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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Modern Classic
  2. 2 Klang & Vergleiche

Viele Wege führen zum Ziel – es kommt nur darauf an, einen davon geradlinig zu verfolgen. Das gilt auch für Lautsprecher. Ich habe schon viele Boxen verschiedener Bauarten gehört. Am überzeugendsten klangen fast immer die, bei denen der Entwickler ein klares Konzept hatte, dem er konsequent folgte. Vor diesem Hintergrund verspreche ich mir so einiges von den Russell K. Red 120 (Vertrieb: www.tad-audiovertrieb.de, Preis: 3.550 Euro).

Russell K. ist eine britische Lautsprecherfirma – deshalb geht es nicht ohne die BBC: Als die BBC in den 1940er Jahren damit begann, sich mit Lautsprechern zu beschäftigen, ging es hauptsächlich darum, dass die Hörer unabhängig davon, in welchem Studio oder an welchem Ort eine Aufnahme produziert wurde, die gleiche Klangqualität geboten bekommen sollten. Im Zuge dessen versuchte man den Klang der eingesetzten Monitor-Lautsprecher zu standardisieren, sodass Toningenieure überall ähnliche Arbeitsvoraussetzungen hatten. Über die Jahre uferte die Sache ein wenig aus: In den 1960er und 70er Jahren gab es innerhalb der BBC gleich mehrere Abteilungen, die an unterschiedlichen Standorten Lautsprecherentwicklung betrieben. Darüberhinaus wurden externe Firmen sowohl mit Forschungsaufgaben wie mit der Produktion von Lautsprechern für die BBC beauftragt. So wurden viele mittlerweile legendäre Boxen entwickelt und einige Marken begründeten damals ihren bis heute anhaltenden Ruf.

Russell K. Red 120 Standlautsprecher Frontansicht

Auch Russell K. alias Russell Kauffman hat sich bei der Gehäusekonstruktion seiner Red-Lautsprecherserie von der BBC inspirieren lassen. Die britische Rundfunkanstalt favorisierte eine Bauweise mit vergleichsweise dünnen Wänden aus Birkensperrholz, die mit Dämmmaterial beruhigt wurden. Das nahm Herr Kauffman als Ausgangspunkt für eigene Forschungen. Herausgekommen sind MDF-Gehäuse mit einer Stärke von 16 Millimeter; bei den Schallwänden der Standlautsprecher wie der Red 120 kommt auch 19 Millimeter starkes Material zum Einsatz. Auf eine Dämmung der Gehäusewände verzichtet Herr Kauffman dabei allerdings genauso wie auf Dämmmaterial im Gehäuse. Das soll der Lebendigkeit des Klangbildes förderlich sein.

Speziell gelochtes Versteifungsbrett im Innern der Russell K. Red 120

Gelochtes Versteifungsbrett im Innern der Russell K. Red 120

Anstelle von Dämmmaterial setzt man bei Russell K. auf einen „komplexen Innenaufbau“. Speziell gelochte Versteifungsbretter stabilisieren einerseits die Gehäuse und teilen andererseits das dem Tief- beziehungsweise Tiefmitteltöner zur Verfügung stehende Gehäusevolumen auf.

Die Öffnungen in den Versteifungsbrettern sollen dafür sorgen, dass den tiefen Tönen das komplette Bassvolumen zur Verfügung steht, während die höheren Töne im kleineren Gehäusebereich unmittelbar hinter den Treibern bleiben. Das soll zum einen stehende Wellen im Gehäuse und Gehäuseresonanzen minimieren – zum anderen soll so kein störender Mittelton durch die Bassreflexöffnung austreten, die im größeren Gehäusebereich untergebracht ist. Übrigens: Die äußere Bassreflexöffnung der Russell K. Red 120 wird durch ein weiteres internes Reflexrohr unterstützt. Klingt nach einem spannenden Konzept!

Ein wichtiges Thema sind für Russell K. auch die Frequenzweichen. Hier setzt Kauffman im Wesentlichen auf 12-dB-Modelle. Die Abstimmung der Trennfrequenz wählt Kauffman im Zusammenhang mit dem konstruktionsbedingten Roll-off der Chassis. Und natürlich wird jedes Bauteil nach klanglichen Gesichtspunkten ausgewählt. Auch hier sieht man eine gewisse Affinität zur Tradition von BBC-Monitoren: Bei größeren Induktivitäten kommen bevorzugt Spulen mit Trafokern zum Einsatz.

Frequenzweiche der Russell K. Red 120

Frequenzweiche der Russell K. Red 120

_DSF4873_EbRussell K. Red 120 Standlautsprecher innen 02

Bei der Red 120 handelt es sich im Prinzip um eine Red 50, eine Zwei-Wege-Kompakte, deren Bassbereich durch ein zweites, tief angekoppeltes Basschassis ergänzt wurde. Die Frequenzweiche der Russell K. Red 120 koppelt den unteren 5-Zoll-Tieftöner daher bereits bei 80 Hertz mit nur 6 dB/Oktave aus. Der zweite Fünfzöller darf bis 2200 Hertz arbeiten, wo er, standesgemäß mit 12 dB/Oktave getrennt, an eine 25-Millimeter-Kalotte mit „Soft Dome“ übergibt. Die sieht nach einer Kunststoffkalotte aus – was auch wieder ganz im Stile verschiedener BBC-Monitore wäre. Die beschichtete Papiermembran der Tieftöner passt da nicht ganz ins Bild, denn hier war die BBC Vorreiter in Sachen Kunststoffmembranen. Insofern haben wir es bei der Russell K. Red 120 mit einer modernen Konstruktion mit „klassischen“ Wurzeln zu tun. Das Ganze soll für einen Frequenzbereich von 25 – 22000 Hertz bei 8 Ohm und für einen Kennschalldruck von 86 dB/W/m gut sein.

Neben der BBC- rührt Russell K. auch ganz gewaltig die England-Trommel. So viele Union-Jacks habe ich noch auf keiner Verpackung gesehen. Zwei davon prangen auch rechts und links neben dem Anschlussterminal, damit man sie von keiner Seite übersehen kann. Was eigentlich überflüssig ist. Denn allein das Design der Red 120 macht unmissverständlich klar, wo die kleinen Säulen herkommen. Das bei meinen Testmustern in Walnuss-Furnier gewandete Gehäuse und die schwarze Front stellen eine gelungene Transformation des Designs englischer Kompaktmonitore à la LS 3/5A in schlanke Säulen dar. Schmunzeln lässt mich das „Designed in the United Kingdom, manufactured in Europe“, das auf die Platte des Anschlussterminals graviert wurde.

Russell K. Red 120 Standlautsprecher Anschlussterminal

Die Testmuster für diesen Text kommen frisch aus der Fabrik bei mir an. Einerseits schön, denn so kann ich sehen, was jeder „normale“ Kunde geliefert bekommt. Die kleinen Säulen sind doppelt in Kartons verpackt, knapp einen Meter hoch (910 Millimeter inklusive Spikes) und haben einen beinahe quadratischen Querschnitt (200 Millimeter breit, 190 Millimeter tief). Die Verarbeitung ist sehr anständig, wobei das Furnier und dessen Lackoberfläche noch etwas Potenzial hätte, doch insgesamt ist hier nichts zu bemängeln. Übrigens: Die Säulen ruhen auf Fußplatten. Die beiliegenden Spikes werden nicht an den Ecken eingeschraubt, sondern jeweils auf der Mitte jeder Seite. Der Sinn erschließt sich mir nicht unmittelbar. Ok, sieht mal anders aus …

_DSF4873_EbRussell K. Red 120 Standlautsprecher Spikes

Klang & Vergleiche

Zuerst gönne ich den Russell K. Red 120 eine mehrtägige Einspielphase. Dabei fällt mir bereits auf, dass da einiges an Bewegung an den Gehäusen zu spüren ist. „Todgedämmt“ sind sie wahrlich nicht. Selbst bei Musik mit wenig Bass geht so einiges ab. Ich bin gespannt, wie sich das Ganze klanglich auswirkt.

Die mittleren Lagen

Just For The Record - Amy AntinNach einigen Tagen wage ich ein erstes „ernstes“ Ohr. Amy Antin (Album: Just for the Record; auf Amazon anhören), eine exzellente Produktion des kleinen, aber feinen Kölner Labels Meyer Records, nimmt mich sofort gefangen. Die Stimme von Frau Antin geben die Russell K. Red 120 klar und verständlich wieder, die Texte verstehe ich sehr gut. Das ist vor allem dem eher dezenten Grundton geschuldet, was Stimmen einerseits ein bisschen Substanz nimmt, sie dafür andererseits aber auch so gut verständlich macht.

Sanfte Frauenstimmen wirken noch einen Hauch intimer und eindringlicher, tiefen Männerstimmen – man denke an Gregory Porter (Album: Liquid Spirit; auf Amazon anhören) oder Leonard Cohen (Album: I’m Your Man) – bekommt das für meinen Geschmack ebenfalls sehr gut. Besonders wenn besagte Herren ganz dicht ans Mikro rücken, um den „Nahbesprechungseffekt“, durch den tiefe Stimmanteile verstärkt werden, ausnutzen. Gibt der Lautsprecher dann auch noch einen Schuss Grundton dazu, kann es passieren, dass solche Stimmen regelrecht „zusumpfen“. Die Gefahr besteht bei den Russell K. Red 120 kaum.

Liquid Spirit - Gregory PorterDie für viele englische Monitore charakteristische, vergleichsweise recht präsente Grundtonwiedergabe bieten die Russel K. Red 120 also nicht. In den Mitten sind sie sehr gut durchhörbar und tendenziell etwas schlanker als es aktuell Mode ist. Dass sie dabei in keiner Weise „dünn“ klingen, liegt zum einen an den Klangfarben, die die Lautsprecher sehr schön auffächern. Das ergibt eine Wirkung, die ich mit „reichhaltig-schlank“ umschreiben möchte, auch wenn das erst mal paradox klingt: Kraft und Ausdruck der Mitten kommen hier nicht vom Grundton, sondern rühren von den Obertönen her.

Zum andern trägt die recht knackige Dynamik, die die Lautsprecher bieten, zum überzeugenden Gesamteindruck bei. Die Mitten kommen schnell, schlackenlos und in sich stimmig. Das macht sich auch bei der Wiedergabe von Instrumenten bemerkbar. Klavier klingt brillant, knackig, farbkräftig, insgesamt eher etwas drahtig. Mehr Fazioli als Blüthner würde ich sagen; eher modern als romantisch. Dank der differenzierten Klangfarbenzeichnung kann man Instrumente sehr gut voneinander unterscheiden. Die Körper großer Streichinstrumente setzen die Russell K. Red 120 eine Spur kleiner in Szene, auch das wohl eine Folge des eher schlanken Grundtons.

Russell K. Red 120

Nachdem ich mich ein wenig eingehört habe, empfinde ich das, was die Russell K. Red 120 in den Mitten bieten, als richtig und schlüssig. Sie geben den Monitor und stellen in diesem Frequenzbereich eine Antithese zu Lautsprechern wie etwa den Horns FP6 (2.600 Euro) dar, die mit einem kleinen Grundton-Plus substanzieller, aber weniger fein wirken.

Tiefton

Wo wir gerade beim Vergleich mit den Horns FP6 sind: Auch im Bass agieren die Russell K. Red 120 deutlich anders, ja, quasi gegensätzlich als die Horns FP6 und ähnliche „Zwerge auf Steroiden“. Denn während die kompakten Polinnen kurz vorm Erreichen des unteren Endes ihres Übertragungsbereichs noch mal Gas geben, um das, was an tatsächlicher Tiefe fehlt, durch Pegel zu ersetzen (was übrigens ein wirkungsvoller und, wie ich finde, legitimer psychoakustischer Trick ist, um kleine Lautsprecher vollständig klingen zu lassen), bieten die Russell K. Red 120 echten Tiefgang und belassen den Oberbass auf Normalmaß. Das sind zwar kaum die 24 Hertz, die Russel K. angibt, doch eine knappe Oktave höher sind die schlanken Säulen souverän dabei. Die Horns strahlen erst weiter oben im Bass wirkungsvoll Schall ab.

_DSF4873_EbRussell K. Red 120 Standlautsprecher Rückansicht

Der Tiefgang der Russell K. ist angesichts der insgesamt vier Fünfzollchassis, die in überschaubaren Volumina arbeiten, erstaunlich. Sicherlich spielt hier auch die trickreiche Gehäusekonstruktion eine Rolle. Dass das Ganze eine andere Qualität hat als ein Bass, den große Tieftöner mit mächtig Membranfläche und großem Volumen im Rücken anrichten, muss ich hier hoffentlich nicht weiter ausführen. Knallharte Kontrolle und staubtrockene, harte Impulse wird hoffentlich niemand ernsthaft erwarten. Die tiefe, insgesamt eher weich-klangvolle Basswiedergabe der Red 120 funktioniert mit akustischen Instrumenten am besten.

Bleiben wir bei Ami Antin. Ich habe mich ein wenig in die nette kleine Geschichte des Tracks „Friday Night“ verhört. Hier gibt ein akustischer Bass den Rhythmus vor, den die Russell K. Red 120 tief, klangvoll und substanziell-tragend inszenieren. Das gibt den Puls, das Voranschreiten der Zeit in der kleinen Geschichte, die sich jeden Freitag wiederholt und doch immer wieder die gleiche Spannung und Aufregung beinhaltet. Hier sind die Red 120 in ihrem Element.

Russell K. Red 120 - Rückseite

Sehr harte, tiefe Impulse geben sie dagegen nicht so kontrolliert wieder. Bei einer ähnlichen Bestückung und Größe zeigten zum Beispiel die Fischer & Fischer SN 170 (4.000 Euro), dass in Sachen Basspräzision auch mit zwei 5-Zöllern in einer schlanken Säule mehr geht. Die höhere Basspräzision der SN 170 dürfte auch auf ihre sehr steifen Schiefergehäuse zurückzuführen sein, die so gut wie gar kein Eigenleben entwickeln und damit quasi das Gegenteil der „lebendigen“ Gehäuse der Red 120 darstellen. Doch das wovon die Fischer & Fischer im Bass profitieren, sorgt gleichzeitig im Mittelton dafür, dass sie nüchtern spielen – genau das tun die Red 120 dank ihrer cleveren Gehäusekonstruktion eben nicht.

_DSF4873_EbRussell K. Red 120 Standlautsprecher Raum 03

Hochton

Höhen gibt‘s auch, und zwar in gefällig-unauffälliger Form. Die Kalotten machen einen guten Job, setzen da Glanzlichter, wo es erforderlich ist, komplettieren die Obertonspektren und tragen damit ihren Beitrag zur bunten Klangfarbenzeichnung der Russell K. Red 120 bei, setzen sich aber nicht über Gebühr in Szene. Das ist langzeithörtauglich und alles in allem genau das, was man von Lautsprechern mit „Monitor-Attitüde“ erwarten kann. Auch die Auflösung geht dabei in Ordnung. Logisch: Meine dreimal so teure Valeur Audio Micropoint 4 SE bieten im Hochton sowohl eine höhere Dosis als auch eine höhere Auflösung. Wenn ich Lautsprecher in der Preisklasse der Russell K. Red 120 Revue passieren lasse, würde ich sagen, dass die hornbewähren Horns FP 6 auch nicht mehr Hochton lieferten. Die Fischer & Fischer strahlten etwas mehr, boten dafür aber kaum mehr Auflösung. Einzig die Expolinear T-120, mit denen ich lange glücklich Musik gehört habe, boten im Hochton in beiderlei Hinsicht mehr. Doch über alles gilt auch hier: Die Red 120 spielen in sich stimmig, das Ganze passt.

Russell K. Red 120 Standlautsprecher

Raumdarstellung

„Passt“ ist auch genau das, was ich zur räumlichen Abbildung der Russell K. Red 120 sagen würde. Wie viele eher zierliche Lautsprecher verleugnen sie sich als Schallquellen fast vollständig. Das Klanggeschehen steht frei im Raum und löst sich hervorragend von den Lautsprechern ab. Dabei zeigen sich die Red 120, was die Aufstellung betrifft, erfreulich unkritisch. So kann man die Bass-Performance gut über den Wandabstand regeln, die Abbildung ändert sich durch eine andere Geometrie des Hördreiecks oder durch die Nähe zur Rückwand kaum. Wobei es sich in meinem Hörraum als gut erwiesen hat, die Lautsprecher ziemlich gerade aufs Ohr zielen zu lassen. Dann entsteht auch bei einer größeren Basisbreite kein Loch in der Mitte. Rückt man die Lautsprecher enger zusammen, machen sie immer noch eine breite Bühne auf, die deutlich über den Raum zwischen den Boxen hinausgeht.

Die Bühne beginnt dabei ungefähr an der Grundlinie zwischen den Lautsprechern. Die Red 120 präsentieren also eher ein Klangbild zum „hinein hören“. Das ist etwas ganz anderes als die Art von Räumlichkeit, die Lautsprecher wie die DoAcoustics Armonia Mundi Impact (2.300 Euro) bieten: Sehr schlanke Säulen, die „etwas speziell“ sind, dafür aber eine extrem involvierende Abbildung offerieren. Doch das ist auch der Tatsache geschuldet, dass die Sizilianerinnen zum einen im Wesentlichen mit einem Breitbänder arbeiten und zum anderen Hochtöner auf der Rückseite einsetzen, die noch einiges an indirekten Schall ergänzten.

Russell K. Red 120 Standlautsprecher im Raum 01

Die Russell K. Red 120 behalten dagegen die Contenance. Sie liefern eine realistische Abbildungsgröße und eine sehr gute Ortungsschärfe. Das klappt sowohl bei kleinen Studio-Aufnahmen wie der eingangs erwähnten Ami Antin, das klappt aber auch gut mit Großorchestralem. Im letzteren Fall muss man allerdings die Kirche im Dorf lassen. Denn ob die kleinen Säulen grobdynamisch in der Lage sind, in größeren Räumen tiefe Töne mit dem Pegel wiederzugeben, die ein großes Orchester beim Crescendo verlangt, damit alles authentisch raumfüllend klingt, wage ich zu bezweifeln. In Räumen, in denen man Lautsprecher des Formats der Red 120 gewöhnlich aufstellt – ich behaupte aus dem Bauch heraus so bis 25 m² – funktioniert aber auch das gut und die Red 120 füllen den virtuellen Konzertsaal überzeugend mit Klang.

Billboard
Tivoli Audio

Test: Russell K. Red 120 | Standlautsprecher

  1. 1 Modern Classic
  2. 2 Klang & Vergleiche

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