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Jetzt machen die Herren Sonder auch noch in Hörnern (www.abacus-electronics.de | Preis des Testmodells: 9.900 Euro). Diverse Dolifet-Verstärker, artenvielfältige Aktivboxen, smarte Streamer und neuerdings auch klangstarke Kopfhörerverstärker kennen wir ja schon von den niedersächsischen Nordenhamern. Aber hochaufällige Hörner auf stämmigen Sockeln? „Warum das?“, frage ich den Seniorchef von Abacus, Karl-Heinz Sonder.
„Bei ABACUS wäre noch vor drei Jahren niemand auf die Idee gekommen, ein Horn zu bauen. Die Faszination an den Tugenden von Hörnern war zwar immer da, konnte aber das Manko ‚Horn-Sound‘ nicht aufwiegen. Dann kam eines Tages unser Freund und Softwarepartner Dr. Ulrich Brüggemann von AudioVero und bat uns, für einen Freund ein kompaktes Lautsprechersystem mit Horn zu bauen, aktiv auf Trifon-Basis. Im Neinsagen sind wir nicht gut … Also sagten wir zu – rein aus Freundschaft. Dann bauten wir ein Horn. Und das hat uns derart beeindruckt, dass spontan der Entschluss unvermeidbar war, sowas in Serie zu bauen.“
54 Zentimeter im Durchmesser messen die Hörner jeweils, die in separaten Paketen geliefert werden und zur Inbetriebnahme – mittels Magnethalterung sicher fixiert – auf das Bassteil gestellt und mit diesem per Neutrik-Speakon-Stecker verbunden werden. Bassteil? Ja, nicht nur die Hochton-, sondern auch die Mittenwiedergabe findet „oben“ statt: Das Herz des Horns ist nämlich ein 2-Zoll-Koaxial-Treiber von BMS mit einem Wirkungsgrad von bis zu 118 dB/W/m, der bereits bei minimaler Energiezufuhr handelsübliche Lautstärken liefert, was Karl-Heinz Sonder als „wesentliche Erklärung für die extrem geringen Verzerrungen der Abacus Horn“ ansieht. Der Koax arbeitet bei alledem mit einer auffällig hohen Trennfrequenz von 6000 Hertz: Die hohen erzielbaren Schalldrücke erfordern es, den Hochtöner nach unten hin möglichst weitgehend zu entlasten. Ergo muss der ab rund 380 Hertz einsetzende Mitteltöner extrem breitbandig spielen, was nicht ganz unproblematisch ist, aber in Sachen Phasenkohärenz und damit verbundenen klanglichen Tugenden wie räumlicher Plastizität und grundsätzlicher „Schlüssigkeit“ des Klangbildes mutmaßlich auch wieder was für sich hat. Wir werden hören.
Der zugehörige Horntrichter aus glasfaserverstärktem Kunststoff stammt von einem in der Nähe von Oldenburg gelegenen Zulieferer, ist mithin also ebenso „Made in Germany“ wie die eigengefertigte Verstärkerelektronik (siehe dazu unseren Abacus-Firmenbericht) sowie das von einem hessischen Schreiner bezogene Tieftongehäuse. Ihre Farbe erhalten die Trichter schlussendlich in einer benachbarten Autolackiererei.
Richten wir unseren Blick nach unten: Das mit 22-mm-MDF bewandete, und im Inneren mit einer massiven Querstrebe versteifte Bassteil der Abacus Horn beinhalte „eine halbe Trifon 5X“, wie Karl-Heinz Sonder sich ausdrückt, ist also dem 7.900 Euro kostenden Topmodell der Trifon-Serie entlehnt. Die beiden 22-cm-Konusse stammen mithin vom in China ansässigen – und vom ursprünglich aus Dänemark stammenden Allan Isaksen geführten – Hersteller Wavecor. Die im Bassteil sitzende, 350 Watt starke Verstärkerelektronik versorgt aber natürlich alle drei Wege der Abacus Horn und basiert selbstredend auf „DOLIFET“-Endstufentechnologie – ausführlichere Informationen zu dieser Technik bieten etwa die fairaudio-Tests des Abacus Electronics 60-120D Dolifet oder des Abacus Ampino 15 Dolifet.
Und während „unsere“ Abacus Horn komplett analoge Verstärker- und Weichenzüge beinhaltet, haben die Nordenhamer noch eine zweite Variante am Start, die für die externe Ansteuerung durch das „Acourate“-System des Bielefelder Unternehmens AudioVero ausgelegt ist und auch von diesem vertrieben wird: Die „Abacus Horn AudioVero“ bietet weitergehende digitale Signalverarbeitungsmöglichkeiten inklusive Raumkorrektur. Für Neugierige: Kollege Jochen Reinecke hatte sich mit den Möglichkeiten des AudioVero-Systems im Rahmen seines Tests des Abacus AroioSU mit AcourateCV-Raumkorrektur bereits intensiv beschäftigt.
Aber auch unsere durch und durch analogen Gäste bieten hilfreiche Möglichkeiten, das Klangbild mit Blick auf räumliche Gegebenheiten oder schlichtweg den eigenen Hörgeschmack zu individualisieren: Vier kleine Drehregler stehen dazu rückseitig artig aufgereiht beflissen zu Diensten. Als da wären: Gain, Hochton-Pegel, Tiefton-Pegel und Bass-Roll-off (untere Grenzfrequenz). Zu den von mir im Test bevorzugten Einstellungen komme ich später noch, an dieser Stelle aber einige nähere Spezifizierungen: Die Hochtonregelung erfolgt in 1-dB-Schritten und umfasst den Bereich ab 5 kHz aufwärts. Bassseitig sind die Schrittgrößen 2 dB, der zugehörige Wirkbereich zieht sich – logisch – von der unteren Trennfrequenz an (also 350 Hertz) südwärts. Und wenn Sie die Beschriftungen am Bass-Roll-off-Steller, namentlich die 16 oder 24 Hertz, für eher so „einfach mal draufgedruckt“ halten, sei schon mal vorgegriffen: Die Abacus Horn wollen untenrum nicht nur spielen, sie beißen tatsächlich extrem tief.
Als Default-Einstellung beziehungsweise Ausgangspunkt für eigene Experimente empfiehlt Abacus übrigens 0 dB Gain, 0 dB Hochton, 0 dB Bass und 24 Hz als untere Grenzfrequenz.
Abacus Horn: Klangtest & Vergleiche
Auspacken, anschließen, aufstellen
Auch wenn ich mich bei einigen Lesern und insbesondere bei den Herren Sonder von Abacus, die stets beteuern, dass es mit und an ihren Geräten keinen Kabelklang gibt, vermutlich in die Nesseln setze: Die Abacus Horn wissen hochwertigere Strippen zweifelsohne zu goutieren: Der Wechsel von einem von irgendwo dahergelaufenen Standard-XLR-Kabel zu einem von Vovox zeitigt weniger vordergründige Präsenz und damit mehr Homogenität im Mittelton. Und gegenüber den Beipacknetzkabeln bringen meine Quantum-Netzkabel – typisch für sie – eine angenehme Prise Lockerheit/Geschmeidigkeit sowie definierten Fokus ins Spiel. Allesamt hörbare Verbesserungen, wenngleich die Veränderungen, gerade bei den Netzkabeln, zugestandenermaßen etwas weniger ausgeprägt erscheinen, als ich das sonst so kenne.
Und überhaupt: Die Abacus Horn spielen bereits frisch ausgepackt, ohne großes Einspielprozedere, und mehr oder weniger Pi mal Daumen in den Hörraum positioniert überraschend „vollständig“ – Respekt. Gleichwohl noch einige Hinweise zu den von mir für den Test vorgenommenen Einstellungen und der optimalen Positionierung: Basspegel sowie Input Gain bleiben in der Neutralstellung, der Bass Roll-off pendelt je nach Abhörlautstärke und Musikmaterial zwischen 24 und 36 Hertz, der Hochtonpegel erscheint mir bei -1 dB am stimmigsten, wobei die Entscheidung gegen die Neutralstellung schon eher als subtile Gefühlssache durchgeht.
Gönnen Sie den Abacus Horn auf jeden Fall eine freie Aufstellung, 70 Zentimeter Seiten- und Rückabstand zu den Wänden sollten es schon sein, einen solchen Lautsprecher in die Raumecke zu quetschen mutet allein optisch schon wenig ansprechend an. Der Hörabstand – der sich in meinem Raum glücklicherweise ziemlich variabel gestalten lässt – kann hingegen kürzer ausfallen als man zunächst womöglich denkt: Schlussendlich werden es 2,4 Meter (ich sitze eh gerne möglichst unmittelbar im Direktschall), und da ist sogar noch ein wenig Luft nach unten. Auch aufgrund der Regelmöglichkeiten bei der Basswiedergabe würde ich sagen, dass Räume ab bummelig 25 Quadratmetern geeignete und ab 30 Quadratmetern optimale Terrains für die Abacus Horn sind. Bei alledem würde ich die Horn nicht unmittelbar aufs Ohr zielen lassen („auf Achse“), sondern leicht auswinkeln, ich selbst bin bei etwa 20 Grad „Achsenabstand“ gelandet.
Audiophil
Ein bis in Infraschallregionen hinunterreichendes, hornbewehrtes, mit 2 x 350 Watt deklariertes Aktivsystem – wie startet man da am besten in den Hörparcours? Genau, mit dem Thema „Räumlichkeit“. Denn bei aller Leistungsschau zeigen sich die Abacus Horn hier schon fast überraschend audiophil: Das erste, was mir unmittelbar ins Ohr fällt, ist tatsächlich die überdurchschnittliche Akkuratesse und Unmissverständlichkeit, mit der Stimmen in der Stereomitte erscheinen, was für ein sauber „gematchtes“ Lautsprecherpaar sowie – auch bei Koax-Lautsprechern mitnichten eine Selbstverständlichkeit – hohe Phasenkohärenz spricht.
Die zweite Ohrenfälligkeit ist, wie hervorragend sich die Musik von den Lautsprechern zu lösen vermag, wenn die zugrundliegende Aufnahme das hergibt. So flutet das hallunterlegte Sopran-Saxophon zu Beginn von Øystein Sevågs „Hanging Gardens“ (Album: Bridge; auf Amazon anhören) den Raum zwischen den Lautsprechen und meiner Hörposition so ausladend-involvierend, dass das fast einen Applaus wert wäre. Ja, ich mag solche sich nach vorne, Richtung Zuhörer ausdehnenden Abbildungen wie sie insbesondere auch meine Spendor D9 (9.500 Euro) liefert, die dabei einzelne Schallquellen noch einen Tick größer abbildet als es reine Lehre wäre, was mich persönlich aber nicht die Bohne stört, eher das Gegenteil ist der Fall.
Zum Dritten werden natürlich nicht nur Stimmen räumlich präzise definiert, die Abacus Horn bilden vielmehr generell vorbildlich ortungsscharf ab: Herausragend gut – sorry fürs abgenudelte Superlativ, aber das ist keine Übertreibung –, wie plastisch-greifbar-punktgenau selbst solche Kleinigkeiten wie ein kurzer Shaker-Impuls weit links außen auf der Bühne ausgeliefert werden (ab 0:17 im Song „Defaced“ von Résistance, Album: 8).
Ja, „Bühne“ haben die Abacus Horn wie nur wenige andere Lautsprecher drauf – was mich zur völlig unerwarteten Aussage nötigt, dass selbst meine Spendor D9 (etwas weniger ortungsscharf) sowie meine Sehring 903 (weniger ausladend) im Verbund mit meinen Bryston 7B³ in dieser Sache nicht ganz auf Augenhöhe mit den Abacussen sind.
Tonalität
Klar, ein Horn zieht automatisch die Aufmerksamkeit auf sich. Und das meine ich nicht nur optisch, sondern auch akustisch beziehungsweise „hörpsychologisch“: Und so „fühlen“ sich auch bei den Abacus Horn Teile des vom Koax verantworteten oberen/mittleren Frequenzbereichs etwas vordergründiger an – wenngleich der Bass in Sachen Tiefgang wirklich referenzartige Abgründe öffnen kann und so druckvoll agiert, wie man das von einem solch amtlichen Aktivisten erwartet.
Ein Charakterzug, der sich insbesondere mit den erwähnten 08/15-XLR-Kabeln recht unmissverständlich zeigt und mit den Vovox-Bindern auf ein gesundes Maß zurechtgestutzt wird. Aber auch mit den Vovox vornedran lenken die Abacus Horn meine Aufmerksamkeit „subjektiv“ insbesondere auf den Bereich der oberen Mitten bis unteren Höhen, wenngleich ich „objektiv“ lediglich feststellen kann, dass beispielsweise die typische Rauigkeit von Blain L. Reiningers Stimme in „In the Name of Talent“ (Tuxedomoon – Desire) oder die Hi-Hats in „False Light“ (Isis – Oceanic) prägnanter geraten, als ich das über meine hochlinearen Sehring 903, aber auch Spendor D9 gewohnt bin.
Nichtdestotrotz: So packend, „fordernd“ und livehaftig wie über die Abacus Horn wurde mir das Post-Metal-Inferno „False Light“ selten verabreicht, da werden Erinnerungen an die seinerzeitig von meinen Bryston 7B³ getriebenen, den Hörer bei hohen Pegeln ebenfalls aufs Sofa nagelnden Nubert nuVero 170 wach. Dafür, dass die erwähnten kleinen Pegelpeaks nicht genussabträglich wirken, sorgen übrigens der leicht zurückgenommene Superhochton sowie die absolut unzischelige-härtefreie, sehr „rein“ anmutende Qualität des gesamten Mitten/Hochton-Bereichs – sicherlich ein Resultat hoher Verzerrungsarmut.
Auflösung + Dynamik
Im Grunde lässt sich aus der Tonalität schon recht gut auf das Auflösungsvermögen schließen. Fangen wir oben an: Den letzten subtilen Hochtonschimmer, den ich insbesondere von meinen vorbildlich luftigen Spendor D9, aber ebenfalls Sehring 903 kenne, arbeiten die Abacus Horn nicht heraus. So versprühen etwa die ebenso zarten wie dichten Becken-Gespinste zu Beginn des erwähnten „Hanging Gardens“ von Øystein Sevåg etwas weniger luftig-ätherischen Charme, werden aber hingegen in ihrem tonalen Unterbau Richtung Mitten ganz hervorragend differenziert – auch feindynamisch. Und wenn es darum geht, die Texturen von Stimmen oder dichten Gitarrenarrangements maximal durchsichtig zu gestalten oder feine Transienten punktgenau auf die Bühne zu pfeffern, sind die Nordenhamer auch von meinen Arbeitslautsprechern nicht einzufangen.
Der Bass
Tief, tiefer, am tiefsten, dabei grobdynamisch – wenn erforderlich – Riesenschaufeln an Bassmasse wuppen. Und immer schön linear bleiben: Ja, die Abacus Horn können unglaubliche Bassenergien stemmen, ohne dabei auch nur die Spur aufzudicken oder Impulse zu verschleifen. Burials „Etched Headplate“ (Album: Untrue; auf Amazon anhören) lässt meinen Hörraum erbeben, meinen Bauch vibrieren und die Nachbarn mit Sicherheit erschrecken – da kommt schon fast PA-Feeling auf. Wer es nachbarschaftsfreundlicher mag, dreht einfach hinten an der Bassintensität und/oder am Roll-off. Genial. Und mit Passivlautsprechern derartig nicht zu realisieren. An Grenzen gelangt man mit den Abacus Horn lediglich, was das bassseitige Differenzierungsvermögen von Klangfarben angeht: Natürlich lässt sich ein E- von einem Akustikbass unterscheiden, die jeweils charakteristischen Noten arbeiten viele andere Lautsprecher gleichwohl deutlicher heraus. Die Abacus Horns lassen den Hörer hingegen, ja, diese Formulierung passt gut, untenrum eben grundsätzlich etwas stärker im Dunklen.
Test: Abacus Horn | Standlautsprecher