Inhaltsverzeichnis
Januar 2013 / Ralph Werner
Das zählt dann wohl zur „britischen Schrulligkeit“: Einerseits eine der schönsten Lautsprecher-Schallwände überhaupt entwerfen – klar, man sollte es schon klassisch, eckig, möbelmäßig mögen, aber ist die nicht wunderhübsch!? –, andererseits dann die schmucke Front mit einer bombenfest sitzenden Blende verbergen, an der man sich beim Versuch, sie zu entfernen, die Fingernägel wundarbeiten darf. Was soll das denn? Liebe Engländer, auch wenn Ihr der Meinung seid, man sollte Eure frisch überarbeitete Harbeth 30.1 (Vertrieb: www.input-audio.de) ruhig „mit“ Bespannung hören: Erstens möchte ich die Wahl haben und zweitens hört das Auge mit. Ich will die Lautsprecher-Lady doch auch sehen! Gut, nach langem Kampf habe ich es dann ja doch noch irgendwie geschafft.
Seit 35 Jahren werden in Lindfield, West Sussex Lautsprecher gebaut. Wo der Firmenname „Harbeth“ erklingt, kommt vielen als erstes wohl „Ah, BBC-Monitore!“ in den Sinn. Was kaum verwundert, gehörte das Unternehmen doch neben KEF, Rogers und Spendor zu denen, die die BBC-Klassiker produzierten. Und nach wie vor zählt die britische Rundfunkanstalt zu den größten Kunden von Harbeth.
Auch das aktuellste Modell, unser Testkandidat Harbeth 30.1, besitzt eine lange Tradition. Es kam erstmals 1997 als Ersatz für den BBC-Lautsprecher LS5/9 auf den Markt, welcher seinerseits Anfang der Achtzigerjahre eingeführt wurde. Kurzlebigkeit kann man den Engländern kaum vorwerfen.
Harbeth-Inhaber Alan Shaw
Im guten Sinne „traditionell“ ist da nicht nur die Optik, auch gewissen akustischen Prinzipien aus BBC-Tagen bleibt man treu, wie zum Beispiel der Verwendung von Kunststoffmembranen für die Bass-/Mitteltontreiber oder dem prinzipiellen Gehäuseaufbau.
Zu Letzterem gehört nicht nur das Verhältnis der Abmessungen zueinander, bei der Harbeth 30.1 sind dies 460 x 277 x 285 mm (HxBxT), welches resonanztechnisch als vorteilhaft angesehen wird. (Übrigens baut Harbeth unter anderem deshalb auch keine Standmodelle. Wie cool ist das eigentlich?) Auch die Überzeugung, dass Gehäuseresonanzen nicht auf Teufel komm raus unterdrückt werden sollen, gehört dazu. „Divide et impera“ scheint vielmehr die Devise zu sein: So werden beispielsweise Rück- und Vorderseite der Box nicht verklebt, sondern verschraubt.
Das soll die „eine“ große Resonanz des Gehäuses vermeiden helfen, indem diese nämlich an den verschraubten Stellen in mehrere kleinere aufgebrochen wird, welche in Folge besser gehandhabt werden können. Gedämpft wird das MDF-Kabinett mit Bitumenplatten und Schaumstoff – in der neuen 30er steckt davon etwas mehr drin als im Vorgänger. Die Verfeinerung der Gehäusebedämpfung zählte zu den Aufgaben bei der Überarbeitung der Harbeth 30.
Neu sind auch die beiden Treiber des Zweiwege-Modells. Für den Hochton ist eine Seas-Kalotte mit Gewebemembran und Ferrofluid-Kühlung zuständig, für Bass und Mittelton die aktuellste Variante des Harbeth-eigenen 20-cm-Konus mit „Radial“-Membran. Hierbei handelt es sich um einen von den Briten patentierten Kunststoff, der Steifheit, Resonanzverhalten und Dämpfung – nach ihrem Bekunden – optimal ausbalanciert. Harbeth hat dieses Chassis nicht nur komplett selbst entwickelt, es wird auch vor Ort produziert. Die Radial-Treiber stecken ausschließlich in Harbeth-Lautsprechern und sollen zu deren akustischem Ergebnis ganz wesentlich beitragen.
Natürlich sollte, wer einen Lautsprecher mit neuen Treibern bestückt, in der Regel auch die Frequenzweiche anpassen. Das ist geschehen, und zwar „mit Hilfe neuester Rechner-Programme und in monatelangen Hörtests“, wie der deutsche Vertrieb Input Audio weiß. Getrennt werden die Frequenzbereiche bei 3.500 Hertz mit 18 dB/Oktave.
Test: Harbeth 30.1 | Kompaktlautsprecher