Angeblich sind die schönsten Geschenke ja die, die man sich selbst macht. Zum Fünfzigsten – Männer kennen das! – darf es dann schon mal der Porsche sein, von dem man(n) schon immer geträumt hat. Oder die Harley. Oder ein richtig ordentlicher Amp nach alter Väter Sitte. Zum runden Firmenjubiläum haut NAD (Web: https://nad.de/) jedenfalls einen Vollverstärker raus, der im allerbesten Retro-Zwirn daherkommt und damit an die Glanzzeiten der HiFi-Ära erinnert. Die Zutaten: eine im typischen „NAD-Grau“ (ist das eigentlich eine RAL-Farbe?) gehaltene Front, sämig laufende Drehknöpfe, hinterleuchtete Zeigerinstrumente und ein Gehäuse in Holzoptik. Das kommt – mit Verlaub – so richtig fett!
Solche Kombinationen aus Technik und Möbelstück kamen irgendwann aus der Mode, sind seit einiger Zeit aber wieder voll im Trend. Eine auf 1972 Stück begrenzte „Limited Edition“ des hier vorgestellten Modells NAD C 3050 war derart schnell vergriffen, dass NAD eine abgespeckte Serienversion auf Kiel legte, die für kontoschonende 1.499 Euro beim Fachhändler auf Vintage-Fans oder, wie in meinem Fall, auf das Ohr des ob der Optik verzückten Testers wartet. Moment – 1972 Stück? Ja, das NAD-Jubiläum war schon 2022. Ist jetzt aber auch egal, den „LE“ gibt‘s eh nicht mehr. Und „abgespeckt“ wirkt der NAD C 3050 nicht wirklich. Das zum Lieferumfang des „LE“ gehörende BluOS-Modul „MDC 2“, das den Amp um Netzwerk- und Raumkorrekturfunktionen erweitert, muss man bei ihm optional dazukaufen (plus 500 Euro). Was durchaus sinnvoll sein kann.
Ich erinnere mich an meine Anfänge als Fachjournalist Anfang der 2000er-Jahre, als ich zunächst als Praktikant, dann Volontär, später als Redakteur für ein HiFi-Magazin schrieb und erstmals mit NAD-Amps in Berührung kam. Im kleineren der beiden redaktionseigenen Hörräume stand stets ein unauffällig grauer, flacher Vollverstärker, dessen Materialanmutung ein wenig nach „fass-mich-besser-nicht-an-sonst-werfe-ich-alle-Knöpfe-ab“ aussah. „Das ist ein 3020. Das alte Ding ist ein Killer!“, wusste ein Kollege allerdings zu berichten. Wovon er sprach und wie Recht er hatte, sollte ich erfahren, als wir den Underdog gegen vielfach teurere Wettbewerber antreten ließen.
Nach diesem Schlüsselerlebnis hat sich NAD als Hersteller ungemein musikalischer und gleichzeitig preisbewusster Verstärker auf meine „Festplatte“ geschrieben. Das ist – auch wenn sich die Technologie gewandelt hat – noch heute so. Gewandelt? Ja, NAD setzt inzwischen, mit Ausnahme des Einsteigermodells C316BEE V2, konsequent auf Schaltverstärker-Technik. Technisch betrachtet sind Schaltverstärker natürlich schlicht effizienter und von ihrer Bauform her kompakter, was sie vielseitig einsetzbar macht. NAD kauft – und damit geht man kommunikativ offen um – seine Class-D-Module beim niederländischen Spezialisten Hypex zu und passt sie nach eigenen Spezifikationen an. Das machen inzwischen viele Wettbewerber ganz genauso, ein in Fachkreisen anfänglich befürchteter „Gleichklang“ von Marken, die Hypex-Module verbauen, hat sich daraus nicht ergeben. Die angegebenen Leistungswerte sind der Preisklasse angemessen. NAD schreibt dem C 3050 100 Watt pro Kanal (an 4 und 8 Ohm) ins Datenblatt. Sie ahnen es: Auch der C 3050 verstärkt eingehende Signale mittels Class-D – und gönnt sich dabei einen eigenständigen klanglichen Fingerabdruck, wie wir später noch hören werden.
Aber wenden wir unseren Blick zunächst auf die sicht- und fühlbaren Fakten. Mit dem C 3050 zitiert NAD, wie eingangs erwähnt, gekonnt seine eigene Geschichte. Optisch erinnert der knapp zwölfeinhalb Kilogramm schwere Vollverstärker an das Modell „3030“, die Verteilung der Knöpfe und Schalter auf der Frontplatte ist nahezu identisch. Besonders hübsch anzusehen sind neben dem in geschwungenen Schönschriftlettern ausgeführten „New Acoustic Dimension“-Schriftzug die beiden im Betrieb hinterleuchteten VU-Meter, deren Anzeigewerte sich auf der Rückseite des Verstärkers vorgeben lassen. Sie zeigen wahlweise die momentane Ausgangsleistung oder das Eingangssignal der jeweiligen Quelle an. Im ersteren Fall bewegen sich die Zeiger kaum, was in normalen Hörumgebungen optisch vergleichsweise unspannend ist. Schöner sieht‘s aus, wenn die Zeiger im Takt zappeln. Dann ist es auch egal, ob und wie exakt die jeweiligen Werte sein mögen. Hauptsache, da passiert was! Unmittelbar nach dem Einschalten des Verstärkers leuchten die VU-Meter glutrot und wechseln dann mit dem „Klick“ eines Relais, das die Ausgänge freischaltet, ihre Farbe. Braucht man das? Weiß ich nicht. Ist aber cool! Genauso wie das „Holzgehäuse“ aus Walnuss – tatsächlich handelt es sich um eine gut gemachte Vinyloberfläche – und das Metallgitter auf der Gehäuseoberseite, das einen Einblick in die Technik des C 3050 gewährt.
Von Haus aus – ohne MDC-Modul – sind die Anschlussoptionen des Amps nicht überbordend umfangreich, aber praxisgerecht. Auf analoger Seite gibt´s einen Hochpegeleingang sowie, da haben die Entwickler schön mitgedacht, einen Phono-MM-Eingang für die nicht wenigen Schallplattenfans da draußen. Der Schwerpunkt liegt indes auf digitale Quellen. Dafür hält der Retro-NAD einen koaxialen S/PDIF-, einen Toslink- und einen HDMI-Eingang („eARC“) bereit. „ARC“ ist die Abkürzung für „Audio Return Channel“ und hat mit französischen Triumphbögen nichts zu tun. Vielmehr lässt sich der C 3050 mit dieser Schnittstelle direkt mit einem Fernseher verbinden, der dann sein Tonsignal ohne Zeitversatz über den Amp ausgibt. Je nach Aktualität des entsprechenden Fernsehgerätes lässt sich der NAD dann über dessen Fernbedienung einschalten und in der Wiedergabelautstärke justieren. Bluetooth kann er natürlich ebenfalls, selbstverständlich nach dem aktuellsten apt-X-Standard. Wer in seinem „HiFi-Alltag“ mit diesem Umfang gut leben kann – bitteschön! Nun ist es ja aber so, dass NAD seinen schicken Jubiläums-Verstärker mit dem hauseigenen MDC-Modul-Slot versehen hat. Und wenn dieser leer bliebe, wäre das doch zu schade …
Mit MDC zum LE
Die Idee, technologisch „mitwachsende“ HiFi-Bausteine zu konzipieren, ist so geschickt wie nachhaltig. So können Kunden am technischen Fortschritt partizipieren, ohne sich gleich ein ganz neues Gerät anschaffen zu müssen. Die MDC-Module (Modular Design Construction) bietet NAD schon seit 2006 an. Freilich waren und sind sie nicht allen, sondern nur den gehobeneren Modellen des Verstärkerportfolios vorbehalten, erweitern deren Funktionsumfang indes beträchtlich und auf dem jeweiligen Stand der Technik.
Das „MDC2“-Modul (um 500 Euro) ergänzt den Amp um BluOS-Musikstreaming mit bis zu 24 Bit/192 Kilohertz und bändelt mit zig Internetradiostationen und mehr als 20 Streamingdiensten (Spotify, Tidal uvm.) an. Selbstredend ist auch eine Bluetooth-Verbindung (aptX HD) herstellbar, sogar bidirektional (senden und empfangen), und der Verstärker kann in Multiroom-Haussteuerungssysteme eingebunden werden. Zudem unterstützt das Modul den Apple-Standard AirPlay 2, verbindet sich per WLAN oder kabelgebunden mit dem Heimnetzwerk und bringt noch eine USB-Schnittstelle zum Anschluss von Speichermedien mit. Die Kontrolle über diese Vielfalt behält die für alle üblichen Plattformen verfügbare BluOS-App, die sich intuitiv bedienen lässt und schön flüssig läuft.
Dirac Live
Ein weiterer Clou des Moduls ist die implementierte Dirac-Live-Raumkorrektursoftware. Ein beigelegtes kalibriertes Mikrofon wird dabei nach Anweisung der Dirac-Live-App (ebenfalls für alle Plattformen verfügbar) an diversen Punkten rund um den Hörplatz installiert und nimmt vom System ausgestrahlte Messtöne auf. Daraus errechnet Dirac eine für die jeweilige Raumakustik passende Filterkurve, die man abspeichert und fortan nutzen kann. Oder auch nicht, sie lässt sich natürlich jederzeit deaktivieren.
In meinem Fall fand ich es ohne Auto-Korrekturfilter tatsächlich sogar besser, da weniger „ausgenüchtert“. Für meinen Hörgeschmack wurde der Bassbereich doch zu stark zurückgenommen – gleichwohl erschienen mir untere Mitten und Oberbässe nicht zuletzt dank der Verschlankung an Präzision und Plastizität zu gewinnen. Und fairerweise muss ich ergänzen: Ich habe die vorgeschlagene Zielkurve nicht weiter editiert, denn primär geht’s mir hier ja um den C 3050, nicht um Dirac. Wie auch immer – nützlich ist das System allemal, vor allem für Räume, die akustisch diffiziler sind. Wichtig zu wissen: Die Gratisversion von Dirac Live ist in ihren Möglichkeiten limitiert, nämlich auf 20 bis 500 Hertz. Eine Vollversion kann auf der Website von Dirac erworben werden. Dann sind noch tiefgreifendere Änderungen möglich.
NAD C 3050: Hörtest und Vergleiche
Um Sie gleich vorweg abzuholen: Nicht allein mit seinen hauseigenen Verstärkerbrüdern ist der C 3050 nur bedingt vergleichbar. Er gönnt sich eine eigene Note, die ich persönlich hochsympathisch finde. Dieser Verstärker klingt in etwa so wie er aussieht. Seinen Retrocharme – mit ausdrücklicher Betonung auf „Charme“ – kann man hören.
Lässiger Bass
Die sehr präzise gespielte Kombination aus E-Bass und Bassdrum in „Break Free“ (Album: Walk around the moon) der Dave Matthews Band füttert der C 3050 mit einem leicht fülligeren Timbre an, was dem Stück eine ziemlich lässige Ausstrahlung gibt und gut zur Musik passt. Ja, über seinen optisch völlig anders gestalteten, aber gleich teuren Bruder NAD C 700 kommen die erdig-trockenen Töne ein wenig straffer zu Gehör, aber nicht tiefer. Der Retro-Amp steigt nämlich ziemlich tief in den Basskeller hinab und drückt die Hookline in „Always on the Run“ von The Intersphere (Album: Wanderer) kraftvoll-mächtig in den Hörraum. Das hat ordentlich Schmackes und Fundament, könnte aber bei allem Nachdruck noch ein bisschen knackiger und strammer rüberkommen. Ein Leak Stereo 230 (um 1.500 Euro) beispielsweise zeigt ein etwas markanteres Tiefenprofil. Was aber nicht bedeutet, dass der NAD hier etwas schlechter macht – sondern anders. Seine etwas sattere Basswiedergabe besitzt Charme und erinnert mich in der Tat an die Zeit, in der ich mich mit hochwertiger Musikwiedergabe erstmals intensiv befasste – Ende der Achtzigerjahre nannte ich einen „großen“ Vollverstärker der leider längst verklungenen japanischen Marke AKAI (AM-75 MKII) mein Eigen. Dieser verhielt sich im Frequenzkeller ähnlich: kraftvoll, aber nicht bis in die letzte Faser definiert. Doch keine Bange: Der NAD C 3050 schwimmt nie dröhnig auf, auch bei ambitionierter Lautstärke nicht.
Die Mitten: Wenn Stimmen unter die Haut gehen
Kennen Sie Jelly Roll? Auch ich bin erst vor kurzem über den Sänger aus Nashville/Tennessee gestolpert, der im Übrigen so aussieht wie sein Künstlername andeutet (Jelly Roll = Biskuitrolle). Das stimmgewaltige Schwergewicht „fräste“ sich mir geradezu in den Gehörgang, insbesondere die aktuelle Single „The Lost“ (Album: Whitsitt Chapel) läuft bei mir derzeit „on heavy rotation“. Es ist die Mischung aus Volumen und zerbrechlicher Rauheit, die unter die Haut geht. Hinzu kommt die für ein Rockalbum durchaus anständige Abmischung, die den Gesang plastisch-griffig zur Geltung kommen lässt. Das funktioniert über meinen „Haus-und-Hof“-Vollverstärker Magnat RV-3 (ehemaliger Verkaufspreis: um 3.000 Euro) bereits sehr eindringlich. Der NAD C 3050 weiß in dieser Disziplin aber die Vorteile seiner verbindlich-volleren Abstimmung zu nutzen und wärmt das Timbre des US-amerikanischen Songwriters ganz leicht an. „Effekt“ mag ich das nicht nennen, dafür ist es zu gering. Allerdings sorgt es bei mir für einen zusätzlichen Schub Gänsehaut, fürs Quäntchen eingängiger Geschmeidigkeit, das den Gesang „unter die Haut“ kriechen lässt.
Funktioniert nicht nur bei männlichen Stimmen, sondern beispielsweise auch bei Elens unglaublich intensivem „5 Meter Mauern“ (Album: Blind über Rot). Der rauchige Unterton der Berlinerin hat über den C 3050 etwas „Intravenöses“. Die etwas einschmeichelnde Färbung im Mittenband, die seinem „Konzernbruder“ C 700 übrigens fehlt, verzeiht man ihm da nur allzu gern. Der vorhin bereits angeführte Stereo 230 der wiederauferstandenen Marke Leak gibt sich bei ebenfalls tendenziell wärmerem Mittenband etwas strukturierter, der NAD C 700 neutraler.
Die Höhenlagen: Rund und gesund für lange Hörsessions
Wovor Sie sich beim NAD C 3050 überhaupt nicht sorgen müssen, sind nervig zischende Sibilanten oder kristalline, harte Höhenzüge. Dieser gutmütige Charakter macht den Retro-Amp zum idealen Spielpartner für kritisch abgemischte Musik, die ob hoher Kompressionsraten schon einmal „Ohrenstress“ bedeuten kann. Verstehen Sie mich jetzt bitte richtig: Die oberen Lagen werden schon umfänglich dargestellt, allerdings lässt er „Gnade vor absoluter Transparenz“ ergehen und rundet oberheraus leicht ab. Wer Musik hört, in der beispielsweise Klarinetten, Querflöten oder Blechbläser zum Einsatz kommen, wird diese Note möglicherweise weniger schätzen, weil es ihm auf strahlende Klarheit bis in den letzten Winkel ankommt. Die finden solche Kunden eher woanders. Beim NAD C 3050 sehe ich die leichte Verrundung aber als Vorteil an, unterstreicht es doch den unkomplizierten, „alltagsmusiktauglichen“ Wesenszug dieses Verstärkers.
Der Raum: Realität ist Trumpf
NAD-Komponenten waren noch nie als „Raumlügner“ bekannt. Die Darstellung der Verhältnisse auf der virtuellen Bühne fällt bei ihnen also weder zu groß noch zu kompakt aus. Der C 3050 unterscheidet sich in dieser Disziplin weder von seinen Ahnen noch von seinen aktuellen Geschwistern. Die Bühnenabbildung orientiert sich in Tiefe und Breite so weit wie möglich an der Realität – zumindest an der, die man „auf Konserve“ zu hören glaubt. Nichts wirkt künstlich aufgebläht oder zu eng. Die Entfernung von der Bühnengrundlinie zum Auditorium entspricht einem als natürlich empfundenen Abstand, der musikalische Ereignisse weder in zu großer Distanz präsentiert noch einen bedrängt. Und die Musiker sowie deren Relationen zueinander sind hervorragend zu lokalisieren beziehungsweise wirken im besten Sinn realistisch.
Auflösung und das Ganze …
Wenn Sie den ein oder anderen Test von mir bereits gelesen haben, werden Sie wissen, dass ich meine Testkandidaten in Sachen Auflösung gern mit komplexem Metal von Tool erschrecke. Den vielschichtigen Strukturen der Rocker aus Los Angeles lassen sich viele spannende Details entlocken. Bei meinem Lieblingstrack „Pneuma“ (Album: Fear Inoculum) trifft der C 3050 ziemlich genau die „goldene Mitte“ dessen, was ich von einem Verstärker dieser Liga erwarte. In einem so dichten Soundgeflecht wie hier ist es schon wichtig, parallele „Handlungsstränge“ einzelner Instrumente verfolgen zu können. Die dröselt der NAD auch auf, wenngleich mit etwas weniger „scharfer Brille“ als sein Bruder C 700, der sich den Details noch intensiver widmet. Dafür hinterlässt der C 3050 im „Bruderduell“ den flüssigeren, homogeneren Eindruck. Nach dem Motto: „Während Du hier tieftauchst, habe ich das große Ganze im Blick.“ Stimmt, allerdings reden wir hier mal wieder über geschmackliche Nuancen, nicht über weltbewegende Unterschiede.
Dynamik
Zum eher sonor-kraftvollen Charakter des C 3050 passt, dass er sein Publikum bei attackigen Impulsen nicht gleich anspringt wie ein Tiger seine Beute. Ein „Verstärker-Popeye“ wie mein doppelt (!) so teurer Magnat RV-3 knallt abrupte Dynamiksprünge urplötzlich in den Hörraum. Der NAD geht da umsichtiger mit seinen Zuhörern um. Kraftvolle Dynamikschübe reicht er durchaus weiter, allerdings tut er es eher wie ein sportiver Gentleman und nicht wie ein Haudegen. Mit einem solchen „Go with the flow“-Charakter kann man sehr gut leben – und es passt, wie gesagt, gut zum klanglichen Auftritt des C 3050.
Test: NAD C 3050 | Vollverstärker