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Inhaltsverzeichnis

  1. 1 Das Schmuckstück
  2. 2 Audio Hungary Qualiton A20i: Klangeindruck

Paprika. Zugegeben, es ist nicht sehr originell, was mir als erstes zu Ungarn einfällt. Und sonst? Donau, Budapest und Kettenbrücke. Schon besser. Musik? Liszt, Lehár und Bartók. Geht doch! HiFi? Fehlanzeige. Der Vollverstärker Audio Hungary Qualiton A20i (Vertrieb: www.lenhifi.de; Preis: 4.500 Euro) tritt an, den weißen Fleck, den Ungarn auf meiner audiophilen Weltkarte bislang darstellt, auszufüllen.

Audio Hungary – das ist ein moderner, englischer Name, doch die Firma hat eine lange Geschichte. Ende der 1940er als RAFILM Rádió- és Filmtechnikai Nemzeti Vállalat gegründet, stieg sie in den 1980er Jahren unter dem Namen BEAG (Budapest Electroacustic Factory) zum größten Hersteller elektroakustischer Anlagen im gesamten Ostblock auf. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wurde die Firma aufgelöst, einzelne Teile unter neuem Namen verselbständigt etc. Details können Sie – in Englisch – auf der Webseite von Audio Hungary nachlesen. Glücklicherweise gelang es, das profunde Wissen in Sachen Röhrentechnik, das man in den Vorgängerfirmen über mehr als 70 Jahre aufgebaut hatte, zu bewahren – wovon Audio Hungary natürlich profitiert.

Die Front des Audio Hungary Qualiton A20i

Womit wir beim Qualiton A20i sind. Nach dem bisher Geschriebenen dürfte klar sein, dass es sich um ein Röhrengerät handelt. Genauer gesagt, um einen vergleichsweise kompakten, ziemlich schick gemachten Röhren-Vollverstärker, der es mit vier Beam-Power-Tetroden des Typs 5881 in einer Push-PullClass-A-Schaltung auf 2 x 20 Watt pro Kanal bringt. Die 5881 ist eine in Details verbesserte und robustere Version der bekannteren 6L6. Zur Vorverstärkung und als Phasensplitter kommen je zwei E88CC/6922 und ECC83 zum Einsatz.

Röhrenbestückung des Audio Hungary

Röhrenbestückung des Audio Hungary

Ausstattungsmäßig gibt sich der A20i übersichtlich: Er bietet drei Line-Eingänge und ein Paar Stereo-Lautsprecherausgänge für Acht-Ohm-Lautsprecher. Vier-Ohm-Boxen lassen sich nach Auskunft von Audio Hungary problemlos anschließen, dabei nimmt man durch die nicht ganz optimale Anpassung zwischen Übertrager und Lautsprecher-Impedanz lediglich in Kauf, dass sich die Ausgangsleistung etwas verringert. Originell ist der Eingangswahlschalter, der als Ring koaxial um den Lautstärkeregler angeordnet ist. Drei LEDs zeigen an, welcher Eingang aktiv ist.

Die Rückseite des Audio Hungary Qualiton A20i (mit aufgesetztem Röhrenschutz)

Die Rückseite des Audio Hungary Qualiton A20i (mit aufgesetztem Röhrenschutz)

Der Netzschalter befindet sich relativ weit hinten an der rechten Gehäuseseite. Damit sitzt er nicht auf der Rückseite und trotzdem in der Nähe des Netzeingangs, was konstruktiv sinnvoll ist. Da der Audio Hungary A20i recht schmal (27 Zentimeter) und nicht sehr tief (30 Zentimeter) ausfällt, ist dieser Schalter im Normalfall gut zu erreichen.

Bemerkenswert ist die Verarbeitungsqualität: Das Chassis ist aus 1,5 Millimeter dickem Edelstahl gefertigt, verschweißt und sorgfältig auf Hochglanz poliert. Der „Röhrenkäfig“ sitzt über dem kompletten Gerät und deckt die beiden Ausgangsübertrager, die hinter den Röhren angeordnet sind, mit ab. Wer keinen polierten Edelstahl mag, kann den Amp auch komplett in Schwarz bestellen.

Eine Show ist die zugehörige Funk-Fernbedienung. Sie ist ebenfalls aus dickem Edelstahlblech geschweißt und poliert. Oben sitzen drei Tasten – lauter, leiser, mute – und eine LED, die leuchtend quittiert, wenn eine Taste gedrückt wurde. Die Unterseite ist mit Leder bezogen – als Rutschsicherung und um Kratzer zu verhindern, wenn man die schwere Fernbedienung auf eine empfindliche Oberfläche legt. Das ist mal eine stilvolle Alternative zu kleinen Gumminoppen, die sonst üblicherweise diese Funktion erfüllen.

Die Fernbedienung des Audio Hungary ist eine Show für sich...

Die Fernbedienung des Audio Hungary ist eine Show für sich…

Das moderne Design und der Aufwand, den Audio Hungary beim Gehäuse und bei der Fernbedienung betreibt, zeigen schon, dass der Qualiton A20i nicht als Retro-Geselle vom Schlage eines Unison Research Triode 25 oder des erst kürzlich von meinem Kollegen Jochen Reinecke getesteten Tsakiridis Aeolos+ konzipiert ist, sondern als modernes Luxus-Kleinod.

Audio Hungary Qualiton A20i mit aufgesetzter Röhrenschutzabdeckung

Audio Hungary Qualiton A20i mit aufgesetzter Röhrenschutzabdeckung

Wenn Sie den Qualiton A20i mit Wettbewerbern dieser Gerätekategorie vergleichen, sollten Sie sich nicht durch sein kompaktes Äußeres täuschen lassen. Ein Jadis Orchestra Blacksilver sieht auf den ersten Blick vielleicht beeindruckender aus, denn er trägt fast alles, was er an Technik zu bieten hat, oben auf seinem breiten Chassis. Darunter sieht es allerdings recht luftig aus. Das ist beim Audio Hungary anders. Der stellt lediglich die Röhren und die Ausgangsübertrager oben auf dem Chassis aus. Das komplette Netzteil mit einem beeindruckenden, wie die Übertrager von Audio Hungary selbst gefertigten Ringkerntrafo, dicken Kondensatoren und einer weiteren Drossel sind den Blicken verborgen.

Dementsprechend drängen sich in seinem Inneren neben den Netzteilkomponenten auch verschiedene Platinen. Die Röhrensockel und angrenzende Bauteile sind allerdings frei verdrahtet. Damit kombiniert Audio Hungary das Beste aus zwei Welten: Da wo es sinnvoll ist, setzt man auf die Vorteile eines platinengebundenen Aufbaus und in Sachen Röhren nutzt man die, die der freie Aufbau bietet. Dass hier Erfahrung im Umgang mit Röhrentechnik vorhanden ist, erkennt man schon daran, wie aufwendig die hochwertigen Keramiksockel für die Röhren befestigt und wie kunstvoll sie verdrahtet sind – oder auch daran, wie das Netzteil von den anderen Baugruppen abgeschirmt wurde. Dass man auch in Ungarn Zugriff auf die besten Bauteile des Weltmarktes hat, zeigt ein genauerer Blick auf die verwendeten Komponenten: ein Alps-Motorpoti zur Lautstärkeregelung, Takamishawa-Relais zur Eingangsumschaltung, Widerstände, Kondensatoren und Induktivitäten von Nichicon, Vishay, Omron etc.

Blick von unten ins Innere des Audio Hungary Qualiton A20i

Blick von unten ins Innere des Audio Hungary Qualiton A20i

Der Qualiton A20i verfügt über eine automatische Ruhestromregelung (Auto Bias). Das erspart einem, im Falle eines Röhrenwechsels selbst den Ruhestrom einstellen zu müssen oder dies von einer Fachwerkstatt durchführen zu lassen – das ist komfortabel. Natürlich steht es experimentierfreudigen Geistern auch frei, die Leistungsröhren gegen andere Modelle mit gleichen Anschlusswerten auszutauschen. „Tube rolling“ wird dieses Hobby allgemein genannt. Neben den werksseitig eingesetzten 5881 kommen etwa KT66, KT77, 6L6 oder 6P3C in Frage.

Audio Hungary Qualiton A20i: Klangeindruck

Schnell ist klar: Der Audio Hungary Qualiton A20i gehört nicht zu den wohlig-warm abgestimmten Vertretern der Röhrenzunft. Einen betonten Grundton verkneift sich der A20i und auch von schummrig gedimmten Höhen kann keine Rede sein. Ausgehend von der Gesamt-Tonalität, würde ich nicht unbedingt darauf schließen, dass wir es mit einem Röhrenverstärker zu tun haben – zumindest mit keinem, der dem typischen Klischee entspricht.

Oh Wonder - No One Else Can Wear Your CrownDer Bassbereich ist dabei wohl noch am „typischsten“, denn der Qualiton A20i bietet hier eine für viele Röhren charakteristische Qualität. Die zeichnet sich weniger durch knallharte Kontrolle aus, sondern durch einen schönen Flow, einen schönen Swing und eine gewisse Leichtigkeit. Substanzieller Druck aus den untersten Lagen ist weniger das Thema, dafür gibt sich der A20i variabel und klangvoll. Die kurzen, harten elektronischen Bassimpulse des „Hallelujah“ von Oh Wonder auf dem Album No One Else Can Wear Your Crown (auf Amazon anhören) gehen zwar ein wenig ineinander über, werden nicht ganz so klar und konturscharf voneinander abgegrenzt, wie ich das von meiner Bryston 4B³-Endstufe gewohnt bin. Doch der Vergleich hinkt und ist unfair: Natürlich sollte eine 8.000-Euro-Transistor-Endstufe, die 2 x 500 Watt an Vier-Ohm-Lautsprecher abdrücken kann, im Bass eine andere Performance bieten als ein 2 x 20 Watt leistender Röhren-Vollverstärker, der gerade einmal etwas mehr als die Hälfte kostet. Das Schöne ist, dass ich das Stück über den Qualiton A20i trotzdem mit Vergnügen höre. Denn auch wenn man im Untergeschoss leichte Abstiche machen muss, so wird hier doch nichts zugedröhnt oder verwummert. Die leichte Zurückhaltung, die der Audio Hungary Qualiton A20i wahrt, kommt hier genau richtig.

Oscar Peterson - Oscar Peterson Plays The Harry Warren And Vincent Youmans Song BooksMit akustischen Instrumenten macht der Audio-Hungary-Amp uneingeschränkt Spaß. Ich persönlich bin der Meinung, dass man mit Röhrengeräten gut alte Produktionen hören kann – solche, die eben auch mit Röhrentechnik aufgenommen und abgemischt wurden. Das entspricht vielleicht nicht immer unseren aktuellen Hörgewohnheiten, ist aber in sich stimmig. Und wenn man sich darauf einlässt, kann man ein paar musikalische Sternstunden erleben. Auf dem Plattenteller dreht sich Oscar Peterson, Oscar Peterson Plays The Harry Warren And Vincent Youmans Song Books, das Album (auf Amazon anhören) stammt aus dem Jahr 1959. (Meine Version ist allerdings ein modernes Reissue.)

Audio Hungary Qualiton A20i im Rack

Der Audio Hungary Qualiton A20i beamt mich sofort in die Vergangenheit: Die Darstellung ist eine ganz andere als bei einer modernen Studio-Aufnahme, die Abmischung betont eher den musikalischen Fluss als die Akzente und Brüche, wie das bei aktuellen Jazz-Produktionen oft der Fall ist. Der Kontrabass von Ray Brown sirrt, swingt und groovt, als ginge es darum, mit Petersons Piano zu wetteifern, wer die Stücke energischer vorantreiben kann. Das Schöne ist, dass dem Qualiton A20i seine leichte Zurückhaltung im Bass auch hier nicht zum Nachteil gereicht, denn die Qualität stimmt einfach – die tiefen Töne fügen sich wunderbar ins Gesamtbild ein.

Wie eingangs erwähnt, bietet der kleine Beau keinen richtiggehend „warmen“ Grundton, der kommt eher etwas straffer rüber. Das passt zur insgesamt sehr transparenten, schnellen und detaillierten Mittenwiedergabe des Qualiton A20i. Das oben erwähnte „Hallelujah“ von Oh Wonder gibt es in der digitalen Ausgabe des Albums noch einmal in einer akustischen Version. Ohne den synthetischen „Unterbau“ kommt das Stück viel intensiver rüber, denn die Stimmen von Anthony West und Josephine Vander Gucht besitzen einen starken Ausdruck, der im Verbund mit der sparsamen Instrumentierung angenehm in den Vordergrund rückt. Auch die als dritte Version auf dem Album mitgelieferte Unplugged-Variante bringt der Audio Hungary hervorragend rüber. So ganz ohne das Eingreifen des Toningenieurs klingt das Stück natürlich etwas ruppiger, doch damit eben auch unmittelbarer. Hier spielt der Amp seine Vorteile – hohe Transparenz, sehr gute Auflösung, feine dynamische Abstufungen – voll aus und präsentiert das Stück mit einnehmender Natürlichkeit und Leichtigkeit.

Blick auf die Elektronik des Audio Hungary Qualiton A20i

„Leichtigkeit“ heißt nun aber nicht, dass der Ungar prinzipiell ein „ätherisches Leichtgewicht“ ist. Nein, wenn es darauf ankommt, kann er auch ordentlich zulangen. Ob ich es im jeweiligen Text erwähne oder nicht – bei jedem Test probiere ich aus, ob beziehungsweise wie das Testgerät mit alten AC/DC-Stücken zurechtkommt. Der A20i legt hier richtig los! Die Stromgitarren machen ihrem Namen alle Ehre. Die Stahlsaiten scheinen unter Hochspannung zu stehen. Das ist‘s, was Bon Scott meint, wenn er singt „Let There Be Rock“. Das IST Rock, und der A20i macht‘s unmittelbar deutlich. Klar, Pegel wie beim Live-Konzert kann man mit 20 Watt pro Kanal zwar kaum erzielen, doch meinen überschaubar großen Hörraum rockt der kleine Amp ordentlich durch.

Lianne La Havas - Lianne La HavasOb transparente Leichtigkeit oder mitreißende Energie – einen wesentlichen Anteil an der überzeugenden Performance des Audio Hungary Qualiton A20i ist dem Hochton zuzuschreiben. Denn der ist klar, sauber und präsent – und da er auch sehr hoch aufgelöst rüberkommt, kann der A20i strahlen und glänzen, ohne dass es je scharf klingt. Im Gegenteil, oft zeichnet der Ungar ein schönes „Air“, eine Weite im Hochton, die das Klangbild oben herum sehr offen klingen lässt. Lianne La Havas, die ich eher mit kräftig treibenden Grooves in Verbindung bringe, überrascht mich auf ihrem neuen Album Lianne La Havas (auf Amazon anhören; komisch, normalerweise benennen Musiker doch ihr Debut-Album nach sich) mit sanfteren Tönen und einem starken Akzent auf Gesang. Dabei kommt die Eigenart, dass sie es schafft, auch laut gesungene Passagen wie gehaucht wirken zu lassen, schön zur Geltung. Das könnte schnell scharf oder verzischt klingen, doch der A20i mit seinem sauber-transparenten Hochton präsentiert diese Eigentümlichkeit der Stimme punktgenau.

Raumeindruck

Das Klangbild des Audio Hungary löst sich gut von den Lautsprechern, wobei die Bühne stärker in die Breite gestaffelt wird als ich es gewohnt bin, zudem scheine ich etwas dichter davor zu sitzen. Aufnahmen, die sonst bei der Boxengrundlinie (also etwa auf der Verbindungslinie zwischen den Lautsprechern) starten, kommen mit dem Audio Hungary A20i ein gutes Stück näher, die Tiefenausdehnung fällt dagegen etwas geringer aus.

Audio Hungary Qualiton A20i von der Seite

Die Differenzierung der einzelnen Schallquellen gelingt gut: Frau La Havas materialisiert sich mit hörbaren Konturen in der Mitte zwischen den Boxen. Mag sein, dass es Verstärker gibt, die das Ganze noch plastischer in den Raum stellen, aber insgesamt macht die Räumlichkeit des A20i auf mich einen sehr natürlichen und „einfach richtigen“ Eindruck.

Charmeure und Realisten

Den Audio Hungary Qualiton A20i mit seinen Qualitäten im Wettbewerb einzuordnen, fällt mir vergleichsweise leicht. Was daran liegt, dass man Röhrenverstärker in dieser Klasse per se schon mal grob in Charmeure und Realisten einteilen kann.

Der Qualiton A20i gehört (mit der serienmäßigen Röhrenbestückung) zu den Realisten. In seiner Preislage würde ich ihn am ehesten mit einem Octave V40 SE vergleichen. Der V40 SE besitzt vielleicht einen etwas kontrollierteren Bass, dafür kommt er im Hochton nicht ganz an den Ungarn heran. Amps wie der Jadis Orchestra Blacksilver, der Unison Research Triode 25 oder der T.A.C. V-88 können natürlich auch begeistern – sie tun das aber nicht so sehr mit „unbedingtem Realismus“, sondern mit einer ordentlichen Portion „Röhrencharme“.

Audio Hungary Qualiton A20i - Detail

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Test: Audio Hungary Qualiton A20i | Vollverstärker

  1. 1 Das Schmuckstück
  2. 2 Audio Hungary Qualiton A20i: Klangeindruck

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