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Ich habe das Online-Wörterbuch www.leo.org bemüht, um nachzugucken, ob es das Wort „analogue“ im Italienischen gibt und ob es da eine andere Bedeutung hat als im Englischen. Hat es nicht. Das Wort existiert im Italienischen gar nicht. Da frage ich mich natürlich, warum eine ur-italienische Firma, die stolz mit ihrem Sitz in der Toscana wirbt, sich Audio Analogue nennt. Vor allem, wenn sie mir mit dem AAdac und dem AAdrive einen D/A-Wandler (3.700 Euro) und ein CD-Laufwerk (1.800 Euro) zum Testen schickt.
Das Ganze scheint allerdings Methode zu haben, denn das erste Produkt, das Audio Analogue bei seiner Gründung 1995 auf den Markt gebracht hat, war ein DAC namens Vivaldi. In der neuen, „PureAA Line“ genannten Geräteserie, zu der meine Testgeräte gehören, gibt es mit dem AAphono auch einen Phonovorverstärker. Und der zur PureAA Line gehörende Vollverstärker, der auf den Namen AAcento hört, arbeitet mit einer analogen Class-A/B-Schaltung. Der AAcento ist aktuell das einzige Gerät der PureAA Line, das die normale Rackbreite von 445 Millimeter besitzt. AAdac, AAdrive und AAphono sind mit 220 Millimeter jeweils knapp halb so breit.
Zu meiner Freude gibt es die Audio-Analogue-Geräte nicht nur in Silber, sondern auch in Schwarz. Das Design von Audio Analogue AAdac und AAdrive halte ich für sehr gelungen. Dafür haben italienische Firmen fast immer ein Händchen. Anders sieht es da gelegentlich bei der Fertigungsqualität aus. Doch Audio Analogue erfüllt auch hier sehr hohe Ansprüche – meine beiden Testgeräte sind picobello verarbeitet. Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Audio Analogue in Sachen Verstärker noch mehr zu bieten hat: Oberhalb der PureAA Line haben die Italiener mit der Anniversary Line, die Audio Analogue 2015 anlässlich des 20jährigen Firmenjubiläums aus der Taufe gehoben hat, noch einen Vorverstärker, eine Stereo-Endstufe und zwei Vollverstärker im Angebot.
Der Audio Analogue AAdac ist bei Weitem nicht so „pur“, wie der Name vielleicht glauben macht. Im Gegenteil – seine Ausstattung ist üppig. So verfügt er unter anderem über eine Lautstärkeregelung. Hört man nur digitale Quellen, kann man auf einen Vorverstärker verzichten und den AAdac unmittelbar an eine Endstufe oder Aktivlautsprecher anschließen. Das geht unsymmetrisch per Cinch oder symmetrisch per XLR. Daneben bietet der AAdac einen Kopfhöreranschluss. Wer das Gerät tatsächlich lieber pur, als DAC, betreiben will, kann die Lautstärkeregelung der Line-Ausgänge umgehen. Dann wirkt sich die Pegelregelung nur auf den Kopfhörerausgang aus. An digitalen Eingängen bietet der AAdac USB-B, S/PDIF – zweimal über Cinch und einmal optisch per Toslink – sowie AES/EBU. Als Besonderheit kann man dem Audio Analogue AAdac darüber hinaus Musikdaten per Bluetooth übermitteln. Das ist ein nettes Feature, wenn man mal eben Musik vom Smartphone über seine Anlage wiedergeben will. Doch selbst mit dem klangfördernden aptX-Codec, den der AAdac bietet, kann Bluetooth kaum die Datenraten übermitteln, die ein hochwertiger DAC benötigt, um daraus echten Wohlklang zu generieren.
Und hohe Datenraten kann der schicke Audio Analogue AAdac. Den eingebauten ESS9038Q2M hat Sabre ursprünglich für den Einsatz in hochwertigen Mobilgeräten konstruiert. Neben einer kompakten Bauform und einem geringen Stromverbrauch bietet er so gut wie alle Wandler-Technologien, die Sabre entwickelt hat. Nach Aussage von Audio Analogue hat man bewusst nicht ganz oben ins Regal gegriffen, weil man sich lieber auf die aufwendigen, symmetrisch aufgebauten analogen Ausgangsstufen konzentrieren wollte. Denen misst man klanglich einen höheren Stellenwert zu als den etwas besseren Messwerten, wie sie der aktuelle Spitzen-Sabre-Chip ES9038PRO bietet. Wie auch immer, der ES9038Q2M verarbeitet im Zusammenspiel mit dem von Amanero beigesteuerten USB-Interface PCM-Daten bis zu 32 Bit Auflösung und 384 Kilohertz Abtastfrequenz, DSD bis 22,5792 Megahertz (DSD512) und ist zudem MQA-fähig.
Der aktuell gewählte Digitaleingang sowie die Abtastrate des anliegenden Signals werden auf der Front mit Leuchtdioden angezeigt. Auf ein Display verzichtet Audio Analogue. Das erinnert mich an einen etwa einstündigen Vortrag von Ivo Linnenberg. Im Rahmen des Tests des Linnenberg Teleman erörterte er mir, wie schwierig es sei, ein Display zu finden, das keine negativen Einflüsse auf den Klang eines DACs habe. Da ist es sicher ein weiser Entschluss von Audio Analogue, gleich auf ein Display zu verzichten. Natürlich ziehen die Italiener auch sonst alle Register, um den AAdac klanglich nach vorne zu bringen: separate Platinen und Netzteile für digitale und analoge Schaltkreise, diskrete Bauteile, eine symmetrische Ausgangsstufe etc. Um das alles auch bequem vom Sessel aus zu dirigieren, gibt es eine schicke Fernbedienung.
Eine sehr ähnliche Fernbedienung liegt dem Audio-Analogue-CD-Laufwerk AAdrive bei. Ich bin unentschlossen, was ich besser finde: Wenn ein Hersteller eine Fernbedienung mitliefert, mit der man alle Geräte steuern kann oder wenn jedem Gerät eine eigene Fernbedienung beiliegt. Im ersten Fall habe ich, wenn ich nur ein Gerät des Herstellers besitze, überflüssige Knöpfe auf dem Geber, im zweiten Fall muss ich mit zweien jonglieren.
Im Inneren des Frontladers sitzt ein modifiziertes Teac-CD5020-Laufwerk – eines der letzten reinen CD-Laufwerke, die aktuell produziert werden. Daten gibt das Laufwerk per Cinchbuchse als S/PDIF oder per XLR-Buchse als AES/EBU aus. Für das Zusammenspiel mit dem AAdac ist das absolut in Ordnung, ich würde einen optionalen I²S-Anschluss, vielleicht in Form der sich hierfür etablierten HDMI-Buchse, noch für einen echten Mehrwert halten. Allerdings müsste dann auch der AAdac einen entsprechenden Eingang bieten.
Audio Analogue AAdac und AAdrive: Klang & Vergleiche
Audio Analogue AAdac und AAdrive treffen bei mir auf North Star Design Supremo und Transport – ebenfalls eine Kombination aus DAC und CD-Laufwerk aus Italien. Im Hörvergleich gibt es also ein gemischtes Doppel. Das wird spannend! Als erstes darf es sich der AAdac aber neben meinem Antipodes-S40-Musikserver bequem machen. Von den Proportionen her passen die Geräte gut zusammen. Und klanglich?
Ah, capisco! Deshalb der Name. Beim Markennamen „Audio Analogue“ steht nicht die Technik, sondern der Klang Pate. Der Audio Analogue AAdac überflutet meinen Hörraum sofort aufs Angenehmste mit Wohlklang. Ein Schuss Wärme, üppige Klangfarben und eine wunderbare Lebendigkeit – ein Klangbild, das man gerne mit „analog“ umschreibt. Mit den ersten Tönen macht der italienische DAC klar, dass er sich nicht irgendwelchen Zahlen – seien es nun Nullen, Einsen oder Dezibel –, sondern einzig und alleine der Musik verpflichtet fühlt.
Das fängt mit einem tendenziell üppigen, schön sonoren Bassbereich an. Der Audio Analogue AAdac umschmeichelt einen mit tiefen Tönen. Nehmen wir den Jazz-Klassiker „Take Five“ des The Dave Brubeck Quartet auf dem Album Time Out (auf Amazon anhören). Die von Eugene Wright stoisch gespielte Kontrabasslinie trägt das Stück souverän voran. Der AAdac bringt das Instrument substanziell rüber. Fast meine ich, die Anwesenheit des großen Resonanzkörpers im Raum zu spüren. Selbst hier, im Basskeller, zeichnet der italienische DAC die Klangfarben sauber und macht klar, wo das Piano von Dave Brubeck die Melodie vom Bass übernimmt und wo es sie zurückspielt. Üppige und dabei sauber differenzierte Klangfarben können als klare Stärke des DACs verbucht werden. Auch das Altsaxofon von Paul Desmond … nein, dazu kommen wir später. Zuerst verdient das geniale Schlagzeugsolo von Joe Morello, das die Mitte des Stücks beherrscht, gebührende Beachtung. Wobei auch hier der Kontrabass den Hintergrund bildet, vor dem sich das Schlagzeug austobt. Die Drums und Toms setzt der AAdac eindrucksvoll, mit Kraft und Energie in Szene und lässt mich nie im Unklaren darüber, dass hier gespannte Felle und nicht schwingende Saiten den Ton machen. Ganz nebenbei zeigt sich auch, dass die Ausgangsstufen offenbar reichlich Power haben und selbst heftige Pegelsprünge ganz selbstverständlich raushauen. Grobdynamisch lässt der AAdac nichts anbrennen.
Interessant ist in diesem Punkt der Vergleich mit meinem ebenfalls aus Italien stammenden North Star Design Supremo DAC (3.000 Euro). Auch der inszeniert das Schlagzeug-Solo hochspannend, setzt aber andere Akzente. Generell klingt der Bass hier etwas schlanker, die Saiten des Kontrabasses scheinen eine Nuance mehr Spannung zu haben, die Felle der Drums straffer gespannt zu sein. Das Schlagzeug hebt sich hier stärker durch seinen explosiven Charakter hervor als durch die Klangfarben. Oder technischer ausgedrückt: Der Audio-Analogue-DAC scheint sich stärker auf das Ausschwingverhalten zu konzentrieren, der North Star Design setzt einen stärkeren Akzent auf die Transienten. Was mich ein wenig erstaunt, denn im Vergleich mit dem Audiomat Tempo C (2.750 Euro), der vor einiger Zeit ein Gastspiel bei mir gegeben hat, empfand ich meinen North Star Design schon als vollmundiger. Nun, die drei DACs setzen bei der Wiedergabe einfach andere Schwerpunkte. Ja, vielleicht gibt es einen DAC, der die unterschiedlichen Talente vereint – ich denke da den Merason DAC-1. Doch der ist a) noch einmal ein gutes Stück teurer und b) formatseitig eingeschränkt und damit wohl weniger massenkompatibel.
Ich ahne zwar schon, wie das Ganze ausgeht, trotzdem wandert Madonnas „Die Another Day“ von ihrem Album American Life (auf Amazon anhören) auf die Playlist. Und erwartungsgemäß sind die harten Synthie-Impulse nicht unbedingt die bevorzugte Kost für den Audio Analogue AAdac. Der gibt die Bässe zwar sehr eindrucksvoll und mächtig wieder, doch das harte Stoppen der Töne, das man nur künstlich erreichen kann, beherrscht der Italiener nicht so wie andere, „knallhart“ agierende DACs. Ihm liegen natürliche Ausschwingvorgänge mehr. Hier agiert beispielsweise ein Linnenberg Teleman rigoroser, brachialer.
Das Thema Altsaxofon ist noch offen – und damit kommen wir zum Mittenband. Und ja, ja, ja – Klangfarben kann der Audio Analogue AAdac wie wirklich nur wenige. Warum Saxofone zu den Holzbläsern gehören, kann man erklären: Auch wenn das Instrument fast vollständig aus Metall gefertigt wird, besteht das für die Klangerzeugung zuständige Blatt des Instruments aus Holz. Man kann es aber auch hören. Der AAdac lässt da beim eindringlichen Saxofon auf „Take Five“ nicht die Spur eines Zweifels aufkommen. Das ist klar, eindringlich, souverän und macht unglaublichen Spaß zu hören. Für diese Performance gibt es von mir volle Punktzahl.
Auch bei Stimmen legt sich der Audio Analogue Pure AAdac mächtig ins Zeug. Kräftige Soul-Stimmen, etwa Cassandra Wilson (Album: Coming Forth By Day), gehen sofort unter die Haut. Die Frau hat Soul in der Stimme und das bringt der italienische DAC intensiv rüber. Etwas anders liegen die Dinge bei „Strange Fruit“. Das zum festen Repertoire von Frau Wilson gehörende Lied, das Lynchmorde an Afroamerikanern in den Südstaaten der USA thematisiert, inszeniert die farbige Sängerin spröde und mit vielen Brüchen. Dieses Lied will nicht „gefallen“. Der AAdac aber schon. Gleichzeitig will er aber auch ehrlich sein. Und so gibt er einerseits dank seines hohen Auflösungsvermögens Details und Nuancen wieder, die verstören und verstören sollen – versucht aber andererseits, es doch harmonisch-rund zu gestalten. Ok, diese Wahrnehmung kann jetzt auch an meiner Erwartungshaltung liegen, mit diesem Lied verbinde ich einfach eine bestimmte Stimmung. Dieser Erwartungshaltung würde der Audiomat Tempo C mit seiner schlanken, filigranen Spielweise wohl eher gerecht werden.
Ich wechsele zu Klaviermusik. Vor Kurzem habe ich Bachs Goldberg-Variationen für mich wiederentdeckt – natürlich die Interpretationen von Glenn Gould. Der Audio Analogue AAdac ist dabei ein Kandidat für die späte Aufnahme, die Gould kurz vor seinem Tod einspielte. Hier agiert er weniger scharf artikuliert als bei der frühen Interpretation, mit der er berühmt wurde. Obwohl der AAdac in Sachen Auflösung und Feindynamik Hervorragendes leistet und mir das Spiel von Gould in allen subtilen Details zu Gehör bringt, lenkt er meine Aufmerksamkeit doch vor allem auf die Melodielinien. Es fällt mir schwer, mich nicht vom musikalischen Fluss hinwegtragen zu lassen und auf die Spieltechnik zu hören. Ist das etwas Schlimmes? Keinesfalls. Wie gesagt, der Audio Analogue will kein technisches, sondern in erster Linie ein „musikalisches“ Gerät sein. Und das gelingt ihm im allerbesten Sinne.
Auch der Hochton entspricht diesem Charakter. Er ist durchaus da, sehr schön aufgelöst und frei, macht aber kein Aufheben um sich, sondern ist jederzeit gefällig, seidig, wunderschön. Wie die Italiener es hinkriegen, dass die Becken-Attacken, die der Schlagzeuger von Eva Cassidy auf dem Album Live at Blues Alley (auf Amazon anhören) zeitweise fährt, gleichzeitig strahlend-intensiv und samtweich klingen, ist mir ein Rätsel. Das verstehe ich genauso wenig wie die Tatsache, dass Nudeln mit Tomatensoße eine geschmackliche Offenbarung sind, wenn sie ein italienischer Freund von mir kocht, und langweilig schmecken, wenn ich am Herd gestanden habe – obwohl wir die gleichen Zutaten vom gleichen Lebensmitteldiscounter verwenden. Ich kann es nicht erklären, dafür aber mit absoluter Sicherheit wahrnehmen.
Die Raumabbildung passt ebenfalls zum Charakter des Audio Analogue AAdac: Sie tendiert zu einer dezenten Üppigkeit. Konzertsäle leuchtet der italienische DAC breit und tief aus – das macht Eindruck. Hören Sie sich mal die wunderbare Spielerei The Chairman Dances – Foxtrot for Orchestra von John Adams an. Das Motiv wandert dabei von Instrumentengruppe zu Instrumentengruppe, sodass man wirklich eine Bewegung in der Musik hört. Das kommt hier recht eindrucksvoll rüber. Kleinere Besetzungen setzt der AAdac dagegen durchaus intim in Szene, aber eine Nuance größer und näher als ich das gewohnt bin. Doch er übertreibt auch nicht. Das passt perfekt ins Bild. Die Ortungsschärfe ist übrigens sehr gut. Gibt die Aufnahme es her, zeigt er jede Klangquelle mit klaren Konturen und sehr konkret positioniert auf.
Und was macht das CD-Laufwerk?
Der AAdac ist so faszinierend, dass ich kaum noch Platz habe, um auf das CD-Laufwerk Audio Analogue AAdrive einzugehen. Wobei ich mich hier auch kurz halten kann, denn es entpuppt sich schlicht als sehr gut verarbeiteter und perfekt zum AAdac passender Datenlieferant. Klanglich höre ich keinen signifikanten, belastbar nachvollziehbaren Unterschied – egal ob nun mein Antipodes-S40-Musikserver die Daten einer gerippten CD liefert oder ob die CD vom AAdrive ausgelesen wird. Und das möchte ich definitiv als Kompliment für das AAdrive verstehen, denn der fast dreimal so teure Antipodes-Server macht für gewöhnlich einen sehr guten Job.
Es macht übrigens auch keinen wirklichen Unterschied, ob ich statt des AAdrive mein North-Star-Design-Laufwerk (circa 2.700 Euro) als Datenlieferant benutze. In der Kombination „Laufwerk plus DAC“ hat mein North-Star-Gespann aber die Nase leicht vorne – allerdings nur, wenn ich die beiden Geräte per I²S verbinde, eine Option, die die Audio-Analogue-Kombi nicht bietet.
Test: Audio Analogue AAdac & AAdrive | CD-Player, D/A-Wandler