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Schon in den 1970er Jahren legendäre Vorstufen für Mark Levinson designt zu haben – das macht was her in der Entwickler-Vita. Noch cooler finde ich aber, dass er auch bei Flower-Power-Bands wie Grateful Dead und Jefferson Airplane für den guten Ton gesorgt haben soll. Die Rede ist von John Curl, seines Zeichens seit fast vierzig Jahren für viele Verstärkerentwicklungen bei Parasound (Vertrieb: Input Audio) verantwortlich und damit wohl einer der Erfahrensten in diesem Metier. Curl-Designs tragen stets die Initialen „JC“ im Namen, so auch die neue, große Stereoendstufe des Unternehmens aus der ehemaligen Hippie- und heutigen Hightech-Metropole San Francisco, die Parasound Halo JC 5 (Preis: 8.200 Euro).
Para … was? Die Traditionsfirma aus Kalifornien ist in deutschen HiFi-Kreisen noch relativ unbekannt, was daran liegen dürfte, dass hierzulande lange nur die Mehrkanalverstärker im Fokus standen (ein Grund dafür: Parasound ist in Filmstudios sehr gut gelitten). Bernd Hömke von Input Audio möchte das ändern. Seit gut einem Jahr besorgt er den Vertrieb der Zweikanal-Verstärker, während die Homecinema-Amps weiterhin von der Mediacraft AG distribuiert werden.
Technik
Aber kommen wir zu unserem Testkandidaten: Der Parasound Halo JC 5 ist genau das, was man einen „amtlichen“ Transistor-Endverstärker nennt. Äußerlich gibt er sich zwar schlicht, bar jeden Frontplatten-Posings und sonstigen Schnickschnacks, doch mit einem halben Meter Tiefe und einem Gewicht von gut 33 Kilogramm ist er eine veritable Wuchtbrumme. Auch die Leistungsangaben zeugen von Potenz: Die Specs sprechen von 2 x 400 Watt an 8 und 2 x 600 Watt an 4 Ohm. Leistungsjunkies können ihn sogar brücken und bekommen dann 1 x 1.200 Watt an 8 Ohm serviert (inwiefern das sinnvoll ist, wollen wir hier nicht diskutieren). Wer nun denkt, es handele sich beim Halo JC 5 um einen Schaltverstärker, irrt. Der Parasound ist ein klassisches Push/Pull-Class-A/B-Design.
Weniger klassisch ist jedoch der recht hohe Class-A-Bereich des JC 5. Die ersten 12 Watt werden in dieser wenig effizienten, klanglich dafür um so besser beleumundeten Topologie bereitgestellt – dementsprechend gönnt sich der Verstärker sogar im Leerlauf seine 225 Watt. Ein wenig erinnert mich das Ganze an die Pass X250.8, die wir neulich im Test hatten, allerdings ist deren Class-A-Bereich rund doppelt so hoch. Die Argumentation ist hier wie dort ähnlich: Die meiste Zeit wird beim Musikhören nur eine Handvoll Watt benötigt, um so wichtiger ist es, in diesen niedrigen Leistungsbereichen maximale Klanggüte sicherzustellen – und das gelinge nach wie vor am besten mit Class-A-Schaltungen.
Auch die Aussage von Richard Schramm – Gründer und CEO von Parasound – John Curl achte bei seinen Schaltungen peinlich genau darauf, dass sie möglichst geringe Verzerrungen ungerader und hoher Ordnung verursachten, könnte so oder so ähnlich vom anderen bekannten Amp-Entwickler aus Kalifornien kommen. Schließlich geht es auch Pass nicht allein um pauschale Verzerrungsminimierung, sondern vor allem darum, die spektrale Verteilung der Gesamtverzerrung nicht zu komplex werden zu lassen. Wer mehr über John Curls Gedanken zur Verstärkerentwicklung erfahren möchte: Es gibt da ein zwar recht altes, doch immer noch lesenswertes Interview auf der Parasound-Seite (PDF-Download).
Basis der neuen Parasound-Stereoendstufe Halo JC 5 sei die bekannte und langjährig bewährte Monoendstufe JC 1, erfahre ich vom Parasound-Chef. Die JC 5 stellt mithin den Versuch dar, die Qualitäten der Monos in einem einzigen Gehäuse unterzubringen und so einen größeren Kundenkreis anzusprechen – schließlich wolle nicht jeder Audiophile ein ausladendes Endverstärker-Doppel im Zimmer haben, von den höheren Kosten (mehr als das Doppelte) ganz abgesehen. Die Schaltungstopologie der Stereoendstufe sei jedenfalls die gleiche wie die der Monos, die „Hardware“ wurde natürlich herunterskaliert: So gibt es beispielsweise statt 36 Sanken-Bipolar-Ausgangstransistoren wie bei der JC 1 derer „nur“ 24 im Halo JC 5 und statt zweier 1,9 kVA-Trafos „nur“ einen mit 1,7 kVA.
Doch so ein 1.700-VA-Transformator ist ja nun auch kein Sparbrötchen, ganz im Gegenteil. Der Umspanner sitzt vorne mittig im Halo JC 5, es handelt sich um einen vergossenen und gekapselten Ringkern. Selbstverständlich besitzt er mehrere separate Abgriffe, denn Curl legt hohen Wert auf eine getrennte Stromversorgung der einzelnen Baugruppen. Eingangs-, Treiber- und Ausgangssektion bekommen ihre eigens aufbereiteten Spannungen, und das natürlich kanalgetrennt.
Zur Siebung stehen ausgangsseitig 132.000 µF Filterkapazitäten bereit, für die Input/Treiber-Sektion noch einmal 8.800 µF. Der ganze Aufwand soll unter anderem sicherstellen, dass der Eingang möglichst unbehelligt von der abgerufenen Leistung am Ausgang arbeitet, auch und gerade bei fordernden Lasten und/oder Signalen.
Wo es dagegen keine Kondensatoren (oder Spulen) gibt: im Signalweg. Dort würden sie zum Schutz zwar gerne eingesetzt, doch das degradiere unweigerlich das Audiosignal, ist man bei Parasound überzeugt. Die Schaltung des Halo JC 5 ist „direkt gekoppelt“, DC-Servos außerhalb des Signalpfads schützen zuverlässig gegen Gleichstromanteile, so Schramm.
Parasound Halo JC 5: Klangeindruck + Vergleiche
Dass die Verstärkerschaltung des Parasound Halo JC 5 ausgereift ist, merkt man gleich. Nichts schmeckt vor, nichts wirkt technisch. Die Musik kommt natürlich, geschmeidig und einfach richtig rüber, was gar nicht so einfach ist. Die Idee, dieses stimmige Klangbild nun analytisch aufzudröseln und die HiFi-Checkliste durchzugehen, kommt einem nicht gleich sofort. Doch es nützt wohl nichts, Sie werden mehr erfahren wollen, also fange ich mal an. Und warum zur Abwechslung nicht mit der Raumdarstellung? Die ist nämlich ein Paradebeispiel für „balanciert-natürlich“.
Raumeindruck
Der Parasound-Amp meint es durchaus großzügig mit den Bühnendimensionen, zeichnet sie aber auch nicht maximal weitläufig. Die zum Vergleich gehörten Musical-Fidelity-Monos M8 700m (circa 10.000 Euro) – seit Jahren in meinem Besitz – inszenieren die virtuelle Bühne größer. Doch genau damit weichen sie, und nicht die Parasound, vom Standard der meisten Verstärker ab. Je nach Geschmack kann man das schätzen – oder für weniger realistisch halten.
Wie dem auch sei, der JC 5 agiert jedenfalls normaler. Realistisch tief und breit zieht der Amp den Klangraum auf, den er übrigens durchaus schon mal vor der Boxen-Grundlinie starten lässt. Doch auch hierbei neigt er nicht zu Übertreibungen: Eine richtiggehend frontale Präsentation, die den Hörer mitten in die Musik setzt, sollte man nicht erwarten. Diese Perspektive – nicht zu weit weg, nicht zu close-up – dürfte den meisten Audiophilen gefallen.
So weit, so schön. Aber das echte Bühnen-Highlight sind für mich nicht die reinen Raumdimensionen, sondern die plastische Abbildung, die der Parasound bietet – und damit genannten Musical-Fidelity-Monos zeigt, was ‘ne Harke ist. Bei Griffigkeit und 3-D-Look einzelner Klänge hängt der Ami den Briten locker ab. So steht Laura Marling bei „Blackberry Stone“ (Album: I speak because I can; auf Amazon anhören) physisch glaubhafter vor mir, wird reliefartiger herausgeschält, während die Präsentation mit den M8 700 breiter/größer/flacher und auch ein wenig frontaler gerät. Und so wie hier bei der Stimme ist mein Eindruck ganz generell: Der JC 5 modelliert die Klänge glaubhafter und „hängt“ sie im virtuellen Raum auf – klasse!
Damit man mich aber nicht missversteht: Von „röhrenartig“ würde ich gleichwohl nicht sprechen. Während Röhren (so etwa auch der Integrierte Unison Research Triode 25, den ich gerade zur Hand hatte) die einzelnen Klänge gerne einmal üppiger „aufblasen“ und man neben einem 3-D-Eindruck oft auch den einer „luftigen Klang-Aura“ vermittelt bekommt, liefert der Parasound quasi einen „harten, plastischen Klangkern“, wenn ich das als Gegenbegriff lancieren darf. Auf Air, Bloom, Aura und dergleichen wird weitgehend verzichtet. Doch wer das wünscht, sucht wohl kaum als erstes nach einem 2×400-Watt-Transistorboliden, oder? Eben.
Dynamik & Auflösung
Neben der plastischen Abbildung gehen Souveränität und grobdynamische Schlagkraft der Endstufe als weitere Schokoladenseiten durch. Die JC 5 kann nichts umwerfen. Egal ob man sich grobe und gröbste Beats in Club-Originalpegel gönnt oder ein Orchestertutti mit voller Beteiligung aller Pauken aus dem Nichts startet, die Parasound verzieht keine Miene und reicht einfach weiter. Da werden keine leisen Details vergessen, nur weil’s lauter wird. Da fängt die Sitzordnung auf der Bühne nicht zu wackeln an, nur weil eine Pegelattacke gefahren wird. Nö. Bleibt alles gleich. Nur eben: lauter. So schön sich die Leistungsangaben im Spec-Sheet lesen, noch schöner ist‘s, das im Hörraum zu erleben. Was Standfestigkeit und makrodynamische Power angeht, liegt die Parasound fast auf dem Niveau meiner Musical-Fidelity-Endstufen. Ein viel größeres Lob kann ich kaum aussprechen, denn die britischen Amps haben in diesem Bereich für mich so etwas wie Benchmark-Charakter. Und doch klingt es anders.
Das liegt an tonalen Aspekten – darauf komme ich gleich noch zu sprechen –, aber auch an der Art der Transientenwiedergabe und der Feindynamik. Der JC 5 gibt sich hier normal, die M8 700 eher wie auf Speed. Beispiel Gitarren-Picking: Die Musical-Fidelitys sind der Ansicht, jeden Impuls in Echtzeit ausliefern zu müssen, so filterlos und unmittelbar, wie es geht. Das kann wie ein Energieboost wirken – oder aber nerven, je nach Anlagenumfeld und persönlichem Hörgeschmack. Beim Parasound ist’s eher so, das der Holzkörper des Instruments „immer mitgedacht“ wird. Der Saitenanriss wird keinesfalls verbummelt, nein, aber er kommt nicht ganz so adrenalingeladen rüber. Dafür wird das Instrument insgesamt organischer, runder präsentiert und die Balance zwischen Attack und Decay scheint mir etwas ausgeglichener.
Je länger ich der Parasound-Endstufe zuhöre, desto klarer wird, dass sie weniger auf Maximalwerte in Einzeldisziplinen schielt, als dass diese im Dienst des eingangs schon genannten „stimmigen Ganzen“ eingebunden werden. Das gilt nicht nur für die Feindynamik und Impulswiedergabe, sondern auch fürs Auflösungsvermögen. Welches gut ist, keine Frage. Aber hier und da geht im Mitten-/Hochtonband schon noch mehr – vor allem dann, wenn man mehr Geld auf den Händlertresen fallen lässt, wie der Vergleich mit der Pass X250.8 (11.900 Euro) aufzeigt.
Doch so, wie die JC 5 abgestimmt ist, scheint mir das eh eine bewusste Entscheidung zu sein. Statt etwa bei der Ofrin-Platte On Shore Remain (auf Amazon anhören) eine „Vocal-Peep-Show“ zu bieten, wird man mit der Parasound nicht fortlaufend über sämtliche Nebengeräusche des Gesangs gebrieft. Vielmehr legt sie den Fokus – bei allem Detailreichtum im Einzelnen, der auf dieser Aufnahme steckt – klar auf den körperlich-glaubhaften Gesamteindruck. Ist das nicht auch musikalisch sinniger? Bei Parasound scheint man dieser Meinung zu sein.
Die Auflösung im Bass ist freilich ganz außergewöhnlich für einen Verstärker dieser Klasse. Ach was, nicht nur dieser Klasse. Besagte Pass-Endstufe bietet da eher weniger. Zum einen ist die Balance zwischen Tiefbass und Oberbass bei der Parasound ausgeglichener, sie zieht tiefer runter und ist dafür in höheren Basslagen nicht so satt unterwegs. Zum anderen macht die Halo JC 5 im Untergeschoss den etwas konturierteren Eindruck. Gerade bei hohen Pegeln und fordernder Tiefton-Kost ist die Parasound eine Bank: Wunderbar, wie der E-Bass bei Nik Bärtschs „Modul 15“ schnurrt; schön, dass die Basswelle zu Anfang von Laura Marlings „Soothing“ auch ganz unten noch Nachdruck besitzt. Gleichzeitig macht die JC 5 nicht den Fehler, den Bassbereich übertrocken zu präsentieren – dergleichen kann einem bei den Musical-Fidelity-Monos passieren. Die sind zwar, wenn’s darauf ankommt, noch potenter in den allertiefsten Lagen, dafür aber auch so staubtrocken, dass es nicht mit jedem Lautsprecher automatisch harmoniert. Die JC 5 gibt sich verträglicher.
Tonale Perspektive
Zum bisher Gesagten passt die tonale Abstimmung der Parasound Halo JC 5 wie die Faust aufs Auge. Über alles gilt: vom Tiefbass bis zum Grundton minimal kräftiger, von den oberen Mitten bis in höchste Höhen ein kleines bisschen dezenter. Frauenstimmen kamen nach oben heraus auch schon mal etwas offener rüber, stimmt – aber mit der JC 5 genießt man deren körperhafte, griffige Abbildung so sehr, dass das kaum auffällt. Zwar mag es sein, dass ein Crashbecken beim Ausklang im Luftband schon mal länger und deutlicher nachverfolgt wurde – aber die gesamte Percussion wird dank erstklassiger Durchzeichnung und leichter Spaßorientierung im Untergeschoss rhythmisch derart präzise und mitreißend transportiert, dass ein Fitzelchen weniger Superhochton bei den Becken nicht wirklich ins Gewicht fällt.
Die Parasound spielt sonor und organisch – richtiggehend „warm“ (geschweige denn „dunkel“) aber nicht, denn das Ganze ist eine zarte Nuance, keine Schlagseite.
Test: Parasound Halo JC 5 | Endstufe