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Oktober 2013 / Ralph Werner
Im Gegensatz zu manchen ihrer CD-Player und Verstärker wirken die Plattenspieler von Rega (www.rega-audio.de) gemeinhin ausnehmend gradlinig. Fast gehen sie schon als Turntable-Piktogramme durch, so schlicht sind sie. Das gilt für den neuen Rega RP8 allerdings nur dann, wenn der viereckige Rahmen drum herum steht, der für die übliche Brettspieler-Optik der Engländer sorgt.
Hebt man das „Chassis-Skelett“ aber aus diesem Rahmen, kommen andere Assoziationen auf, denn dann steht Regas Leichtbauphilosophie unverkennbar vor einem. Das hat was Rennsportmäßiges, etwas sehr Reduziertes – und damit irgendwie auch ziemlich Cooles: der radikale Gegenentwurf zu bohrinselartigen Masselaufwerkswucherungen. Vielleicht war es aber einfach auch so, dass die Briten nach 40 Jahren ihr eigenes Understatement nicht mehr ertragen konnten, einen exzentrischen Anfall bekamen und zufällig gerade ’ne Stichsäge zur Hand war.
Jedenfalls verströmt der Rega RP8 die Aura des Konsequent-Kompromisslosen, jeglichen Schnörkels Barem, was offenbar nicht nur mir, sondern auch vielen anderen gefällt: Rega kam, kurz nach der Einführung des RP8, mit der Produktion den Bestellungen gar nicht mehr hinterher, inzwischen soll sich die Verfügbarkeit des Drehers aber gebessert haben, so der TAD Audio Vertrieb. Für 2.500 Euro bekommt man einen Plattenspieler inklusive Tonarm und externem Netzteil, aber ohne System. Mit Regas Spitzen-Tonabnehmer „Apheta“ im Gepäck zahlt man dann 4.000 Euro, wahrlich kein Pappenstiel, aber immerhin im Paket 100 Euro günstiger als die Summe der Einzelpreise (das Apheta-MC-System liegt „solo“ bei 1.600 Euro).
Schauen wir uns den Rega RP8 etwas näher an. Am auffälligsten dürfte besagtes Chassis sein. Nicht nur wegen der Skelettform, bei der alles weggelassen wurde, was nach Rega-Chef Roy Gandy eher optischen Gewohnheiten, nicht aber dem Ziel, einen maximal leichten und steifen Rahmen zu bauen, dient. Auch der Materialmix ist ungewöhnlich: Es handelt sich um ein Sandwich aus zwei äußeren Schichten Phenolharz und einem leichten Kern aus mit Stickstoff geschäumten Polyolefin in der Mitte – drei Jahre habe man an diesem Schaum entwickelt, bis das Ergebnis schließlich stimmte. Hinzu kommen noch die verstärkenden Streben aus Magnesium zwischen Tonarm- und Tellerlager, die dem Phenolharz/Polyolefin-Mix oben und unten aufgeklebt werden.
Geschäumtes Polyolefin bildet den Chassis-Kern
Warum das Ganze? Man ahnt es schon: Verschiedene Materialien besitzen unterschiedliche Resonanzeigenschaften – und bei einem festen Verbund der Werkstoffe miteinander minimieren sie ihre Resonanzen wechselseitig. Dass es sich dabei um leichte Materialien handelt, versteht sich bei Rega von selbst. Das Hauptargument hierfür dürfte, kurzgefasst, lauten: Vibrationsenergie lässt sich nie völlig vermeiden, deshalb ist es besser, leicht zu bauen, denn eine größere Masse speichert die Energie länger. Das Gegenargument – eine größere Masse lässt sich weniger leicht aus der Ruhe bringen – liegt freilich auch auf der Hand. Und so stehen sich diese beiden „Konstruktionsschulen“ seit Jahr und Tag gegenüber …
Irgendwie fühlt man sich dabei auch ein wenig an den Lautsprecherbau erinnert, bei dem viele Anbieter das zentimeterstarke Material, aus dem ihre „toten“ Gehäuse bestehen, loben, nur um sich von anderer Seite müde belächeln zu lassen, denn „tot“ sei ein Gehäuse nie, man lenke die Resonanzen besser als das man sie zu eliminieren versuche. Ist das eigentlich ein Zufall, dass Marken wie Spendor, Harbeth und Rega alle die gleiche Heimat haben?
Zurück zum RP8. Der viereckige Rahmen, in den man das Skelett setzen kann, sorgt nicht nur für eine andere Optik, er dient in erster Linie als eine Art „Haubenhalter“, sprich die Staubschutzhaube lässt sich hier andocken. Haube + Rahmen haben so gut wie keinen Kontakt zum eigentlichen Chassis, sind somit vom Plattenspieler entkoppelt. „So gut wie“ deshalb, da die drei Füße des Rahmens jeweils drei Gummiseile besitzen, die praktischerweise für eine fast automatische Zentrierung des Plattenspielers sorgen – Kontakt besteht also nur zwischen diesen Gummis und den konischen Füßen des eigentlichen Chassis.
Das Tellerlager stammt vom ehemaligen Rega-Topmodell P9 und wurde für seine jetzige Bestimmung leicht angepasst. Es trägt einen Aluminium-Subteller, der über zwei Riemen von einem 24-Volt-Motor angetrieben wird, der von einem Netzteil, das einen quarzgesteuerten Sinus generiert und eine Geschwindigkeitsumschaltung (33 1/3 und 45 U/min) ermöglicht, seinen Strom geliefert bekommt.
Das Netzteil: Rot signalisiert 33 1/3 U/min, Grün 45 U/min
Beim Plattenteller treffen wir übrigens wieder auf den gleichen Konstruktionsansatz wie schon beim Chassis. Man mische zwecks Resonanzminimierung die Materialien: Alu-Subteller trifft – natürlich an definierten Stellen und nicht vollflächig – auf einen Glas-Plattenteller, auf dem eine Filzmatte liegt. Nur in dieser Kombination ergibt es ein Ganzes, zumindest nach Rega-Ansicht. Ganz smart gemacht ist dieser Glasteller – er besteht aus drei miteinander verklebten Glasschichten, was dafür sorgt, dass die für die Laufruhe notwendige Masse dorthin kommt, wo es sinnvoll ist: nach außen, damit der Schwungradeffekt gestärkt wird. Logisch: Bei einem gleich schweren, aber planen Teller wäre dieser Effekt geringer.
Der Dreischicht-Glasteller, auf den Kopf gedreht
Auf dem neuen Rega RP8 steckt ein ebenfalls neuer Tonarm, der RB 808. Der kostet allein schon 1.000 Euro und liegt preislich damit deutlich über dem bekannten und vielfach auch von anderen Marken verwendeten RB 303. Ein neues Vertikallager und das sich stärker verjüngende Tonarmrohr werden als Verbesserungen aufgeführt. Cinchbuchsen oder Ähnliches sucht man beim Rega-Arm natürlich vergebens: Die Tonarmverkabelung wird direkt weitergeführt, „mündet“ also in die eigenen Cinchkabel. Sicher ist sicher, scheint die Entwicklungsdevise gewesen zu sein, denn nur so hat man bis zur Phonostufe alle Parameter selbst im Zugriff.
Integraler Bestandteil des RB808-Arms: Cinchanschlusskabel
Verwendet man Rega-Tonabnehmer, so ist die Justage supereinfach, denn diese werden mit drei statt mit zwei Schrauben am Headshell befestigt und sind so ausgelegt, dass sie automatisch die geometrisch richtige Position einnehmen. Sehr schön. Nimmt man – wie ich – allerdings andere Systeme (überwiegend waren im Test Denon DL-103 und Ortofon Rondo Bronze im Einsatz), ist das Handling weniger leichtgängig. Muss man eine VTA-Anpassung wirklich mit „Spacern“ ermöglichen, also mit Unterlegscheiben, die die Montagehöhe des Tonarmschafts ändern?
Wie wäre es mit einem Schaft, der in einer Buchse läuft und mit Schrauben fixiert werden kann? Das wäre präziser und würde die Justagezeit radikal verkürzen. Okay, vielleicht ist das auch nur eine Testredakteurs-Neurose – normale Menschen justieren ihr System einmal, fluchen dabei ein wenig, und spielen fortan Musik. Und wie das Teil spielen kann!
Test: Rega RP8 | Plattenspieler