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Oktober 2014 / Martin Mertens
„Ad Eurydike: Freund gefragt: ‚Welcher weibliche Name fällt dir spontan zu Musik und Diva ein?‘ Er: ‚Eurydike!‘. Das war’s.“ – Exakt das ist die Antwort, die mir Gerald Hüpfel, Entwickler und Inhaber der österreichischen Hornmanufaktur, auf meine Frage, warum seine neuesten Kreationen so heißen wie sie heißen, gegeben hat. Und ich hatte schon in der griechischen Mythologie gestöbert, um eine Antwort auf die Frage zu finden.
Diese einfache Antwort ist gut. Dann ist wenigstens etwas einfach. Denn die Eurydike getauften Lautsprecher sind alles, nur nicht irgendwelche einfachen Lautsprecher. Wie der Name „Hornmanufaktur“ schon vermuten lässt, beschäftigt sich Herr Hüpfel vornehmlich mit der Entwicklung und Fertigung von Hornlautsprechern. Und zwar gerne mit solchen Preziosen, die den kompletten Audiofrequenzbereich mithilfe eines einzigen Breitbandchassis wiedergeben. Was klare Vorteile hat. So benötigt man keine Frequenzweiche, was dem Wirkungsgrad zugutekommt und Phasenfehler vermeiden soll. Zudem kommt eine solche Konstruktion dem Ideal einer Punktschallquelle nahe, was in vielen Fällen zu einer überdurchschnittlich guten räumlichen Abbildung führt. Der Nachteil von Breitbandchassis ist im Allgemeinen, dass sie meist doch nicht so ganz breitbandig arbeiten. Am oberen und unteren Ende, also in den Bässen und den Höhen, muss man oft mit Einschränkungen leben. Und genau hier kommt die Sache mit den Hörnern ins Spiel.
Die tiefen Frequenzen kann man nämlich durch ein entsprechend konzipiertes Backloaded-Horn verstärken. Dazu nutzt man den rückwärtig abgestrahlten Schall des Breitbänders, den man in ein Horn umleitet, das die Schallabstrahlung verstärket. Ein Horn, das bei tiefen Frequenzen wirksam ist, fällt ziemlich groß aus. Es gibt allerdings verschiedene Tricks, durch die man das Horn kleiner bauen kann als es theoretisch notwendig wäre. Und mit dem richtigen Know-how bekommt man es in ein rechteckiges Lautsprechergehäuse.
Aufgrund der Komplexität dieser Gehäuse wagen sich nur wenige professionelle Hersteller an das Thema Basshorn heran. Die Fertigung von Horngehäusen ist einfach sehr aufwändig. Deshalb begegnet man solchen Konzepten häufiger in der Selbstbauszene. Die Hornmanufaktur ist allerdings alles andere als eine Bastelbude. Die bisher auf fairaudio vorgestellten Lautsprecher dieser Marke zeigen beeindruckend auf, wie intensiv sich Herr Hüpfel mit dem Thema beschäftigt und das Prinzip weiter entwickelt. So entsprechen die Allegro bis auf die abgerundeten Gehäuse quasi dem klassischen Konzept eines Breitbandlautsprechers mit einem Backloaded-Horn. Mit den Akusmatik A90 stellte Hüpfel dann Lautsprecher vor, bei denen er zwei unterschiedlich lange Hörner mit nach hinten abstrahlenden Hornmündungen einsetzt. Dadurch bieten die Akusmatik A90 im Bass einen ausgewogeneren Frequenzgang. Durch die nach hinten abstrahlenden Hörner werden zudem Boden und Rückwand in den Hornverlauf mit einbezogen. So wird eine tiefere untere Grenzfrequenz erreicht und man kann die Basswiedergabe gut durch den Wandabstand beeinflussen.
Ein weiteres Kapitel eröffneten dann die Aurora – die kleinsten Hornlautsprecher im Portfolio der österreichischen Manufaktur und vermutlich die kleinsten Lautsprecher mit Basshorn, die man zurzeit überhaupt fertig kaufen kann. Um die Basswiedergabe zu optimieren, setzte Herr Hüpfel zum ersten Mal eine Art Widerstand zur akustischen Impedanzanpassung in Form eines Lochgitters aus Acryl ein. Ein akustisch durchlässiger Stoff hinter dem Gitter verwehrt den Blick auf die Treiber. Und eine weitere Neuerung hielt in den Aurora Einzug: Die weiterhin filterlos laufenden Breitbänder werden durch Superhochtöner – in diesem Fall spezielle, runde Folienwandler – unterstützt. Sie setzen erst bei 13 kHz ein – einer Frequenz, die deutlich oberhalb des gehörmäßig sensibelsten Bereiches liegt. Die Akusmatik A90 mussten sich bei allen Talenten noch eine bündelungsbedingt etwas problematische Hochtonwiedergabe attestieren lassen.
Bei den Eurydike handelt es sich wieder um ausgewachsene Standlautsprecher. Auf ihren serienmäßigen drei Füßen stehend, sind sie gut einem Meter hoch, 34 Zentimeter breit und mit Frontabdeckung 42 Zentimeter tief. Die Frontabdeckungen sind übrigens feste Bestandteile des akustischen Systems der Eurydike. In die Platten der Abdeckungen sind im Bereich des Hornmundes viele parallele Schlitze eingesägt worden, sodass sich ein Gitter ergibt. Dieses dient, wie bei den Aurora das Lochgitter aus Acryl, der Impedanzanpassung des Hornmundes an das Luftvolumen des Hörraums. Herr Hüpfel erklärt, der Hornmund, der die akustische Leistung an die Umgebung abgebe, bilde eine Unstetigkeitsstelle im Hornverlauf. Unstetigkeiten führten unter anderem zu Reflexionen zurück in das Horn. Der Effekt, dass der Schall an der Grenzfläche Horn/Hörraum reflektiert werde, würde durch das Gitter minimiert. Und das erhöhe die Ausbeute im Bassbereich.
Die Ausschnitte für die Treiber sind mit akustisch durchlässigem Stoff bespannt. Auch hier verwehrt uns Herr Hüpfel den Blick auf die eingesetzten Treiber. Allerdings lässt sich die komplette Frontverkleidung abnehmen. Betreiben sollte man die Eurydike so, ohne die Impedanzanpassung vor dem Hornmund, aber nicht. Immerhin kann man ohne Abdeckung aber nicht nur in den Hornmund sehen, sondern auch einen Blick auf die Treiber werfen. Bei den eingesetzten Breitbändern handelt es sich um 6,5-Zoll-Chassis mit klassischer Papiermembran, die an sich in Elektroorgeln eingesetzt werden. Die Membranen besitzen eingeprägte Ringe zur Minimierung von Eigenmoden. Dank des hohen Wirkungsgrades der Breitbänder sollen sich die Eurydike auch für den Betrieb an Röhrenverstärkern, die mit Leistungstrioden im Single-Ended-Modus arbeiten, eignen. Schade, dass ich den MFE TA 845, den ich kürzlich zum Test hier hatte, schon zurückschicken musste.
Die Breitbänder spielen ungefiltert bis circa 10 kHz, dann übernimmt jeweils ein Superhochtöner, um Obertöne und Brillanz zu liefern. Die eingesetzten Folienwandler haben sich auch schon bei den Aurora bewährt. Die Membranen weisen vier Zentimeter Durchmesser auf und bestehen, so Hüpfel, aus einer runden, hauchdünnen Metallfolie, die an ihren Rändern und in der Mitte fixiert ist. Die „Spulen“ seien in Form einer Spirale nahezu vollflächig auf der Membran aufgebracht und versteiften diese damit – ein gleichgroßer Magnet gewährleiste einen sehr homogenen Antrieb der gesamten Membranfläche. Im Fall der Eurydike erhöht auch im Hochton ein Horn den Wirkungsgrad. Teile des Horns – eine Eigenkonstruktion übrigens – wurden eigens im 3D-Druck hergestellt. Alles in allem ist bei den Eurydike eine Weiterentwicklung unter Beibehaltung von Bewährtem zu erkennen.
Nein, ich verkneife es mir jetzt, an dieser Stelle das Lied meiner Bandscheiben zu singen. Lassen Sie sich einfach gesagt sein, dass die Eurydike vorbildlich verpackt bei mir ankamen und die Verpackungen in Form zweier solider Spanplattenkisten und Polstertaschen mindestens so viel wogen wie die Lautsprecher selbst. Die Kisten sind so clever gebaut, dass man die Boxen problemlos herausbekommt. Als ich die Polstertaschen dann entfernt hatte, war ich erst einmal von dem wirklich wunderschön gemachten Furnier aus Kernahorn angetan. So was sieht man nicht alle Tage. Und obwohl die Eurydike an sich ziemliche Kisten sind, konnten sie durch ihr attraktives Furnier sofort das Herz meines Hausvorstandes gewinnen. WAF-Faktor 100. Den Herrn des Hauses fasziniert dabei nicht weniger die handwerklich schlicht perfekte Verarbeitung – ok, von einer winzigen Unregelmäßigkeit in den Schlitzen vor dem Hornmund abgesehen, die aus irgendwelchen Gründen auf den Fotos dramatischer aussieht als in der Wirklichkeit.
Test: Hornmanufaktur Eurydike | Standlautsprecher