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Den Lautsprecherhersteller Paradigm kennt hierzulande noch nicht jeder, da kann schnell das Missverständnis aufkommen, es mit einem weiteren Boutique-Anbieter aus der Highendszene zu tun zu haben. Nun, weit gefehlt – Paradigm beschäftigt circa 250 Mitarbeiter, dementsprechend sind sie in Nordamerika eine richtige Nummer. Bei uns kümmert sich Audio Components um den Vertrieb. Als die Hamburger die kanadische Lautsprechermarke frisch ins Portfolio genommen hatten und anfragten, ob ich mal eine gewisse Persona 3F hören möchte, dachte ich mir: „Na gut, warum nicht?“ Selten bin ich so überrascht worden.
Unser heutiger Testkandidat, der Standlautsprecher Paradigm Founder 100F, besitzt eine ähnliche Größe wie die Persona 3F – mit 106 Zentimeter Höhe und etwa 22 Zentimeter Breite lässt er sich gut in normale Wohnumgebungen integrieren –, liegt preislich aber ungefähr bei der Hälfte, genauer gesagt 6.500 Euro das Paar. Die 100F ist das größte Passivmodell der Founder-Serie, das Top-Modell Founder 120F (10.500 Euro) besitzt Aktivbässe. Das kleinere Standmodell 80F sowie ein Kompakt- und zwei Center-Lautsprecher komplettieren die neue Linie der Kanadier, die sich zwischen der Flaggschiffserie Persona und den günstigeren Premier-Modellen positioniert, deren kompakte Premier 200B wir auch schon mal im Test hatten.
Klassisches Konzept
Die Paradigm Founder 100F ist ein klassischer Dreiwege-Lautsprecher. Um die Front schlank zu halten und gleichzeitig Power in den unteren Lagen bieten zu können, verbaut Paradigm drei 7-Zoll-Basstreiber, die auf ein knapp 44 Liter großes Bassreflex-Volumen arbeiten. Die Reflexöffnung strahlt auf den Boden. Ab 500 Hertz übernimmt ein 6-Zoll-Konusmitteltöner, der das Feld ab 2100 Hertz einer 25-mm-Kalotte überlässt. Die Trennung erfolgt in beiden Fällen 2. Ordnung. Das Lautsprecherterminal ist vom Bi-Wiring-Typ und vier Outrigger-Füße sorgen für den stabilen Stand der Säule. So weit, so gängig.
Technische Besonderheiten
Weniger gängig ist, dass ein Lautsprecherhersteller fast alles selbst macht – bei Paradigm ist genau das der Fall. Bei ihnen geschieht nicht nur die Endmontage, auch die Gehäuse und die Treiber fertigen sie in-house. Letzteres ist selten und passiert meist nur bei größeren Herstellern. Was sind das also für Chassis in der Founder 100F?
Die Bässe hat Paradigm „Carbon-X“ getauft, was auf die Membran der drei 7-Zöller abstellt, die aus mit mineralischen Additiven verbackenen Karbonfasern gefertigt wird, was eine gelungene Mischung aus Steifigkeit, geringem Gewicht und innerer Dämpfung garantieren soll. Die sogenannte ART-Sicke (Active Ridge Technology) unterbinde Taumelbewegungen der Membran auch bei hohen Pegeln, erfahre ich, die geriffelte Form stelle das sicher. Zudem ist von einer „Advanced Shock-Mount Isolation“ die Rede. Hier kommt bei der Befestigung der Treiber auf der 25 mm starken Schallwand ein Elastomer zum Einsatz, das Vibrationen aufs Gehäuse und von diesem zum Chassis hin minimieren soll.
Der Mitteltöner der Founder 100F sieht so aus wie bei der Persona 3F. Okay, die Abdeckung sieht so aus. Schickes Muster, nicht wahr? Das Ganze dient nicht allein der Optik und dem Schutz des Treibers, vielmehr haben wir es hier mit einer besonderen Art von Akustiklinse zu tun, die Phasenunterschiede, die aufgrund von unterschiedlichen Schallentstehungsorten auf der Membran entstehen, weitestgehend ausgleichen soll, was sich klanglich bezahlt mache. „Perforated Phase-Aligning“ (PPA) nennen die Kanadier das. Der Mitteltöner selbst besitzt leider keine Berylliummembran wie der der Persona-Modelle, das ist kostenseitig einfach nicht drin. Stattdessen kommt eine Legierung aus Aluminium und Magnesium zum Einsatz.
Dieser Materialmix ist auch bei der Hochtonkalotte am Start, ergänzt um eine äußere Keramikschicht. Der Hochtöner wird mit Ferrofluid gekühlt und bedämpft und besitzt ebenfalls eine PPA-Linse vor der Membran. Zudem steckt er in einem flachen Waveguide, der das Abstrahlverhalten optimiere, so die Kanadier.
Auch das Gehäuse der Paradigm Founder 100F hat seine Besonderheiten. Das liegt weniger am Material selbst – MDF – als an der Formgebung. Die ist eigenwillig und sieht interessant aus, wenn Sie mich fragen. Auf den Fotos kommt das leider nur bedingt rüber. Von vorne sehen wir einen „Pyramidenstumpf“, der oben 20 und unten 24 Zentimeter misst, nach hinten raus wird das Gehäuse schlanker, doch das nicht gleichmäßig abnehmend von vorne nach hinten, sondern sozusagen „gebrochen“ über eine seitliche Diagonale. Was es mit der auf sich hat, zeigt der Querschnitt.
Eine diagonale Strebe verläuft von oben nach unten und stabilisiert zusammen mit horizontalen Verstrebungen das Lautsprecherkabinett von innen. Und da die Founder 100F eine Art facettiertes Gehäuse besitzt, mithin kein einfacher Quader ist, haben Gehäuseresonanzen vorgeblich nur geringe Chancen. Darauf zahlt wohl auch die zusätzliche Aluminiumplatte auf der Front ein, auch wenn die „nur“ von starken Magneten gehalten wird (was es im Fall der Fälle servicefreundlich macht). Magnetisch halten auch die zum Lieferumfang gehörenden Frontbespannungen.
Paradigm Founder 100F: Hörtest & Vergleiche
Aussagen wie „Lautsprecher X macht anderen zum Vielfachen des Preises das Leben schwer“ sind erstaunlich häufig zu hören, und irgendwo in den Weiten des Webs habe ich Ähnliches zur Founder 100F gefunden. Ich will die Party ja nicht stören, doch ich kenne ein paar dieser drei- bis viermal so teuren Lautsprecher, ja, tatsächlich sogar einen „nur“ doppelt so teuren aus dem gleichen Stall, besagte Persona 3F nämlich – das ist nicht das Gleiche. Weder preislich noch klanglich. Insbesondere was die Impulswiedergabe und das Auflösungsvermögen angeht, ist‘s mit der Persona noch mal eine andere Liga. Wäre ja auch ein bisschen komisch sonst – und es spricht kein bisschen gegen die Founder 100F, die macht fürs Geld einen klasse Job.
Dynamik & Details
So sind auch Dynamik und Detailauflösung der Founder gut, wenngleich nicht „sensationell“. Und vielleicht ist gerade das das Löbliche, zumindest wenn ein Generalist gesucht wird. Mal zur groben Einordnung: Eine für ihren Einstandspreis von 5.000 Euro riesige, mit zwei 12-Zöllern bestückte Pylon Audio Amber Mk2 kann grobdynamisch naturgemäß mehr bewegen, insbesondere im Bass und auch was den Maximalpegel angeht, hat sie die Nase vorn. Eine Vienna Acoustics Beethoven Baby Grand Reference (7.500 Euro) spielt dagegen noch etwas feiner aufgelöst und mikrodynamisch facettierter. Dafür kann sie makrodynamisch mit der Paradigm nicht mithalten, während besagte Pylon es versäumt, beim Detaillierungsgrad und der akkuraten Wiedergabe feiner Lautstärkeschattierungen mit der Kanadierin gleichzuziehen. Von den Dreien ist die Founder 100F also die „allroundigste“ in diesen Disziplinen, die beiden anderen sind eher Spezialisten.
Noch zwei Dinge: Grobdynamisch ist die Paradigm mit Spaß bei der Sache, keine Frage, vor allem angesichts ihrer Größe ist es recht erstaunlich, was sie „raushauen“ kann. Gleichwohl fällt mir eher die Feindynamik auf: Scheinbare Kleinigkeiten wie Atmer beim Gesang, Schnarren einer Saite auf dem Steg oder die feine Beckenarbeit eines Jazz-Schlagzeugers wirken sehr überzeugend, auch schon unterhalb von Zimmerlautstärke. Und was die Auflösung angeht, so habe ich den Eindruck, dass die immer besser wird, je mehr man sich Richtung „Mitte“ bewegt. Im Stimmbereich ist sie exzellent für diese Klasse, an den Frequenzextremen sehr ordentlich. Ja, Aktivkonzepte können im Bass und Flächenstrahler in den Höhen oft noch das eine oder andere Detail mehr herausholen. Aber zum einen sind das keine Welten, zum anderen ist der Mittelton nun mal das Wichtigste, und hier ist die Paradigm wunderbar klar und unbelegt unterwegs.
Tonalität
Tonal wirkt die Paradigm Founder 100F smart abgestimmt, wie ich das nennen möchte. Der reinen Studiolehre folgt sie nicht, doch genau deshalb dürfte sie fürs Gros der Musikhörer – und fürs natürliche Habitat dieses Lautsprechers, ich denke da an circa 20 bis 30 qm große Räume – ziemlich optimal sein. Der so gut auflösende Mittenbereich ist linear gehalten, dafür gönnt sich die Founder 100F an den Frequenzgangenden ein wenig gute Laune. Wenn Sie jetzt denken „Aha, Badewanne!“, muss ich Sie zurückpfeifen: Ich rede von einer leichten Betonung.
Macht doch Spaß, wenn im Mittel- und Oberbass etwas mehr draufgelegt wird, oder etwa nicht? Zumal dann, wenn er zwar nicht knochentrocken, aber sehr anständig konturiert serviert wird und der Kickbass seinem Namen alle Ehre macht. Die Kanadier geben eine untere Grenzfrequenz von 42 Hertz (-2 dB) an. Das klingt für mich durchaus realistisch und bedeutet, dass die unterste Oktave nur schwach ausgeprägt ist. Man merkt es im Vergleich zur sehr seltenen Gattung echter Full-Range-Lautsprecher, etwa bei Orgelwerken oder Electronica mit erheblichen Subbassanteilen – aber auch beim schönen Pop-Piano-Album MassEducation (piano version) von St. Vincent. Die unteren Register könnten theoretisch schon noch tiefer ausgeleuchtet werden. Wenn Sie das auch praktisch erleben möchten, hören Sie sich vielleicht besser die teilaktive Founder 120F an, die hinab bis 22 Hertz spielen soll – überlegen vorher aber noch einmal ganz genau, ob Sie dafür auch den richtigen Raum haben. Im oben genannten „natürlichen Habitat“ der Founder 100F passiert’s einem jedenfalls recht oft, das 15 Meter lange Schallwellen sich nicht wirklich frei entfalten können, wenn Sie wissen, was ich meine.
Kommen wir zu den oberen Registern. Auch hier timbriert Paradigm die Founder 100F geschickt. Ab 2100 Hertz geht‘s mit der Kalotte los, und die spielt bis zum Superhochton klar und deutlich auf. Ein kleiner Schuss Extraglanz ist dabei, der sorgt zum Beispiel dafür, das man auch noch bei Mitternachtspegeln feine Arbeit auf der Snare und „Besen auf Becken-Zärtlichkeiten“ klar vernehmen kann, wo andere Lautsprecher gerne schon mal einschlafen. Und bei normalen Lautstärken ist’s eben eher: „Hallo, ich bin wach – du auch?!“ als „Schlaf ruhig weiter.“ Gitarren flirren, Becken glänzen, nichts wirkt verhangen. Macht an, ist aber keine dumme Anmache. Es geht um einen feinen Akzent, wenn das mal so um die 1-2 dB sind. Und, noch wichtiger: Die oberen Mitten bleiben linear, was sicherstellt, dass Stimmen, Gitarren, Trompeten etc. nie zu aufdringlich tönen. Bei aller Offenheit, Frische und Luft, die die Paradigm vermittelt, kann man sehr lange mit ihr Musik hören, ohne dass es einem zu viel wird.
An den Rändern Spaß, in der Mitte audiophiler Charme – dieses Konzept klappt verdammt gut. Erst jüngst habe ich Micah P. Hinson für mich entdeckt, und dieser verschrammelte Indie-Folk/Country, wie er auch auf dem Album And The Red Empire Orchestra zu finden ist, kommt mit der Founder 100F super rüber. Das fängt schon mit dem ersten Stück „Come Home Quickly, Darlin’“ an, das in klassischer Lo-Fi-Manier verhangen-verzerrt startet, bevor dann ab circa 20’’ langsam eine Basswelle anrollt und sich der Song mit Power öffnet – da geht die Kanadierin voll mit und schiebt von unten mit Verve nach, sodass der Dynamiksprung einen Extradrall bekommt. Auch den Track Nr. 2, „Tell Me It Ain’t So“, fundiert ein substanzieller Bass – beeindruckender ist aber die Klarheit, mit der die Paradigm Founder 100F die Gitarre und Hinsons Stimme zeichnet. Was mich dann beim sparsamen „Throw The Stone“ fast schon ehrfürchtig lauschen lässt: Dieser Realismus im Stimmbereich ist nicht normal, schon gar nicht fürs Geld. Und wie gut die Illusion gelingt, der Sänger stände vor mir! Das bringt mich zu einer weiteren Stärke dieses Lautsprechers, die …
Raumdarstellung
Die Art und Weise, wie die Paradigm Founder 100F die virtuelle Bühne aufzieht, ist nämlich wesentlich dafür, dass sie den Hörer um den Finger wickelt. Gut, nicht jeden. Ist man peinlich darauf bedacht, dass die Musik schön brav auf Abstand bleibt, dann sollte man sich wohl woanders umhören – aber ich vermute, so geht es den wenigsten.
Die Founder 100F traut sich jedenfalls vor die Stereobasis. Distanzlos ist das nicht, involvierend nah aber schon. Dabei ist es nicht so, dass die Bühnentiefe in Mitleidenschaft gezogen würde, wie es bei nach vorne orientierten Boxen bisweilen der Fall ist. Hier herrscht eher Normalmaß, sodass auch Orchesterwerke anständig gestaffelt dargeboten werden. Weniger normal ist die Breite, die fällt nämlich ziemlich üppig aus. Da geht es mit den richtigen Aufnahmen auch ein gutes Stück seitlich über die Lautsprecher hinaus. Sehr hübsches Panorama.
Doch auch das ist nicht das Entscheidende. Dazu zählen für mich zwei andere Dinge. Erstens die völlig freie Abbildung. Klar, inzwischen können das viele Lautsprecher ganz gut. Manche können es aber besser. Und zwar so überzeugend, dass man sich unwillkürlich fragt, was es mit den schwarzen Stelen da vorne, wo die Musik spielt, eigentlich auf sich hat. Die Paradigm verschwinden akustisch von der Bildfläche, sie hegen die Bühne nicht ein, sondern stehen zufällig drin herum, so der Eindruck.
Zweitens: Nicht wie bei anderen räumlich überzeugend aufspielenden Lautsprechern, ich denke da etwa an Modelle von Dynaudio oder die erste Version der Wilson Sabrina, wird hier einer sehr plastisch-randscharfen Abbildung einzelner Klänge das Wort geredet. Stimmen und Instrumente wirken vielmehr leicht runder, organischer, wie mit weicherem Strich gezeichnet – doch nie wie aus dem Off, sondern zugleich ganz bestimmt und konkret. Ich weiß, das liest sich etwas paradox, doch genau das ist das Coole am „Raumentwurf“ der Paradigm. Mit anständigen Produktionen gerät die Illusion, die Musiker stünden im Wohnzimmer, ziemlich perfekt – doch nie hat es was „hifimäßig Hyperreales“, sondern bleibt natürlich, entspannt, offen. Schwer zu beschreiben. Tatsächlich erinnert mich die Paradigm in dieser Hinsicht ein bisschen an Lautsprecher von Blumenhofer wie etwa die Genuin FS 1, 2 oder 3, obwohl die konzeptionell und preislich etwas völlig anderes darstellen. Doch diese Kombi aus weicherem Strich bei gleichzeitig sehr konkretem Eindruck können sie auch.
Test: Paradigm Founder 100F | Standlautsprecher