfrei, ohne Weiche, quasi direkt am Verstärker hängend, bis circa 17 kHz hinauf. Dort liegt der „natürliche“ Roll-off dieses speziell in einer röhrenfreundlichen 16-Ohm-Variante vom französischen Spezialisten EMS gefertigten Treibers. Darüber hinaus bestellt ein horizontal liegender Magnetostat den Superhochtonbereich – vor tödlich tiefen Frequenzen schützt ihn ein einfacher, dem Vernehmen nach aber natürlich „audiophiler“ Metallpapierkondensator aus NOS-Beständen.
Das Grundkonzept klingt zunächst einmal sehr ähnlich wie das der etwas größeren und teureren Hornmanufaktur Eurydike, die Kollege Martin Mertens vor anderthalb Jahren an dieser Stelle besprach. Doch im Detail gibt es zahlreiche Abweichungen. Zunächst einmal bei der Bestückung: Statt des recht speziellen 6,5-Zoll-„Orgel“-Chassis der Eurydike kommt ein 8-Zöller zum Einsatz, der trotz größeren Durchmessers offenbar „höher“ spielen kann, nicht zuletzt wohl wegen des aufgesetzten Schwirrkonus‘ – jedenfalls koppelt der Supertweeter der Hornmanufaktur Marimba ganze 7 kHz weiter oben an. Zudem hat der nun eine Bändchen- statt einer Kreisform und ihm wurde keine Schallführung vorgesetzt.
Und dann ist da das Basshorn: Bei der Eurydike weist die Öffnung nach vorne und zur weiteren Anpassung der akustischen Impedanz wird ein genau definiertes Holzgitter verwendet – bei der Marimba dagegen zeigt die Öffnung nach hinten, was sie insofern wieder der Akusmatik A90 ähnlicher macht, wobei die mit zwei Hörnern, die Marimba aber mit einem Horn arbeitet. O-Ton Gerald Hüpfel: „Die Aufweitung des Horns ist, um Klirr zu reduzieren, sehr diskret. Der eigentliche Hornmund wird quasi outgesourct und vom Raum bestimmt, die Grenzflächen des Raumes werden zum Teil des Horns. So erfolgt eine behutsame Impedanzanpassung an den Raum.“
Den Breitbänder bezieht die Hornmanufaktur vom französischen Spezialisten EMS in einer röhrenfreundlichen 16-Ohm-Version. Der Achtzöller besitzt einen Schwirrkonus und einen Phaseplug
Ungeachtet der Abweichungen im Detail bleiben die Vor- und Nachteile eines solchen Konzeptes natürlich die bekannten. Pro: Punktschallquellencharakteristik, hoher Wirkungsgrad und Phasenkohärenz. Kontra: Schwierigkeiten, die gesamte Frequenzbandbreite darzustellen, Schallbündelung zu höheren Frequenzen hin sowie „tonale Eigenheiten“. So richtig linealglatt kann ein ungefilterter Breitbänder eigentlich nie laufen.
Basshörner sind streng genommen natürlich immer zu klein. Hornlänge und Größe des Hornmundes bestimmen die untere Grenzfrequenz, und wer ein wenig mit Wellenlängen und den einschlägigen Zusammenhängen jongliert, kommt schnell auf Dimensionen, die jedes normale Wohnzimmer sprengen. Eigentlich. Der „Trick“ ist, den Raum miteinzubeziehen. Jede Grenzfläche – Boden, Rück- und Seitenwand – halbiert nämlich grob gerechnet die notwendige Öffnungsfläche der Mündung. Das meint Herr Hüpfel mit „das Horn outsourcen“. Und deshalb ist es auch klug, es nach hinten austreten zu lassen, schließlich sind dort in aller Regel mehr Grenzflächen anzutreffen.
Die Austrittsöffnung des Basshorns
Ich begann also, kräftig mit der Aufstellung der Hornmanufaktur Marimba zu experimentieren und landete schließlich bei einem Setup mit jeweils einem knappen Meter Abstand von Rück- und Seitenwand, von der Mitte der Boxenfront aus gemessen (ab Hornmund ist’s eher ein halber Meter zur Rückwand). Ein paar Tage später kam eine Mail von Herrn Hüpfel, in der er ähnliche Abstandsverhältnisse als guten Erfahrungswert empfahl – der Mann scheint seine Lautsprecher zu kennen. Zwar sollte hier individuell verfahren werden, denn jeder Raum ist anders, doch so viel lässt sich schon verallgemeinern: Man darf mit der Hornmanufaktur Marimba Marimba Wand und Ecke durchaus näherkommen, als es sich für eine Box dieser Größe gemeinhin schickt – das gehört einfach zum Konzept. Was sich insofern als recht lebenspraktisch erweist, wollen oder können die meisten ihre Lautsprecher doch nicht einfach völlig frei im Zimmer platzieren.
Test: Hornmanufaktur Marimba | Standlautsprecher