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Vor drei Jahren war die Harbeth Super HL5 bei uns, und deren klanglicher Auftritt ist mir noch als sehr überzeugend in Erinnerung – nicht umsonst haben wir ihr den fairaudio’s favourite award verliehen. Und jetzt, bei den ersten Takten über die 30.1, ist er wieder da, dieser äußerst stimmige, natürlich wirkende Ansatz. Ein völlig harmonisches Klangbild, in das man sich wie in ein Entspannungsbad gleiten lassen kann, welches aber gleichwohl genug Pep & Rhythmus besitzt, damit der Fuß auch schön mitwippt. Selten setzt Hörgenuss so instantmäßig ein, selten klingt Langzeittauglichkeit derart interessant – und umgekehrt. „Vergiss die Technik, höre Musik“, scheint die 30.1 einem zuzuflüstern. Und dieses Motto gilt auch für die Super HL5, wahrscheinlich ist das sogar das Harbeth-Hauscredo. Aber Schluss mit der Lyrik und her mit den Vergleichen!
Ein interessantes Detail am Rande: Die Harbeth Super HL5 kostet derzeit (Ende 2012) nur rund 350 Euro mehr als die 30.1. Man darf also durchaus von einer ähnlichen Preisklasse sprechen. Welche Harbeth es werden soll, entscheidet da nicht das Portemonnaie, sondern eher wohl das Aussehen und die Hörraumgröße: Die HL5 besitzt fast das doppelte Volumen der 30.1, ist also eine auffällig große Kompaktbox, während unser Testkandidat ein „normales“ Format aufweist. Wenig überraschend drückt sich das auch klanglich aus: Die Super HL5 schaufelt den Bassgraben tiefer aus, und insgesamt ist mit ihr auch etwas mehr Druck im Untergeschoss vorhanden. Beides – Optik und Basspotenz – sollte dann auch zum Hörraum passen. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal betrifft die obersten Höhen. Bei der Harbeth 30.1 kommt kein Superhochtöner zum Einsatz wie bei der Kollegin, dementsprechend tönt sie obenrum auch nicht ganz so luftig. „Abgedimmt“ wäre schon übertrieben, aber eben vergleichsweise weniger ausgeleuchtet, ohne dass es den klanglichen Gesamtauftritt stören würde.
Dies zeigt sich auch im Vergleich mit anderen Kompaktboxen. Vom Ulf Sandberg Quartet läuft „Tilldess“ (Album: Totally Wired II), die Beckenarbeit dort macht das Stück zu einem wunderbaren „Luftigkeitsprüftrack“ (was es alles so gibt!), und sei’s nun über meine Thiel SCS4 oder die jüngst getestete Burmester B10, beide Male klingt es im Hochton eine Spur lauter/deutlicher, heller timbriert und auch etwas besser aufgelöst. Insbesondere das Sizzle-Becken „raschelt“ etwas feinporiger aus.
Ähnlich verhält es sich zu Beginn des Stücks „Amandla“ von Miles Davis (auf dem Album: Live Around The World). Die Perkussion mit Becken, Schellen und weiß der Teufel was – vor allem auch dieses Rainmaker-Geräusch direkt vor mir –, klingt über die Harbeth eine Spur milder, „mittiger“, aber auch räumlich größer und körperlich-griffiger. Letzteres wirkt sich auch dahingehend aus, dass harte Beckenanschläge mit der 30.1 – so zum Beispiel beim Stück „Wrinkle“ auf dieser tollen Platte, circa ab der vierten Minute, wo’s angenehm flott zur Sache geht – bisweilen durchsetzungsfähiger rüberkommen, im Sinne von „da schwingt ein großes Blech“, als mit der Thiel oder der Burmester, obwohl ich schon sagen würde, dass diese beiden relativ mehr Energie in den oberen Lagen versprühen. Und diese Durchsetzungsfähigkeit kommt dem ohnehin schon guten Rhythmusgefühl der Harbeth weiter zugute. Doch wie auch immer: Der Hochton ist perfekt an die Mitten angebunden, quasi deren natürliche Verlängerung, da setzt sich nichts (künstlich) ab. Und nach ganz obenhinaus hält man sich eher ein Spur zurück.
Bei der Montage der Zentrierspinne des Radial-Chassis
Ähnliches lässt sich über den Übergangsbereich Mitten/Höhen sagen. Kollege Markus Sauer schrieb von einer leichten Betonung der unteren Höhen bei der Burmester B10, die aber keinesfalls störe, weil die Berliner Kompakte sehr sauber spiele und gut auflöse. Stimmt. Der letzte Teil gilt auch für die Harbeth 30.1. Nur dass deren Präsenzbereich mir eher minimal softer als „Normalnull“ – jedenfalls bestimmt nicht betont – vorkommt, wie das seinerzeit übrigens auch schon bei der Super HL5 der Fall war. Die klanglichen Auswirkungen?
Die Harbeth 30.1 ist vergleichsweise etwas weniger nah dran am Initialmoment, wenn etwa eine Gitarre angerissen oder eine Klaviersaite angeschlagen wird, sie hat’s eher mit dem Körper des Instruments, zumal ihr Grundtonbereich recht saftig und sonor ausfällt. Frauenstimmen besitzen ein Volumen und eine so samtige Anmut, dass man ihrem Charme unwillkürlich erliegt. Vielleicht rückt mit der Harbeth die Sängerin fünf Zentimeter weiter von Mikro weg, vielleicht ahne ich bei anderen Lautsprechern eher, ob ihre Zunge gerade beim linken Schneide- oder dem rechten Eckzahn anstößt – but who cares? Okay, so etwas kann schon Spaß machen. Aber das kann der Körpereinsatz, mit dem die 30.1 Stimmen darstellt, nicht minder. Die (Geschmacks-)Frage lautet, wovon man sich lieber verführen lässt – und die können Sie nur selbst beantworten. Mit der 30.1 werden Sibilanten und S-Geräusche jedenfalls in ein minimal milderes Licht gerückt, was einer Musiksammlung, die nicht nur aus „audiophilen Perlen“ besteht, übrigens ganz gut tun kann.
Alan Shaw zeigt die patentierte Radial-Membran
Test: Harbeth 30.1 | Kompaktlautsprecher