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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Goldene Mitte?
  2. 2 Kennerton Magister Pro: Klangtest & Vergleiche

Die 600-Euro-Klasse der ohrumschließenden Kopfhörer ist so etwas wie die goldene Mitte des Marktes, das Äquivalent zu BMW 3er Touring und Mercedes C-Klasse T-Modell. Die meisten deutlich teureren Modelle rufen beim Gros der Kundschaft eher ein Kopfschütteln hervor, doch sechs grüne Scheine sind meistens irgendwie noch machbar – und man darf bei so einem Modell vom Aufstieg in die gefühlte Spitzenklasse träumen, ohne in Frustration angesichts abgehobener Preise zu verfallen. Dementsprechend breit gefächert ist die Auswahl von interessanten Modellen, und ebenso hart ist die Konkurrenz dieser untereinander. Mit dem Kennerton Magister Pro (Vertrieb: www.hoerzone.de, Preis: 599 Euro) betätigt sich bereits seit einiger Zeit ein interessanter Dozent im vollen Vorlesungssaal – hören wir einmal genau zu, was er zu sagen hat.

Kennerton Magister Pro

Doch bevor der Kennerton Magister Pro überhaupt irgendetwas sagen darf, muss er noch durch zwei andere Prüfungen. Die Inaugenscheinnahme besteht das geschlossene Over-Ear-Modell auf jeden Fall schon mal. Hipster werden sich über die stylishen Prägungen auf den Gehäuseschalen freuen. So etwas weckt ja den romantischen Manufakturgeist, denn es sieht nach liebevoller Handarbeit aus – was nicht trügt, denn tatsächlich werden die Kopfhörer von Kennerton manuell zusammengebaut, und zwar in St. Petersburg. Auch die Metallaufhängung der Ohrmuscheln und die satt rastende Größenverstellung des lederbezogenen und weich gepolsterten Kopfbands dürften dem leicht snobistischen Blick eines anspruchsvollen Manufactum-Klientels locker standhalten, womit auch die zweite Prüfung im Fach Verarbeitungsqualität absolviert wäre.

Ein Wunder ist dieser hohe Standard nicht, schließlich steckt hinter der russischen Firma Kennerton das Team des schwedisch-russischen Herstellers Fischer Audio, das mit seiner Zweitmarke den Luxus-Kopfhörermarkt bedient. So ist der Kennerton Magister Pro gerade mal im unteren preislichen Mittelfeld des Line-ups angesiedelt: Jeweils drei Modelle fügen sich unter beziehungsweise über ihm.

Echt hart

Die schicken Schalen des Magister Pro bestehen aus einzelnen Eichenholzteilen, die auf spezielle Art miteinander verklebt wurden. Hierdurch soll das Holz einerseits all seine natürlichen Eigenschaften behalten, andererseits aber in Sachen Stabilität und Langlebigkeit zulegen: Quellung und Schrumpfung, Verziehen oder Verbiegen, wie es bei Massivholz gerne einmal vorkommt, sollen durch den von Kennerton gewählten Bearbeitungs- und Klebeprozess minimiert werden. Ich stelle mir das ähnlich wie bei einer Brücke mit vielen einzelnen Fahrbahnabschnitten und zwischenliegenden Dehnungsfugen vor – manchmal ist vielteilige Flexibilität eben von Vorteil.

Lammfromm

Die leicht austauschbaren Ohrenkissen des Kennerton Magister Pro sind mit Lammleder bezogen und leicht genug, um das Gewicht des Gesamtkonstrukts niedrig zu halten, 360 Gramm dürften auch längere Hörsessions erlauben, ohne dass die Nackenmuskulatur auf stur schaltet. Übrigens bieten die Russen auch eine „vegane“ Version des Magister Pro an: Die Kennerton Magister Pro „Non-Leather Edition“ besitzt statt Babyschafshaut einen Ohrkissenbezug aus Proteinleder und künstlichem Wildleder.

Fliegengewicht

Apropos Gewicht: Die titanbeschichtete BoPET-Membran (biaxial orientierte Polyesterfolie, besser bekannt unter dem Namen „Mylar“) und die beweglichen Teile des Antriebs dieses Kopfhörers sollen etwa 15 % leichter sein als diejenigen anderer aktueller Modelle. Das dürfte der Impulsfähigkeit des Treibers zugutekommen, denn wo wenig Masse ist, muss weniger Kraft aufgewendet werden, um das gesamte schwingende System in Bewegung zu versetzen – und wieder signalgerecht zum Stillstand zu bringen.

Das Musiksignal findet seinen Weg zu den Treibern über 3,5-mm-Klinkenbuchsen und ein zwei Meter langes Kabel, dessen schwarze Textilumhüllung neben der hochwertigen Anfassqualität auch eine erfreulich geringe Mikrofonieneigung aufweist. Im Inneren verwendet Kennerton klassische OFC-Drähte (sauerstofffreies Kupfer). Auf der Quellseite besitzt das beigelegte Kopfhörerkabel einen vergoldeten Mini-Klinkenstecker.

Ebenfalls beigelegt sind zwei 6,3-mm-Klinkenadapter, von denen einer auf der Mini-Klinke des zweiten, gut drei Meter langen Ersatzkabels einfacherer Machart (Polypropylen-Ummantelung) aufgeschraubt werden kann. Die Impedanz des Kennerton Magister Pro von 64 Ohm und der Wirkungsgrad von 101 dB/1 mW (Herstellerangabe) dürften kein Problem für das Gros der infrage kommenden Kopfhörerverstärker darstellen. An meinem Meier Audio Corda Classic jedenfalls fühlt sich der Magister so wohl wie ein Akademiker im Hörsaal.

Kennerton Magister Pro: Klangtest & Vergleiche

Der Kennerton Magister Pro durfte sich natürlich erst einmal gebührlich lange einspielen, was bei so gut wie allen Kopfhörern zu erheblichen Klangveränderungen im Vergleich zum Zustand frisch aus der Verpackung führt. So auch beim Magister Pro, der im Laufe der ersten gut zwei Tage in allen Belangen zulegt: Auflösung und räumliche Darstellung zum Beispiel stabilisieren sich nach etwa 20 Stunden, um nach gut 50 Stunden ihr Optimum zu erreichen. Auch steigt er nach dem vollständigen Warmwerden etwas lockerer und vollmundiger in den Frequenzkeller hinab und entspannt sich ganz obenrum noch – also bitte nicht vom „OVP-Zustand“ auf den finalen Klang schließen!

Der Kennerton Magister Pro sitzt ziemlich fest auf den Ohren, was ich zumindest teilweise auf meinen großen Kopf schieben kann. Allerdings ist mir so das Hören mit Brille fast nicht möglich, denn der weitergeleitete Druck auf die Knochen hinter den Ohren wird nach kurzer Zeit schmerzhaft, und ein weiterer Nebeneffekt der Brillenbügel ist, dass die Polster wohl nicht mehr hundertprozentig dicht um die Ohren sitzen: Der Bass wirkt nämlich mit aufgesetzter Brille (noch) etwas schlanker als ohne.

Lehrprobe

Aber wie doziert er denn nun im Großen und Ganzen, der Herr Magister? Um es (zugegebenermaßen nicht ganz titelkonsistent) mit Hansi Kraus alias Pepe Nietnagel zu sagen: „Bravo, bravo, Herr Doktor. Schon sehr gut!“ Und im Gegensatz zum unglückseligen Dr. Knörz hat der Kennerton Magister Pro das ihm überantwortete Geschehen jederzeit fest im Griff: Die Kontrolle und Disziplin des Magister Pro hätte den Lümmeln aus der ersten Bank sicherlich auch gutgetan.

Mein treuer, halboffener Audioquest Nighthawk (um 600 Euro) klingt jedenfalls im direkten Vergleich mit dem Kennerton Magister Pro im Oberbass etwas undisziplinierter sowie seltsam verschwommen und dazu fast schon „wabbelig“ im Grundton, wo der Kennerton Magister Pro eher zurückhaltend agiert. Zudem wirkt der Nighthawk vergleichsweise belegt im Präsenzbereich, kann dem recht schlank abgestimmten Kennerton Magister Pro aber mit seinen satteren Klangfarben, dem objektiv betrachtet druckvolleren (Tief-)Bass und seinem spürbareren Punch bis in den Grundton hinein sowie mit einem etwas saubereren Hochtonbereich Paroli bieten. Der Russe wiederum hält im Tiefbass die Zügel jederzeit fester in der Hand als der Ami. Selbst die massiv-fetten, subsonischen Attacken in Pete Belascos sinnig betitelten „Deeper“ vom gleichnamigen Album konturiert der Kennerton bis in die alleruntersten Hertz wie mit der Schraubzwinge. Ob ich mir hier etwas mehr Fülle wünsche? Hm, eigentlich nicht. Denn mit zunehmender Eingewöhnung gefällt mir die absolut gesehen asketische, straffe Einstellung des Kennerton immer besser – am Ende ist das aber wohl Geschmackssache.

Rush - A Show of Hands Auch der geschlossene Denon AH-D5200 (um 600 Euro) schlägt sich mit einem leicht warmen tonalen Farbstich im Bass eher auf die Seite des Audioquest Nighthawk und verleiht den Trommeln in Neil Pearts Drumsolo vom Rush-Live-Album A Show of Hands (auf Amazon anhören) ebenfalls mehr Substanz als der Kennerton Magister Pro. Jedoch geht dem Denon ein wenig die Puste aus, wenn es darum geht, den Russen mit seiner unglaublich schnellen und direkten Impulswiedergabe in jedem Frequenzbereich sowie bei der Spreizung des grobdynamischen Spektrums einzuholen: So flott und prägnant knallend höre ich die Rimshots des Ausnahmedrummers weder über den Denon noch den Audioquest. Und: Der Japaner kommt dem akribisch beleuchteten oberen Mittenbereich des Kennerton Magister Pro in „Crossroads“ von Tracy Chapman (Album: Crossroads) zwar schon deutlich näher als der Nighthawk, kann ihn in dieser Disziplin jedoch auch nicht gänzlich schlagen.

Im strengen Sinne des Wortes als tonal neutraler und sicherlich beim ersten Reinhören auch smoother im Mittelton empfinde ich allerdings den Denon – der Kennerton kann nämlich neben seiner Grundtonsenke, die ihn zum Beispiel Stimmen eher schlank präsentieren lässt, auch eine leichte Betonung der oberen Mitten- und Präsenzregion um 2000 Hertz nicht komplett verleugnen. Die verhilft ihm andererseits auch wieder zu einer akribischen Durchzeichnung in diesem Frequenzbereich, die er – wie auch die rasend schnelle Impulswiedergabe – in dieser Preisklasse meines Wissens als Alleinstellungsmerkmal mitbringt. Insgesamt erinnert mich die Charakteristik des Kennerton Magister Pro sogar ein wenig an den Audio Technica ATH-ADX5000 (um 2.200 Euro), der eine ähnlich straffe, konzentriert auf den Job fokussierte (oder soll ich sagen, unromantische?), impulsschnelle und im Bass extrem kontrollierte Vorstellung abliefert.

Auffrischungskurs

John Adams - Absolute Jest & Grand Pianola MusicIn Sachen Hochtonausdehnung und -auflösung zeigt sich ein klares Bild. Der Kennerton Magister Pro legt das Geschehen in den oberen Sphären strenger aus als der Audioquest Nighthawk und insbesondere als der Denon. Wohlgemerkt spreche ich hier nicht von echter Schärfe oder übergebührlicher Härte, doch funkeln gerade Metallglöckchen und Schlagzeugbleche (das 2011er Re-issue von Deaths Mega-Album Human ist zwar ein wenig überkomprimiert, passt hier aber zur Verdeutlichung ganz gut) mit dem Magister Pro noch etwas heller und auch klarer als mit dem japanischen Musterschüler, und die Violinen auf John Adams „Absolute Jest: Beginning“ (Album: Absolute Jest & Grand Pianola Music; auf Amazon anhören) besitzen einen silbrigeren Glanz.

Der fehlt mir über den Denon freilich nur dann, wenn ich ihn zuvor mit dem Kennerton Magister Pro als Bestandteil der Klangsignatur des Streichinstruments „erlernt“ habe. Zartbesaitetere Naturen könnten sich an dieser Charakteristik reiben, denn gerade mit schlecht (im Sinne von nervig) aufgenommener Musik kann der Hochton ein wenig zu viel des Guten sein – hat der Soundingenieur hingegen seinen Abschluss nicht bei Neckermann gekauft, befindet sich der Kennerton Magister Pro mit seiner Abstimmung im grünen Bereich.

Kennerton Magister Pro

Hinsichtlich der räumlichen Abbildungsqualitäten geben sich die drei Hörer nicht wirklich viel: Der Denon wirkt gegenüber den beiden anderen etwas kompakter, der Audioquest platziert sich in die Mitte – und der Kennerton Magister Pro erstaunt mit einer für einen geschlossenen Kopfhörer breiten, auch nach vorne hin weiträumigen Bühne, auf der er das Geschehen klarer definiert als der Audioquest und ebenso sorgfältig ordnet wie der Denon AH-D5200.

Frecher Lümmel oder Streber?

Okay, bei so viel Speed, Kontrolle und Talent zur Differenzierung kommt (trotz leichter Einbußen bei der Bassquantität) irgendwann die Frage auf, wie sich der Kennerton Magister Pro gegen einen echten Referenz-Kopfhörer schlagen wird. Nicht, dass dieser Vergleich sich für Interessenten in der Praxis jemals auch nur anbahnen dürfte, doch manchmal ist es ganz gut zu wissen, wo man mit einem „erreichbaren“ Produkt auf der Gesamtskala steht. Vorhang auf für den Hifiman HE1000: Der chinesische Magnetostat kostet läppische 3.200 Euro und somit mehr als fünf Kennerton Magister Pro. Nach einigen Tagen der Beschäftigung mit dem HE1000 kann ich sagen, dass ich noch nie einen neutraleren, dynamischeren, schnelleren, weiträumiger spielenden – mit einem Wort, besseren – Kopfhörer gehört habe. Und selbstverständlich wäre es vermessen, anzunehmen, dass der Kennerton Magister Pro in irgendeiner Disziplin mithalten könnte. Doch erstaunlicherweise schlägt sich der Russe zum Teil gar nicht so schlecht gegen den HE1000.

Squarepushers - Hard Normal Daddy)So steht zum Beispiel die Geschwindigkeit, mit der der geschlossene Kopfhörer auch die schroffen Impulse im Mitten- und Hochtonbereich von Squarepushers „Rustic Raver“ (Album: Hard Normal Daddy; auf Amazon anhören) aus seinen 42-Millimeter-Konussen abfeuern kann, der des großen Magnetostaten kaum nach – und auch die Differenzierungsfähigkeit im Mittelton befindet sich, isoliert betrachtet, gefühlt fast auf Augenhöhe. Gerade das mittige Knurren von bundstabslosen E-Bässen (Obscura – „Diluvium“ vom gleichnamigen Album) erfährt vom Magister Pro fast ebenso viel Beachtung wie vom mehrfach teureren HE1000. Gibt es da so etwas wie eine Seelenverwandtschaft zwischen den beiden so ungleichen Modellen? Beide streben nach maximaler Differenzierung statt wolliger Wohlfühlwattigkeit und sind mit einer irrwitzig schnellen Impulswiedergabe gesegnet – dass der Hifiman HE1000 im Bass massiv mehr Druck liefern kann und somit auch einer Pauke ungleich mehr Körper und Durchsetzungskraft schenkt, und dass der Hochton trotz aller Klarheit und Analysekapazität um zwei Klassen feiner granuliert und im Superhochton deutlich luftiger agiert, das darf (und muss) man angesichts des Preisunterschieds erwarten. Dass der Kennerton Magister Pro in seinen Wahlfächern dem HE1000 aber so nah auf die Pelle rücken kann, ist eine Überraschung.

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Test: Kennerton Magister Pro | Kopfhörer

  1. 1 Goldene Mitte?
  2. 2 Kennerton Magister Pro: Klangtest & Vergleiche

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