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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Am großen Rad gedreht
  2. 2 Orbid Sound Jupiter: Klangeindruck und Vergleiche

fairaudio's favourite Award„Hätt‘ ich dich heut‘ erwartet, hätt‘ ich Kuchen da!“ – Ja, so viel Ehre darf man einer Lautsprecherlegende schon entgegenbringen. Mit der optisch durchaus wuchtig zu nennenden „Jupiter“ (Preis: 2.530 Euro) schickt mir die Balinger Manufaktur Orbid Sound einen ihrer Long- und Bestseller ins Haus.

Die Standbox mit ihren zwei markanten Zehn-Zoll-Bässen gab es nämlich vor vielen Monden – na gut: Ende der Achtzigerjahre – schon einmal. Damals war sie mit knapp 1,35 Meter noch einen Kopf höher als heute und besaß als Vierwegekonstruktion einen Weg mehr als ihre Enkelin. Und schon seinerzeit wusste sie vor allem Fans „livehaftig“ dargebotener Musik zu begeistern. Zwischenzeitlich auf den Namen „Kallisto“ umgetauft – übrigens der vierte Mond des Planeten Jupiter und mit einem Durchmesser von 4820 Kilometern ein ziemlicher Klopper – und bis 2018 so angeboten, darf sie jetzt wieder die Chefin sein: nämlich „Jupiter“ herself! Freilich runderneuert und technisch auf den aktuellen Stand gebracht.

Orbid Sound Jupiter - Paar

Dabei ist sie wohnraumfreundlich um 25 Zentimeter geschrumpft und – Sie haben es aus meinen Ausführungen schon erschlossen – inzwischen ein Drei-Wege-Lautsprecher. Die von Grund auf neu entwickelte und mit stark selektierten Bauteilen bestückte Frequenzweiche, über deren genaue Auslegung der Orbid-Sound-Chefentwickler Daniel Beyersdorffer allerdings den Mantel des Schweigens breitet, teilt das Wiedergabespektrum der Jupiter auf die zwei bereits erwähnten 25 Zentimeter durchmessenden Tieftöner, die auf ein Frontfire-Bassreflexrohr arbeiten, einen 6,5-Zoll-Mitteltöner und das markante Hochtonhorn auf.

Das Hochtonhorn der Orbid Sound Jupiter

Das Hochtonhorn der Orbid Sound Jupiter

Letzteres ist ein „echtes“ Horn inklusive des typischen Kompressionstreibers, der in eine Druckkammer eingebaut wurde, deren Austrittsöffnung den Schall ins Horn abstrahlt. Diese Bauart kann neben dem erwünscht hohen Wirkungsgrad auch unerwünschte Effekte mit sich bringen (Stichwort: Druckkammer-Resonanzen). Hoffen wir, dass der spanische Zulieferer Beyma, der auch die Mittel- und Tieftöner beisteuert und schon lange mit Orbid Sound zusammenarbeitet, hier überzeugende Arbeit geleistet hat. Angeschlossen wird die Jupiter über ein hochwertig-robustes Singlewire-Terminal. Bloß kein überflüssiger Firlefanz. Mir gefällt das.

Lautsprecherterminal der Orbid Sound Jupiter

Lautsprecherterminal der Orbid Sound Jupiter

Genauso wie das aufs Wesentliche reduzierte Design der Jupiter, die optisch nichts anderes sein will als eben eine Lautsprecherbox. Ich finde das sympathisch. Es mag (vermutlich eher weibliche?) Haushaltsvorstände geben, die mit meiner Einschätzung nicht konform gehen. Aber auch sie werden die handwerklich tadellose Verarbeitung der Gehäuse, die auf Wunsch in allen Farben der RAL-Palette lackiert werden können, wohlwollend registrieren und ihnen Zeitlosigkeit attestieren müssen. Wer möchte, kann auf die Aluminiumzierringe um die Chassis verzichten und Stoffbespannungen in fünf Farben ordern (ab Werk sind alle Orbid-Sound-Lautsprecher „nackt“). Empfehlenswert ist in jedem Fall ein Satz Schwingungsdämpfer pro Box – „Füße“ aus einem porösen Werkstoff, die für eine effiziente Entkopplung der Lautsprecher vom Untergrund sorgen sollen. Entsprechende passgenaue Vertiefungen sind im Gehäuseboden vorhanden. Natürlich kann man sich auch das volle Programm gönnen: Zierringe, Abdeckungen und Schwingungsdämpfer. So richtig viel teurer wird’s nicht. Detaillierte Informationen dazu finden sich auf der Produktseite des Herstellers.

Wer sich für die Orbid Jupiter oder eine andere Box aus dem Portfolio der Balinger begeistern kann, muss indes ein wenig Geduld mitbringen. Es handelt sich um Manufakturprodukte, die erst nach Bestelleingang in Handarbeit gefertigt werden. Das dauert etwa 14 Tage, von der Stange gibt’s bei Orbid Sound nichts.

Orbid Sound Jupiter: Klangeindruck und Vergleiche

Dass die Lautsprecher von der schwäbischen Alb zu jenen gehören, die das Auditorium nicht teilnahmslos und unberührt lassen, sondern ins musikalische Geschehen einbinden, habe ich bereits bei meinen früheren Tests erfahren dürfen. Wer kein Freund von „akustischem Involvement“ ist, darf an dieser Stelle getrost zu einem anderen Test switchen, er wird mit der Orbid Jupiter nicht glücklich werden. Die Manufaktur aus Baden-Württemberg spricht davon, dass ihre Schallwandler „Livecharakter“ transportieren sollen. Okay, das tun andere Hersteller auch, aber bei dieser stattlichen Standbox merkt man schnell, dass Orbid es ernst meint.

Orbid Sound Jupiter - solo

Unten mächtig?

John Butler Trio - Sunrise over SeaDie beiden mächtigen 10-Zoll-Basstreiber decken den Frequenzkeller präzise, schnell und trocken ab. Nichts dröhnt, nichts schwabbelt, nichts schwimmt auf. So feuert die Jupiter den bitterböse tiefgestimmten E-Bass und die ambitioniert bediente Bassdrum in der Metalcover-Version des Pophits „Dance Monkey“ von Leo mit massivem Nachdruck in den Hörraum. Das kickt direkt in die Magengrube und klopft den Staub aus dem Teppich. Ähnliches Bild beim musikalisch ruhigeren „Nothings gonna hurt you baby“ von Cigarettes after Sex (EP: I). In der Eingangssequenz des Titels ist ein tiefgestimmter E-Bass zu hören – die Orbid Sound geht ordentlich in den Basskeller hinab und schafft ein stabiles Fundament, zeigt dabei aber stets trocken und präzise die Struktur und die tonalen Eigenschaften des Basslaufes. So gelingt die Unterscheidung zwischen einem E- und einem Halbakustik-Bass wie in „Hello“ vom John Butler Trio (Album: Sunrise over Sea; auf Amazon anhören) über die Jupiter ziemlich leicht. Glauben Sie nicht? Probieren Sie es aus!

Die Orbid Sound Jupiter ist mit zwei 10-Zoll-Woofern bestückt

Die Orbid Sound Jupiter ist mit zwei 10-Zoll-Woofern bestückt

Man kann sich natürlich auch elektronische Bässe „geben“ und die Treiber der Jupiter etwa mit „Lose yourself to dance“ von Daft Punk (Album: Random Access Memories) massieren. Das in Testerkreisen nicht ohne Grund beliebte Album trumpft sowohl mit Tiefbass als auch mit kaum hör-, eher fühlbaren Subfrequenzen auf, von denen sich weniger präzise abbildende Lautsprecher mitunter provozieren lassen. Nicht so die Orbid Sound Jupiter, die es trotz ihrer stattlichen Membranfläche im Tiefton wie ihre Geschwister – etwa wie die kleinere Telesto – hält: lieber schnell und druckvoll-punchy, dabei tonal neutral, als um jeden Preis ultratief und dafür „langsam“. Wie bereits angedeutet, kommt indes zu keinem Zeitpunkt Bassarmut auf – die Jupiter tritt zu, wenn es an der Zeit ist. Dann aber hart und nachdrücklich.

Eine ähnliche Performance erinnere ich von der optisch schlanker auftretenden Platinum+ FIVE des Hannoveraner Herstellers Quadral, die – was für ein Zufall – mit der Orbid Sound preislich auf Augenhöhe liegt. Der seitlich abstrahlende 21-Zentimeter-Basstreiber – „nur“ einer – der Quadral arbeitet auf eine Druckkammer und gibt sich im Bassvolumen so durchschlagskräftig und massiv wie die Manufakturbox aus Balingen, allerdings mit einem etwas „saftigeren“, nicht so staubtrockenen Charakter. Hier gibt der persönliche Hörgeschmack den Ausschlag, qualitativ werten möchte ich die Unterschiede nicht.

Mittelton

Alin Coen - NahDie Stimmen, Leute! Die Stimmen! Von meinen bisherigen Orbid-Sound-Tests mit einer gewissen Erwartungshaltung ausgestattet, lauschte ich Alin Coens samtwarmem Gesang in „Du bist so schön“ (Album: Nah; auf Amazon anhören) mit wachsendem Vergnügen. Und ebensolcher Gänsehaut. Die Jupiter stellt die Singer-Songwriterin aus Hamburg nahbar-plastisch vor den Hörplatz und erlaubt sich nicht den Hauch einer tonalen Verfärbung in Richtung „kühl“ oder „warm“. Alin Coen hat nun einmal dieses zerbrechlich-sanft tönende Timbre, was dem Auditorium über die Balinger Box etwas intimer und gleichzeitig „reiner“ dargebracht zu werden scheint als etwa über die Quadral Platinum+ FIVE. Verstehen Sie mich nicht falsch, beide Lautsprecher spielen auf Augenhöhe, aber doch gibt es feine charakterliche Differenzen: So verleiht die Hannoveranerin Gesangsstimmen einen Tick mehr Wärme, was sie ein Quäntchen fülliger rüberkommen lässt. Das klingt weder verfärbt noch übertrieben – im Gegenteil sogar sehr angenehm. Die Jupiter ist hier nach meinem Empfinden aber doch ein Stückchen näher an der Vorlage. Wenngleich sie, wie ihre Geschwister, dazu neigt, die Darbietung insgesamt näher am Auditorium zu präsentieren. Das gehört zur Orbid-Sound-DNA und sorgt eben dafür, dass man in das musikalische Geschehen hineingezogen wird und nicht einfach „nur“ zuhörender Gast ist.

Mittel- und Hochtöner der Orbid Sound Jupiter

Wie bei ihren Geschwistern Telesto und Pluto erlaubt das klare und verfärbungsfreie Mittenband der Jupiter ausgezeichnete Einblicke in komplexe musikalische Strukturen. Die engmaschig verwobene Struktur von „Pneuma“ der Indierocker Tool (Album: Fear Inoculum) wird regelrecht durchleuchtet. Bei so viel Hingabe und Detailverliebtheit mag der ein oder andere befürchten, dass der musikalische Fluss leidet – macht er aber nicht. Die Orbid Sound behält das „große Ganze“ im Blick.

Hochton

Im Grunde kann man das Thema Auflösung und Detailreichtum bei der Orbid Jupiter nicht losgelöst von den Qualitäten des Hochtöners betrachten. Eigentlich handelt es sich hier um ein „Gesamtkapitel Mittelhochton“, so schlüssig und flüssig geben sich die Frequenzübergänge die Klinke in die Hand. Ein wenig Einspielzeit sollte man dem Tweeter allerdings gönnen, dann hat er seine Strahlkraft im Griff und anfängliche Härten verschwinden.

Hochtöner der Orbid Sound Jupiter

Kennen Sie den Unterschied, wenn Sie von einem mit herkömmlichen Halogen-Scheinwerfern ausgestatteten Fahrzeug in eines mit Xenon- oder gar LED-Licht umsteigen? Die Straße wird viel besser ausgeleuchtet, Details können früher und vollständiger erkannt werden. Der Hochtöner der Orbid Sound kann das auch, nur eben akustisch. Kein feines Detail am oberen Frequenzende entgeht ihm, es gelingt ihm sogar, Subinformationen, die Auskunft über die räumliche Beschaffenheit des musikalischen Geschehens geben, zu vermitteln.

Seether - Si Vis Pacem Para BellumInsgesamt tendiert die Jupiter tonal eher ins Frische, so wie ich das bereits von anderen Lautsprechern aus dem Orbid-Sound-Portfolio kenne und woran besagter Hochtöner seinen Anteil hat – aber auch der eher straff-neutral denn saftig gehaltene Tiefton. Bei aller Energie tritt der Tweeter allerdings keinesfalls dominant auf. Selbst bei komprimierten Aufnahmen wie dem Titel „Liar“ der US-Rockband Seether (Album: Si Vis Pacem Para Bellum; auf Amazon anhören) zischelt so gut wie nichts, wenngleich schon klar transportiert wird, dass eine solche „massenkompatible“ Abmischung nun nicht unbedingt zum Besten gehört, was man der Jupiter servieren kann. Wenn man grenzwertig gemasterte Musik bei hohen bis sehr hohen Lautstärken genießt, langt der Tweeter auch schon mal ordentlich hin.

Dynamik & Bühne

Mit ihrer zackigen, hellwachen Gangart verbreitet die Orbid Sound Jupiter echtes Konzert-Feeling. Dynamiksprünge verdaut sie selbst bei hohem Pegel klaglos, Laut-leise-laut-Passagen vermittelt sie „ohne Ansage“ und ohne „Nachwehen“. Zack. Bumm. Fertig. Auch bei Zimmerlautstärke oder darunter ist die Manufakturbox in der Lage, ein dynamisch ziemlich vollständiges Bild über alle Frequenzbereiche hinweg zu zeichnen. Allerdings hört man ihr mitunter an, dass sie einen gewissen Grundpegel bevorzugt, ab dem es so richtig Spaß macht.

Orbid Sound Jupiter vor Rad

Weiter oben hatte ich bereits kurz angerissen, dass die Abbildung der Jupiter einen sehr involvierenden Charakter besitzt, sprich: Von der Boxen-Grundlinie aus tritt das musikalische Geschehen deutlich auf das Auditorium zu und bindet die Zuhörer damit ein. Wer es distanzierter mag, wird mit der Orbid Sound auf Dauer keine Freundschaft schließen. Wenngleich sich dieser Charakterzug noch einmal deutlich von so manchem Lautsprecher aus amerikanischer Produktion, beispielsweise den großen Klipsch oder JBL, die Schallereignisse praktisch auf dem Schoß des Zuhörers „parken“, unterscheidet. Aufdringlich wird die Jupiter nicht, ihre akustische Nähe hat eher etwas von einer Einladung, ihr auf eine musikalische Reise zu folgen, sich mitnehmen zu lassen.

Zwar gibt es Wettbewerber, wie etwa die bereits erwähnte Platinum+ FIVE von Quadral, die eine noch etwas luftigere, größere und vor allem tiefere Raumabbildung bieten. Doch was die Relationen auf der Bühne, etwa die Abstände der Musiker zueinander, und die Ortbarkeit einzelner Schallereignisse angeht, lässt sich der baden-württembergischen Box nichts vorwerfen. Sie hält sich an die Vorlage und gibt sie realistisch wieder.

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Test: Orbid Sound Jupiter | Standlautsprecher

  1. 1 Am großen Rad gedreht
  2. 2 Orbid Sound Jupiter: Klangeindruck und Vergleiche

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