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Das magnetostatische Wandlerprinzip fand insbesondere in den USA vor zirka 10 Jahren seine Renaissance, als Audeze mit dem neuen LCD-Kopfhörer auf den Markt kam. Besonders der normalerweise mit nur einem dynamischen Treiber recht schwierig darzustellende Bassbereich wurde durch diese „neue“ Gattung von Treiber auf Vordermann gebracht. Nachteilig wirkte sich allerdings das konstruktionsbedingt recht hohe Gewicht der Kopfhörer aus. Genau hier verfolgt Dan Clark, Gründer und Mastermind der ebenfalls amerikanischen Kopfhörermanufaktur MrSpeakers (deutscher Vertrieb: www.digital-highend.de), seit nunmehr fast acht Jahren eine stetige Weiterentwicklung: Nämlich Kopfhörer zu designen, die sowohl einen hohen Tragekomfort als auch perfekten Klang für den offerierten Preis bieten. Sein neuestes Produkt in der Sub-1000-Dollar-Liga hört auf den Namen MrSpeakers Aeon Flow. Sowohl eine offene als auch geschlossene Version werden angeboten. Letzterer, der Aeon Flow Closed, soll in diesem Testbericht genauer auf seine Klangeigenschaften untersucht werden.
Entwicklungsgeschichtliches …
Die Idee, einen eigenen Kopfhörer zu entwickeln, entsprang wie so oft privaten Bedürfnissen. Da sich Dan Clarks Frau im gemeinsamen Büro an den offenen High-End-Kopfhörern störte, überlegte er sich, wie man einen gleichzeitig räumlichen und detailreichen Klang auch in ein geschlossenes Gehäuse integrieren könnte. Seine ersten Versuche machte er mit dem in einschlägigen Foren viel diskutierten Magnetostaten TR50P von Fostex. Nach zahlreichen Modifikationen, welche den Klang in eine gewisse Richtung beeinflussten, kam er auf die Idee, den technisch hervorragenden Treiber des Fostex in ein selbst designtes und 3D-gedrucktes Gehäuse zu stecken. Heraus kam das Erstlingswerk der neu gegründeten Firma, der MrSpeakers Alpha Dog. Nach dem Erfolg des neuen Produktes folgten die kompletten Eigenentwicklungen MrSpeakers Ether (offen) und Ether C (geschlossen). Beide Kopfhörer zeichnen sich durch ein besonders angenehmes Tragegefühl und einen detailreichen Klang aus. Da sie sich mit zirka 2000 Euro doch schon im High-End-Segment befinden, wurde schnell der Wunsch nach einem günstigeren Modell laut. Daraus entstand schließlich die Aeon-Serie, die wie gesagt ebenfalls ein offenes (Aeon Flow Open) und ein geschlossenes Modell (Aeon Flow Closed) beinhaltet. Beide sind in Deutschland über den Distributor Digital Highend für jeweils 899 Euro erwerbbar.
MrSpeakers Aeon Flow Closed: Konzept & Technik
Der MrSpeakers Aeon Flow Closed erreicht mich in einer schlichten, schwarz gehaltenen Umverpackung mit einigen aufgedruckten technischen Spezifikationen. Das recht kompakt gehaltene Travel Case, in welchem sich der eigentliche Kopfhörer befindet, ist ebenfalls schwarz und beherbergt den Kopfhörer, das abnehmbare Kopfhörerkabel mit Klinkenanschluss – alternativ kann bei der Bestellung auch ein zwei Meter langes XLR-Kabel bestellt werden – sowie ein Paar Schaumstoffeinsätze zum Klangtuning. Auf diese gehe ich unten noch genauer ein. Wie bei manch anderen Kopfhörern auch ist der Klinkenstecker mit einem abschraubbaren 6,35-mm-Adapter versehen, unter dem eine 3,5-Millimeter-Klinke zum Vorschein kommt.
Priorität, neben einem hervorragenden Klang, hat laut Dan Clark auch der Tragekomfort. Gerade bei den recht gewichtigen Treibern von Magnetostaten ist eine leichte Konstruktion nicht immer selbstverständlich, wie zum Beispiel die LCD-Serie von Audeze demonstriert. Mit dem MrSpeakers Aeon Flow Closed ist es Dan gelungen, sowohl das Chassis als auch den eigentlichen Treiber wesentlich leichter zu gestalten. Mit 340 Gramm ist der Kopfhörer – verglichen mit einigen dynamischen Modellen – zwar trotzdem kein Fliegengewicht, stellt man aber zum Beispiel einen LCD-2 mit knappen 500 Gramm gegenüber, wird schnell klar, welcher Hörer zumindest vom Gewicht her einen Langzeit-Tragetest eher gewinnen würde. Aber tatsächlich ist nicht nur das schiere Gewicht erfreulich. Setzt man den MrSpeakers Aeon Flow Closed zum ersten Mal auf, wird man vom sehr angenehmen Tragegefühl sofort überzeugt sein. Vorausgesetzt man besitzt nicht allzu große Ohren. Denn trotz der weichen Lederpads gibt es beim MrSpeakers Aeon einen entscheidenden Nachteil. Durch seine schmale Gehäuseform, gepaart mit den recht dicken Lederpads, passen größere Ohren vermutlich nicht mehr ganz so perfekt in die Muschel, wie das bei größeren Konstruktionen – zum Beispiel AKG K702 oder Sennheiser HD 800 – der Fall ist. Wie dem auch sei: Die Schallisolierung von außen stellt sich als erfreulich hoch dar. Dazu tragen vermutlich auch die gut abdichtenden aber trotzdem nicht zu fest sitzenden Lederpads bei.
Das geringe Gewicht des MrSpeakers Aeon Flow Closed wird vor allem durch die verwendeten Materialien erreicht. So besitzt der MrSpeakers keine schwere Holzkonstruktion oder gar ein Chassis aus Metall. Die Abdeckkappen des geschlossenen Kopfhörers sind stattdessen tatsächlich aus Carbonfaser gefertigt. Das Kopfband besteht aus einem Stück durchgefärbten Echtleder und macht den Kopfhörer auch an der recht druckempfindlichen Stelle mittig am Kopf angenehm zu tragen. Das die beiden Kopfhörerschalen zusammenhaltende Metallband besteht aus Nitinol, einer flexiblen Metalllegierung aus Nickel und dem sehr leichten Titan. Dieses Material wird auch oft als Formgedächtnis-Legierung bezeichnet, da sie, unabhängig, wie man die recht dünne Metallkonstruktion auch immer biegt, stets in die ursprüngliche Form zurückkehrt.
Was wäre der am besten konstruierte Kopfhörer ohne sein Herzstück, dem Treiber? Bei Mr. Speakers setzt man seit Beginn der Firmengeschichte wie erwähnt auf das magnetostatische Prinzip mit Permanentmagnet und dünner Folie – entwickelte es an einigen Stellen aber entscheidend weiter.
So muss der Schall auch an den Magneten vorbei ans Ohr. Damit dies ohne Verwirbelungen und Ablenkungen des Schalls erfolgen kann, hat man hier einen Miniatur-Waveguide in die Magnetkonstruktion eingebaut, welcher den Schall möglichst ungestört zum Ohr transportieren kann. Mr. Speakers nennt diese Optimierung eine „TrueFlow Motor Optimization“, woher auch der Namenszusatz „Flow“ rührt.
Die eigentliche Membran wurde ebenfalls optimiert. Hier wurde zusammen mit Bruce Thigpen von Eminent Technology das Problem angegangen, dass sich die Membran bei der Ansteuerung der Magnete normalerweise nicht homogen in der Mitte und im Randbereich bewegt, sondern hin zur Mitte weiter aussteuert als an der Außenseite. Dem wird mit dem sogenannten V-Planar Driver Processing entgegengewirkt. Hierbei wird die standardmäßig plane Membran wie eine Ziehharmonika aufgefaltet. Dadurch kann bei größerer Amplitude, wie etwa bei tiefen Frequenzen der Fall, auch der Rand auf gleicher Höhe mitschwingen, um eine homogene Membranfläche und so auch eine geradlinigere Schallführung gewährleisten zu können.
Diese Finessen sollen zu einem sehr durchhörbaren und transparenten Klangbild führen, bei dem laut Dan Clark keine Frequenzen zu kurz kommen. In der Vergangenheit wurden aber bei einigen Kopfhörermodellen von MrSpeakers immer wieder Kundenstimmen laut, die sich ein etwas volleres Klangbild wünschten und trotzdem auf den Haussound von MrSpeakers nicht verzichten wollten. Deshalb legt der Hersteller nun Schaumstoffpads bei, welche in die Kopfhörerschalen vor die Membran gelegt werden und den Bassbereich relativ etwas hervorheben sollen, ohne aber die restliche Abstimmung und Klangqualität negativ zu beeinflussen. Wie sich diese Pads auf den Klang auswirken und ob die Marketingversprechen gehalten werden, wird im Klangteil geklärt.
Bei dem technischen Datenblatt wurde, so Dan Clark, bewusst auf eine Frequenzgangbeschreibung verzichtet, wenngleich viele Hersteller diese eigentlich nicht sehr aussagekräftigen Zahlen als Indikator für Klangqualität heranziehen. Was MrSpeakers allerdings angibt, sind der maximale Schalldruckpegel von 92 dB/mW und die Impedanz des Kopfhörers. Diese ist mit ganzen 13 Ohm nicht gerade hoch ausgefallen. Ob sich das schließlich auch kritisch auf die Verstärkerwahl und somit auch auf den Klang auswirken kann, wird ebenfalls noch geklärt.
MrSpeakers Aeon Flow Closed: Klang & Vergleiche
Ein Komponist, der die moderne Filmmusik vermutlich mehr geprägt hat als viele andere, war der Isländer Johann Johannsson (Album: And in the Endless Pause there came the sound of bees; auf Amazon anhören). Neben den Soundtracks zu Hollywood-Filmen wie „Sicario“ oder „The Arrival!“ verfasste er auch unabhängige Kompositionen. Eines seiner bekanntesten Werke ist And in the endless pause there came the sound of bees. Die simple, aber schwermütige Klaviermelodie zu Beginn von „Theme“ bringt der MrSpeakers Aeon Flow Closed ohne Schönfärberei auf den Punkt ans Ohr. Der präzise Tastenanschlag wirkt im Vergleich zum Sennheiser HD 800S (1600 Euro) vielleicht etwas heller, im oberen Mitten- und unterem Hochtonbereich aber dadurch auch etwas präziser. Die Obertöne des Klaviers stellt der MrSpeakers genau in der richtigen Dosierung dar, trotz der leicht betonten Höhen werden die Anschläge nie zu scharf dargestellt. Auch der Übergang vom Klavier zu den Streichern gelingt dem Aeon Flow Closed ausnehmend feinfühlig, die Violinen werden sehr realistisch dargestellt. Dass man hier einen Magnetostaten auf dem Kopf hat, der auch im Hochton ein überaus graziles Maß an Feindynamik aufweist, merkt man spätestens, wenn man zum Audeze LCD-2 (um 999 Euro) greift. Vor allem mit seinem ausgearbeiteteren Präsenz- und Brillanzbereich verweist der MrSpeakers seinen amerikanischen Kollegen in die Schranken. Die im Hintergrund anklingenden Möwenrufe bei 2:20 stellt der Aeon Closed authentischer dar als der dunkler tönende LCD-2. Sogar der als Raumkünstler bekannte HD 800S gibt sich im oberen Hochton und Superhochton etwas bedeckter als der MrSpeakers – trotzdem wirken beispielsweise die hochfrequenten Laser-Sounds im Stück „Sumavéi“ (Album: Dís) mit dem Aeon Flow Closed nie nervig. Auch der Ausklang von Hi-Hats und Becken lässt keinen Grund zur Kritik übrig. Hier wird weder etwas verschluckt noch überbelichtet.
Aus dem Jahr 2004 stammt das Album Eye to the Telescope (auf Amazon anhören) der schottischen Singer-Songwriterin KT Tunstall. Da hier viele Musikstücke teils mit akustischer und teils mit E-Gitarre durchzogen sind, eignet sich diese Platte auch nach 14 Jahren noch bestens, um dem Mittenbereich des MrSpeakers Aeon Flow Closed auf den Zahn zu fühlen. Passend zum vorhin beschriebenen luftigen und offenen Hochtonbereich werden auch Mitteninstrumente wie Gitarre präziser ausgeleuchtet und muten dabei tonal heller an als über typische wärmer abgestimmte Vertreter der Zunft wie etwa dem grundtonbetonteren Audeze LCD-2. Die Unmittelbarkeit und Transparenz, mit welcher der MrSpeakers sowohl Akustik-Gitarre als auch die raue Note der Stimme von KT Tunstall ans Ohr bringt, erreicht der Audeze nicht, der dafür E-Gitarren rockig-pfundiger wirken lässt.
Ja, brachiale Gitarrengewitter, wie von den norwegischen Metallern Malsain auf ihrem Debutalbum They never die zu hören, schmeißt einem der Aeon Closed zwar weniger fett ans Ohr, dafür hört man mit ihm die feinen Slides, wenn der Gitarrist beim Griffwechsel mit den Fingern über die Saiten streicht. Aber wir sind ja flexibel – setzen wir doch die erwähnten Schaumstoffscheiben zum Klangtuning ein: Der untere Mittenbereich wird durch die Dämpfung des Hochtons etwas kräftiger herausgearbeitet, die düsteren Moll-Akkorde der E-Gitarre machen dadurch auch bei höheren Lautstärkepegeln Spaß, zudem bekommt der Doublebass mehr Substanz, rückt weiter in den Vordergrund. Dabei wird aber der restliche Mittenbereich keinesfalls vernachlässigt – die durchlässigen Schaumstoffpads schlucken offenbar keine Details.
Eines der Entwicklungsziele von Mr. Speakers ist es, auch bei geschlossenen Modellen ein möglichst offenes Klangbild zu erreichen. Und das ist beim Aeon Flow Closed gelungen, so wirkt etwa besagtes Album von KT Tunstal, das ich ohne Pads gehört habe, sehr livehaftig. Zumal einzelne Instrumente wie Percussions, Gitarre und auch die Stimme der Sängerin in einem realistisch dimensionierten Raum klar verortet werden. An die Räumlichkeit eines Sennheiser HD800S reicht der Aeon Flow Closed zwar nicht ganz heran, ein Beyerdynamic DT880 600 tut sich aber schon hörbar schwer, mit dem neuen geschlossenen MrSpeakers mitzuhalten.
Nun bleibt noch zu klären, ob der neue und derzeit günstigste MrSpeakers Aeon Flow Closed mit seinem größeren Bruder, dem Ether C Flow mithalten kann. Prüfen wir das am besten mit dem lang ersehnten, im Juni erschienenen Album Plunge (auf Amazon anhören) der experimentierfreudigen schwedischen Künstlerin Karin Dreier Andersson aka Fever Ray.
Nicht zuletzt im (Tief-)Bass kann mich der Ether C Flow überzeugen – und ähnlich wie sein großer Bruder reicht auch der Aeon im Bassbereich recht tief hinab, tönt dabei allerdings weniger voluminös. Der beim Stück „To the Moon and Back“ ab 0:55 einsetzende Kick- und Tiefbass wird sauber und ohne zu übersteuern gezeichnet. Beim Intermezzo gegen Ende des Stücks kommen die Qualitäten des Aeon Flow Closed in Sachen Tiefgang dann voll zu Gehör: Die Tiefbassline wird bei vielen dynamischen Hörern entweder eher nur angedeutet oder sogar komplett abgeschnitten. Der MrSpeakers Aeon Flow Closed hingegen stellt sie ebenbürtig zum Kickbass dar. Übrigens: Wem der Aeon bei gewissen Musik-Genres zu wenig spritzig erscheinen sollte, der kann durch die Schaumstoffeinlagen auch die dynamische Spielweise im Tiefton etwas aufpeppen, ohne einen Detailverlust befürchten zu müssen. Die Pegelfestigkeit leidet mit den Schaumstoffpads ebenfalls nicht: Dreht man den Volume-Regler am Verstärker etwas weiter nach rechts, muss man sich keine Gedanken um eventuell auftretende Verzerrungen machen. Der Bass bleibt knackig und tief.
Universell verstärkbar: MrSpeakers Aeon Flow Closed
Benötigt man für den MrSpeakers Aeon Flow Closed einen potenten Verstärker zur vollen Entfaltung des Klangpotenzials? Der amerikanische Magnetostat ist hier erfreulich unkritisch und macht auch an Smartphones, welche durch ihre meist höhere Ausgangsimpedanz bei niederohmigen Hörern klangverfälschend wirken können, noch eine annehmbare Figur. An allen von mir herangezogenen Verstärkern wurden die Stärken des Aeon Closed sehr gut herausgearbeitet, wobei natürlich auch die typischen Eigenschaften der jeweiligen Verstärker durchscheinen.
Mit dem Benchmark DAC 1 USB spielt der Aeon Flow Closed etwas direkter und leicht kühler als mit meinen anderen Vertärkerkandidaten. Der Burson Soloist SL hingegen arbeitet den Feingeist des MrSpeakers noch stärker heraus. Bei Jazz und ruhigerer Musik wie Singer/Songwriter entlockt diese Kombination den Aufnahmen auch noch so kleine Details. Die dem Burson innewohnende leichte Betonung des Grundtonpegels tut dem MrSpeakers in E-Gitarren-lastigen Stücken ebenfalls gut. Insgesamt wirkt er in Kombination mit dem Burson etwas musikalischer.
Aber auch mit dem sonst recht kopfhörerkritischen NuPrime HPA-9 kann man den MrSpeakers Aeon Closed adäquat verstärken. Vor allem im Bassbereich legt der Aeon Flow Closed etwas an Pegel zu. Durch den leicht abfallenden Hochtonverlauf des NuPrime gewinnt das Klangbild an Sonorität, wenngleich dabei die Detailfülle des MrSpeakers etwas zurückstecken muss.
Am Smartphone kann der MrSpeakers tonal überzeugen, nichts wird signifikant verfärbt. Mit Blick auf den Pegel kann es dem einen oder anderen Hörer aber etwas zu mager werden. Hier verhält sich der MrSpeakers ähnlich wie etwa der AKG K702, der trotz niedriger Impedanz zuweilen die Hilfe eines Verstärkers benötigt. Ein digital angeschlossener mobiler Verstärker ist schlussendlich auch mit Blick auf eine verbesserte Feindynamik empfehlenswert.
Test: MrSpeakers Aeon Flow Closed | Kopfhörer