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Der in Berlin-Neukölln ansässige Hersteller Adam Audio ist eine feste Größe im Studiobusiness – man hat seit der Unternehmensgründung im Jahre 1999 ein respektables Portfolio aus Lautsprechern und Subwoofern unterschiedlichster Größe aufgebaut. Eines verbindet die Monitore von Adam Audio – der Einsatz spezieller Hochtöner, die auf dem Air Motion Transformer von Oskar Heil basieren. Die besondere Antrittsschnelligkeit und Dynamik jener Hochtöner haben Adam Audio letztlich sogar den Firmennamen beschert: Adam steht für Advanced Dynamic Audio Monitors.
Hier und heute zu Gast ist der Monitor Adam Audio S2V, der kleinste Spross aus der zurzeit fünf Modelle umfassenden S-Serie. Der erste optische Eindruck ist: irgendwie wertig, cool und knackig zugleich. Die Verbindung aus dem schwarzen Gehäuse mit abgerundeten Kanten, dem Siebenzöller für den Tiefmitteltonbereich und dem gelb-orange leuchtenden AMT des Hochtöners wirkt auf eine gewisse Art und Weise sportlich-dynamisch. Die Verarbeitung ist der Preisklasse von 3.500 Euro das Paar ebenbürtig, das betrifft alle wichtigen Parameter wie Spaltmaße, Einpassungen, Zentrierungen etc. Der Lautsprecher muss sich in Sachen Design und Finish nicht hinter der Konkurrenz verstecken, wenn man einmal davon absieht, dass die Verschraubungen der Treiber nicht kaschiert sind.
Doch was haben wir denn da jetzt überhaupt für einen Probanden auf dem Lautsprecherständer? Es handelt sich bei dem Adam S2V um einen aktiven Bassreflex-Zweiwegemonitor, dessen strömungsoptimierter Bassreflextunnel mittig, durch eine Strebe unterbrochen, unterhalb des Tiefmitteltöners endet und nach vorne abstrahlt. Der langhubige Tiefmitteltöner – wie alle Treiber von Adam Audio selbst entwickelt – verfügt über eine Hexacone-Konusmembran (Aramidfaser-Kevlar-Sandwich) mit hoher Steifigkeit und einen Korb, der Resonanzen und Verzerrungen minimieren soll. Die Membran ist bewusst straff aufgehängt und für den Dauereinsatz im Studio optimiert. Der verwendete S-ART-Hochtöner basiert auf dem Adam-Audio-typischen X-Art-Hochtöner, werde jedoch – so heißt es bei Adam Audio – nach noch höheren Präzisionsstandards gefertigt: übrigens in Manufakturarbeit und direkt vor Ort in Berlin.
Die Tonstudiogene des Adam S2V sieht man dann spätestens auf der Rückseite: „Zutritt“ für Musik gibt’s ausschließlich per XLR-Verbinder, und zwar wahlweise analog-symmetrisch oder digital per AES/EBU. Das Innenleben führt den professionellen Anspruch fort: Tiefmitteltöner und Hochtöner haben separate Verstärker. Der erstgenannte hat die 300 Watt Sinusdauerleistung einer ICE-Power-Class-D-Endstufe zur freien Verfügung, Letzterer wird in Class-AB – der Verstärker ist eine Eigenentwicklung – mit bis zu 50 Watt versorgt, die Übergangsfrequenz zwischen beiden Treibern liegt bei 3 kHz.
Auf der Rückseite der Lautsprecher findet sich auch noch eine kleine Baugruppe, über die man zunächst hinwegsieht, die aber ordentlich Mehrwert bietet. Sie besteht aus einem Controller, der gedreht oder hineingedrückt werden kann und einem winzigen, aber hochauflösenden Display. Hier geht’s ans Eingemachte: Der Controller ermöglicht die Justage des verbauten DSP-Boards, das eine Vielzahl von Klangbeeinflussungen gestattet. Es verfügt über sechs parametrische Equalizer sowie je einen Höhen- und Tiefen-Shelving-Filter. Des Weiteren kann hier eine Delayfunktion aktiviert werden, die das Wiedergegebene um bis zu fünf Millisekunden verzögert – was üblicherweise im HiFi-Bereich nicht zum Tragen kommt, aber bei der Studioarbeit „langsamere“ Komponenten, z. B. MIDI-Instrumente oder Audiointerfaces mit Latenzen, zu integrieren hilft.
Zugegeben: Es macht keinen besonderen Spaß, Einstellungen am parametrischen EQ auf solche Art vorzunehmen, das ist über diesen rudimentären Controller doch recht fummelig – und noch dazu befindet er sich an der Rückseite, was die akustische Kontrolle des soeben Eingestellten zusätzlich erschwert. Das weiß man allerdings bei Adam Audio und daher gibt es für Kunden, die ihre Lautsprecher registriert haben, eine kostenlose Remote-Software zum Herunterladen: Der Monitor wird per USB mit dem Rechner verbunden, die Software gestattet sodann in grafisch aufwändiger Darstellung das Feintuning der Einstellungen und ggf. auch das Abspeichern von bevorzugten Settings auf drei freien Speicherplätzen – derer gibt es insgesamt fünf, zwei davon sind aber unveränderlich für die Werkseinstellungen „Neutral“ und „Uniform Natural Response“ (Adam Audio zufolge eine „besonders dynamische, natürlich klingende EQ-Einstellung“, die ich aber an den Frequenzgangenden als etwas zu dick aufgetragen empfinde) reserviert. Ich habe den Lautsprecher in der „Neutral“-Stellung gehört und den EQ nicht benutzt, um einen realistischen Quervergleich „ab Werk“ mit der mir bekannten Musik und anderen Lautsprechern zu ermöglichen. Und nun hören wir rein!
Klangeindruck Adam S2V
Auch wenn das Ausprobieren und Bewerten von HiFi-Komponenten über die Jahre zu einer gewissen Routine wird – die ersten Takte Musik über den jeweiligen Probanden sind für mich immer höchst spannend. Das liegt nicht nur an meiner Neugier und meinem Spaß an HiFi im Allgemeinen, sondern auch daran, dass sich häufig schon an dieser Stelle entscheidet, ob man es mit einem Allrounder oder einer Komponente zu tun hat, die klanglich in eine gewisse Richtung schlägt. Letzteres ist mir wesentlich lieber, denn ein klares akustisches Profil hilft, eine nachvollziehbare Klangbeschreibung zu verfassen. Und ja – die Adam Audio S2V sind diesbezüglich klar einzuordnen.
Sie suchen einen Schmeichler, einen samtigen, elegant verrundenden, über tontechnische Malheurs gnädig hinwegsehenden Lautsprecher, damit Sie maximalrelaxed alte Vinylschätze goutieren können? Vergessen Sie’s. Sie können die Lektüre dieses Texts hier beenden und Ihr Glück woanders versuchen. Der Adam S2V ist nämlich ein absolut unbestechlicher Monitor, ein echtes Arbeitsgerät, das gestattet, mit frisch geputzter Brille und einer im Lieferumfang enthaltenen Lupe in das Klangbild hineinzublicken. Die gute Nachricht vorweg: Das kann auch im Wohnzimmer sehr viel Freude machen, näheres dazu später. Zunächst aber der Versuch einer Erklärung, was den Adam-S2V-Monitor eigentlich auszeichnet.
Neutral?
Das ist gar nicht so leicht. „Tonal weitgehend neutral“ wäre mit Blick auf den Frequenzschrieb sicherlich korrekt. Hm. Aber was stellen Sie sich darunter vor? In erster Linie einen Lautsprecher, der „das gewisse Nichts“ hat? Ebendas ist nicht der Fall.
Die Bässe des Adam S2V sind pfundig, knochentrocken und auch weit über Zimmerlautstärke substanziell und profund. Und dabei schnell! Der Mittenbereich wiederum wirkt enorm feinauflösend und „durchsichtig“, klar, transparent, frischgeputzt. Selbiges gilt für die Höhen, die – AMT sei Dank – ungehindert bis zum „Luftband“ durchgereicht werden. Das sorgt nicht nur im hörbaren Bereich bis hin zu etwa 13/14 kHz für reichlich Feinauflösung, sondern schenkt dem Klangbild auch eine ausgezeichnete Luftigkeit und Finesse. Insgesamt wirkt der Adam S2V ab Werk vom Grundton bis in den mittleren Hochton ausgewogen. „Ganz oben“ ist der Adam S2V in der Neutral-Einstellung eher auf der silbernen, glitzernden als gülden-verrundeten Seite zuhause. Wem das zu schillernd ist, der kann das mit dem DSP-System feintunen.
Auflösung & Dynamik
Trotzdem bleibt die Frage: Es gibt nun wirklich genügend Lautsprecher, die man tonal als „balanciert“ bezeichnen könnte. Warum klingt der Adam S2V so besonders durchsichtig und anspringend? Nun, es ist offensichtlich die Geschwindigkeit, die saubere und auch zeitrichtige Ansteuerung der Treiber. Und damit eng verknüpft sind Fein- und Grobdynamik. Diese erinnern mich in ihrer besonderen Qualität an die deutlich teureren Genelec 8351.
Man schnappe sich eine richtig gute Produktion, z. B. das just erschienene Tocotronic-Album Die Unendlichkeit (auf Amazon anhören) und den gleichnamigen Track. Wir hören eine ohne Plektrum gespielte, langsam schrabbelnde und verhallte Gitarre, deren Amp ziemlich weit aufgerissen ist – was wir aber zunächst nicht bemerken, denn die Saiten werden sehr sanft angeschlagen, fast gestreichelt. Dazu kommt nach einem kurzen Intro ein enorm wuchtiges, ebenfalls massiv verhalltes Schlagzeug. Der Bass spielt konzertant in Dub-Reggae-Manier, gelegentlich wirft im Offbeat eine zweite Gitarre Akkordsprengsel ein. Die beiden Gitarren haben nur marginal unterschiedliche EQ-Einstellungen: Die erste ist etwas dumpfer, die zweite hat ein Schippchen mehr Höhen mitbekommen. Dieser kleine Unterschied ist aber über die S2V so glasklar zu hören, dass man fast meint, die EQ-Regler am Gitarrenamp vor sich sehen zu können – faszinierend!
Ebenfalls faszinierend ist die Schnelligkeit und tempomäßige Kohärenz dieses Lautsprechers, die sich ungeachtet der jeweiligen Lautstärke und Frequenz der Schallquelle zeigen. So kommt der Bass flummiartig flink und trocken, während die tiefen Hallanteile der Gitarren und des Schlagzeugs außerordentlich fein und klar bis zu ihrem vollständigen Ausklingen dargeboten werden. Die Stimme des Sängers ist ebenfalls mit allen ihren Feinheiten genau zu hören: Dirk von Lowtzow liebt es ganz offensichtlich, seinen Gesang wie ein Instrument einzusetzen. Er kontrastiert harte Zischlaute und Sibilanten mit butterweich gesungenen Vokalen. Erstere setzt er zuweilen sogar zur rhythmischen Unterstützung des Gesamtklangs ein (was allerdings auch dazu führt, dass die Texte sich der Musik unterordnen und zuweilen etwas ins Bizarre driften). Der Adam S2V zeigt mustergültig, was in diesem vergleichsweise engen Frequenzbereich möglich ist: Scharfes „S“, mildes „O“ und „A“ – hier wird Gesang geradezu stilprägend wiedergegeben.
Nach 100 Sekunden geht der Song in eine Instrumental-Bridge, bei der die vormals leise Gitarre plötzlich mit voller Wucht und Verzerrung loskachelt. Dieser Lastwechsel kommt brachial und fett, zugleich aber spielend-leicht und mühelos. Ebenso schlackenfrei erfolgt der abrupte Übergang in die nächste Strophe, in der die Gitarren plötzlich wieder sanft daherplätschern. So geht es eine Weile hin und her – bis der Song zum Ende hin immer wirrer und lärmiger wird: So wird der Hall, der auf der Gesangsspur liegt, immer weiter bis ins nachgerade Absurde hochgefahren – und trotzdem ist das Originalsignal, die Stimme, die sich kontrapunktisch zu einem Flüstern verwandelt hat, immer noch glasklar auszumachen. Ziemlich geil.
Klangvergleich
Ich habe mir übrigens den Spaß erlaubt, gelegentlich zwischen dem Adam S2V und meiner Harbeth 30.1 im Verbund mit dem Hegel H90 hin- und herzuschalten. Schon ein recht krasser Effekt: Der Hegel ist ebenfalls ein klar, knackig, schnell aufspielender Amp und auch die Harbeth würde ich als sauber durchzeichnend und feinauflösend bezeichnen. Nichtsdestotrotz wirkt diese (gut 5.000 Euro teure) Kombi im A/B-Vergleich samtiger und sonorer, aber eben auch weniger anmachend. Man lehnt sich zurück und lässt sich – durchaus hochwertig und schön – akustisch verwöhnen, während man über den S2V „aktiver“, involvierter zuhört. Dafür kann das Harbeth/Hegel-Duo auch weniger hochwertig produzierte Musik nicht nur genießbar, sondern durchaus erfreulich darstellen – was dem Adam-Monitor weniger gelingt.
Bühnenaufbau
In Sachen Raumdarstellung hat der Adam S2V ein klares Profil: Er schenkt gegenüber einem „durchschnittlichen“ Lautsprecher sowohl in Breite wie Tiefe etwas großzügiger ein. Das ist sinnvoll, denn aufgrund seiner Größe und Leistungsdaten dürfte dieser Lautsprecher primär im Nah- oder Mittelfeld eingesetzt werden, ich sehe ihn vor meinem geistigen Auge in einem 20- bis 30-Quadratmeter-Studio hinter einer 16-Kanal-Konsole. Im Nahfeld kann es zuweilen schwierig sein, ausführliche Stereopanoramen sachgerecht abzumischen, wenn der Lautsprecher ein zu enges Feld absteckt. Das betrifft Breite und Tiefe gleichermaßen: Wer eine klassische Orchesteraufnahme oder auch eine vielschichtige Pop- oder Jazzproduktion entsprechend abmischen möchte, dem könnte die virtuelle Bühne bei so manchem Kompaktmonitor etwas beengt erscheinen.
Nicht so beim Adam S2V: Selbst bei vergleichsweise geringem Abstand lässt sich hier tief in die Aufnahme blicken – und horizontale Panoramen erscheinen weitläufig, die Schallquellen präzise verortet. Das heißt aber auch: Bei einer typischen Wohnzimmeraufstellung mit größerer Basisbreite ergibt sich eben auch ein etwas überdurchschnittlich weites und tiefes Bild mit einer guten „Durchflutung“ des Raums – wobei die Bühne einen Schritt vor der Lautsprechergrundlinie beginnt. Ich mag so was. Wer hingegen auf ein etwas kompakteres, weniger ausuferndes Klangbild steht, dem könnte dies einen Tick zu weit gehen, was sich allerdings durch Einwinkelung der Lautsprecher auf den Hörplatz in gewissem Rahmen beeinflussen lässt.
Auch hier erinnert mich die Charakteristik an die bereits oben erwähnte Genelec-Box – allerdings mit einem kleinen Unterschied: Diese hatte einen vergleichsweise kleinen Sweet Spot, während man sich bei der Adam Audio auch einmal zwei Oberschenkelbreiten nach links oder rechts setzen darf, ohne relevante Einbußen bei der Raumqualität hinnehmen zu müssen. Demgegenüber hat die Genelec (irgendwo muss der höhere Preis (6.660 Euro) sich ja niederschlagen) deutlich mehr Pegelreserven auch in großen Räumen sowie eine höchst komfortable und ausgefeilte Einmessmöglichkeit, die den Einsatz in akustisch ungünstigen Raumszenarien als problemlos erscheinen lässt.
Polarisierend
Was nicht verschwiegen werden darf: Je präziser, klarer, unverfälschter ein Lautsprecher aufspielt, vor allem in Verbindung mit einem im Zweifelsfall eher präsenter geratenen Hochtonbereich, desto schneller polarisiert er auch. Der Adam S2V ist kein wirklich toleranter Lautsprecher, sondern eher ein Wagyu-Rind: Er verlangt nach allerbestem Futter und vielen Streicheleinheiten.
Ich hatte sehr viel Freude mit Top-Notch-Produktionen, z. B. dem neuen Album Offerings (auf Amazon anhören) des Post-Rock-Kollektivs Typhoon. Der Track „Rorschach“ steckt voller musikalischer und produktionstechnischer Überraschungen: Gitarrenpickings mit Delay à la Foals, verzerrte Stimmeinsätze, zarte, verlorene Instrumental-Passagen, die von brachialen Schweinerock-Refrains zerfetzt werden: Eine solche klangliche Wundertüte lässt sich über den S2V mit einem fetten Grinsen erleben. Dieser Lautsprecher würde beim Pokern permanent „All in“ reinbuttern und die verängstigten Mitspieler vom grünen Filztisch fegen! Er lässt Bässe knurren, Höhen britzeln, Hallräume in den Raum fluten und macht gleichzeitig den Click, den der Drummer auf dem Kopfhörer hat, leise hörbar. Auch sehr gute Klassikaufnahmen wie Mahlers Dritte (Gustav Mahler Complete Edition, Deutsche Grammophon, auf Amazon anhören) sind ein großes Vergnügen, weil vom brachialen Blech bis zur ersterbenden Piccoloflöte eine ungemein realistische, konzertante Aufführung geboten wird.
Wenn Sie mittelmäßiges Audiomaterial besitzen, sieht die Welt aber anders aus. Falls Sie komprimierte Musik auf der Festplatte mit sich herumschleppen und mediokre Punkproduktionen oder vermeintlich audiophile Preziosen aus der Steinzeit der Digitalproduktion (den frühen Achtzigern) Ihr Eigen nennen: Das kann mit dem Adam S2V eine ziemlich ernüchternde Nummer werden. Hintergrundrauschen (der AMT-Hochtöner kriegt alles mit!), Verzerrungen, Klirr, mumpfiger Alesis-Digitalhall, gedankenlose Voicings, lieblose Gesangsaufnahmen, zischelnde Hi-Hats – solche Produktionsfehler oder Unzulänglichkeiten deckt der Adam S2V gnadenlos auf und streut damit eine Handvoll Salz in die Wunde. Natürlich können Sie über den ausgefeilten DSP hier und da nachsteuern, aber im Grunde bleibt dieser Lautsprecher das, was er ist: Ein Monitor, der „gutes Zeug“ auf den Olymp hebt und schlechtes zugleich vom Sockel stößt. Darüber müssen Sie sich im Klaren sein.
Test: Adam Audio S2V | Aktivlautsprecher