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Tatsächlich fing ich für die erste ernsthafte Hörsession nicht mit dem standardbestückten Cello (Rega 250 / Ortofon OM10), sondern mit der „Blue“-Variante an: „Jelco S-Arm und Denon 103er? Kenn ich! Läuft doch so auch auf meinem Acoustic Solid MPX. Wäre ja mal interessant, zu vergleichen …“, so in etwa ging mein Gedankengang. Ergo bat ich Frau Scheu um den Cello in der Standardausführung – plus extra Armboard für meinen Jelco (der unter Phonotools firmiert).
Das Extra-Armboard (hinten) wartet auf den Einsatz …
Der Wechsel des Tonarms ging schnell von der Hand: Drei Schrauben gelöst, neues Armboard drauf, Schrauben wieder anziehen, VTA-Justage und Auflagekraft eingestellt – und fertig. Halt! Was ist mit den Nulldurchgängen? Passen auf Anhieb perfekt, das ist ja nett …
„Ja, so klingt’s, das Denon 103er“, ging mir spontan durch den Kopf, als der Scheu Cello die ersten Runden drehte. Zunächst wird die doch etwas maue Hochtonauflösung bedauert, danach denkt man, dass finale Bassdurchzeichnung auch anders buchstabiert wird – nur, um sich fortan zurückzulehnen und diese einfach richtig glaubhaften Mitten zu genießen und diesen kleinen Extraschuss an Dynamik und präsenter Ansprache. Ein gleichzeitig relaxter und involvierender musikalischer Vortrag – es macht Spaß, es sei denn, man gehört zu den Erbsenzählern, denen ich mich im übernächsten Absatz anschließen werde.
Doch klang das 103er über den Cello nicht nur vertraut – da war eine Qualität im Mittenband, die ich in Ermangelung besserer Begriffe als „saftig-fließend“ notierte. Tja. „Saftig“ gehört wohl noch zu den vertrauten Eigenschaften des Denon Systems, sphärisch piepen überlässt es jedenfalls anderen, weshalb Stimmen beispielsweise voll und körperlich geerdet klingen. Diese Qualität kann jedoch auch schon mal zu Verstopfungen führen, aber genau das passiert mit dem Scheu-Ensemble nicht: Gesang klingt ungemein beweglich, zügig jede Wendung auf der Tonleiter nehmend, nah dran – mein Gott: flüssig eben! – und dabei gut im Fleisch. Sexy könnte ich freilich auch sagen, zumindest bei Frauenstimmen passt das; vermutlich ist es sogar etwas zu verführerisch, so jedenfalls bei Johanna Newsom, deren Stimme doch eigentlich etwas piepsig-empörter rüberkommen sollte. Brav wird der Verdacht im Notizblock festgehalten, bevor das ganze Album genossen wird …
Danach wird umgebaut, sprich der Phonotools- aka Jelco-Arm inklusive des Denons wieder auf den angestammten Platz montiert – auf die Tonarmbasis des Acoustic Solid MPX.
Hm, da passieren viele keine Dinge, jedes für sich vielleicht nicht so entscheidend, aber fast immer muss ich dem gewichtigen Schwaben recht geben. Mit Ausnahme der oben skizzierten Eigenschaft des fließend-verführerischen Gesangvortrages: Den vermisse ich schon ein wenig beim Acoustic Solid. Dafür bohrt er die Frequenzextreme auf, der Hochton gibt sich offener und freier, der Bass definierter – und er ist auch tiefer nach unten ausgebaut (was das Denon 103er allerdings immer noch nicht zum formidabel breitbandigen System macht). Zudem steigt die Präzision der Abbildung, die Klänge bekommen einen glaubhafteren Körper, die Bühne zeigt sich sortierter und tiefer. Last but not least: Impulse pfeffern trockener von den Membranen.
Ist der Acoustic Solid klanglich besser? Ja. Und wie ist nun der Scheu Cello zu bewerten? Gut. Denn zwei Dinge gilt es zu bedenken. Erstens: Diejenigen, die eher weniger der „reinen Lehre“ huldigen, dafür aber umso mehr einen elegant-flüssigen Vortrag zu würdigen wissen (insbesondere bei Stimmen) und dafür Abstriche bei anderen Parametern dulden, dürften mit dem Cello besser bedient sein. Zweitens, und entscheidender: 1.000 Euro sind schon etwas anderes als 2.000 Euro … Das Scheu Cello Laufwerk liegt bei 990 Euro, der Acoustic Solid MPX bei 1.800 Euro, und da ich die Schieferauflage von Musical Life für 269 Euro mittlerweile als festen Bestandteil meines Laufwerks betrachte, lande ich bei mehr als der doppelten Summe für diesen Dreher. Da wäre es enttäuschend, wenn er nicht hier und da mehr könnte. Als sein Besitzer bin ich beruhigt – teurer muss nicht schlechter sein.
Statt aber allzu lange über die Frage nachzudenken, ob die klanglichen Unterschiede denn auch die doppelte Ausgabe rechtfertigen, begann ich mit einem Downgrading des Cello Plattenspielers. Zurück zum Standard: Rega–Arm und Ortofon Super OM10. „Soso, jetzt müssen meine Ohren auch noch ‘nen MM-System für weit unter 100 Euro ertragen …“, lautete mein zugegeben etwas blasierter Anfangsverdacht …
Test: Scheu Analog Cello | Plattenspieler