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Ja, sind denn gerade skandinavische Wochen? Zum Start ins Jahr hatte ich es mit finnischen Lautsprechern zu tun, dem folgte eine dänische Vorstufe. Nun bleibe ich gleich im Land, fahre – leider nur gedanklich – vom Alluxity-Firmensitz gut 70 Kilometer gen Osten und lande bei Dyrholm Audio in unweit vom schönen Aarhus gelegenen Hammel. John Dyrholm fertigt hier in der Mitte Jütlands audiophile Kabel mit Geheimtipp-Status, und das nicht erst seit gestern, sondern seit 2008. Nur wenige kennen die in Deutschland von Hörgenuss für Audiophile vertriebene Marke, doch manche halten sie für großartig. So etwas ist natürlich spannend. Wir haben uns die Kabel der Einstiegsserie „Phoenix“ kommen lassen – genauer gesagt: das Lautsprecher-, Cinch- und Netzkabel –, um einen Eindruck zu gewinnen.
Da Dyrholm-Audio-Kabel von Hand in einem europäischen Hochlohnland gefertigt werden, sollten Sie jetzt aber keine 400-Euro-Lautsprecherstrippen oder Ähnliches erwarten, nur weil gerade das Wörtchen „Einstieg“ fiel. Einstieg ist relativ: Das Dyrholm Phoenix Speaker Cable liegt beim knapp Zehnfachen (für 2×3 Meter), das Phoenix-Cinchkabel bei 2.620 Euro/Stereometer und fürs 1,2 Meter lange Phoenix-Netzkabel werden 2.550 Euro aufgerufen. Hallo, sind Sie noch da?! Prima, dann sind Sie offenbar auch schwer vom audiophilen Virus betroffen … 😉
Dyrholm Audio Phoenix-Kabelserie
John Dyrholm sagt, dass Messtechnik bei der Kabelentwicklung zwar ihren Sinn habe, Messungen aber letztlich den Höreindruck nicht vorhersehbar machten, sodass für ihn kein Weg daran vorbei führe, das genaueste Messequipment heranzuziehen: das menschliche Ohr. Erst nach vielen Hörtests in unterschiedlichen Anlagen komme er zu einem überzeugenden Entwicklungsergebnis. Klingt plausibel, klingt sympathisch – klingt aber auch nicht wirklich originell. Da finde ich den Dyrholm‘schen Glaubenssatz „Niemals Plastik direkt auf den Leitern!“ schon spannender. Hmm, warum eigentlich nicht?
Dyrholm berichtet mir von einem Mitbewerber, der mal Vorführungen gemacht habe, in denen er Kabel mit antistatischer Flüssigkeit behandelte, was zu klar nachvollziehbaren klanglichen Verbesserungen führte – und bei ihm zur Frage, warum man dann nicht gleich ein antistatisches Material zur Isolation verwende. Nach ausgiebigen Experimenten mit verschiedenen Dielektrika sei ihm klar geworden, dass ungebleichte Baumwolle das am besten geeignete Material für diesen Job darstelle. Neben der gewünschten antistatischen Wirkung dämpfe Baumwolle auch hervorragend Vibrationen, was sich ebenfalls positiv bemerkbar mache. Der Prozess, die einzelnen Drähte mit Baumwolle zu umwickeln, sei zwar sehr aufwendig, doch fürs gewünschte Ergebnis nötig.
Natürlich ist das Dielektrikum nur ein Parameter von vielen bei der Kabelentwicklung, und Dyrholm wird nicht müde zu betonen, dass das „Gesamtrezept“ mit allen Zutaten – Leiter, Isolation, Kabelgeometrie, Stecker, Verbindung Leiter/Stecker etc. – das letzthin Entscheidende sei, weshalb exzessives Prototyping und Shoot-out-Hörtests nötig seien, um zum Ziel zu gelangen.
Offenbar geht er dabei recht undogmatisch vor, was die Wahl der Zutaten angeht: So stecken in der mittleren Dyrholm-X-Serie Leiter aus Reinsilber, während es für die Flaggschifflinie „Vision“ solche aus UPOCC-Kupfer (Ultra Pure Ohno Continuous Cast) sind. Bei unseren Probanden aus der Phoenix-Baureihe sind ebenfalls Kupferleiter am Start – aus hochreinem Material, versteht sich –, aber UPOCC ist’s nicht, eher „so etwas Ähnliches wie 6N-Kupfer“, wie man sich bei Dyrholm Audio ausdrückt, zudem wurden die Leiter versilbert.
Das Dyrholm Phoenix Cinchkabel ist nicht koaxial aufgebaut, sondern aus zwei identischen Leitersträngen und einem verzinnten Kupfergeflecht zur Schirmung, das einseitig bei der „Senderseite“ aufliegt. Beim XLR-Verbinder sind es entsprechend drei Stränge. Jeder Strang besteht wiederum aus drei einzelnen Solid-Core-Leitern unterschiedlicher Stärke – herauszufinden, welche Drahtstärken in welcher Kombination optimal seien, habe ziemlich lange gedauert, so Dyrholm. Jeder Einzelleiter wird mit Baumwolle ummantelt, ein Dreierensemble sodann zwecks Oxidationsprävention luftdicht versiegelt. Es folgen die Schirmung und ein hochwertiger, aber denkbar schlichter Gewebeschlauch als äußere Hülle.
Die Stecker stammen von Furutech, Modelle aus rhodiniertem Kupfer, und das Kabel wird auf einer Seite gekennzeichnet. Die Markierung sollte zur Quellseite zeigen – ja, Dyrholm-Audio-Kabel sind laufrichtungsgebunden. Und da auch der Einspielprozess nicht zu unterschätzen sei, werden sie vor der Auslieferung mit einem „Cable Cooker“ eingebrannt, sodass sich die Performance beim Kunden nicht mehr groß verschieben sollte.
Das geschilderte Grundrezept gilt grundsätzlich auch für die anderen Kabeltypen. So bestehen die Leiterstränge beim Phoenix-Lautsprecherverbinder aus zwölf statt aus drei Einzeldrähten, und das in vier unterschiedlichen Stärken. Mit Baumwolle ummantelt und luftdicht verschlossen werden auch sie, so wie die 3 x 16 Leiter des Dyrholm Phoenix Netzkabels. Beim Strom- wie dem Lautsprecherkabel kommen ebenfalls Furutech-Terminierungen zum Einsatz.
Dyrholm Audio Phoenix: Klangeindruck und Vergleiche
Bei drei unterschiedlichen Kabelarten kann man sich leicht in den Wahnsinn hinein testen, um so dankbarer bin ich John Dyrholm, dass er es geschafft hat, seiner Phoenix-Serie einen „Familienklang“ zu geben. Damit sage ich nicht, dass NF-, Lautsprecher- und Netzkabel exakt gleich klingen, doch es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Kabelfamilie beziehen, wenn ich nicht gesondert auf Ausnahmen hinweise.
Nichtklang?
Eigentlich sollte ich besser von Familiennichtklang reden. John Dyrholm ist zwar zu Recht davon überzeugt, dass es das in Wirklichkeit gar nicht gibt, trotzdem – dem gedanklichen Ideal kommt er ziemlich nahe, finde ich. Das hier ist ernsthaft audiophiles Zeug, sehr, sehr ausbalanciert, und nicht nur tonal.
Doch das freilich auch. Meine seit Jahren bewährten „Livetime“-NF- und Lautsprecherkabel der Berliner Manufaktur fis Audio sind ebenfalls ausgeglichen, im Zweifel aber eher auf der minimal milderen, wärmeren Seite – und Boaacoustics Flaggschiffserie Argentum, mit der ich neulich das Vergnügen hatte, neigt umgekehrt ins minimal Schlankere. Dyrholms Phoenix-Serie segelt genau zwischen diesen Polen, man darf sie mit Fug und Recht als die neutralste der drei bezeichnen. (Zur Einordnung: Für ein Setup aus zwei NF- plus ein Lautsprecherkabel werden bei fis Audio circa 6.000 Euro, bei Boaacoustic 9.600 Euro und bei Dyrholm 9.000 Euro fällig.)
Während die Boaacoustic-Argentum-Linie durch Straffheit im Oberbass/Grundton die absoluten Frequenzgangenden etwas mehr hervortreten lässt, sorgen die fis Audio Livetime mit mehr Substanz in diesem Bereich eher fürs Gegenteil – im Vergleich dazu könnte man die Dyrholm-Audio-Kabel fast schon als langweilig profillos empfinden, so „reine Lehre“ sind sie. Aber ist genau das nicht eine Tugend? Ich denke schon, zumindest dann, wenn Sie mit Ihren Kabeln nicht auf ein tonales Ziel hinarbeiten möchten.
Klar ist jedenfalls, dass die Dyrholm-Phoenix-Verbinder den um einiges tiefer ausgehobenen und damit in sich ausbalancierteren Bassbereich als die fis Audio präsentieren, etwa bei Erika de Casier „Polite“ (Album: Sensational), während die „Hochtonfunken“ in diesem Soultrack klarer hervortreten – aber doch nicht so exponiert wie mit den Boaacoustic Argentum, die wiederum noch etwas strenger als die an sich schon sehr konturierten Dyrholms den Bass durchstufen. Auch das wichtige Mittenband wird mit ihnen im positiven Sinne tendenzlos wiedergegeben. Klavier, Cello, Gitarren, Stimmen wirken unverstellt, echt und klangfarblich sehr differenziert. Ein Aufhübschen in die eine oder andere Richtung kann ich beim besten Willen nicht feststellen.
Keine Regel ohne Ausnahme: Das Phoenix-Netzkabel kommt mir einen Tick schlanker als neutral im Bass (und damit insgesamt) vor, zumindest im Vergleich zum preisähnlichen fis-Audio-Blackmagic-Netzkabel. Doch es bietet die gleichen Stärken wie die anderen Kabel der Phoenix-Linie, nämlich eine frappierend hohe Auflösung und eine unheimlich transparente Raumdarstellung.
Stärken: Raum & Auflösung
Apropos: Die Bühne beginnt mit den Dyrholm Audio in der Regel nicht vor, sondern auf der Basislinie der Lautsprecher, die einzelnen Klänge werden nicht etwas größer gezeichnet (wie mit den fis Audio) – meine Assoziation ist vielmehr: Das hier ist das Original. Ich weiß, völliger Unsinn, woher soll ich denn das Original kennen? Nun, deshalb schreib‘ ich ja auch „Assoziation“ … egal. Jedenfalls werde ich hier weniger von einer „verführerisch üppigen Bühne“ umgarnt, der Duktus ist vielmehr: So steht’s auf dem Tonträger, hör‘ dich mal um. Ginge es hier um Verstärker statt um Kabel – eher wie ein Transistormodell von Soulution als eine Single-Ended-Röhre. Sie wissen, was ich meine?
Ich halte die Raumdarstellung der dänischen Edelstrippen jedenfalls für eine ihrer zentralen Tugenden: Die Lokalisationsschärfe ist hervorragend und um einiges besser, als ich es gemeinhin erleben darf, der Hintergrund ist tiefschwarz und somit der Bühnenraum sehr transparent, auch und gerade was die Tiefendimension angeht. Ähnliches erlebte ich zwar auch mit Boaacoustics Flaggschiff-Kabellinie – aber die Dyrholm Phoenix gestalten die einzelnen Klänge noch plastischer. Dieser gesteigerte 3D-Eindruck rührt vermutlich auch vom Tonalen her, die Argentum-Kabel geben sich etwas schlanker, das reduziert den Eindruck von Körperhaftigkeit ein wenig.
Die transparent-plastische Raumdarstellung ist mit einem Album wie Sarasate von Julia Fischer und Milana Chernyavska (Decca 2013, HighRes-Stream von Qobuz) ganz unmittelbar zu erleben, und dass die Dyrholm Phoenix eine extrem hohe Auflösung bieten, Klangtexturen und -farben gerade beim Violinenspiel wunderbar präzise nachzeichnen, ist sofort einsichtig. Vor allem für diesen Detailreichtum zahlt man wohl den hohen Einstandspreis. Ich habe das famose Audioquest-Pegasus-Cinchkabel im Vergleich gehört, das mit 1.700 Euro/m ja auch nicht gerade als Einsteigerkabel durchgeht. Und die Dänen wollen jetzt wirklich noch einmal 900 Euro mehr pro Stereometer? Sind die verrückt!? Nun, tja, vielleicht … „Leider“ bieten sie aber auch den noch etwas detailreicheren Einblick ins Klanggeschehen, sogar im Bass wirkt es ein wenig strukturierter, und das soll was heißen, vor allem aber gibt‘s im Mittel- und Hochton eine Prise mehr Auflösung. Das Pegasus bietet wohl das bessere Preis-Leistungs-Verhältnis, aber bei der Absolutperformance geht doch noch was, wie das andere mythische Flügeltier beweist.
Transienten und Impulse sind mit den Dyrholm-Kabeln ebenfalls sehr unverstellt zu erleben – was ich aber fast noch besser finde als die dynamischen Meriten, ist die perfekte Balance aus Attack und Sustain. Meist ist es ja doch so, dass es mehr in die eine oder in die andere Richtung geht: aufregend, aber bisweilen zu fordernd – oder man bekommt einen schönen Flow, der aber streckenweise zu sanft-mild dahinfließt. Ich habe wirklich versucht, die Dyrholm-Kabel anstrengend/nervig oder langweilig/fad zu finden. Gelungen ist es mir nicht. Das ist eine Qualität, die mir erst nach längerem Hören bewusst geworden ist. Um so mehr schätze ich sie.
Testfazit: Dyrholm Audio Phoenix
Wirklich günstige Kabel gibt es bei Dyrholm Audio nicht. Schon die Einstiegsserie Phoenix erfordert ein ordentliches Investment, und das ist erst der Anfang. Für viele dürfte es allerdings auch das audiophile Ende darstellen, was irgendwie noch erreichbar scheint. Wie auch immer – dass solcherlei Verbinder nur in sehr hochwertigen Anlagen Sinn ergeben, dürfte sich von selbst verstehen. Und wenn Sie „Feuerwehrschläuche mit Glamourummantelung“ suchen, sind Sie hier an der ganz falschen Adresse.
Die Dyrholm-Verbinder sind bis zur Selbstverleugnung schlicht, doch dafür klanglich über alle Klangparameter hinweg derart ausgeglichen, wie ich es nur ganz, ganz selten erlebt habe. Tonal spielen die Dyrholm Audio Phoenix sowieso nach reiner Lehre – allenfalls das Netzkabel weicht mit minimal schlankerer Diktion im Bass davon ab –, doch auch andere kleinere „Dysbalancen“, also Trade-offs wie „weitläufige Raumdarstellung vs. Abbildungspräzision“ oder „fantastische Impulsauflösung vs. reduziertes Ausschwingverhalten“, glänzen durch Abwesenheit.
Spektakulär sind diese Kabel somit nicht, aber in hohem Maße ausgereift und durchlässig. „Allrounder auf höchstem Niveau“, das Label dürfte passen. Und genau deshalb werden die Dyrholm Phoenix ihre Tugenden am besten in an sich schon sehr balancierten Anlagen ausspielen können – in solchen, die weder ihre Qualität verdecken noch echte Richtungswechsel angezeigt scheinen lassen. Denn wer solche sucht, findet leicht andere Kabel, die in der einen oder anderen Richtung „mehr machen“. Mit den Dyrholms ist das eher so was wie eine Parallelverschiebung nach oben. Ganz ehrlich: Viel Besseres ist mir bisher nicht vor Ohren gekommen.
Preise:
- Dyrholm Audio Phoenix Cinchkabel: 2.620 Euro (2×1 m)
- Dyrholm Audio Phoenix XLR-Kabel: 3.120 Euro (2×1 m)
- Dyrholm Audio Phoenix Netzkabel: 2.550 Euro (1,2 m)
- Dyrholm Audio Phoenix Lautsprecherkabel: 3.800 Euro (2×3 m)
Vertrieb:
Hörgenuss Jörg Klein
Fichardstraße 56 | 60322 Frankfurt am Main
Telefon: +49(0)69-40326292
E-Mail: info@hgfa.de
Web: https://www.hgfa.de/
Test: Dyrholm Audio Phoenix | Lautsprecher- und NF-Kabel, Netzkabel