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Januar 2014 / Jochen Reinecke
Falls Sie hier bei fairaudio schon einmal die eine oder andere Rezension von mir gelesen haben, dann werden Sie es bereits wissen: Ich bin nicht der ganz große Kopfhörer-Liebhaber. Ich möchte Musik nicht nur im Innenohr, sondern auch in der Magengrube spüren. Außerdem mag ich es, wenn ich eine gut sortierte und tiefe Klangbühne vor mir habe – was mit Kopfhörern normalerweise auch eher schlecht als recht funktioniert.
Natürlich gibt es Vorteile: Man kann zu später Stunde noch richtig Gas geben, ohne Nachbarn zu verärgern – und da leistet mir meine „Arbeitsmütze“ Ultrasone Pro900 sehr gute Dienste. Auch bei der Arbeit am Mischpult kann ein Kopfhörer zuweilen ganz nützlich sein: Wer einen vierstimmigen Bläsersatz sauber mischen will, kann gegebenenfalls mit einem Kopfhörer besser zurande kommen. Es gibt natürlich auch andere Methoden: Im Berliner Bit-Tonstudio, wo ich mein erstes Geld verdiente, schalteten wir für solche Aufgaben gerne mal auf die intern „Killersound“ genannte Abhöre, die aus zwei mit Flacker-Leuchtdioden versehenen Breitband-Autolautsprechern koreanischer Provenienz im Wert von je 3 Euro bestand. Wenn hier die Balance stimmte, hatte man es richtig gemacht. Ende des Exkurses „Oppa erzählt vom Krieg“. Wo waren wir? Ach ja, Kopfhörer.
Im Wissen um meine ambivalente Einstellung schnürten mir die fairaudio-Herausgeber als gleichermaßen kleine, sanfte Provokation ein unwiderstehliches Päckchen zum Thema „heiße Ohren“, das ich dann doch nicht ablehnen konnte. Es bestand aus dem Kopfhörer Audeze LCD-3, dem Pre-DAC Auralic Vega und dem Auralic-Taurus-Kopfhörerverstärker – alle Geräte übrigens aus dem Vertriebsprogramm von Audionext. Für dieses schmucke Trio blättert man all inclusive knapp 7.000 Euro auf den Verkaufstresen. Hätten Sie da Nein gesagt zu einem Test? Vor allem angesichts der Tatsache, dass Kollege Sebastian Eilzer in seiner Rezension des LCD-2-Kopfhörers bereits im Oktober 2011 recht angetan war …
Der Vorverstärker/DAC Auralic Vega ist inzwischen kein Unbekannter mehr, man findet in den einschlägigen Magazinen schon eine ganze Latte positiver Rezensionen. Der Taurus in der MK-II-Version dagegen ist aktueller, und was läge also näher, ihm mit einem ebenbürtigen Kopfhörer aus dem gleichen Vertrieb auf den Zahn zu fühlen? Daher möchte ich mich in diesem Bericht auch primär um diese beiden Geräte kümmern, doch wir werden für alle, die hinsichtlich eines D/A-Wandlers Kaufgedanken hegen, auch einen kleinen Exkurs zum Vega machen. Allerdings nur zum Gerät – der gleichnamige Stern ist gut 25 Lichtjahre entfernt …
Technik Auralic Taurus/Audeze LCD-3
Schauen wir uns zunächst mal den Taurus an. Dieser kommt in der Auralic-typischen Zwischengröße daher, nämlich mit einer Breite von 33 Zentimetern. Wer sich das nicht genau vorstellen kann: Obendrauf findet ein typisches Ultra-Notebook exakt Platz. Der Taurus hat frontseitig zwei Kopfhörerausgänge: eine klassische 6.3-mm-Klinkenbuchse und einen 4-Pin-Anschluss für symmetrisch verkabelte Kopfhörer. Irgendwie passt der Name „Taurus“: Das erinnert an „Stier“, zwei Hörner, auf dem Kopf … diese „duale“ Philosophie zieht sich durch das gesamte Gerät.
So finden wir auch auf der Rückseite einen unsymmetrischen Cinch- und einen symmetrischen XLR-Hochpegeleingang. Da der Taurus aber nicht nur ein Kopfhörerverstärker, sondern auch ein – das sei vorweggenommen – vorzüglicher Vorverstärker ist, gibt es dementsprechend wiederum einen Cinch- und einen XLR-Ausgang zum Anschluss an eine Endstufe. Damit der Benutzer bei zwei Eingängen und vier Ausgängen nicht die Übersicht über seinen persönlichen „Signal Flow“ verliert, gestattet es der Taurus, die jeweils erwünschten Szenarien über zwei frontseitige Taster anzuwählen.
Ein „Input“-Schalter bietet die Option, zwischen XLR- und Cinch-Eingang zu wechseln, sodass beide dauerhaft „hart“ verkabelt werden können – über den Output-Schalter kann gewählt werden, ob das Signal entweder aus allen Ausgängen parallel gefeuert wird (Stellung „STD“) oder ob es nur an den symmetrischen Ausgängen (Stellung „BAL“) anliegen soll. Eines ist aber wichtig: Sollten Sie den Taurus als Vorstufe nutzen wollen, dann sollte keinesfalls parallel ein Kopfhörer angeschlossen werden. Wer dies nicht beherzigt und die Lautstärke zu weit aufreißt, kann gegebenenfalls einen wirkungsgradstarken Kopfhörer beschädigen, denn der Taurus föhnt bis zu 4,5 Watt an 32 Ohm heraus.
Auch innen drin hat der Auralic Taurus einiges zu bieten. Sein nicht zuletzt preislich gehobener Anspruch kommt nicht von ungefähr, denn klanglich und konzeptionell galt das weltberühmte Neve-8078-Mischpult als Referenz. Dieser Trumm von einem Pult (der Autor dieser Zeilen durfte mal ein halbes Jahr dran arbeiten, jeder Kanalzug war heiß wie ein frisch gebratenes Steak) gilt bis heute zu Recht als Musterbeispiel für reinen, analogen und „menschlichen“ Klang bei gleichzeitig besten Messwerten und größtmöglicher Absenz von unerwünschten Nebengeräuschen. Basierend auf den von Rupert Neve designten Schaltkreisen kreierte man bei Auralic die „Orfeo“-Class-A-Ausgangsstufe (die sich übrigens auch im D/A-Wandler Vega wiederfindet). Hier sollen, so heißt es bei Auralic, nur beste und hochlineare Bauteile zum Einsatz kommen, die zudem thermisch stabilisiert würden, was die unerwünschten Verzerrungen unter die Grenze von 0,001 % treiben soll. Überhaupt lesen sich die technischen Spezifikationen wie das Pflichtenheft für ein gutes Tonstudio: Der Frequenzgang zwischen 20 Hz und 20 kHz wird als linear mit einer Abweichung von maximal 0,1 dB angegeben, die Dynamik mit jenseits von 130 dB über den genannten Frequenzgang – und die Übersprechdämpfung mit weniger als -80 dB bei 1 kHz. Damit kann man leben, oder?
Ein kurzer Seitenblick zum Kopfhörer: Was gibt’s Neues beim LCD-3 gegenüber dem LCD-2? Man habe sich bei der Entwicklung dieses Kopfhörers, so berichtet Carsten Hicking vom Higoto-Vertrieb, vor allem daran orientiert, bei den Treibern die bewegte Masse gegenüber dem LCD-2 nochmals zu reduzieren. Dies sei insbesondere durch den Einsatz einer nochmals dünneren Membran erzielt worden.
Test: Audeze LCD-3 und Auralic Taurus MKII | Kopfhörer, Kopfhörer-Verstärker