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“Hol mal den Adapter von Gas auf Elektrisch!“ – einer dieser Sprüche, mit denen Meister und Gesellen gern ihre Lehrlinge auf die Schippe nehmen. Dabei gehen sie natürlich davon aus, dass den Azubis die Inkompatibilität dieser Welten zunächst nicht auffällt. Ein ganz ähnlicher Gedanke – obschon meine Lehrjahre lange zurückliegen – überkam mich, als mir Cambridge Audios neuer „Alva TT V2“ (https://www.cambridgeaudio.com/eur/de | 1.999 Euro) zum Test avisiert wurde. Plattenspieler mit Bluetooth? Aha. Wenn überhaupt, kennt man solche Kombinationen doch eher aus dem Low-Budget-Segment. Aber von einem etablierten Anbieter hochwertiger Audiogeräte? „Okay“, sagt sich der Tester, „fühlen wir dem Ganzen einfach mal intensiv auf den Zahn.“
Gehen wir’s direkt an: der Antrieb des Cambridge Alva TT V2
Cambridge Audio, seit jeher bekannt für Wiedergabeelektronik mit überzeugendem Preis-Leistungs-Verhältnis, bietet Plattenspieler erst seit 2019 an: In diesem Jahr ging mit dem Alva TT der Vorgänger meines jetzigen Testmusters an den Marktstart, der nun in der Variante „V2“ in wesentlichen Punkten weiterentwickelt worden sein soll. Wer stehenbleibt, wird überholt – insofern ist Evolution immer gut. Zumal wir es hier mit einem Dreher zu tun haben, der ob seines Konzepts und seiner Ausstattung eine breitere Zielgruppe ansprechen soll als die „Hardcore-Analogis“. Beim Cambridge Alva TT V2 handelt es sich nach wie vor um einen direkt angetriebenen Plattenspieler. Das heißt, der Teller sitzt – ohne „Umweg“ über Riemen oder Zahnräder – direkt auf einem quartzgesteuerten Gleichstrommotor. Fans des legendären „Disko-Urvaters“ Technics SL-1210 werden aufmerken: „Ja, damit konnte – und kann – man auch scratchen!“. Tja, schon richtig. Ist aber nicht unbedingt Zielsetzung der Londoner gewesen …
Einer Eigenschaft, die Fans des berühmten Japaners seit jeher ebenfalls lieben, erteilten die Cambridge-Entwickler beim „Alva“ allerdings eine Abfuhr: Der Brite nimmt sich beim Anlaufen und beim Abbremsen seines recht schweren Tellers aus dem thermoplastischen Kunststoff POM (Polyoxymethylen) doch etwas mehr Zeit. Etwa eine ganze Umdrehung, dann ist er auf Solldrehzahl. Da ist der Japaner schneller und verfügt – ganz seiner Tradition folgend – über eine „Pitch Control“, mit der sich die Drehzahl händisch beeinflussen lässt. Der schwere Kunststoffteller des Cambridge Alva TT V2 bringt allerdings einen entscheidenden Vorteil mit. Das bei Direkttrieblern nie vollständig unterdrückbare „Polruckeln“ spielt auch durch das Trägheitsmoment der POM-Scheibe beim Cambridge Alva TT V2 klanglich überhaupt keine Rolle.
Bei diesem Antriebskonzept trotzdem stets ein Thema: Übertragen sich Motorgeräusche auf Teller und Abtaster und beeinflussen somit störend das Klangergebnis? Klares Nein! In der Anlaufphase, oder wenn der hinterlistige Tester den sich drehenden Teller absichtlich abbremst und der darunter montierte Motor gegen diesen Widerstand arbeiten muss, hört man ihn ganz leicht rauschen. Während des normalen Wiedergabebetriebs ist er absolut nicht wahrnehmbar.
Ohne Matte, aber mit High-Output: das Drum und Dran am Cambridge Alva TT V2
Beim Auspacken war ich zunächst verwundert über das Fehlen einer Auflagematte aus Gummi oder Filz, die im Betrieb das Vinyl von der Telleroberfläche trennt und in der Regel statische Aufladung verhindert. Da fehlt aber nix: es gibt keine! Die Platte wird direkt auf den Teller platziert. Kann man so machen, POM – andere Hersteller nennen es „Delrin“ – ist gegen statische Aufladung immun. Bei mir war es mehr so ein psychologischer „Moment mal, da fehlt doch was!“-Effekt, ich bin´s eben anders gewohnt.
Beim Vorgänger hatte Cambridge Audio den Tonarm sozusagen aus der Nachbarschaft, von Rega, bezogen, was grundsätzlich immer eine gute Idee ist. Der Alva TT V2 ist hingegen mit einer hauseigenen Entwicklung bestückt, die als augenscheinlichste Neuerung ein abnehmbares Headshell mitbringt. Ich persönlich bin ein großer Fan dieser Lösung, erlaubt sie doch eine praktisch narrensichere Montage des Tonabnehmers oder – bei Bedarf – einen schnellen Wechsel des Abtasters. Die Antiskating-Kraft kann man bequem und präzise mittels Rädchen justieren, die Tonarmhöhe indes überhaupt nicht. Das ist meines Erachtens eine allenfalls marginale Einschränkung, für die meisten am Markt befindlichen Tonabnehmersysteme dürfte es passen. Vermutlich wird der Käufer des Cambridge Alva TT V2 seltenst auf den Gedanken kommen, einen anderen Abtaster montieren zu wollen, denn: Cambridge Audio liefert ja einen mit. Und das ist nun beileibe kein Alibiteil nach dem Motto: „Hauptsache, erstmal einer dabei“. Nein, beim „Alva MC“ handelt es sich um ein richtig feines High-Output-MC-System, das Cambridge auch einzeln für knapp 500 Euro anbietet. Hier gehört es zum Paket.
MCs genießen gegenüber „Moving Magnet (MM)“-Tonabnehmern ja den Ruf der feineren, gleichwohl dynamischeren und farbkräftigeren Abbildung. Typischer Nachteil: Moving Coils sind oft recht leise, weshalb sie in jedem Fall höherer Verstärkung bedürfen. Beim Alva MC jedoch handelt es sich um eine so genannte „High Output“- Variante, die eine so hohe Ausgangsspannung liefert, dass man sie sogar an einem Phono-MM-Eingang betreiben könnte. Damit versucht der Cambridge-Abtaster also klangliche Vorteile mit einer für MCs vergleichsweise hohen Ausgangsspannung von zwei Millivolt (ein durchschnittliches MM liefert etwa fünf Millivolt) zu verbinden, was sich wie ein Perfect Match liest. Ist es eigentlich auch. Warum man das Alva MC – im Falle, Sie möchten es über einen externen Phono-Pre laufen lassen und nicht den integrierten des Plattenspielers nutzen – doch über einen MC-Eingang abnehmen sollte, lesen Sie im Klangteil.
Nicht unerwähnt lassen möchte ich, obwohl nicht klangrelevant, das puristische Design des Tonabnehmers. In der Regel sind Nadelträger, Magnetspulen und Pole in einem schützenden Gehäuse verborgen – beim Cambridge Audio Alva TT V2 kann man das alles sehen, was ich persönlich technoid-cool finde. Wirklich „dran“ kommt man glücklicherweise nicht, der vorhandene „Restkorpus“ aus Aluminium verhindert das.
Seine umfangreiche Mitgift weiß der Cambridge Alva TT V2 dabei geschickt hinter seiner anthrazitgrauen MDF-Zarge, die von einem massiven Aluminiumplatte gekrönt wird, zu verstecken. In diese sind vorn links drei Bedientaster (On-Off und die beiden wählbaren Geschwindigkeiten 33 1/3 und 45 U/Min) eingelassen. Vorne rechts sind das Cambridge-Logo und der Markenschriftzug eingefräst, was ziemlich edel aussieht. Eine rauchgrau getönte Staubschutzhaube gehört zum Lieferumfang.
Das Plus an Komfort: Bluetooth + Vorverstärker
Dass der Cambridge Audio Alva TT V2 über ein Bluetooth-Sendemodul verfügt, das nach dem aptX-HD-Standard arbeitet – und dessen Klangeigenschaften ich mich natürlich ebenfalls widmen werde – hatte ich bereits kurz angerissen. So lässt er sich beispielsweise nicht nur direkt mit drahtlosen Lautsprechern, sondern natürlich auch mit ebensolchen Kopfhörern verbinden. In der Praxis funktioniert dieser „Pairing“ genannte Vorgang innerhalb weniger Sekunden. Zusätzlich haben die Briten dem Plattenspieler einen Phonovorverstärker eingebaut, womit er – wenn er kabelgebunden betrieben werden soll – ganz einfach am Hochpegeleingang eines Verstärkers andocken kann. Dieser benötigt dann nicht zwingend einen Phonoeingang. Wer den Dreher „ganz klassisch“ über einen externen Pre in seine Anlage einschleifen möchte, kann auch dies tun, der eingebaute Vorverstärker ist abschaltbar.
Cambridge Audio Alva TT V2: Klangtest & Vergleiche
Es kommt sehr selten vor, dass ein Plattenspieler gleich drei Klangübertragungswege bietet, die sich zwar eher geringfügig, aber doch hörbar voneinander unterscheiden. In der klanglichen Beurteilung des Cambridge Audio TT V2 werde ich im Folgenden zunächst die „klassische“ Anschlussart (analog mit ausgeschaltetem integriertem Phonovorverstärker) als Grundlage nehmen, um eine Vergleichbarkeit zum Wettbewerb herzustellen. Heißt: Der schicke Brite überträgt sein Signal an meinen Lehmann Audio Black Cube Statement, dieser wiederum hängt an meinem Magnat-RV-3-Hybridvollverstärker. Anschließend hören wir uns noch die Bluetooth-Verbindung sowie den integrierten Vorverstärker an.
Ab in die Tiefe
Ich starte ganz entspannt mit „Hello“ (Album: Sunrise over Sea) vom John Butler Trio aus Neuseeland. Ein Stück, dem gefühlt die Weite eines ganzen Landes innewohnt und das – aus HiFi-Perspektive betrachtet – vor allem mit seinem sehr dicht abgenommenen, staubtrocken-knarzigen Kontrabass punktet. Dessen Saiten sich flirrend in den Gehörgang schrauben und dessen Volumen sich bis tief in die Magengrube gräbt. Was der Cambridge Audio Alva TT V2 auch genauso transportieren kann. Schön, wie schlackenlos er dem Basslauf folgt und wie leichtfüßig-federnd er damit ´rüberkommt.
Das einsetzende Schlagzeug unterstreicht, dass der englische Plattenspieler die akustische Tiefebene nicht unbedingt bis in die letzte Oktave nach unten mitgeht, dafür trocken-straff und mit sehnigem Punch auftritt. Das hat schön „Speed“ und kommt herrlich knackig. Mein Technics SL-1210GR (Preis: ca. 1500 Euro) mit MM-Tonabnehmer Shelter 201 reicht tiefer hinab und zeigt sich im Bass etwas „saftiger“ und druckvoller, was die japanische Disko-Ikone zwar stämmiger, aber eben auch nicht ganz so spritzig, weniger tänzerisch erscheinen lässt. Ein Eindruck, der sich mit elektronischer Musik bestärken lässt. „Easy Way Out“ von Roosevelt (Album: Polydans) marschiert unter der Abtastnadel des Cambridge-Audio-Drehers druckvoll-energetisch in den Gehörgang, während der Technics mit etwas mehr „Wucht“ hinlangt, mithin im Tiefbass voluminöser wirkt.
In der Mitte vorn …
Als ganz weit vorn empfinde ich den Cambridge Audio Alva TT V2 in den gehörsensitiven Mitten, vor allem bei Gesangsstimmen. Mag man Erzeugnissen von der Insel ja gern vorschnell ein mittenzentriertes und tendenziell wärmeres Timbre nachsagen, präsentiert sich der Direkttriebler aus London in dieser Disziplin als Musterbeispiel an Neutralität. Für solche Checks nehme ich mir stets gern die Hamburger Songwriterin Alin Coen – hier mit „Du machst nichts“ (Album: Entflammbar; auf Amazon anhören) – zu Hilfe, deren berührend-fragiles Organ sich so wunderbar unter die Haut schlängelt und jedes ihrer Worte zur Wahrheit deklariert. Ihre Stimme tänzelt zwischen einer Zartheit und leicht abgeklärten Kühle, die um nichts in der Welt auch nur einen Hauch von „Effektwärme“ oder zu viel Schmelz vertragen würde.
Der Technics SL-1210GR meistert diesen schmalen Grat für mich so gerade eben noch, obwohl er leicht zu Schmeichelei neigt. Nüchterner, neutraler und damit tonal „echter“ liefert indes der Cambridge Audio Alva TT V2 ab, der die Coen zudem einen Hauch – wirklich nur diesen, aber der kann den Unterschied machen – körperhafter und griffiger darstellt als sein japanischer Wettbewerber. Der als „GR“-Variante auch ein klein wenig günstiger ist (allerdings müsste man beim Alva eigentlich noch Pre und Bluetooth rausrechnen), was als Erklärung nicht wirklich trägt – es handelt sich hier meines Erachtens eher um klangliche Philosophien. Der Japaner „darf“ ob seiner Historie als legendäre Diskomaschine etwas muskulöser und voluminöser antreten, der Cambridge wurde klanglich etwas „ehrlicher“ designt.
Blick nach oben
Will man den Cambridge Audio Alva TT V2 nach oben abgrenzen, findet er in Gestalt klassischer Riementriebler würdige Gegner, etwa in Transrotors im Vergleich „glamourös“ und massig gestaltetem Jupiter (mit Tonarm 800S und MM-System Goldring Elektra um 3.000 Euro), der dem Alva TT V2 in seinen feinst ziselierten und gut ausgeleuchteten Höhenlagen sowie in Sachen Auflösung gewisse Grenzen aufzeigt. So kann der Rheinländer das hochkomplexe „Descending“ aus Tools Meisterwerk Fear Inoculum (auf Amazon anhören) in allen klanglichen Schichten durchdringen und jeden musikalischen „Handlungsstrang“ herauslösen, ohne aber dabei den Fluss zu unterbrechen. Hier hört man bereits die Grandezza eines handgefertigten Masselaufwerkes, auch wenn Transrotor preislich noch in ganz anderen Gefilden zuhause ist. Der „Jupiter“ dürfte indes je nach Arm-System-Bestückung als „noch erschwinglich“ durchgehen.
No Detailpulerei, please …
Mit der Auflösung bis ganz in die Tiefe des Geschehens hat der Cambridge Audio Alva TT V2 es nicht ganz so. Hörbar geht ihm der „Flow“ der Musik vor der Suche nach allerfeinsten Details, davon zeugt auch sein tonal ganz leicht zurückgenommener Hochton. Man möchte meinen, die Detailpulerei sei ihm eben nicht ganz so wichtig. Der emotionale Gesamteindruck soll am Ende zählen. Stimmt ja auch. Für Analytikfans, die das Nachschwingen einer einzelnen Triangel aus einem Orchester heraushören möchten, gibt es geeignetere Spezialisten.
Ein Fest für Dynamikfans
Für Dynamikfans ist der Cambridge Audio Alva TT V2 aber genau der Richtige! In Sachen Attacke, Spielfreude und Punch läuft de Dreher selbst dem kürzlich von mir getesteten Clearaudio „Concept Edition Gold“ (um 3.000 Euro) beinahe den Rang ab. Nach dem Motto: „Lass krachen, Amigo!“ wirft sich der Brite in das schwermetallene „A World Away“ von Tremonti (Album: Marching in Time; auf Amazon anhören) und peitscht das Stück mitreißend und roh in den Hörraum, dass ich dabei nicht ruhig sitzen bleiben mag. Schweiß perlt von der Stirn! Laut-Leise-Laut-Passagen und Impulsspitzen überträgt der Cambridge dabei so unmittelbar, dass man sie nicht nur hört, sondern fühlt.
Clearaudios feiner Sonderling kann sich dann doch behaupten, aber nur dadurch, dass er seine Energieschübe besser kontrollieren kann als der Londoner Direkttriebler. Was den Erlanger abgeklärter erscheinen lässt. Angesichts des Preisunterschieds letztlich nur erwartbar.
Seine Spielfreude und sein dynamisches Talent gehen dem Cambridge Alva TT V2 selbst dann nicht verloren, wenn er es leiser vortragen muss. Das dynamische Potenzial einer Aufnahme spiegelt er auch dann. Man mag ihn aber flüstern hören: „Alter, lös‘ die Handbremse und lass mich richtig loslegen!“
Tugendhaft: Die Räumlichkeit
Spurtreu auf dem Pfad der hifidelen Tugend wandelt der Cambridge Audio Alva TT V2, wenn es ihm um die Raumabbildung geht. Hier vermag der englische Plattenspieler einen realistischen Umriss der Bühne zu zeichnen – nicht größer, nicht kleiner – und setzt dem Auditorium die Performance trotz seines grundinvolvierenden Duktus niemals aufdringlich auf den Schoß. Er wahrt eine Respektdistanz zwischen Hörer und gedachter Bühnengrundlinie, von wo aus er die Musiker hervorragend ortbar und in stets nachvollziehbaren Relationen zueinander platziert. Bühnenbreite und Tiefe erscheinen in glaubhaften Dimensionen.
Was kann der Bluetooth-Transmitter?
Natürlich weiß ich, auf was Sie – vermutlich bereits seit einigen Zeilen – brennen: Sie möchten wissen, wie gut sich der Bluetooth-Transmitter klanglich im Vergleich zum klassischen analogen Übertragungsweg schlägt, richtig? Vielleicht muss ich den einen oder anderen Hardcore-Vinylisten tatsächlich ein wenig enttäuschen, wenn ich hier deutlich feststellen muss: Im Prinzip richtig gut! Was heißt das? Klar ist, dass es sich bei Bluetooth, selbst wenn wie hier im „apt-X HD“-Standard übertragen wird, um ein datenreduziertes Format handelt. Und ja, dass hört man auch. Die mitreißende und mitunter fast explosive Dynamik, die den Charakter des Cambridge Audio Alva TT V2 ausmacht, wirkt über den digitalen „Luftweg“ in ihrer Ausprägung ganz leicht gebremst, wie ein kurz gelupftes Gaspedal. Auch die analog so strahlend leuchtenden Klangfarben tönen eine Nuance blasser – insgesamt wirkt das Klangbild „glatter“, wobei es absolut stimmig bleibt. Man sollte jetzt keineswegs denken, via Bluetooth vernähme man kein vinyltypisches Rauschen und Knacksen mehr, gefiltert wird hier nicht. Die Oberflächengeräusche der Schallplatte habe ich indes etwas leiser wahrgenommen, was gar nicht unangenehm ist.
Unterm Strich würde ich qualitativ dem analogen Signalweg den Vorzug geben, aber: Ich komme natürlich aus einer Generation, die mit der Schallplatte aufgewachsen ist und daher mit dem scheinbaren „Gedankenbreak“, eine analoge Abtastung digital zu übertragen, fremdelt. Einem Vinyl-Neueinsteiger, der sich diesen Plattenspieler eventuell sogar aufgrund dieses besonderen Features anschafft, mag das Klangbild via Bluetooth vielleicht sogar besser gefallen. Sie merken, wie subjektiv Empfindungen ausfallen können, und wie sehr man die Nutzung des Cambridge Alva TT V2 wirklich an seine individuellen Gewohnheiten anpassen kann.
Integriert oder extern – Welchen Phono-Pre wählen?
Hardcore-Vinylisten antworten jetzt: „Extern! Ist doch klar. Eine integrierte Verstärkerlösung muss ja irgendwie noch ins wirtschaftliche Kalkül des Herstellers passen und ist deshalb oft nur Beiwerk.“ Der Testredakteur reagiert mit abwägendem „Ja, aber…“.
Natürlich ist ein Gerät mit dem Funktionsumfang des Cambridge Alva TT V2 eine Mischkalkulation und der Verdacht liegt nahe, dass ja an irgendeiner Komponente gespart worden sein muss. Nun, hier ist es so: Falls dem so sein sollte, wissen die Briten das ziemlich geschickt zu kaschieren. Denn der eingebaute Phonovorverstärker ist alles andere als ein Alibitool! Eingespeist über den Hochpegeleingang (CD) meines Magnat RV-3-Vollverstärkers sprüht der Cambridge nur so vor Lebensfreude und nimmt mit der Live-Version „Feuer“ des Hamburger Rappers Jan Delay sein Auditorium sprichwörtlich „unter Feuer“. Die Bläsersätze von Delays fantastischer Liveband „Disko No. 1“ platzen unmittelbar in den Hörraum, die Percussions und Drums stehen dem in Sachen Attacke und Punch in nichts nach. Über den typisch nasal-trötigen Gesang des norddeutschen Künstlers muss man jetzt keine Qualitätsdebatte führen, allerdings wird er plastisch-griffig-natürlich in den Raum projiziert. So möchte man Musik hören, wenn Rhythmus und Involvement weit oben auf der Wunschliste stehen.
Welches Schippchen kann da ein externer Entzerrer noch drauflegen? Ein bisschen was geht schon noch – Lehmann Audios kompakter „Black Cube Statement“ (Preis: um 400 Euro), der sich mittels „Mäuseklavier“ (DIP-Schalter auf seiner Unterseite) exakt an die Abschlusswiderstände diverser MM- und MC-Tonabnehmer anpassen lässt, arbeitet die opulente Klangfarbenwelt in „Here we are Juggernaut“ der New Yorker Progrocker Coheed and Cambria (Album: Year of the Black Rainbow; auf Amazon anhören) noch etwas satter heraus und findet einen noch etwas erdigeren Grundton, der dem Cambridge gefühlt eine noch verbindlichere Note verleiht. Räumlich wirkt die Darstellung über den externen Phono-Pre aus Köln – minimal, aber wahrnehmbar – gelöster und luftiger. Zusammengefasst heißt das: Die Anschaffung eines separaten Phonomoduls kann sich für jene Hörer lohnen, die klanglich noch etwas „trimmen“ möchten. Für sich genommen funktioniert der Cambridge Audio Alva TT V2 allerdings als Gesamtpaket bereits sehr gut.
Test: Cambridge Audio Alva TT V2 | Plattenspieler