Der Kopfhörermarkt hat in den vergangenen Jahren einen veritablen Boom erfahren. Kopfhörer sind zeitgemäß, schick – und im Vergleich zum stationären Musikgenuss, gerade wenn es um höhere audiophile Weihen geht, zudem vergleichsweise günstig. Der HiFi-Trend, den Hörraum auf Ohrmuschelgröße herunter zu skalieren, ist auch in Nordenham nicht unentdeckt geblieben, wo die Abacus-Entwickler Karl-Heinz und Hanno Sonder fernab neugieriger Blicke an einem ersten eigenen Kopfhörerverstärker gearbeitet haben. Et voilá: Habemus Cuffino – die Kopfhörerpremiere von Abacus (www.abacus-electronics.de). Souveräner Einstand oder kurzfristige Verirrung? Da hören wir doch gleich mal nach …
Technik & Praxis
Eins vorweg: Eine Wunschgeburt aus reiner Liebe scheint der Abacus Cuffino für seine Macher zumindest nicht uneingeschränkt gewesen zu sein; das macht ein erster Plausch mit Abacus-Chef Karl-Heinz Sonder im Testvorfeld klar. Eher eine Mischung aus Marktpragmatismus und Entwicklerehrgeiz. „In Sachen Kopfhörer ist eine große Interessentengruppe außerhalb des klassischen Audiomarktes gewachsen, und zwar überwiegend ohne Zwischenstation in der HiFi- und High-End-Welt“, so Karl-Heinz Sonder. Und damit ohne Station bei Abacus. Die Gründe hierfür vermutet Sonder allerdings weniger in der Technik als schlicht in der Nomenklatur seiner Produkte. Die in allen Line-Ausgangsstufen von Abacus vorhandene und vom Hersteller als „Linetreiber“ bezeichnete Null-Ohm-Schaltung ist bereits ein amtlicher Kopfhörerausgang – der jedoch aus eher psychologischen denn audiophilen Gründen kaum genutzt werde. Warum? „Die meisten potenziellen Kunden würden den eingebauten Linetreiber, egal wie gut, nicht akzeptieren“, glaubt Sonder. Lange hätten Karl-Heinz Sonder und Sohn Hanno zunächst kopfschüttelnd, später fasziniert, diese neue Szene beobachtet und sich über die dort üblichen Kaufpreise von Kopfhörerverstärkern gewundert, die oft selbst für einen ausgewachsenen Vollverstärker stattlich wären. Irgendwann habe man dann kurzerhand beschlossen, einen eigenen Kopfhörerverstärker zu bauen. Nach dem Motto: Wenn’s denn unbedingt ein eigenes Gehäuse sein muss: bitteschön.
Herausgekommen ist ein knuffiges, charakteristisch mausgraues Kästchen im laut Sonder „praktischen Bibelformat“ mit Abacus-typischer DIY-Anmutung und großer Ähnlichkeit mit den bekannten Minis Ampino, Prepino, AroioSU etc. Dessen Technik wurde für den Abacus Cuffino denn auch weitgehend übernommen. Allerdings kann der Kopfhörerverstärker wahlweise auf drei Hochpegeleingänge oder zwei Hochpegeleingänge in Verbindung mit einem MM-Phono-Eingang „gejumpert“ werden. Äußerlich befinden sind zwei Drehschalter auf der Front, mit dem sich die jeweiligen Ein- und Ausgänge anwählen lassen. Zwei davon, die Kopfhörerausgänge nämlich, befinden sich nun praktischerweise auf der Front: ein symmetrischer 4-Pol-XLR-Anschluss sowie ein unsymmetrischer 6,3-mm-Stereoklinkeanschluss. Hinzu kommt rückseitig ein Cinch-Ausgang zum regelbaren Weiterleiten des Musiksignals an eine Endstufe.
Auch innerlich lautet die neue Prioritätensetzung „Kopfhörer“. Zwar ist der Cuffino ebenfalls mit dem bewährten Linetreiber-Ausgangsmodul von Abacus ausgestattet. Jedoch verfügt der Abacus Cuffino über ein mit rund acht Watt Leistung ungleich kräftigeres Netzteil und lässt sich im Gegensatz zum reinen Vorverstärker nun komplett von Hand bedienen, sprich: Eine Fernbedienung gehört hier nicht zum Lieferumfang.
Als Extra-Schmankerl lässt sich der Abacus Cuffino zudem mit einer besonders hochwertigen Lautstärkeregelung vermittels Widerstandsleiter-Potenziometer ordern. Der Grundpreis des Cuffino erhöht sich in diesem Fall von 590 Euro auf 790 Euro. Zum Test schickten mir die Sonders übrigens einen Prototypen, der bereits über diese „Volumenregelung für Fortgeschrittene“ verfügte. Dabei garantieren paarweise gleiche Widerstände den jeweils exakt identischen Pegel auf beiden Stereokanälen, was insbesondere bei geringen Lautstärken und beim Musikgenuss über Kopfhörer einen nicht zu verachtenden Vorteil darstellt. Schrulle am Rande: Bei Betätigung des Drehreglers am Abacus Cuffino ertönt durch das Zusammenschalten der Festwiderstände – genau wie beispielsweise auch beim Linnenberg Telemann DAC des Kollegen Jörg Dames – stets ein leises Klackern. Das mutet zwar zunächst etwas, nun ja, schrullig an, stört jedoch selbst beim Hören mit offenen Kopfhörern nie ernsthaft.
Wer wie ich zunächst mit einer Mischung aus Neugier und Skepsis auf den „Klassenersten“ Cuffino blickt, dem bietet Abacus übrigens Gelegenheit, Erstere zu befriedigen und Letztere entweder zu zerstreuen oder zu bestätigen – per Kurzleihe kostenlos übers Wochenende. Hintergrund: So neugierig wie viele Kopfhörerbesitzer auf den neuen Abacus Cuffino sein dürften, so neugierig sind die beiden Sonders auf dessen Zusammenspiel mit den verschiedensten Kopfhörern der Kunden. Zwar habe man den Cuffino vorab mit einer Vielzahl von Kopfhörern im nieder- bis hochohmigen Bereich getestet. Besonders in Kombination mit den immer beliebter werdenden und häufig nicht allzu wirkungsgradstarken Magnetostaten jedoch sei der Cuffino selbst für seine Macher noch weitgehend eine Black Box.
Daher hier abermals der ausdrückliche Hinweis: Feedback vom Kunden unbedingt erwünscht! Zurzeit produziert Abacus die Premieren-Serie des Cuffino. „Wenn man es mit realistischem Optimismus betrachtet, wird es beim Auslieferstart keine Engpässe geben“, meint Sonder. Weil Abacus jedoch sein komplettes Sortiment selbst fertigt, könne auch eine kurzfristig nach oben schießende Nachfrage schnell pariert werden. Mit anderen Worten: Der Boom möge beginnen. Bleibt die Frage: Wäre ein solcher klanglich gerechtfertigt?
Abacus Cuffino: Klang & Vergleiche
Die Frage, ob ein neues Audiogerät etwas taugt oder gar einen Boom auszulösen im Stande sein könnte, lässt sich grundsätzlich auf zwei Arten beantworten: anhand des ersten Eindrucks oder unter Rückgriff auf die Gefühle, Gewohnheiten und Einstellungen, die sich beim längerfristigem alltäglichen Gebrauch nach und nach ergeben. Diese beiden Bewertungen verhalten sich nicht selten diametral zueinander, sprich: Die Geräte, die sich rückblickend als Glücksgriffe erweisen, sind nicht selten genau die, die zu Anfang einen eher unspektakulären Eindruck hinterlassen haben.
Was das alles mit dem Cuffino zu tun hat? Nun, ich habe die ersten Testtage tatsächlich nur sporadisch in diese mausgraue Black Box hineingehört. Jetzt allerdings, nach gut vier Testwochen, sende ich den Cuffino nur mit veritablem Widerwillen nach Nordenham zurück.
Was mir, ähnlich zu allen anderen bisher bei mir aufspielenden Abacus-Gerätschaften, beim Cuffino am besten gefällt, ist seine absolut verzerrungsfreie Klarheit im Ton, charakteristischerweise einhergehend mit einem erfrischend unspektakulären Realismus. Wie bereits der Preis-Leistungs-Evergreen Ampino entsagt auch die Kopfhörerpremiere von Abacus souverän jeglichem highfidelen Sounding. Etwas zu unterschlagen, abzudimmen oder weichzuspülen ist die Sache des Cuffino so gar nicht. Nein, dem kleinen „Knuffino“ lässt sich eine dem bodenständigen Anschaffungspreis schon fast hohnsprechende klangliche Reife bescheinigen – ein Eindruck, der sich allerdings wie erwähnt jedoch sofort beim ersten Hören einstellt, sondern seinerseits über Wochen im Hörer reift. So war es jedenfalls bei mir.
Da Ihnen aber ein einfaches „rundum reif“ und „unbedingt mal antesten“ sicherlich nicht ausreichen wird: Versuchen wir, uns dem Charakter des Abacus Cuffino einmal analytisch zu nähern. Die meiste Zeit habe ich hierzu mit dem geschlossenen Magnetostanten Audeze LCD-XC gehört, der durch seine niedrige Impedanz von 20 Ohm und einen für Folienhörer recht erklecklichen Wirkungsgrad von 95dB/m/W bequem zu treiben ist. Im Testverlauf werde ich aber auch meine Eindrücke zum Betrieb des Abacus Cuffino mit dem dynamischen AKG K812 (32 Ohm) sowie dem durchaus stromhungrigen Magnetostaten HiFiMAN HE1000 schildern. Beginnen wir mit der Gesamttonalität am Audeze – und gleichsam mit der ersten einer ganzen Reihe charakteristischer Unauffälligkeiten in der Klangsignatur des Cuffino. Konkret nämlich sind im Frequenzgang des Winzlings schlicht keinerlei Überbetonungen oder Dellen auszumachen. Der Frequenzpegel zieht schnurgerade durch, bleibt dabei allerdings aufs musikalische Zentrum fokussiert. Tiefstbass und feinste Obertöne werden hörbar ausgespart – was bei einem Gerät mit preislichem Bodenrestkontakt nach meinem Dafürhalten deutlich verschmerzbarer ist als der Versuch, durch Pegelanhebungen an den Enden des darstellbaren Frequenzbands nassforsch Bandbreite zu suggerieren, die realiter nicht da sind. Stark vermisst habe ich die Frequenzextreme jedenfalls nie, denn dank ansonsten sturzneutraler Abstimmung vermittelt der Abacus Cuffino einen klaren, unverstellt transparenten Blick auf so ziemlich alles, was dazwischen passiert.
Und das ist einiges! Fangen wir unten an: Der in Sachen Tiefgang beziehungsweise Quantität wie gesagt nicht voll durchziehende Bass des Cuffino gehört qualitativ tatsächlich zum Besten, was ich bisher über Kopfhörer hören durfte. Konturiert, druckvoll, im Timing präzise – in Sachen Membran-Kontrolle macht einem Abacus-Verstärker so schnell kein preislich adäquater Konkurrent etwas vor. Allerdings führt der Abacus Cuffino den ohnehin grandios kontrollierten wie körperhaften Bass meines Audeze LCD-XC (Magnetostat, um 1579 Euro) eben nicht, wie Karl-Heinz Sonder zu sagen pflegt, „wie an der Stange“, liefert also keinen seelenlos-militärischen Maschinenbass, sondern vielmehr ein grooviges, natürlich anmutendes Musik-Fundament. Immer kontrolliert, niemals ausgetrocknet. Erstes Telegramm nach Nordenham: 20-Ohm-Magnetostaten hat der Cuffino voll im Griff. Wenn man denn unbedingt was kritisieren möchte: Texturen von Bassinstrumenten habe ich über den XC schon eine Winzigkeit definierter gehört. Mehr Auflösung und Durchhörbarkeit im Bassbereich sind also möglich, wenngleich höchst selten im dreistelligen Preisbereich anzutreffen.
Ebenfalls selten anzutreffen in diesem Preisbereich: Das beeindruckend sichere Händchen des Abacus Cuffino beim Anrühren von Klangfarben. Ganz dezent auf der kühlen, klaren und direkten Seite beheimatet, lässt der Cuffino insbesondere natürliche Instrumente herrlich schlackenfrei und unverstellt strahlen, ohne in röhrentypische Euphonie oder allzu analytisch-sterile Ausgezehrtheit abzukippen. Das Timbre weiblicher Stimmen, aber auch die zackige Transientenwiedergabe bei Trommelsoli und scharf angerissenen Gitarrenseiten dürften über den Cuffino für ein maximal befriedigtes „soooo muss das“ sorgen. Ja, wer über den Abacus Cuffino akustische Musik hört, hört auf eine ziemlich beeindruckende Art „live“ und „ohne Filter“, was in der tonalen Mitte der Musik so alles vor sich geht. Und ja, auch elektronische Klänge profitieren von der enormen Reinheit, Artikulationsschärfe und Kontrolle im Mittenbereich. Klasse!
Eher solider Klassendurchschnitt – sorry für diese etwas abrupte Landung auf dem Boden der klanglichen Tatsachen – wird im Hochton geliefert. Weder gedimmt noch gleißend daherkommend, zeichnet der Cuffino im tonalen Obergeschoss ganz einfach schnörkellos durch. Britisches Gentlemen-Gehabe wie Brillanzsenken oder klischeedeutscher Hochtonfetischismus im Sinne des (mittlerweile weitgehend ausgemerzten) Beyerdynamic-Peaks sind dem Cuffino dabei gleichermaßen fremd. Die Eigenschaft des Abacus Cuffino, bis in den oberen Hochton noch „ganz da“ zu sein, ohne dabei jedoch die Highend-Geräten vorbehaltene allerfeinste Auflösung vorzuweisen, dürfte die Kompatibilität des Cuffino aber lediglich bei extrem hochtonfreudigen, fast spitz klingenden Spielpartnern einschränken.
Zur Einordnung: Mein inzwischen abgelöster AKG K812 (dynamischer Kopfhörer, 36 Ohm, um 749 Euro) segelt je nach angeschlossenem Verstärker bereits recht hart an der Grenze vom „Spitzenkopfhörer“ zum „spitzem Kopfhörer“, klang am Cuffino aber zu keiner Zeit nervig, scharf oder überhart. Im Gegenteil: Unmittelbarer noch als mit dem vergleichsweise wohlig-warmen Audeze LCD-XC konnte der Cuffino mit dem AKG K812 nicht nur seine Sauberkeit der Klangfarben, sondern auch eine weitere zentrale Stärke überzeugend ausspielen. Sein beeindruckend souveränes Timing. Am AKG K812 agierte der Cuffino rhythmisch vollkommen akkurat, impulsschnell und zeitrichtig. Sowohl das Metrum von Stücken also auch das Zusammenspiel der Interpreten präsentiert der Cuffino derart groovy als „tönend bewegtes Ganzes“, wie man es bei einem Gerät dieser Preisklasse nicht gerade erwartet.
Die einzige kleine Schwäche des Abacus Cuffino in Sachen Timing: Das Ausschwingen mancher Instrumente könnte – zumindest gemessen an dem, was ich persönlich als „realistisch“ erachten würde – noch eine Winzigkeit mehr Gewicht bekommen. Ja, über den Cuffino ebben Töne natürlicher Instrumente bisweilen etwas abrupter aus, eine moderat ausgeprägte Nebenwirkung des beherzt-kontrollierten „Abacus-Griffs“.
Dynamik? Auch da zeigt sich der Winzling autoritär veranlagt. Grobdynamisch gerät der Cuffino zwar nicht ultimativ wuchtig, weil brachiale Attacken eben wie erwähnt nicht aus der alleruntersten tonalen Schublade gezogen werden; sein pfeilschnelles Anspringen jedoch macht den Cuffino beispielsweise zum Erste-Klasse-Vermittler für Kickbässe. Auch Orchester-Tuttis kommen realistisch schnell. Ja, die Chassis-Trägheit scheint, wie von Herrn Sonder unermüdlich propagiert, dem Live-Erlebnis gefühlt zu keiner Zeit im Weg zu stehen. Auch nicht dadurch, dass in Sachen Feindynamik hier und da allerletzte Details zur Anschlagsweise etwa von Konzertflügeln ausgespart bleiben.
Ebenfalls beachtlich: die Raumabbildung des Abacus Cuffino. Selbst bei orchestralem Bombast von Schostakowitschs 10. Symphonie (Andris Nelsons & The Boston Symphony Orchestra: Under Stalin’s Shadow; auf Amazon anhören) verliert der Cuffino nur marginal an Ordnung, Differenzierung und Stabilität. Sicherlich: Die einzelnen Interpreten eines voll besetzten Orchesters grenzt der Cuffino nicht mehr derart profilscharf, stabil und luftig voneinander ab, wie er das bei Jazz-Trios noch vollkommen überzeugend vermag. Aber auch hier bedurfte es meines vielfach teureren E.A.R. HP4, um den Cuffino in Sachen Stabilität, Randschärfe und schierer Größe der Raumabbildung in die Schranken zu weisen.
Vergleiche mit anderen Kopfhörerverstärkern
Ein zum Vergleich herangezogener Lehmann Linear (je nach Ausführung ab etwa 849 Euro), der in Sachen Raumabbildung zum Besten unterhalb von 1000 Euro gehört, vermag bei Musik unterhalb orchestralen Maximalformats nicht nur keine weitere, tiefere oder stabilere Bühne zu zeichnen, sondern klingt als jahrzehntelang etablierter Spitzenverstärker zum vergleichbaren Preis auch insgesamt keineswegs besser, lediglich anders. Dank etwas feinstofflicherer Höhen, besserer Auflösung (im Hoch-, nicht jedoch im Mittelton), eines druckvolleren, vor allem tiefer reichenden Basses und einer leicht schönfärberischen Tendenz bei den Klangfarben klingt der Lehmann Linear insgesamt etwas kultivierter, schimmernder, vielleicht glamouröser als der vollkommen schnörkelbefreite Abacus. Gleichwohl kann er dem Cuffino in der musikalischen B-Note für meinen Geschmack nicht das Wasser reichen. Der Lehmann mag aufgrund der oben geschilderten Vorzüge der spektakulärere Verstärker sein – zum Musikhören würde ich dem Cuffino aber sowohl am Audeze als auch am AKG klar den Vorzug geben. Der Nordenhamer klingt – von seinem unschlagbaren Bass und dem spektakulären Timing mal ganz abgesehen – unterm Strich einfach realistischer, unmittelbarer, weniger technisch „gemacht“ als vielmehr „natürlich-nüchtern eingefangen“.
Womit wir – Stichwort: Natürlichkeit – bei einem zweiten naheliegenden Vergleichsgerät wären, das mein heimisches Setup erst vor kurzem verlassen hat: dem Graham Slee Solo Ultralinear (um 798 Euro). Dieses federleichte Kistchen ist schaltungstechnisch irritierend simpel gestrickt, klanglich allerdings von kaum einem Transistorverstärker zu toppen. Ein Vergleich zwischen Abacus Cuffino und Graham Slee machte mich vor allem deshalb neugierig, weil der Graham Slee bislang für mich – neben der ohnehin kaum schlagbaren röhrentypischen Geschmeidigkeit – die absolute Benchmark unter 1000 Euro in Sachen Bassperformance und Klangfarbenrealismus markiert hatte. Ums kurz zu machen: Eine seiner beiden Pole-Positions ist der Graham Slee inzwischen los. Der federnden Schnellkraft des Cuffino hatte der Graham Slee im Bass tatsächlich an beiden Testkopfhörern kaum etwas entgegenzusetzen. Und der Realismus? Die Klangfarben? Nun, der Schmelz, die Wärme und die „fließende Melodie“ des Graham Slee lassen Transistorverstärker im Direktvergleich für gewöhnlich steril, technisch, ja: abgehackt erscheinen. Der Cuffino schlägt sich hier trotz seiner tendenziell nüchtern-neutralen Spielweise beachtlich und schließt auch klangfarblich ziemlich nah zum britischen Fliegengewicht auf. Der Graham Slee sucht seine klangliche Wahrheit eben auf der eher warmen, schön-fließenden Seite, der Abacus tastet sich von der kühlen, ehrlich-direkten Flanke heran – wer der tatsächlichen „Wahrheit“, dem „Ursprungsklang“ näher kommt, ist dabei unmöglich seriös auszumachen. Und wer seriös nach Kopfhörerverstärkern unterhalb der 1000-Euro-Grenze sucht, kommt ohnehin an keinem der beiden Geräte vorbei.
Paarungsbereit? Verschiedene Kopfhörer …
Abschließend noch ein paar Worte zum Zusammenspiel mit verschiedenen am Markt befindlichen Kopfhörern sowie einige grundsätzlicheren Einschränkungen des Cuffino. In Sachen Matching erscheint mir die Paarung mit tendenziell basskräftigen Hörern opportun. Einfach, um das immense Präzisions- und Druckpotenzial des Abacus Cuffino angemessen zur Entfaltung zu bringen. Der tieftontechnisch bisweilen etwas ausgemergelte AKG K812 bringt dessen urgewaltige Kontrolle vermutlich weniger beeindruckend zu Gehör als es im selben Preisbereich wohl ein Beyerdynamic T5p (dynamischer Kopfhörer, 32 Ohm, um 999 Euro) oder Fostex TH-900 (dynamischer Kopfhörer, 25 Ohm, um 1449 Euro) zu vermögen dürften. Mit Vorsicht zu genießen scheint mir der Cuffino lediglich im Zusammenspiel mit allzu analytischen und hochtonpräsenten Partnern. Ein dezent warm, klangfarbenstark, sauber auflösend und ansonsten allürenfrei aufspielender Kopfhörer der Sorte Audioquest Night Hawk (dynamischer Kopfhörer, 25 Ohm, um 399 Euro) oder dem bereits von mir auf fairaudio getesteten Denon AH-D7200 (dynamischer Kopfhörer, 25 Ohm, um 799 Euro) dürfte einem „Perfect Match“ dagegen ziemlich nahe kommen. Vorerst ausbleiben muss eine testgeprüfte Aussage zu hochohmigen Hörern, die mir im fraglichen Zeitraum nicht zur Verfügung standen.
Natürliche Grenzen
Zu den natürlichen Grenzen dieses rundum beachtlichen Erstlings? Nun, da wäre zunächst die Ausgangsleistung zu nennen, die vom Hersteller zwar nicht konkret beziffert wird, für einen Stromfresser wie meinen HiFiMAN HE1000 (Magentostat, 35 Ohm, um 3499 Euro) mit spärlichem Wirkungsgrad (90dB/m/W) jedoch hörbar nicht ganz ausreicht. Ungenießbar klingt diese kapriziöse Kapuze zwar nicht am Cuffino. Dynamisch gebremster, tonal abgedunkelter und räumlich beengter als am standesgemäßen Spielpartner E.A.R. Yoshino HP4 (Röhren-Kopfhörerverstärker, um 4.460 Euro) mit knapp einem Watt Ausgangsleistung tönt’s jedoch durchaus. Auch in Sachen Auflösung verlangt der HE1000 hörbar nach mehr, was angesichts des fünffachen Preises denn auch komplett in Ordnung geht.
Relevanter für viele Hörer – und soweit denn auch das letzte kleine Caveat – dürfte die abermals überraschende Dominanz des Abacus Cuffino sein, die das Gerät im Zusammenspiel mit weitaus teureren Hörern ausübt. Seine eigene Spielweise – schnörkellos neutral, schlackenfrei frisch, stramm-stabil – „drückt“ der Cuffino nämlich deutlich souveräner durch als etwa der Lehmann, der Graham Slee oder selbst der E.A.R. Yoshino. Wer grundsätzlich einen neutralen Kopfhörerklang anstrebt, wird durch diese markante Klangsignatur sicherlich seinem Ideal näher kommen. Komplementär- beziehungsweise Stimmungshörer hingegen, die sich ganz bewusst für ein Misch-Arsenal aus betont warmen und dezidiert analytischen Kopfhörern entschieden haben, könnte der Cuffino zumindest als alleiniger Verstärker in seiner stringenten Neutralität am Ende doch zu missionarisch sein. Noch so eine Eigenschaft, die man diesem grau-knuffigen, eher hemdsärmelig gefertigten Neuankömmling am Kopfhörermarkt nie und nimmer zugetraut hätte …
Test: Abacus Cuffino | Kopfhörer-Verstärker