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August 2016 / Ralph Werner
(Von diesem Lautsprecher gibt es ein Nachfolgemodell: zum Test der aktuellen Wilson Audio SabrinaX)
Auf der Website von Wilson Audio wird das neueste und günstigste Standmodell, die Sabrina, mit einem kleinen Video beworben, welches es mit dem Flaggschiff der Amerikaner kontrastiert. Etwas schmunzeln muss ich da schon, denn im Grunde sieht das so aus, als hätte ein Kampfroboter von einem sehr fernen audiophilen Stern ein recht kleines Baby geboren. Doch davon sollte man sich nicht allzu sehr täuschen lassen: Gegenüber der mannshohen, 300 kg schweren Alexandria XLF sehen fast alle anderen Schallwandler zwergig aus. Wirklich klein ist die Wilson Audio Sabrina (www.audiocomponents.de) gar nicht, immerhin einen Meter streckt sie sich in die Höhe. Aber es stimmt schon: Für einen Bruchteil des Geldes lassen sich Lautsprecher finden, die wesentlich ausladender dimensioniert sind – wenn das ein Ziel sein sollte.
Die Wilson Audio Sabrina mit aufgesetzten Frontblenden
So ganz freimachen kann ich mich von der scheinbaren Diskrepanz zwischen Größe und Preis nicht, zumal damit einhergehend auch nicht gerade mit Membranfläche um sich geschmissen wird: Fürs Frequenzuntergeschoss steht ein einzelner 8-Zöller bereit. Hm, kann man natürlich so machen. Ist aber schon … sagen wir mal: eigensinnig. Aber das ist das Unternehmen aus Utah/USA ja eh und damit seit Jahrzehnten erfolgreich. Unser in „Galaxy Gray“ lackiertes Testmuster der Sabrina soll eine ähnliche Größe besitzen wie die allererste Watt/Puppy, mit der Firmenchef David Wilson schon vor über dreißig Jahren beweisen wollte, dass überragende Performance keiner monströs großen Kisten bedarf. In der Tat hat er mit der Watt/Puppy ein Erfolgsmodell geschaffen, das es, zählt man den Nachfolger Sasha W/P mit hinzu, in der inzwischen zehnten Version gibt und von dem über 15.000 Paare verkauft worden sein sollen. Dergleichen muss man erst mal schaffen mit einem Lautsprecher, der in der aktuellsten Inkarnation bei knapp 40.000 Euro liegt.
Doch zurück zur Wilson Sabrina. Der offensichtlichste Unterschied zur Watt/Puppy beziehungsweise den größeren Modellen der Amerikaner liegt darin, dass das Gehäuse einteilig ist, also kein flexibel einstellbares Zwei-, Drei- oder gar Vier-Box-Design darstellt. Ein solches bleibt den Top-Lautsprechern aus Utah vorbehalten und dient einem zunehmend feiner auf die individuelle Sitzposition abstimmbaren Time-Alignment der einzelnen Treiber. Natürlich ist die phasenkohärente Schallabgabe auch bei der Sabrina ein Thema, sonst wäre sie keine Wilson Audio, doch hier wird das über die nach hinten geneigte Schallwand erreicht, die die akustischen Zentren der drei Chassis auf Linie bringen und so für Zeitrichtigkeit bei „typischen“ Hörabständen und Sitzhöhen sorgen soll. Was „typisch“ nun genau meint, ließ sich nicht herausfinden, aber man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass es sich um eine Optimierung auf als realistisch angenommene Mittelwerte in durchschnittlich großen Räumen handelt. Individuell einstellbar ist das Time-Alignment des kleinsten Standlautsprechers der Amerikaner also nicht.
Typisch für eine Wilson ist die im oberen Bereich pyramidenartige Form des Sabrina-Gehäuses, womit man nicht einfach nur das Abstrahlverhalten verbessern und die Neigung zu „Kantenbrechern“ – also an den Rändern der Boxen durch Beugung hervorgerufene Phantomschallquellen, die mit dem eigentlichen Signal interferieren und es so verzerren – minimieren möchte. Weitere wesentliche Gründe seien neben dem schon erwähnten Time-Alignment auch die hierdurch mögliche Versteifung der Konstruktion durch genau berechnete Gehäusewinkel sowie die Vermeidung von parallelen Wänden, was wiederum die Gefahr von stehenden Wellen im Lautsprecherinnern minimieren hilft – und damit die Resonanzanfälligkeit senkt. Apropos: David Wilson ist Anhänger des Ideals vom möglichst „toten“ Gehäuse. Für den Klang sollen die Chassis sorgen, nicht (unfreiwillig) deren Behausung. Klingt vielleicht trivial, da viele das sagen – aber auch nicht alle, man denke an die klassischen Spendor- oder Harbeth-Boxen –, doch die geradezu mit Materialforschung einhergehende Konsequenz der Umsetzung macht hier den Unterschied. Wilson verwendet Phonolharz-Composite-Platten, die je nach Einsatzzweck bewusst unterschiedliche Steifigkeit und Dämpfungswerte besitzen und das Ergebnis langjähriger Entwicklungsbemühungen sind.
Der sogenannte Convergent Synergy Tweeter hat eine 2,5-mm-Gewebekalotte vorzuweisen. Die Filzauflage auf der Schallwand soll Reflexionen dämpfen
Bei der Sabrina kommt für Front und Bodenplatte das sogenannte „X-Material“ in gut 2,5 cm Stärke zum Einsatz. Dies ist der härteste Werkstoff, den die Amerikaner verbauen, so hart, dass man die Gewinde zur Befestigung der Treiber direkt hineinschneidet. Durch die Festigkeit der Schallwand bei gleichzeitig sehr guter akustischer Dämpfung sei gewährleistet, dass die Impulswiedergabe nicht „weggedämpft“ wird, wie das bei MDF-Boxen eigentlich zwangsläufig der Fall sei. MDF rührt David Wilson aus Prinzip nicht an. HDF, also Hochdichte Faserplatte, hingegen schon – nämlich, erstmalig, mit der neuen Sabrina, bei der Seitenwände und Rücken aus diesem Holzwerkstoff bestehen. Die Gehäuseplatten werden, natürlich inklusive exakt positionierter interner Verstrebungen, in einem Spezialverfahren derart fest miteinander verklebt, dass, ließe man die Box aus größerer Höhe fallen, man vielleicht hier und da mit Rissen zu rechnen habe, aber garantiert nicht bei den Verklebungen – so jedenfalls David Wilson. Nicht nur die Materialwahl, auch das Zusammenfügen des Gehäuses wird von den Amerikanern zur Kunst – und zum Geheimnis – erklärt, welche entscheidend zur Klangperformance beiträgt.
In der Wilson Audio Sabrina gibt es drei Kammern. Der gekapselte Hochtöner sitzt zusammen mit dem Mitteltöner in einem durch eine rückseitige Öffnung (siehe nebenstehendes Bild oben) belüfteten Abteil – die Ventilierung soll die inneren Druck- und damit Arbeitsverhältnisse für den Mittenkonus klanglich optimieren –, der Woofer davon getrennt in einem weiteren und das dritte ist schließlich für die Frequenzweiche reserviert. Die soll nämlich vom Tumult im Lautsprecherinnern und insbesondere im Bassdepartment verschont werden. Diesen Anspruch haben durchaus auch andere Lautsprecherentwickler, und will man Vibrationen von mikrofonieempfindlichen Bauteilen, wie sie auf einer Weiche nun einmal zu finden sind, vermeiden, ist das natürlich auch ein probates Mittel. Wilson geht noch einen Schritt weiter und steckt die Frequenzweiche zwecks magnetischer Abschirmung in einen Mu-Metall-Käfig, der anschließend vergossen wird. Letzteres macht unerwünschten Schwingungen wohl endgültig den Garaus und hat den Nebeneffekt, dass kein Wissbegieriger nachschauen kann, wie die Point-to-Point verlöteten, eng (max. +/-0,2 %) tolerierten Weichen denn nun genau aufgebaut sind. Erwartbar da auch die Antwort auf Fragen zur Weichentopologie: „Wilson does not comment on crossover technology.“ Schade eigentlich. Was sich aber doch sehen und im Fall der Fälle austauschen lässt, sind einige Widerstände, die Hoch-, Mittel- und Tieftöner vorgeschaltet sind und nicht nur für deren passgenaues Zusammenspiel sorgen sollen, sondern auch als eine Art Vorsicherung dienen. Hat man die Kuh mal allzu sehr fliegen lassen, rauchen diese Widerstände ab, bevor die Sabrina überlastet das Handtuch werfen muss.
Der 5,8-Zoll-Mitteltöner der Wilson Sabrina
Zu den verbauten Chassis gibt man sich übrigens genauso schmallippig wie zur Frequenzweiche. Was man erfährt, ist, dass man seitens Wilson den Einsatz von exotischen Membranmaterialien eher für eine Marketingnummer hält und aus klanglichen Gründen bewusst darauf verzichtet – eine Aussage, die natürlich niemals eine Marketingnummer sein könnte … 😉
Fürs tonale Untergeschoss kommt ein 8-Zoll-Konus zum Einsatz
Wie auch immer, Fakt ist jedenfalls, dass mit beschichteter Seide respektive Papier für Hochtonkalotte, Mittel- und Basskonus tatsächlich nicht völlig exzentrischer Werkstoff zum Einsatz gelangt. Man lässt die Treiber nach eigenen Vorgaben bei Scan Speak anfertigen und setzt diese in ähnlicher Form auch in anderen Wilson-Audio-Modellen ein. Den Tieftöner beispielsweise beim 50.000-Euro-Speaker Alexia – dort den Bass im Verbund mit einem 10-Zöller verantwortend – und den sogenannten „Convergent Synergy Tweeter“ im Flaggschiff, der Alexandria XLF. Ein gutes Zeichen?
Test: Wilson Audio Sabrina | Standlautsprecher