Und, rockt Madame auch? Oh, und wie! Aber bevor ich dazu komme, vorab ein Hinweis: Begehen Sie nicht den Anfängerfehler, einen großen Lautsprecher in ein zu kleines Zimmer einzusperren. Zumindest im Fall der Focal Sopra No 3 hätten Sie dann zwar eine interessante Skulptur, doch nicht den bestmöglichen Sound im Raum. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie sie in Räumen unter circa 25 qm ihr Potenzial komplett ausspielen soll.
Setup & Aufstellung
Zum einen ist ihr Bass kräftig, da wird etwas mehr „Schubs“ geboten als die reine Lehre vorschreibt – und das aber nicht, wie so häufig, nur im oberen Tiefton. Nein, bei der Sopra No 3 zieht sich das vom Tief- bis zum Oberbass durch. Rein pegelseitig ist das gar nicht mal so ausgeprägt, aber es umfasst den gesamten Tiefton. Wenn Sie nun daheim die Lautsprecher maximal 50 cm von der Rückwand abrücken können: Denken Sie besser über etwas Kleineres nach und sparen noch Geld dabei.
Zum anderen empfiehlt es sich, selbst etwas Abstand zur Sopra No 3 einzunehmen. Auch wenn sich das Chassisensemble durch die Anwinkelung um den Hochtöner herum am Hörplatz akustisch kleiner geben soll, als es realiter ist – damit die Treiber homogen zusammenspielen, sollte man der Dame nicht allzu sehr auf den Pelz rücken. Ich habe meinen Sessel einen halben Meter weiter nach hinten geschoben als sonst, auf circa 3,9 m Entfernung – so rastete es ein.
Bühne & Bass
Anders als erwartet wirkt das Klangbild nun sogar näher bei mir als mit geringerem Hörabstand zu den Boxen, ein Effekt, den ich nicht auf der Uhr hatte. Also keine Bange: „Entfernt“, gar „distanziert“ gibt sich die Focal Sopra No 3 keinesfalls. Ganz im Gegenteil: Das Klangbild löst sich schön von den Boxen ab und geht sehr involvierend nach vorne zum Hörer hin. Die Musik spielt frei im Raum statt akkurat-verschüchtert irgendwo dahinten pedantisch vor sich hinzuplätschern, wenn Sie wissen, was ich meine. Gute Sache.
Was Breite und Tiefe des Bühnenraums angeht, darf man zufrieden sein. Richtig außergewöhnlich für einen Lautsprecher dieser Liga ist es aber auch nicht. Meine Blumenhofer Genuin FS 1 (circa 25.000 Euro) versteht sich darauf, das Klangpanorama noch etwas breiter aufziehen, nach hinten raus geben sich beide Lautsprecher allerdings nichts. Schließt man eine Wilson Audio Sabrina (circa 20.000 Euro) an, dann zeigt sie den beiden, wie Tiefenstaffelung buchstabiert wird. Auch was die Plastizität der Klänge im Mittel-/Hochtonbereich angeht, hat die Amerikanerin gegenüber der Französin und auch der Deutschen die Nase vorne. Allerdings ist das auch eine ihrer besonderen Stärken und spricht nicht gegen die Performance der Focal, die alles in allem ihren Job preisbezogen anständig machen.
Gleichwohl hat die Sopra No 3 räumlich etwas Besonderes zu bieten. Neben dem involvierenden, nach vorne spielenden Gestus ist das vor allem diese totale Sicherheit, ja geradezu Autorität, mit der sie das Bühnenbild in den Raum projiziert – oder sollte ich besser sagen: hineinbetoniert? Vor allem bei dicht instrumentierter Musik, Großorchestralem oder schrägerer Electronica fällt das auf. Den Synthibass auf „To Care“ von James Blake (gleichnamiges Album auf Amazon anhören) beispielsweise bringt die Focal wirklich zum Niederknien schön: satt, ultratief, famos strukturiert – und eben auch in räumlicher Hinsicht sehr akkurat und griffig, zum Anfassen. Weder die Wilson noch die Blumenhofer können diesen „Tiefton in 3D“ derart überzeugend. Da weichen keine Konturen auf, da verschwimmt nichts, egal welchen Pegel man fährt. Und diese Samples und Stimmfetzen-Einsprengsel, die Blake darüber legt? Völlig unabhängig von der Schwerstarbeit in den unteren Lagen werden die auf die zugehörigen Stellen verwiesen, von denen sie sich keinen Millimeter wegtrauen. Das Ganze schichtet sich zu einem veritablen Klangspektakel auf.
Mögen Sie Yello? Ich ja eigentlich nicht so sehr, doch musste ich die jetzt einfach raussuchen – und auf meinem Musikserver wurde ich mit Touch Yello (auf Amazon anhören) auch fündig. Mein Gott, was für eine Show, diese Platte über die Sopra No 3 abzuspielen! Also, wenn Sie ihre Freunde mal richtig beeindrucken wollen, diese Tieftonperformance ist nicht mehr normal … Und spätestens beim Track „Bostich [Reflected]“ fällt mir noch die dritte Besonderheit bei der Raumdarstellung der Focal auf: Das Klangbild kann auch sehr hoch bauen. Vielleicht kein Wunder, bedenkt man die Größe dieses Lautsprechers, aber angesichts der kathedralenartigen Soundskulptur, die da vor mir steht, will ich’s einfach noch mal gesagt haben.
Also: Für Girl-with-a-guitar-Stoff mögen anständige Kompaktlautsprecher reichen, bisweilen sogar ihre inhärenten Vorteile in Sachen Abbildungsqualität & Tiefenstaffelung ausspielen – wenn es aber laut, dicht, voll und fordernd in der Musik zugeht, braucht man einen kompetenten Großlautsprecher, damit auch bei annähernd Konzertlautstärke Durchzeichnung und Körperlichkeit auf der Bühne herrschen. Und dafür ist diese Focal eine erstklassige Wahl.
Laut, leise & dynamisch
Nach dem bisher Gesagten muss wohl nicht mehr gesondert auf die Pegelfestigkeit der Focal Sopra No 3 eingegangen werden. Eher verwandelt sich ihre Nachbarschaft in einen Lynchmob als das Sie die Sopra in die Kompression treiben. Erwähnenswerter ist da schon eher, dass man mit ihr auch gepflegt leise hören kann, ohne dass einem die Füße einschlafen, das Klangbild bleibt lebendig und ausgewogen. Ja, was Sprachverständlichkeit, tonales Ebenmaß und Lebendigkeit bei (sehr) geringen Pegeln angeht, toppt die Focal sogar meinen wirkungsgradstarken Hornlautsprecher, was ich ziemlich erstaunlich finde. Klar – man kauft so eine große, schwere und teure Box wohl nicht ausschließlich zur Hintergrundbeschallung. Trotzdem schön, dass das mit der Focal derart gut funktioniert. Natürlich liegt das auch an ihren dynamischen Meriten …
Ja, die Focal Sopra No 3 hat es feindynamisch wirklich drauf: Wohldosiertes Spiel an den Schlagzeugbecken einer Jazzcombo, dezentes Gezupfe an einem Banjo oder einer Gitarre, lebendiger Nachvollzug von Flüstergesang – das alles klappt wunderbar. Doch ganz ehrlich: Sowas können andere auch. War etwa die kompakte Dynaudio Contour 20 darin wirklich schlechter? Löste sie – Detaillierungsgrad und feindynamisches Talent sind zwar nicht dasselbe, treten aber häufig zusammen auf – in den mittleren bis höheren Lagen viel schlechter auf? Ich glaube nicht.
Der relevante Unterschied liegt in der grobdynamischen Kompetenz der Französin. Das lässt sich auch ganz leicht und unmittelbar erfahren, man höre beispielsweise mal wieder Schostakowitschs erste Symphonie (auf Amazon anhören) in einer Lautstärke, die zumindest der Idee nach das Konzerterlebnis zum Vorbild hat. Der erste Satz ist noch nicht ganz vorbei, und schon ist klar: Mit Kompaktlautsprechern braucht man hier im Grunde gar nicht erst anzufangen und auch die meisten normalformatigen Standmodelle spielen lange nicht so souverän angesichts solcher Tutti-Passagen. Noch teurere Standlautsprecher sind hier ebenfalls nicht zwangsläufig besser, denn das ist keine Frage des Geldes allein, sondern des Konzepts: Feindynamisch und auflösungstechnisch haben die schon genannte Wilson Audio Sabrina oder, noch kostspieliger, eine Audiograde Ardora (circa 27.000 Euro) noch etwas mehr zu bieten als die Focal Sopra No. 3. Aber wenn es um die Grenzen der Dynamik bei hoher Durchschnittslautstärke geht, wenn sich das ganze Orchester mit Schwung einbringt – dann wirkt das über die Französin einfach abgeklärter und lässiger. Gut, über meine Blumenhofer kommt das noch etwas explosiver, ansatzloser rüber – aber das ist auch ‘ne speziellere Nummer, so ein Lautsprecher mit Horn und 16-Zoll-Woofer. Den aufgeräumteren Bühneneindruck während solcher Dynamikattacken hinterlässt zudem die Focal, die Blumenhofer platziert die Instrumentengruppen vergleichsweise weniger konkret.
Tonales
Noch ein paar Worte zur Tonalität und zum Auflösungsvermögen. Den Bassbereich hatte ich ja schon mehrfach erwähnt: etwas kräftiger, und zwar vom unteren bis zum oberen Bereich. Interessanterweise hört das ab dem Grundton auf, der sich, wie letztlich das gesamte Mittenband, neutral und „geradeaus“ gibt: Hier wird weder angewärmt noch abgekühlt. Im Hochton geht es straight weiter, ja, vielleicht ist da eine klitzekleine Prise mehr Pfeffer dabei, aber wirklich nur eine Idee. Ein Effekt dessen ist, dass die Impulswiedergabe immer „auf Zack“, schön crisp und knackig gerät – ein anderer, dass empfindliche Gemüter bei sehr hohen Pegeln es möglicherweise als etwas „too much“ empfinden könnten. Der Ton bleibt zwar auch dann sehr rein und verzerrungsfrei, aber er ist halt: deutlich, nicht höflich abgemildert. Die Gesamttonalität der Focal Sopra No. 3 lässt sich weder als warm noch als kühl beschreiben. Sehr kräftig und klar – das passt. Und eher expressiv als schüchtern-mild.
Was das Detaillierungsvermögen angeht, so bietet die Focal im Mittel-/Hochtonbereich das, was man angesichts ihrer Preisklasse erwartet: jede Menge, aber auch nichts wirklich Überraschendes. Anders im Tiefton – der besticht nicht allein durch Substanz, sondern wird grimmig, strukturiert und eben auch sehr informativ dargeboten, weshalb man dieses seltsame, leicht irre Grinsen gar nicht mehr aus dem Gesicht bekommt.
Test: Focal Sopra No 3 | Standlautsprecher