Was kann man sich für 900 Euro alles kaufen? 1,2 Tonnen Katzenstreu zum Beispiel. Oder 1340 Schokoriegel. Oder Lautsprecher. „Wie bitte, Lautsprecher in dieser Preisklasse!?“, fragt der Highender irritiert. Ja, klar doch: Die Dreiwegeboxen mit Horn-Hochtöner, die wir hier im Test haben, stammen von Saxx Audio und heißen Truesound TS 900. Der Name ist Programm, schließlich kosten sie genauso viel: 900 Euro (okay: erwischt, eigentlich 898 Euro).
Direkt
„Hui, was geht denn hier ab?“, fragt sich der Autor dieser Zeilen, als er das Lautsprecherpärchen anschließt und die ersten Töne erklingen. „Das klingt ja …“, ach, lassen Sie sich überraschen, liebe Leser und Leserinnen, wir wollen hier ja nicht gleich alles verraten.
Erst mal ein paar Fakten zum Unternehmen Saxx: Neben traditionellen Lautsprecherherstellern, die ihre Produkte klassisch über HiFi-Händler oder Elektromärkte an den Mann/die Frau bringen, haben sich Direktversender etabliert, die ihre Schätze direkt über das Internet oder eigene Shops vertreiben. Prominenteste Beispiele: Nubert und Teufel. Zu diesen Direktversendern zählt auch Saxx Audio, wobei das Saxx für „Superb Audio Experience“ steht. Entwickelt und versendet wird in Deutschland, gebaut in China – daraus macht die Firma auch gar keinen Hehl. „Saxx verbindet klassische Tugenden – europäisches Design, deutscher Qualitätsanspruch und asiatische Fertigungseffizienz“, schreibt sie auf ihrer Website.
Saxx Audio erlaubt es der Kundschaft, alle Boxen zu Hause zu testen. Jeder Käufer hat vier Wochen Zeit, die Lautsprecher in seinem Hörraum zu beurteilen. Wer sie behält, bekommt auf alle Passivboxen fünf Jahre Garantie – nur auf Aktivlautsprecher gibt es weniger. So, genug der Theorie, nun zur Praxis.
Klare Kante
Beginnen wir mit der Verpackung der neuen, erst seit Frühling 2021 lieferbaren Einsteiger-Linie „Truesound“: solide und stabil. Hat man die jeweils 25,7 Kilogramm schweren Schallwandler aus den nicht gerade kleinen Kartons herausgewuchtet, erblicken kantige, ziemlich klassisch anmutende Lautsprecher das Licht der Welt. Die Abmessungen betragen 25 x 105 x 35 Zentimeter (BxHxT). Die Dame des Hauses meint beim Betreten der Männerhöhle: „Die sehen gar nicht schlecht aus!“ Wohnzimmertest bestanden, obwohl sie gar nicht im Wohnzimmer stehen. Laut Hersteller eignen sie sich sowohl für Stereowiedergabe als auch für Heimkino-Anwendungen.
Zwei Möglichkeiten gibt es auch bei den Farben: Der Kunde steht vor der Wahl zwischen Bronze und Schwarz, die Oberflächen aus Dekorfolie sind matt gehalten. Das macht sie in gewisser Weise unauffällig, obwohl sie nicht gerade filigran anmuten. Positiv fällt zudem auf, dass die beiden von vorne eingebauten Acht-Zoll-Treiber sauber im Gehäuse sitzen und ohne sichtbare Verschraubung auskommen. Andererseits gelangt man auf diese Weise nicht so leicht an die Schrauben, falls man sie mal nachziehen möchte. Dafür muss man mit etwas Fummelei erst den Zierring abnehmen. Eine magnetisch haltende, stabil wirkende Abdeckung aus Stoff ist im Lieferumfang enthalten. Mit der sehen die Truesound TS 900 noch puristischer aus, als sie es ohnehin schon sind.
Ohne großen Firlefanz kommt auch das Gehäuse aus: Es besteht aus 18 Millimeter dickem MDF und ist innen mit je zwei zwölf Millimeter starken Verstrebungen ober- und unterhalb des rückseitigen Bassreflexrohrs verstärkt. Auf der Rückseite stehen einfache, aber solide Single-Wire-Schraubanschlüsse für Lautsprecherkabel zur Verfügung. Auf den ersten Blick sehen die etwas arg klein aus, aber das täuscht: Die nicht gerade filigranen, ziemlich schwergängigen, da etwas weit gespreizten Bananenstecker meines Wireworld-LS-Kabels Eclipse 7 passen problemlos rein, was erfahrungsgemäß nicht bei allen Schallwandlern oder Verstärkern der Fall ist. Oberhalb des Anschlussterminals befindet sich das große Bassreflexrohr, es besitzt einen Durchmesser von gut zwölf Zentimetern. Die Saxx Truesound TS 900 stehen auf runden, fest angeschraubten Gummifüßchen, die vom Boden entkoppeln sollen.
Auf der Vorderseite sticht der Horn-Hochtöner ins Auge, in dessen trichterförmiger Mitte sich zwei Kunststoffstreben treffen; die Membran des Kalottenhochtöners besteht aus Seide. „Das Abstrahlverhalten entspricht in der Horizontalen in etwa dem eines Sechs- oder Acht-Zoll-Treibers“, erklärt Saxx-Geschäftsführer Benjamin Wilke. „Dadurch bekommt der Lautsprecher ein homogenes Rundstrahlverhalten und ein entsprechendes Klangbild.“ Die Entscheidung für eine Hornkonstruktion erklärt er so: „Die Truesound soll auch in einem Heimkino stehen können, dafür muss sie laut und pegelfest spielen können. Genau aus diesem Grund sind wir auf das Horn gekommen, das in dieser Preisklasse bei unseren Versuchen die besten Ergebnisse erzielte.“
Unter dem Horn verrichten zwei Acht-Zoll-Treiber mit Membranen aus beschichtetem Papier ihre Arbeit. Die Truesound TS 900 zählt zur Gattung der Dreiwegelautsprecher, für hohe, mittlere und tiefe Töne kommen also jeweils eigene Chassis zum Einsatz. Die Trennfrequenzen liegen bei 500 und 1800 Hertz.
Von der Optik her erinnert die Saxx Truesound TS 900 an manche ähnlich konstruierten Hornlautsprecher von Klipsch. Wer sein Heimkino neu bestücken möchte, findet in der Truesound-Linie noch weitere „budgetorientierte“ Boxen wie den Effekt-Lautsprecher Saxx Truesound TS 300 (239 Euro pro Stück) oder den Center Saxx Truesound TS 500 face (359 Euro). Zwar führt Saxx keinen Subwoofer mit Truesound-Bezeichnung im Programm, bietet aber mit dem Deepsound DS 12 Cinesub einen optisch zum Ensemble passenden Basswürfel mit den exakt gleichen Farben und Folien an. Nimmt man diesen Sub hinzu, erhält man für knapp über 2.000 Euro ein komplettes 5.1-Surround-Set für lange und laute Filmabende. Wir bleiben aber lieber bei der Stereowiedergabe und riskieren gleich mal ein Ohr oder zwei.
Saxx Truesound TS 900 im Hörtest
An dieser Stelle taucht das „Hui, was geht denn hier ab?“ vom Anfang wieder auf. „Hui“ heißt: frische Brise. Oder anders formuliert: Wir haben es hier mit einem obenherum direkt aufspielenden Lautsprecher zu tun.
Experimente erwünscht
Doch nach dem Auspacken und Begutachten kommt erst einmal das Rumschieben im Raum. Versuch eins: Aufstellung mit über einem Meter Abstand zur hinteren Wand und jeweils zu den Seiten, also freistehend und dabei mit leichter Einwinkelung. Kann man machen, wenn man sich wenig Bass, eine schlanke Wiedergabe und ein besonderes Hui-Erlebnis wünscht.
Nächster Versuch: Position beibehalten, aber stärker, nämlich genau auf den Hörer einwinkeln. Dadurch verändert sich der Sound leicht – er wirkt etwas direkter und ein bisschen dynamischer. Okay, die Bühnenbreite schrumpft durch diese Maßnahme ein wenig, aber das war ja zu erwarten. Noch nicht optimal.
Versuch drei: nur noch 50 Zentimeter zur Rückwand bei Ausrichtung auf den mittigen Hörplatz. Voilà, das Klangbild rastet ein, jetzt wirkt auch der Bass angenehm kräftig, wobei der Hochton immer noch eine Spur prominenter aus dem Klangbild hervortritt. Das stört aber nicht, weil es eben nur eine „Spur“ ist – und nicht zu viel des Guten.
Übrigens: Viel Power vom Verstärker fordern die Saxx Truesound TS 900 nicht – der Hersteller gibt einen ziemlich hohen Wirkungsgrad von 96 dB an. Und tatsächlich: Man muss den Verstärker nicht groß aufdrehen, um hohe Lautstärken zu erreichen, die Saxx Truesound TS 900 braucht nicht viel Saft, um die Wände wackeln zu lassen – und der Besitzer keinen mächtigen Verstärker für eine entsprechende Performance. Für ihre Preisklasse wirken die Saxx erstaunlich souverän und gelassen im Umgang mit brachialen Pegeln (fragen Sie mal meine Nachbarn, die waren nicht so souverän).
Bühnenbild
Nachdem die Nachbarschaft beruhigt ist, geht es an die Details. Beginnen wir mit der Bühnenbreite und -tiefe: Ein wunderbares Stück zum Checken dieser Disziplinen ist „Into The Black Wide Open“ der deutschen Instrumental-Rocker Long Distance Calling von ihrem gleichnamigen 2010er-Werk. Bei diesem hervorragend aufgenommenen Song stehen die Instrumente bei korrekter Wiedergabe sehr gut ortbar im Raum.
Dass hier allein schon aufgrund der Wandnähe keine weit nach hinten ausladende Bühne zu erwarten ist, liegt auf der Hand. Das musikalische Geschehen startet dafür ein kleines Stückchen vor den Lautsprechern, wobei es sich gut von den Schallwandlern löst. In Sachen Bühnenbreite bleibt die Saxx Truesound TS 900 eher kompakt – die Musik ragt nicht oder kaum seitlich über die Lautsprecher hinaus. In puncto Lokalisationsschärfe und Plastizität wächst die preiswerte Box hingegen über sich hinaus: Klar ort- und greifbare Instrumente, ein fast wie in Stein gemeißeltes, schön dreidimensionales Klangbild – das war in dieser Form nicht zu erwarten und zeigt, wie weit man mit einem dreistelligen Euro-Betrag heutzutage kommen kann. Das gilt übrigens auch für die Auflösung, die ein gutes Stück über dem Klassenniveau rangiert und erstaunlich viele Details in den Hörraum wuppt.
Kniebeugen
Kommen wir zum Bass, der quantitativ stark vom Standort des Lautsprechers abhängt. Rumschieben und Experimentieren lohnt sich, wie oben bereits erwähnt.
Um Tiefgang und Qualität des Bassbereichs zu testen, nehme ich das neue Gary-Numan-Album Intruder (auf Amazon anhören), auf dem der Altmeister im Titeltrack tiefste Synthie-Bässe blubbern lässt. Das soll nicht das Zwergfell massieren, sondern für Rumoren in Hirn und Eingeweiden sorgen, wenn die Bässe in Kombination mit den dystopischen Texten den Hörplatz überrollen. Und ja, die Saxx Truesound TS 900 kommt bei den Kniebeugen und Dehnübungen tatsächlich tief runter, die unteren Lagen sind körperlich spürbar – erstaunlich für einen Lautsprecher dieser Preisliga. Klar, das letzte Quäntchen Durchzeichnung, Definition, Trockenheit und Schnelligkeit fehlt im Tiefton, aber hey: Wir sprechen hier über ein 900-Euro-Pärchen. Und von einem weichen Bass ist die Saxx Truesound TS 900 weit entfernt – auch bei höheren Pegeln. Im Vergleich mit meinen schon etwas in die Jahre gekommenen Elac FS-189 (damaliger Paarpreis: 2.000 Euro) langen die Saxx tatsächlich sogar tiefer runter – zeigen allerdings weniger Druck im Kickbass und Durchzeichnung im Frequenzkeller.
Mittel- & Hochton
Wandern wir eine Etage höher: Wie klingen die Mitten? Gerade der Oberbass und der Grundtonbereich entscheiden maßgeblich darüber, wie warm und füllig wir ein Klangbild wahrnehmen. Einen guten Hinweis liefert der Klang von Violinen. Zeit, mal wieder das VNV-Nation-Album Resonance (auf Amazon anhören) hervorzukramen, bei dem der in Hamburg ansässige Future-Popper Ronan Harris einige seiner besten Songs mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg neu eingespielt hat.
Beim melancholischen „Further“ wird klar, dass die Saxx Truesound im Bereich der unteren Mitten minimal zurückgenommen aufspielen, während die oberen linear durchgezogen werden – manchem mag da etwas Schmelz und Wärme fehlen, andere werden es gerade so für besonders authentisch halten. Ein Griff in den Honigtopf klingt jedenfalls anders, hier wird nichts „versüßt“, die Mittendarstellung wirkt insgesamt drahtig-neutral. Und deshalb klingen Stimmen so, wie sie klingen sollen. Gerade auch bei Hörspielen oder Filmen im Heimkino, wo es zwischen all dem Bruce-Willis-Krawall und Arnie-Action-Gedöns immer wieder um die Verständlichkeit von gerne mal sehr leisen Dialogen geht, ist das von Vorteil.
Der Hochton wirkt … tja, die Suche nach geeigneten Adjektiven gestaltet sich gar nicht so einfach. Extreme wie silbrig oder samtig scheiden sofort aus, scharf oder geschmeidig passen auch nicht recht. Luftig und direkt – ja, schon eher. Wie eine leichte Brise, die einem am Seeufer ins Gesicht weht. So erhalten auch muffige Aufnahmen einen kleinen Frischekick, was für mehr Leben in der Bude sorgt. Wichtig in diesem Zusammenhang: Auch bei hohen Lautstärken, die dieser Schallwandler problemlos schafft, wirkt die Hochtonergie zwar etwas exponiert, aber nie übertrieben oder gar scharf.
Dynamik
Richtig scharf im positiven Sinne finde ich die Dynamik dieses Lautsprechers, die sich nämlich auf einem erstaunlich hohen Niveau bewegt. Der gute Wirkungsgrad in Kombination mit dem Horn sorgt für ein anspringendes, direktes Klangbild mit einer schönen Attacke. Das wird zum Beispiel bei „Boilermaker“, der Hitsingle aus dem neuen Royal-Blood-Album Typhoons (auf Amazon anhören), deutlich. In dem Moment, in dem das Schlagzeug einsetzt, bebt der Hörraum – der Drummer trifft voll in die Magengrube, der Groove fährt direkt in die Beine. Die knackige Darstellung dieser modernen, extrem tanzbaren Rockhymne überzeugt auf ganzer Linie. Auch feindynamisch können die Saxx überzeugen, wenngleich feine Impulse und Details bei geringeren Pegeln nicht ganz so klar herausgearbeitet werden wie die schrofferen Pegelsprünge in der Disziplin Grobdynamik. Grundsätzlich bleibt festzuhalten: Die Saxx Truesound TS 900 wird speziell Hörern von Rock- und Popmusik sowie Heimkinofans große Freude bereiten.
Test: Saxx Truesound TS 900 | Standlautsprecher