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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Sündiges aus Saint-Étienne
  2. 2 Klang: Focal Maestro Utopia Evo

Ja, das macht schon Spaß: Als HiFi-Redakteur hat man auch ohne mittleren Lottogewinn in der Tasche die Möglichkeit, sich regelmäßig kostspielige, audiophile Träume frei Haus liefern zu lassen. Um sie sodann einem Realitätscheck zu unterziehen: Sind die Träume doch nur Schäume – oder gehen sie als unbewusste Wunscherfüllungen durch? „Mal Lust, einen wirklichen Spitzenlautsprecher zu hören?“, fragte mich Dalibor Beric, Focal-Verantwortlicher beim deutschen Vertrieb Music Line, nach unserem Test der Sopra No 3. Na klar, warum nicht?!

Dabei ist die Focal Maestro Utopia Evo (Vertrieb: www.focal.com/de, Preis des Testgerätes: 52.000 Euro) gar nicht einmal das Spitzenmodell der Franzosen, sondern nur die Nummer 3. Angesichts von anderthalb Meter Höhe, knapp 80 cm Tiefe, einem Gewicht von 116 kg pro Stück und eines Preises, der leichten Schwindel verursachen kann, erstaunt das den Uneingeweihten vielleicht ein wenig – aber mit den Grande Utopia EM und Stella Utopia EM gibt es tatsächlich noch aufwendigere Lautsprecher im Portfolio des Traditionshauses aus Saint-Étienne. Einerlei, die Focal Maestro Utopia Evo ist jedenfalls, zusammen mit ihrer Schwester Scala Utopia Evo, der neueste Wurf aus Focals Spitzenboxenriege. Und das Kürzel „Evo“ zeigt schon an, dass es sich um eine Weiterentwicklung handelt.

Focal Maestro Utopia Evo in Blau

Neben kosmetischen Eingriffen – das Gehäuse der Maestro Utopia Evo ist nun ein- statt zweifarbig ausgeführt, das Hochtondepartment nimmt das Schwarz des Fußes auf, so auch die Lautsprecherkörbe – sind viele technische Neuerungen vonstattengegangen. Tatsächlich wurden dabei auch einige Innovationen, die sich bei der Entwicklung der Sopra-Produktlinie ergaben, gleich mit übernommen. So etwa der „NIC“ (Neutral Inductance Circuit) genannte Impedanzkontrollring beim Mitteltöner, der unerwünschte Interdependenzen zwischen den Feldern der Schwingspule und der Permanentmagneten minimieren soll – und damit schlussendlich Verzerrungen. Aber auch der ringförmig aufgebrachte Massedämpfer („TMD“ = Tuned Mass Damper), der der Resonanz der Sicke genau entgegengesetzt arbeitet und sie neutralisieren soll, kam erstmals bei den Sopra-Lautsprechern zum Einsatz.

Statt aufs Vier- setzt die neue Focal Maestro Utopia Evo aufs Dreiwege-Konzept. Im Bass wird nicht mehr bei 90 Hz und 220 Hz getrennt wie zuvor, sondern beide 27-cm-Woofer übergeben bei 280 Hz zusammen die Verantwortung an den Mitteltöner. Entsprechend grundsätzlich wurde die Frequenzweiche überarbeitet. Nicht nur gibt es jetzt für den Hoch/Mittelton- und den Bassbereich getrennte Weichen, auch seien diese hinsichtlich des Phasengangs optimiert sowie ihre Bauteile nach gehörmäßigen Kriterien ausgesucht worden, so Focal.

Doch „einheitlich“ ist jetzt nicht nur der Cross-over-Punkt, sondern auch das Volumen, welches sich die beiden Basschassis teilen; beim Vorgänger hatte jeder Treiber seine eigene Kammer. Der den Woofern effektiv zur Verfügung stehende Rauminhalt von 101 Liter ist somit größer als zuvor, was der Tiefbassfähigkeit nicht zum Nachteil gereichen dürfte. Neues Dämpfungsmaterial im Innern soll die Basswiedergabe zudem präziser machen. Dass der Bassreflexkanal auf die Bodenplatte des Lautsprechers „atmet“, von wo aus eine trichterförmige Öffnung nach vorne weist, war allerdings schon beim Vorgänger so.

Die Basstreiber selbst sind die gleichen geblieben: Zwei 11 Zoll große Woofer mit der Focal-typischen Sandwichmembran (ein Glasfaser-Spezialschaum-Komposit), die im Fall der Fälle reichlich Hub (34 mm) machen können, verantworten die tiefen Lagen. Bei einem von ihnen, dem unteren, lässt sich die elektrische Güte einstellen. Diese „Magnetic Damping System“ (MDS) genannte Technik ist sehr interessant, erlaubt sie doch mehr, als einfach nur den Pegel zu justieren: Hiermit lässt sich das Dämpfungsverhalten steuern. Dazu wurde eine zweite, äußere, „passive“ Spule über die vom Verstärker angetriebene innere „aktive“ gewickelt. Durch die Bewegungen im Magnetfeld wird nun natürlich auch in der MDS-Spule ein Strom induziert, den man über ausgesuchte Widerstandswerte qua Steckbrücke am Lautsprecherterminal mehr oder weniger kurzschließen kann. Wählt man eine geringere Güte, steigt die Dämpfung, was zu einer trockeneren Tieftonwiedergabe führen soll – und vice versa. Mehr dazu später.

Über einen zweite, passive Spule lässt sich das Dämpfungsverhalten der Focal Maestro Utopia Evo im Bass justieren

Über einen zweite, passive Spule lässt sich das Dämpfungsverhalten der Focal Maestro Utopia Evo im Bass justieren

Im Hochton kommt natürlich Focals invertierte Berylliumkalotte zum Einsatz, doch nicht nur das leichte und extrem harte Membranmaterial gehört zu den Markenzeichen der Franzosen, sondern auch die Akustikkammer hinter dem Hochtöner. Beides hängt übrigens miteinander zusammen: Beryllium ist federleicht, die Kalotte wiegt lediglich 27 mg – durchaus von Vorteil für ein schnelles Ansprechverhalten und damit für die Wiedergabe von Transienten. Allerdings bilden Membran und die mit Luft gefüllte Kammer hinter ihr ein Masse-/Feder-System, dessen Resonanzfrequenz sich natürlich um so mehr nach oben verschiebt, je leichter die Membran wird. Die Folge: Der Tweeter lässt sich erst in einem höheren Frequenzbereich zufriedenstellend einsetzen. Focal will das vermeiden – deshalb wurde die Hochtonkammer zum einen ziemlich üppig dimensioniert, was die Federwirkung des „Luftkissens“ per se schon einmal verringert, zum anderen das Kabinett durch eine spezielle Formgebung und den gezielten Einsatz von Absorptionsmaterial so gestaltet, dass sich kaum noch stehende Wellen und Resonanzen ausbilden können, so die Franzosen.

Um die Minimierung von Eigenklang und Resonanzerscheinungen geht es auch beim neuen Mitteltöner der Focal Maestro Utopia Evo. Nicht nur NIC und TMD trügen, wie eingangs erwähnt, hierzu bei, auch ein etwas dünnerer Aufbau der lasergeschnittenen Sandwichmembran und eine weichere Sicke sollen der Sauberkeit der Wiedergabe zuträglich sein. Übrigens lassen sich auch Hoch- und Mittelton justieren (jeweils +/- 1 dB) – wie beim Bass über eine Steckbrücke beim Bi-Wiring-Terminal.

Mitteltöner der Focal Maestro Ultima Evo

Mitteltöner der Focal Maestro Ultima Evo

Klang: Focal Maestro Utopia Evo

Die erste intensivere Auseinandersetzung mit dem Produkt erfolgt im Treppenhaus: 232 kg wollen in den dritten Stock. Und natürlich fehlt ein Aufzug. Wäre sonst ja auch zu einfach. Deshalb an dieser Stelle ein dreifaches Hoch auf eine wirklich entscheidende technische Innovation: die treppengängige, elektrische Sackkarre, die die gewichtigen Französinnen Stufe für Stufe näher ans Ziel bringt.

Nachdem die Focal Maestro Utopia Evo dann in meinem Hörzimmer stehen, machen sie es mir sehr bequem: Diese Lautsprecher sind derart schwer, dass sie gleich ab Werk mit Bodenrollen versehen werden. Und so kann ich dann ganz easy mit den 116-kg-Brocken über meinen Parkettboden gleiten. Ohne Witz, da sind Tests von Kompaktboxen potenziell rückenschädigender. So liebe ich das.

Auf- und Einstellung

Praktisch sind die Rollen natürlich auch deshalb, weil sie die Positionierung der Lautsprecher im Raum sehr erleichtern. Die Focal verhalten sich in der Hinsicht zwar nicht sonderlich divenhaft, aber als echte Fullrange-Boxen muss die Basswiedergabe eben auch „in den Raum passen“ – und als Punktschallquelle geht diese 90 cm lange Chassisstrecke ja nun auch nicht durch. Deshalb schubse ich meinen Sessel einen knappen halben Meter nach hinten und ziehe die Französinnen noch etwas weiter in den Raum hinein als andere Lautsprecher. Schlussendlich stehen sie, von der Schallwand aus gemessen, 1,75 m von der Rückwand entfernt, während links und rechts ein guter Meter Platz ist. So passt das. Natürlich müssen die Focal nicht auf ihren Rollen stehen bleiben. Im Lieferumfang sind hochwertige, massive Spikes mit magnetisch haftenden Tellern enthalten.

Bass, Mitten und Höhen lassen sich bei der Focal Maestro Utopia Evo per Steckbrücken justieren

Bass, Mitten und Höhen lassen sich bei der Focal Maestro Utopia Evo per Steckbrücken justieren

Nun zu den Einstellmöglichkeiten für Bass, Mitten und Hochton: Ich beginne die erste Hörsession in der Neutral-Position – und komme zu dem Schluss, dass die Bezeichnung durchaus passt, mit der Ausnahme, dass sich der Tiefton in meinem Raum etwas betont gibt. Weniger als das mit der Focal Sopra No 3 der Fall war, aber eben doch ein bisschen. Also stecke ich die Brücke auf geringere Güte = höhere Dämpfung, und siehe da: Es gestaltet sich untenrum nun nicht nur etwas schlanker, der Bassbereich wirkt auch noch kontrollierter. Zwar habe ich immer noch den Eindruck, „mehr Bass“ zu hören als sonst, aber dass liegt vor allem am geradezu aberwitzigen Tiefgang dieser Focal, das kriege ich sonst einfach gar nicht geboten.

Was bei solch kühlschrankgroßen Boxen und deren Bassperformance natürlich auch immer mit hineinspielt, ist die Raumgröße: Meine dreißig Quadratmeter halte ich eher für das untere Limit. Nicht zuletzt dank hoher Altbaudecken und entsprechendem Raumvolumen klappt es bei mir mit den Focal hervorragend. Aber auf 20 m² und bei normaler Deckenhöhe … hmm, das ergibt wohl wenig Sinn. Aber was soll’s. Die, die sich solche Lautsprecher leisten können, werden wohl kaum unter allzu beengten Wohnverhältnissen leiden.

Explosionsgrafik vom Beryllium-Tweeter der Focal Maestro Ultima Evo

Explosionsgrafik vom Beryllium-Tweeter der Focal Maestro Ultima Evo

Für den Hochtonbereich sehe ich keinerlei Anpassungsbedarf, weder nach unten noch nach oben, der kommt perfekt justiert rüber – und den Jumper für den Mittelton lasse ich ebenfalls bei „neutral“ stecken. Zumindest in 70 % der Fälle. Die Mitten geben sich wirklich ausgewogen, wenn man überhaupt eine Tendenz heraushören möchte, dann geht die eher ins Leichte als Sonore, aber das ist minimal. „Präsenzbetont“ wäre deshalb auch ein falscher Begriff. Da aber der Grundton sehr straight und ohne „kulante Wärme“ durchgezogen wird und gleichzeitig die Auflösung fast schon abnorm ist, kann es bei tonal kargeren Aufnahmen natürlich auch mal piksen, insbesondere bei höheren Pegeln. Dann hilft es, die Steckbrücke auf „soft“ zu stellen. Allerdings softet das auch die Transientenwiedergabe etwas ab, weshalb ich es meistens doch bei „neutral“ belasse. Wie auch immer: Die Einstellmöglichkeiten der Focal Ultima Maestro Evo sind praxistauglich gewählt und erhöhen die klangliche Flexibilität.

Ziemlich extrem

Manchmal fällt es sogar HiFi-Journalisten schwer, Worte zu finden, auch wenn Sie das jetzt kaum glauben mögen. Angesichts dessen, was die Focal Maestro Utopia Evo hier veranstaltet, sind Ausrufe wie „Heftig!“ und „Mein Gott!“ zwar öfter zu hören, doch die allein sagen nun auch nicht viel aus. Aufschlussreicher ist da vielleicht, welche Art von Musik ich während des Gastspiels der Französin besonders gerne höre: Zum einen sind das einfache, ja geradezu minimalistisch instrumentierte, gute, aber auch „rohe“ Aufnahmen – zum anderen kompliziertes, anstrengendes, dichtes, sperriges Zeug. Warum?

Das sogenannte „Power Flower“-System beim Focal-Mitteltöner soll für ein zugleich starkes und homogenes Magnetfeld sorgen

Das sogenannte „Power Flower“-System beim Focal-Mitteltöner soll für ein zugleich starkes und homogenes Magnetfeld sorgen

Nun, bei den vermeintlich einfachen Sachen ist es vor allem das extrem hohe Auflösungsvermögen der Focal Maestro Utopia Evo, das mich fasziniert. Der Detaillierungsgrad ist quer übers Frequenzband hinweg auf höchstem Niveau, aber insbesondere im musikalisch wichtigsten Bereich, den Mitten, kann es ein regelrecht umhauen.

Cat_Power-You_Are_FreeAuf dem Plattenteller des SME 15 liegt Cat Powers Album You are Free (auf Amazon anhören) – viel mehr als etwas Gesang, akustische wie elektrische Gitarre, Bass und vereinzelt ein paar Streicher oder Klaviereinsprengsel ist bei der „Queen of Sadcore“, wie sie mal genannt wurde, nicht los. Klasse statt Masse, könnte man sagen. Und dieses Programm setzt auch die Maestro Utopia Evo um: Vom Rauschen der Aufnahme bis zum leisesten Schnarren einer Saite, hier wird wirklich alles hervorgeholt. Oh Mann, und wie saftig-sonor die Streicher ins Klangbild reinschweben und trotzdem klangfarblich hochakkurat abgestuft werden!

Okay, startend beim My-Sonic-Lab-Tonabnehmer bis hin zur Focal Utopia am Ende des Set-ups wurden hier ungefähr 100.000 Euro verbaut – ein bisschen Magie sollte da ja auch schon drin sein! Und tatsächlich erzeugen diese Luxusboxen das Gefühl in mir, dass der Gesang jetzt wahrscheinlich undeutlicher rüberkäme, wenn Chan Marshall ein paar Schritte von mit entfernt live sänge. Womit ich der Focal Maestro Utopia Evo gar keinen „Hyperrealismus“ vorwerfen möchte – vielmehr stellen die französischen Lautsprecher einfach nur ganz „nackt“ dar, was die Aufnahme bezweckte: nämlich ein Close-up (und eben nicht: realistische Halbdistanz) auf diese leicht heisere, leicht brüchige Stimme und all die dabei mitschwingende Melancholie. Ich bin ja verdammt guten Ton gewohnt, doch Marshalls Gesang bei „Babyhall“ haut mich komplett aus den Socken. Eine unfassbar intensive Nummer ist das.

Focal Maestro Utopia Evo - Mittel- und Hochton-Kopf

Zur hochauflösenden Gangart gesellt sich die hochakkurate Raumdarstellung. Nicht nur können Breite, Tiefe und Höhe der virtuellen Bühne, je nachdem, wie die Aufnahme es erfordert, quasi beliebig skaliert werden; nicht nur sind Abbildungspräzision und Plastizität der Klangbilder vom Feinsten, was mich angesichts der Größe dieser Schallwandler doch etwas verwundert. Nein, hier passiert noch mehr …

Man könnte glatt von einem „Raum-im-Raum-Effekt“ sprechen: Die einzelnen Klangkörper werden nämlich nicht nur präzise-griffig abgebildet und dann „nackt“ ins große Bühnenganze eingebunden. Sie bekommen jeweils noch einen gesonderten Raum um sich herum zugesprochen, eine Art eigene „Sphäre“ um den jeweiligen Klang (einer Stimme zum Beispiel), und diese Sphären integrieren sich dann wiederum in die umfassende Gesamtbühne. Man könnte hierfür den im Englischen gebräuchlichen Begriff „Bloom“ verwenden, und das Ergebnis einer organischeren Einbettung der musikalischen Akteure ins Bühnenbild – im Gegensatz zu einer sehr präzisen, aber irgendwie „rechtwinkligen“, überscharfen – ist durchaus vergleichbar. Doch scheint mir der Begriff im Kontext von Röhrenverstärkern, insbesondere bei Single-Ended-Triode-Amps, gebräuchlicher. Und bei denen habe ich das Gefühl, das etwas „gemacht wird“ – während es bei der Focal Maestro Utopia Evo so wirkt, dass die „Luft“ um die einzelnen Klänge deshalb hörbar wird, weil alles Verundeutlichende „weggelassen wird“. Ich weiß, das hört sich jetzt reichlich abgefahren an. Zu meiner Entlastung kann ich nur anführen, dass diese Lautsprecher im Gegenwert eines anständig ausgestatteten Mercedes-E-Klasse-Coupés eben auch recht abgefahrene Dinge machen.

Im Getümmel

James BlakeDie genannten Tugenden machen sich natürlich auch bei komplexeren, dichter instrumentierten Stücken bezahlt – hinzu gesellt sich, als weitere Stärke, die absolute Stabilität im Klanggetümmel: Eine knappe Handvoll Instrumente sauber im Raum zu verteilen ist das eine. Leise Signale im hintersten Winkel der Bühne sauber nachzuzeichnen, während drum herum ein grobdynamisches Feuerwerk abbrennt, das andere. Und so macht Musik, die gerade auch von Soundscape-Effekten lebt – zum Beispiel von The Notwist, PVT, James Blake etc. –, über die Focal Maestro Utopia Evo extrem viel Spaß, da Klangschicht für -schicht übereinandergestapelt wird, ohne dass es zu Verdeckungseffekten oder Undeutlichkeiten käme.

Lachenmann_kontrakadenzKlassikfreunde mit Faible für Großorchestrales kommen ebenfalls voll auf ihre Kosten: Natürlich kann ich die Focal nicht wieder ziehen lassen, ohne zumindest einmal The Yellow Shark von Frank Zappa und dem Ensemble Modern (auf Amazon anhören) zu hören. Die schiere Größe des Klangraums bei gleichzeitiger Präzision der Abbildung, klangfarblicher Abstufung und des fein- wie grobdynamischen Kontrastes konnte ich so bei mir bis dato noch nicht erleben. Noch etwas mehr beeindruckt mich eine Aufnahmen von Lachenmanns Kontrakadenz (auf Amazon anhören), eingespielt vom SWR-Radio-Sinfonieorchester unter der Leitung von Michael Gielen – vor ziemlich genau 47 Jahren. Doch eingestaubt klingt die nun gar nicht, zumindest nicht über die Focal. Lachenmanns schräg-sperriger Klangkosmos (manche meinen ja sogar „Anti-Musik“) entfaltet sich sehr transparent und nimmt einen mit auf eine akustische Tour de Force, die einen waidwund im Sessel zurücklässt. Als das Schlagwerk mit den Pauken einsetzt, muss ich auflachen – gerade weil es so humorlos-realistisch und in voller Größe rüberkommt.

Einordnung & Vergleiche

Einen Lautsprecher wie die Focal Maestro Utopia Evo einzuordnen, fällt nicht ganz leicht. Vielleicht ist das auch gar nicht zwingend nötig, denn diejenigen, die sich ihn leisten können, werden kaum hartleibige Preis/Leistungs-Fanatiker sein, während wir Normalos mit den mittelgroßen Brieftaschen uns darüber verständigen können, dass gut gemachte Boxen für ein Zehntel des Geldes preiswerter im Wortsinn sind. Ferrari fahren ist toll, mit einem Fiat kommt man auch voran. Trotzdem möchte ich ein paar Vergleiche anführen:

Eine „nur“ halb so kostspielige Audiograde Ardora konnte ich im gleichen Raum an gleicher Elektronik ausgiebig hören. War die nun wesentlich schlechter als die Focal Maestro Utopia Evo? Was das schiere Auflösungsvermögen im Mittel/Hochtonband sowie die Präzision der Raumdarstellung angeht – nein. Was die Bassperformance betrifft, macht die Audiograde allerdings keinen Stich, weder in Sachen Tiefgang, noch bei Substanz oder Durchzeichnung. Damit einher geht, dass die Französin nicht nur grobdynamisch deutlich souveräner spielt, sondern auch ein ausladenderes Bühnenbild vermitteln kann (echte Tiefbassfähigkeit und gefühlte Raumgröße korrelieren). Freilich ist die Audiograde tonal sowieso etwas schlanker unterwegs und dürfte sich in mittelgroßen bis kleineren Räumen wohler fühlen als die Focal, die mehr Platz zur klanglichen Entfaltung benötigt.

Focal MAestro Utopia Evo - mit und ohne Abdeckung

Recht ähnlich sehe ich den Vergleich mit der Wilson Audio Sabrina (20.000 Euro), wobei die tonal balancierter und dynamische flotter als die Audiograde zur Sache ging. Doch so überraschend lebhaft die kleine Wilson auch spielt – natürlich kann sie makrodynamisch nicht mit der Focal Maestro Utopia Evo mithalten. Wie auch, das Bassdepartment der Französin allein ist größer als die Amerikanerin insgesamt, und so tapfer sich der 8-Zöller der Wilson auch schlägt, die zwei 11er-Woofer der Focal bieten mehr Tiefgang, Struktur und dynamischen Headroom. Aber auch hier gilt: Auf 20 m² wird die Wilson besser aufspielen als die Focal, weniger kann unter solchen Bedingungen einfach mehr sein.

Focal Maestro Ultima Evo neben Blumenhofer Genuin FS1 MK2

Focal Maestro Ultima Evo neben Blumenhofer Genuin FS1 MK2

Und wie schlägt sich meine geschätzte Blumenhofer Genuin FS 1 (25.000 Euro) im Vergleich? Dynamisch hat sie die Nase eventuell sogar noch leicht vorn, zumindest im Zusammenspiel mit weniger kräftigen Verstärkern. Vielleicht auch kein Wunder bei einer Bestückung mit 16-Zoll-Woofer im 220-l-Gehäuse plus Hochtonhorn. Daraufhin ist sie nun mal entwickelt worden. Auch diese federnd-leichtfüßige Gangart im Bass, die solche speziellen Konzepte draufhaben, zeigt die Focal nicht ganz in dem Maße. Der Tiefton der Französin ist mehr nach reiner Lehre gestaltet, so wie ihr gesamtes Klangbild.

Doch bietet die Blumenhofer einen solchen Tiefgang wie die Focal? Nein, nicht annähernd. Die gleiche Durchzeichnung im Bass? Nein. Ein ähnliches Auflösungsvermögen, quer übers Frequenzband hinweg? Nein. Den gleichen Fokus im Bühnenbild? Nein, lange nicht. Keine Frage: In all diesen Bereichen kann das Horn der bayrischen Manufaktur jede Menge bieten. Aber ein bisschen was geht halt immer noch. Die Focal Maestro Utopia Evo beweist das ein ums andere Mal.

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Test: Focal Maestro Utopia Evo | Standlautsprecher

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