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So unterschiedlich die Meinung zur Optik – von „geht so“ bis „hey, cool!“ habe ich alles gehört –, so einhellig die zur Verarbeitung. „Top-notch“, sagt der Amerikaner da wohl. Die Qualität der Lackierung beispielsweise ist wirklich erster Klasse, und gerade bei einer solchen facettenreichen Skulptur macht sich das bezahlt. Als vertrauensbildende Maßnahme gehen wohl auch die Vollmetall-Bassreflexrohre durch, die natürlich verschraubt statt verklebt werden. Alles an der Wilson Audio Sabrina verströmt diese Wertigkeit; so sollte das in dieser Liga immer sein.
Erstaunlich ist die Einstimmigkeit unterschiedlicher Hörer, was die Beurteilung der Sabrina angeht. Wohlgemerkt: Beurteilung, nicht Beschreibung. Darüber, ob ein Lautsprecher nun wärmer oder heller, zackig oder fließend, plastisch oder flach klingt, herrscht fast immer Einigkeit, wenn mehrere fairaudio-Kollegen die gleiche Box hören, und so auch hier. Doch wie man das Wahrgenommene für sich bewertet, steht auf einem anderen Blatt. Zu unterschiedlich sind die Hörgeschmäcker, als dass da immer Einvernehmen bestünde. Die Wilson Audio Sabrina jedoch erntet nach den ersten Takten unisono zustimmendes Kopfnicken und ziemlich erstaunte Gesichter. Na gut, das sagt Ihnen jetzt konkret zum Klangbild der Amerikanerin vielleicht nicht viel – eines aber immerhin doch: Man muss schon sehr viele Tugenden besitzen, will man Audiophile mit unterschiedlichsten Musik- und Hörgewohnheiten für sich einnehmen. Legen wir mal los:
Als „richtig“ lässt sich die Gesamttonalität bezeichnen, die der kleinste Wilson-Standlautsprecher an den Tag legt. Der subjektiv empfundene Frequenzgang ist jedenfalls sehr neutral. Zwar hatte ich, von meiner Blumenhofer Genuin I kommend, zunächst ein Eindruck, die Sabrina sei insgesamt eher etwas schlanker abgestimmt – aber das rührt eben daher, dass mein bayrisches Horn im Bass/Grundtonbereich ein bisserl saftiger vorgeht, mein Raum zudem für die Wilson mindestens mal nicht zu klein ist (30 qm, hohe Decken) und die vorgelagerte Verstärkerelektronik (Octave-Vorstufe/Musical-Fidelity-Endstufen) eher straight denn gefällig spielt. So klingt es dann halt, wenn eine Box neutral abgestimmt wurde; in einem anderen Raum, mit entsprechender Elektronik klänge die Amerikanerin umgekehrt wärmer. Sie mischt sich tonal einfach nicht ein.
In einer ähnlichen Preisliga unterwegs, aber konzeptionell ganz unterschiedlich: Blumenhofer Genuin I und Wilson Sabrina
Richtig im Sinne von neutral heißt also auch, dass man mit der Wilson Audio keine Romantikerin geliefert bekommt. Wie wäre es mit einem kleinen, gefälligen Absoften des Präsenzbereichs? Oder einem Anheben des Grundtons? Oder beidem gleichzeitig, dann flutschen mäßige Aufnahmen doch sanfter in den Gehörgang, oder nicht?! Der Ansicht darf man sein, da ist nix Schlimmes dabei, nur wird man dann in einer Box wohl etwas anderes suchen, als die Wilson bietet. Die Sabrina ist Reporterin, keine säuselnde Interpretin mit tonal gefälligen Kurven. Jetzt bitte aber auch nicht überinterpretieren: Sie legt den Finger nicht in die Wunde – denn das wäre ebenfalls eine unzulässige Einmischung. Sie verteilt einfach keine Pflästerchen, trägt kein Balsam auf. Wenn die Aufnahme mittelmäßig ist, ist sie’s halt, und wenn sie richtiggehend verratzt ist, hat man keinen Spaß. Man sollte ehrlich mit sich sein und wissen, was man möchte, sprich: ob man so viel „reine Lehre“ schätzt oder das musikalische Geschehen lieber durchs Champagnerglas betrachtet.
Bananastecker akzeptiert das Single-Wire-Terminal der Wilson nicht. Mit dem beiliegenden Werkzeug …
… lässt sich ordentlich Druck auf einen Kabelschuh bringen
Also: tonal über alles „flat“. Das können andere auch. Was die Wilson Audio Sabrina zu einem sehr besonderen Lautsprecher macht, hat andere Gründe. Für mich ist hier vor allem diese spezielle Kombination aus höchster Auflösung und sehr konkreter, plastischer Abbildung zu nennen, was sich vor allem ab Mittelton aufwärts bezahlt macht. Und es ist wirklich beides zusammen, nicht das eine oder andere. Mal ein Vergleich: Ich würde nicht sagen, dass meine (teurere) Blumenhofer in Relation zur Wilson weniger detailreich spielt. Nein, da ist im Grunde auch alles an Informationen da, was Auflösungsfetischisten sich wünschen können. Alle Puzzleteile des Klangbildes wurden zusammengesetzt. Vergleichsweise ist es mit ihr aber dann doch so, als wäre im Anschluss jemand etwas achtlos am Tisch vorbeigeschrammt, und nun liegen die Einzelteile hier und da wieder in etwas lockererer Formation. Mit der Sabrina dagegen ist das Puzzle derart fugenlos aneinandergefügt, dass man meint, das Originalbild vor sich zu haben, so nahtlos passt alles zusammen. In Audiophilen-Jargon übersetzt: Stimmen und Instrumente werden nicht nur sehr detailreich präsentiert, sondern völlig kohärent und auf den Punkt abgebildet, es wirkt nicht nur randscharf, sondern auch plastisch, ja geradezu holografisch gestaltet. Es sind nicht einfach vergleichsweise mehr Informationen da, sondern die im Grunde gleiche Menge an Details wird räumlich in sich stimmiger, eben kohärenter abgebildet.
Dass das so ist, wird an zwei Dingen liegen: Zum einen dürfte der Sabrina das Time-Alignment besser gelingt als der Genuin I, trotz deren zu diesem Zweck flexibel einstellbarem Hochtonschlitten. Zum anderen ist die „Gehäusephilosophie“ auch eine komplett andere. Sollen bei der Blumenhofer Acoustics Resonanzen nicht unterdrückt, sondern die überschüssige Energie „harmonisch“ auf ein breiteres Frequenzband verteilt und für ein schnelles Abklingen Sorge getragen werden, so ist bei der Wilson Audio, wie oben schon erwähnt, eine möglichst „tote“ Behausung das Ziel. Und dass sich dieses Gehäuse nicht einmischt, das hört man. Während ich die Güte der Abbildung und deren körperhaften Eindruck vornehmlich aufs Thema Zeitrichtigkeit zurückführe – das zeigt die Erfahrung mit anderen darauf gezüchteten Lautsprechern, etwa von Ascendo oder Myro –, so die frappierende Transparenz des Bühneneindrucks aufs „schweigsame“ Lautsprechergehäuse. In dieser Hinsicht erinnert sie mich an die Audiograde Ardora, die mit ihrem abartig schweren Gussgehäuse (125 kg/Stück) Resonanzen und damit einhergehend einem wie immer auch subtilen „Verschmieren“ des Bühneneindrucks keine Chance bietet. Aber nicht nur die exzellente Durchsicht durch die virtuelle Bühne insgesamt, auch die hohe Kontrastschärfe der einzelnen Töne ist zu loben. Vor dem tiefschwarzen Hintergrund, den die Sabrina aufspannt, zeichnet sich noch minimalstes klangfarbliches Changieren deutlich ab. Gut eingefangenes Saxofonspiel etwa (zum Beispiel: Anders Paulson/A Date With a Soprano Saxophone oder das Charles Lloyd Quartet: Mirror (von 2010) oder Notes From Big Sur (1992)) wird wirklich beeindruckend transportiert, bar jeglichen Schleiers und mit allen Schattierungen.
Ja, die „kleine“ Wilson Audio zählt in Sachen Auflösungsvermögen und vor allem Bühneneindruck mit zu den besten Lautsprechern, die je in meinem Hörraum standen. Freilich orientiert sie sich auch in diesen Bereichen an der „reinen Lehre“. Genannte Blumenhofer kann vorm Hörer ein riesiges, swingendes Panorama voller Musik aufziehen – macht einen Heidenspaß, so was – und kommt auch etwas mehr auf den Hörer zu als die Dame aus Utah. Was Letzteres angeht, macht es eine Fischer & Fischer 470 (Test steht noch aus) nicht anders. Die Wilson Sabrina dagegen lässt die Bühne genau auf der Grundlinie zwischen den Boxen entstehen und versteht sich zwar darauf, Klänge auch jenseits der Basisbreite zu verorten – wenn das die Vorgabe verlangt –, gibt sich ansonsten aber nicht XXL in Breite und Höhe, sondern eben: richtig beziehungsweise realistisch, der Aufnahme verpflichtet. Die Ausleuchtung der Tiefendimension gelingt ihr erstklassig, da darf man dann schon extralarge sagen, das ist so beeindruckend wie es sonst vielleicht noch extrem gute Kompaktmonitore hinbekommen – und zwar an den Bühnenrändern wie in der Mitte, was keine Selbstverständlichkeit ist. Es fällt richtiggehend auf, dass das Schlagzeug beim Andrea-Schröder-Song „Kälte“ (Album: Blackbird, auf Amazon anhören) so weit hinten im virtuellen Bühnenraum steht, wie es meiner Erinnerung nach noch nie stand, dabei aber kein Stück diffus oder „weit weg“ rüberkommt, sondern vielmehr konkreter und eindeutiger gefasst wirkt als sonst. Und das, obwohl meine Aufmerksamkeit eigentlich von der frappierend lebensecht und griffig vor mir stehenden Wahlberliner Songwriterin gefesselt wird. Einfach der Hammer, wie authentisch die Sabrina räumlich vorgeht.
Nach so vielen lobenden Worten komme ich fast in Meckerlaune – allein, ich finde nichts, was ich an der Wilson Audio Sabrina wirklich kritisieren könnte. Statt echter Kritik ließe sich lediglich über Grenzen des bestehenden Konzeptes sprechen. Grenzen, die sich im Grunde von alleine verstehen, aber zur Einordnung vielleicht noch einmal Erwähnung finden sollen.
Also: Die Sabrina setzt fürs Untergeschoss einen Achtzöller in einem mäßig großen Volumen ein – der Lautsprecher selbst ist gerade einmal einen Meter hoch. Angesichts dessen ist es höchst erstaunlich, was er an Tieftonenergie in den Raum stellen kann. Gleichwohl, soll es darum gehen, den physischen Impact im Bass zu maximieren, gibt es deutlich günstigere Wege zum Glück. Ob man dann auch ein so durchtrainiertes, tief gehendes und hoch differenziertes Bild im tonalen Untergeschoss geboten bekommt, steht auf einem anderen Blatt – doch was den reinen „Ooompf“-Faktor angeht schießt der Lautsprecher aus Utah nicht den Vogel ab. Damit einher geht auch folgende Erfahrung: Schwenkt man den Lautstärkeregler mutig nach rechts und nähert sich dem Konzertpegel – und ich meine eher Rock- denn Klassikkonzert –, so neigt sich die Wilson tonal immer noch nicht ins Helle, wie das sonst schon mal vorkommt. Gut so. Aber klar ist auch, dass ihr dann im Bassbereich irgendwann der dynamische Headroom ausgeht, also zusätzliche Lautstärkesprünge bei an sich schon sehr gehobenem Grundpegel im Tiefton nicht mehr so leicht genommen werden wie in den Mitten und Höhen. Nun, ich sagte es bereits, im Grunde sind das Banalitäten. Ich habe noch eine: Maximalpegel-Junkies können ebenfalls mit geringerem Invest ihr Ziel erreichen. Die Wilson ist erstaunlich pegelfest – gemessen an Konzept und Größe, aber nicht unbedingt fürs Geld. „Mehr Pegel braucht doch kein Mensch!“, war der Einwand vom Kollegen Jörg Dames, als ich ihm ähnliche Betrachtungen zuschrie, während die Wilson zeitgleich einen Heidenlärm veranstaltete. Da hat er recht. Wer aber mutwillig sein Gehör mit Lautstärkeorgien schädigen will, dem werden dazu günstigere Möglichkeiten eröffnet.
Das Beste zum Schluss. Okay, ich gebe es zu, da steckt eine subjektive Wertung drin. Korrekter müsste es wohl heißen: das für mich Überraschendste. Ich rede von der Impulswiedergabe, dem Timing und der Dynamik. Um diese Dinge zu überprüfen, steuere ich von Marialy Pachecos Album Introducing das Stück „Metro“ an und lasse das zunächst einmal über mein gewohntes Set-up laufen: Klavier, Bass und Percussion, mehr gibt’s in diesem Song nicht, und obwohl solch kubanisch angehauchter Jazz nun eigentlich gar nicht mein Ding ist, muss ich zugeben: Das Stück zieht einen mit, das hat Schwung. Toll aufgenommen ist die Platte sowieso, bei mir liegt sie als HiRes-Download in 24/96 auf dem Musikserver. Nachdem ich mich von meinem wirkungsgradstarken Hornlautsprecher habe föhnen lassen, schiebe ich die Sabrina an den Ort des Geschehens – mit dem Verdacht im Hinterkopf: „Bestimmt jetzt irgendwie feinsinniger … gähn.“
Und dann explodiert sie. Das ist angesichts der dezenten Erscheinung der Wilson so witzlos, dass ich lachen muss. Na klar, ich muss den Pegelsteller jetzt schon weiter aufdrehen, um die gleiche Lautstärke zu erreichen, die knapp 10 dB weniger Kennschalldruck machen sich schon bemerkbar – und man sollte auch einen halbwegs potenten, stromlieferfähigen Verstärker bereithalten, ein weiterer Unterschied zu einem Konzept wie das der Blumenhofer Genuin I, die soeben noch spielte. Gleichwohl: Von einer Kombi aus 16-Zöller-Woofer & Hochtonhorn zu einem Dreiwegerich mit 8- und 5-Zöller plus 1-Inch-Kalotte wechselnd, habe ich nicht den Eindruck, in dynamischer Hinsicht irgendetwas zu verpassen. Zumindest einmal ab den Mitten aufwärts nicht und in Lautstärkebereichen, die keine Gefahr von Räumungsklagen nach sich ziehen. Das ist schon sehr erstaunlich, das hatte ich so nicht auf dem Zettel!
In der Tat sehe ich – wenn es beispielsweise um die Anschlagsdynamik beim Klavier oder die rhythmisch nach vorne treibende Arbeit am Blech geht – sogar Vorteile bei der Sabrina. Noch punktgenauer, noch ein wenig differenzierter und ohne irgendwelche vom Gehäuse herrührende Energiespeichereffekte, einfach wie selbstverständlich in den Raum geknallt – nein, verdammt, ganz so mikrodynamisch auf den Punkt wie mit der Sabrina bin ich das tatsächlich nicht gewohnt! Ein bisschen verhält es sich hier wohl so wie beim Verhältnis von Auflösung & Abbildungspräzision, zu dem ich weiter oben das Puzzle-Beispiel brachte: Auch bei hochdynamischem Geschehen zerfasert die Wilson räumlich nicht, ein Impuls „verpufft nicht in den Weiten des Raumes“, übertreiben ausgedrückt; sie hält die einzelnen Klänge immer kompakt-griffig zusammen. Vielleicht ist hier letztlich genau so viel Dynamik wie zuvor im Spiel, aber in räumlich konzentrierter Form, was es subjektiv zu einer anderen Geschichte macht: Das Klangbild überzeugt nicht einfach nur durch hohe Lokalisationsschärfe, sondern es wirkt, hierüber vermittelt, impulsiver und schlagkräftiger.
Natürlich, im Untergeschoss, wenn Bassdrums federnd-wuchtig den Raum erobern sollen, gelingt das mit mehr Treiberfläche und Gehäusevolumen überzeugender, da ist dann grobdynamisch einfach mehr Power drin, siehe oben. Aber „verkopft“ kommt dergleichen mit der Wilson Sabrina ebenfalls nicht rüber, im Gegenteil, sie arbeitet mit erstaunlichem Körpereinsatz. Doch fürs Geld geht’s halt schon noch selbstverständlicher. Davon abgesehen spielt die Wilson Audio Sabrina unter normalen Bedingungen – also auch deutlich jenseits der Zimmerlautstärke, nur nicht bei Extrempegeln – überdurchschnittlich dynamisch auf. Die Dame hat wirklich ein sehr lebhaftes Temperament, aber hallo!
Test: Wilson Audio Sabrina | Standlautsprecher