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Als „All-in-one-Amplifier“ bezeichnet Waversa Systems den Wslim LITE (Preis: 1.750 Euro | Vertrieb: www.audiotra.de). Auf den ersten Blick vermutet man hier ja eher einen unkonventionell designten Streamer, doch neben der Streamingfähigkeit gibt’s eben noch einen Class-D-Verstärker dazu. Man sollte das flach bauende, von mir kurzerhand als „Vesperbrettle“ titulierte Gerät also nicht unterschätzen.
Fangen wir von vorne an: Es war Mitte Januar 2020, als sich das erste Stelldichein mit Waversa Systems beim Stuttgarter Händler HighFidelium abzeichnete. Bis dato sagte mir der Name „Waversa“ eigentlich nichts. Falsch lag ich auch mit der Annahme, es könnte sich aufgrund der Namensphonetik um einen polnischen Hersteller handeln. Waversa Systems ist ein südkoreanisches Unternehmen, welches ebendort entwickelt und fertigt. Um jetzt nicht alles zum Produktprogramm etc. zu wiederholen, verweise ich der Einfachheit halber auf den Artikel über das „Grand Opening“ von Waversa Systems und komme gleich zum Hauptakteur dieses Tests, dem Class-D-Streaming-Vollverstärker Wslim LITE.
Erstinspektion
Während ich nie daran denken würde, meinen Röhren-Amp ins Büro oder (leider nur in meiner Fantasie vorhandene) Wochenendhaus mitzunehmen, bietet sich der Wslim LITE mit Maßen von 30 x 22 x 2 cm (BxTxH) und einem Gewicht von unter fünf Kilogramm für solche Gedankenspiele förmlich an. Das auf den Wslim-Amp gestellte, mit nahezu identischen Abmessungen versehene MacBook Air (11 Zoll) erlaubt dann im Handumdrehen unkompliziertes USB-Audio – via Audirvana auch noch per gleichnamiger App fernsteuerbar, sofern WLAN vorhanden ist.
Das reduzierte Design des Waversa wirkt ruhig, unaufdringlich, aber gleichzeitig progressiv-futuristisch. Das Auge ruht auf einem matt schimmernden Aluminiumgehäuse, Verarbeitung und Materialanmutung des Streaming-Verstärkers sind unbestreitbar auf hohem Niveau – die Finger gleiten über kühles, solides Aluminium. Unsauberkeiten oder Unebenheiten sucht man hier vergebens. Auch an den sechs oberseitig sauber einfassten Bedientasten gibt es nichts zu meckern. Übrigens: Abwärme ist in der Praxis kein Thema, selbst beim Abrufen von sehr hohen Lautstärken und im normalen Dauereinsatz wird der Amp kaum mehr als handwarm.
Mittig angebracht ist das zwar kleine, aber aus einer Entfernung von knapp drei Metern immer noch gut ablesbare Display. Es gibt die grundlegenden Informationen hinsichtlich Quellenanwahl und Lautstärke wieder. Als pfiffig empfinde ich den in der Anzeige integrierten Farbbalken. Je nach Farbe und Eingang signalisiert der Waversa Wslim LITE so seinen Betriebszustand. Eine Fernbedienung in Form einer Apple Remote gehört zum Lieferumfang.
Schauen wir uns das rückseitige Anschlusstableau an. Was ist denn das? Ein UKW-Eingang nebst mitgelieferter Wurfantenne? Wie retro ist das denn? Ich bin begeistert! Optisches S/PDIF (24 Bit/96 kHz) bietet sich für den Fernseher an, während der koaxiale S/PDIF-Input (24/192) Hörer mit externem Streamer, DAP oder CD-Laufwerk zufriedenstellen könnte. USB-B erlaubt meinem MacBook Air die Zuspielung von Inhalten von 24 Bit/384 kHz (aber die müsste ich erst mal suchen). Interessant auch der USB-A-Eingang, der externe Festplatten und USB-Sticks ausliest.
Apropos Stick: Mittels handelsüblichen WiFi-Dongles wird der Waversa Wslim LITE zwar WLAN-fähig, doch ich selbst ziehe – gerade bei HiRes-Streaming, und speziell mit der Kombi aus Roon und Roon Nucleus – grundsätzlich die Ethernetverbindung vor. In Sachen AirPlay und Bluetooth aptX bietet der Wslim LITE ebenfalls Zugang. Allerdings vermisse ich neben einem Kopfhörerausgang die Möglichkeit, dem Wslim LITE analoge Quellen zuzuführen.
Meiner Meinung nach ist die Steuerung via Roon – ob über Tablet, MacBook oder Smartphone – die eleganteste und bequemste Möglichkeit, allerdings bedarf es dafür eines separaten Servers für den Roon Core. Leistungsstark, informativ und intuitiv – was wünscht man sich mehr? Zugegeben, nicht jeder will auf den kostenpflichtigen Roon-Zug aufspringen … Wünschenswert wäre da vielleicht eine eigene Waversa-App, die den direkten Zugriff auf Streamingdienste wie Tidal, Qobuz oder den Zugriff von Musik vom Rechner oder NAS ermöglicht. Derzeit empfehlen sich hierfür „Fremd-Apps“ wie mConnect und Bubble UPnP. Über den Web-Browser bietet der Wslim LITE ebenfalls Steuermöglichkeiten, aber für mich sind das seit meiner Liaison mit Roon keine wirklich reizvollen Optionen mehr.
Technik
Class-D-Verstärker arbeiten bekanntermaßen analog, auch wenn immer noch häufig von „Digitalverstärkern“ die Rede ist. Meist werden die verbauten Class-D-Module auch analog angesteuert – das ist beim Waversa etwas anders gelöst: Die Brücke zwischen den digitalen Eingängen (das Signal des FM-Tuners wird vorab digitalisiert) und den Class-D-Endstufen stellt ein sogenanntes FPGA (Field Programmable Gate Array) dar. Waversa nennt diesen programmierbaren Chip „WAP“ (Waversa Audio Processor) und überantwortet ihm mittels eigener Algorithmen die Modulierung des PCM-Signals in hochfrequente, analoge Pulsfolgen (PWM-Format) – exakt passend für die nachfolgenden, im Schaltbetrieb arbeitenden Verstärkerzüge.
Zu den Vorteilen von FPGAs gehören die Rechenleistung und die freie Programmierbarkeit – so lassen sich jede Menge (individuelle) Funktionen einbauen. Und sogar das eine oder andere Schmankerl: Eigens entwickelte Algorithmen, von Waversa „WAP/X“ tituliert, sollen für eine an Audio-Röhren angelehnte Klangsignatur sorgen. Basierend auf dem Verhalten von 300B-Röhren (!) übernimmt die Software eine „Rekonstruktion“ der geradzahligen Obertöne bis zur 32. Harmonischen, so die Koreaner. Da sich das WAP/X im laufenden Betrieb ab- oder zuschalten lässt, kann sich der geneigte Hörer selbst eine Meinung bilden, ob hier nur PR oder ein tatsächlich hörbarer Effekt vorliegt. Mein Eindruck ist, dass sich mit dem WAP/X deutlich was tut, es kommt eine wohlige Portion Wärme und Ausdruckskraft ins Klangbild.
Kommen wir zur Leistungsabteilung, die beim Wslim LITE in Form einer besonderen Brückenschaltung, einer sogenannten „Para-Para-Bridge-Tied-Load“ (PPBTL), ausgeführt ist. Pro Kanal kommen acht Verstärkermodule zum Einsatz, von denen vier in normaler und vier in inverser Phase beschaltet sind. Das halte den Verstärkungsfaktor pro Modul gering, wovon sich Waversa einen klanglichen Vorteil verspricht, und ergibt in Summe eine Leistung von 2 x 40 Watt an 4 Ohm. Die Leistungsmodule seien allerdings überaus laststabil und deshalb ließen sich auch niederohmige Lautsprecher kraftvoll antreiben, so Waversa. Wie werden hören …
Waversa Wslim LITE: Klangtest & Vergleiche
In Anbetracht des äußerlichen Auftritts auf eine apart-zarte Spielweise zu schließen, erweist sich als Fehleinschätzung. Schon bei den ersten Takten des Stücks „To Rome“ von Ted Poor (Album: You Already Know; auf Amazon anhören), in denen das Schlagzeug eindrucksvoll bearbeitet wird, zeigt der Waversa Wslim LITE einen fast schon unsittlichen Tiefgang mit vollmundig-kräftiger Signatur. Da beben die Felle des Schlagzeugs vor dem geistigen Auge. Sapperlot, ich kann gar nicht glauben, dass der kleine Koreaner die vier 26-Zentimeter-Basstreiber meines Isophon-Indigo-Pärchens so an die Kandare nimmt. Die, und jetzt kommt’s noch dicker, sonst vom 28,5-Kilogramm-Class-D-Monster Sony TA-DA 9000 ES (seinerzeit circa 4.000 Euro) eben nicht mit der Fulminanz des Wslim bearbeitet werden. Kann nicht sein, denke ich mir, vielleicht ein Zufall oder ich habe irgendwas verstellt.
Mit dem Stück „Les Aphides“ von Essaie Pas (Album: New Path; auf Amazon anhören) will ich dem japanischen Großsamurai noch eine Chance geben. Und tatsächlich drückt der Sony in garstiger Manier mächtige Basswellen mit Wucht in den Raum, so als wolle er sagen: „Hier, du Zwerg, mach das mal nach!“ Und dann? Verwandelt sich der Wslim in Chuck Norris. Tieffrequente Impulse kommen noch packender und dunkler, dabei pfundiger und straffer.
Stark bleiben, kein cholerischer Anfall jetzt, das muss doch irgendein Effekt im Bass sein. Also schnappe ich den Flachmann und stelle ihn neben den ebenfalls in Class-D operierenden Pioneer SC-LX 89 (2.700 Euro). Die Canton A 45 bezieht Stellung, während 270 gegen 40 Watt pro Kanal antreten. Machen wir es kurz: Quantitativ sollte der Waversa Wslim LITE doch eigentlich unterlegen sein. Ist er aber nicht. Patti Smiths unzählige Male gehörte Bass-Drum in „Gung Ho“ schiebt sich druckvoller, mit strafferem, energischerem Antritt in den Raum. Auch die einschwebenden Rotorblätter des Bell-Hubschraubers wirken bedrohlicher, konturierter und werden mit einer besser nachvollziehbareren Körperlichkeit herausgearbeitet. Fassen wir zusammen: Der Bass des Wslim ist nicht auf der schlanken, sondern definitiv auf der druckvollen Seite von neutral zu finden – und das bei ordentlich hinabreichendem Tiefgang. Selbst bei höherem Pegel lässt der nicht zu wünschen übrig. Auch das ist erstaunlich.
Kommen wir zum Mittenband, das sich im Grundton ganz leicht angewärmt und unerwartet farbstark, mit großer Ausdrucksfreude darstellt. Der deckkräftige Farbanstrich, die hierüber vermittelte Authentizität des Saxofonspiels von Shabaka Hutchings, die körperhafte und doch beweglich wirkende Gangart lassen eventuell aufkeimendes Genörgel, dass das nicht 100%ig neutral tönt, augenblicklich verstummen. Dass das Waversa-Vesperbrett den erst kürzlich gelobten (freilich nicht halb so teuren) Nubert nuAmpX wie auch den Elac EA101 EQ-G (700 Euro) wie Schuljungen aussehen lässt, erstaunt mich nach der bisherigen Vorstellung nicht weiter.
Bei „Cue Synthesizer“ von Destroyer (Album: Have we Met; auf Amazon anhören) zeigt sich übrigens, dass die Intonation des Sängers Dan Bejar nicht zu sonor daherkommt, sondern eine gelungene Mischung aus Transparenz und Plastizität bei lediglich leicht angehobenem Wärmepegel darstellt. Genau das meine ich mit „Authentizität“. Gleiches lässt sich auch bei Frauenstimmen erleben, Nadia Reid tönt bei „Richard“ (Album: Preservation) intensiv, lebensecht und vollmundig.
Um den emotionalen Reset einzuleiten und sozusagen vollkommen frei und fokussiert die Auflösung des Waversa Wslim zu erfahren, steuere ich das Stück „Coconut Jam“ von Hugh Masekela & Tony Allen (Album: Rejoice) an. Das vehement bearbeitete Schlagwerk leuchtet über die Canton A 45 mit sehr guter Feinauflösung, metallisches Vibrato wird nahezu ungefiltert, mit schillerndem Variantenreichtum dargereicht, ohne kühl oder scharf zu wirken. Aber eben auch nicht allzu sehr verrundet, sodass eine eher auf der leicht defensiveren Seite von neutral befindliche, keinesfalls richtiggehend „güldene“ Spielweise im Hochton attestiert werden darf.
Aber hören wir genauer hin. Szenenwechsel zum Stück „Opening Day“ von Anouar Brahem (Album: Blue Maqams), bei dem das hohe Auflösungsvermögen des Wslim LITE gleich zwei Dinge unterstützt:
Zum einen eine überzeugende Ortbarkeit und Raumdefinition. So wähnt man die räumliche Szenerie mitsamt der Oud wahrhaft vor sich, nichts wirkt zu weit entrückt oder zu vordergründig. Dabei fallen mir insbesondere die perkussiven Elemente auf, die mit Glanz versehen aufblitzen. Das Auflösungsvermögen ist gut, ohne je „überpreußisch“ rüberzukommen, wie das beispielsweise mit der Kombi aus Mytek Brooklyn DAC+ und Brooklyn Amp schon mal passieren kann. Gern fühle ich der räumlichen Abbildung auch mit symphonischen Werken auf den Zahn, deshalb bemühe ich den fünften Satz von Ernst von Dohnányis „Schleier der Pierrette“, aufgeführt vom ORF Radio-Symphonieorchester Wien. Das Werk breitet sich über den Waversa Wslim LITE mit authentischer Breite und Tiefe vor mir aus. Bemerkenswert, dass selbst im Hintergrund zart anschwellende Streicher fein ausdifferenziert werden. Die Trennschärfe bei der Tiefenstaffelung ist ähnlich wie bei der genannten Mytek-Brooklyn-DAC+/AMP-Kombo (4.000 Euro), die allerdings mit gesteigerter, konzentrierterer Detailversessenheit und Auflösung punktet, während der Waversa Wslim LITE auf eine farbintensivere und wärmer intonierte Darstellung setzt.
Zum anderen können sich auch die Fein- und Grobdynamik sehen lassen. Und so kommt es, dass aus dem sich immer wieder emporwindenden Motiv im sechsten Satz ein ergreifender Moment wird, der nicht lustlos aus den Lautsprecher plätschert, sondern mit Enthusiasmus wiedergegeben wird. Interessant, wie die Kontraste dabei dargestellt werden: etwa die verletzlich wirkende, sanfte Intonierung eines einsamen Blasinstrumentes im Wechsel zur abrupt auf den Plan tretenden Bedrohlichkeit der aufbrausenden Streicher. Das kurz nach Mitte des achten Satzes einsetzende Paukenmanifest löst bei mir fast Herzrhythmusstörungen aus, wie sonst eigentlich nur über die Kii Three. Okay, die der Waversa-Isophon-Kombination eigene Melange aus dynamischer Beweglichkeit und Seidigkeit erreicht nicht wirklich das Niveau besagter Kii Three, kann sich aber durchaus sehen lassen.
Unproblematisch und erstaunlich stabil verhält sich der Waversa zudem an Lautsprechern mit durchschnittlichem Wirkungsgrad. Selten habe ich den Eindruck, es sei zu wenig Kraft vorhanden oder der kleine Amp komme ans Limit. Klar, da geht immer noch mehr, aber dieses „kleine Brettle“ zeigt sich, was Pegelreserven und Lust an grobdynamischer Attacke angeht, ganz erstaunlich kompetent.
Test: Waversa Wslim LITE | Streaming-Verstärker