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Und nun Bühne frei! Zuerst hörte ich Musik von CD. Abgezapft wurde der koaxiale Digitalausgang des Audiolab 8200CDQ, gewandelt im Auralic Vega, der dann schließlich den Taurus-Kopfhörerverstärker via XLR versorgte.
Zu hören gab es den Track 1 des Albums Spirit of Eden von Talk Talk. Die gute Nachricht: Es kann richtig Spaß machen, mit Kopfhörern zu hören! Das Stück „The Rainbow“ bringt eine Riesenauswahl verschiedener Musikinstrumente und Klangquellen: Schlagzeug mit ausgehängtem Snareteppich, mehrere Gitarren, allerlei Percussion wie zum Beispiel Shaker, einen satten Bass, ein paar Orgeltöne, die etwas kehlige Stimme von Mark Hollis und vieles mehr. Unsere Probanden spielten quicklebendig, mit einer fantastischen Grob- und Feindynamik und – was für mich das Erstaunlichste war – das typische „räumlich Eingezwängte“, das der Klang über Kopfhörer häufig hat, war nahezu verschwunden.
Es baute sich tatsächlich eine Bühnenillusion auf, wobei diese allerdings weniger von meinem Kopf aus nach vorne hin entstand, sondern eher axial. Bass und Stimme sind recht zentral im Kopf verankert, während die Orgeltöne von einer imaginären Außenstelle, gut anderthalb Handbreit vom linken Ohr entfernt, erklingen. Wirklich faszinierend. Schnell einmal umgestöpselt und den Audeze-Kopfhörer direkt in den (nun auch nicht so üblen) Kopfhörer-Ausgang des Audiolab-Players gesteckt. Hörbar anders! Ein wenig fiel die Raumillusion zusammen, die Klangquellen wirkten ein Stück dichter gepackt, auch klangen die Gitarren nun etwas spitzer, artifizieller.
Zäumen wir das Pferd mal von „unten“ auf: Peter Toshs „Johnny B Goode“. Reggae. Da muss Bass her, profunder Bass, böser Bass, schneller Bass – so gehört sich das nun einmal. Auch hier leistete sich unser Test-Trio keinerlei Patzer. Ganz im Gegenteil: Der Auralic Taurus hat richtig Reserven. Freunde des Lauthörens kommen definitiv auf ihre Kosten, und das sogar am durchaus hungrigen LCD-3. Selbst mit voll aufgerissenem Lautstärkesteller war der Klang kristallklar und rein, der Bass kräftig, dynamisch gut kontrolliert – sehr löblich. Ein Umstöpseln in den Audiolab zeigte, dass diesem hier doch etwas schneller die Puste ausging. Er schlug sich zwar insgesamt wacker, ging aber bei der höchsten Lautstärkeeinstellung insofern in die Knie, als dass es zu leichten Verzerrungen und einem sanften Komprimieren des Gesamtsignals kam. Auch die insgesamt erreichbare Maximallautstärke war geringer. Wesentlich interessanter fand ich aber eine andere Sache: Ich hörte eine Weile über den Audiolab-Ausgang und dachte: „Interessant, da ist ja sogar ein Klavier im Stück.“ Nach einem Zurückstöpseln in den Auralic Taurus musste ich mich korrigieren: „Na fast, eigentlich ist es ein Yamaha CP-80“ (einer dieser elektromechanischen Konzertflügel, ohne die es die Simple Minds nicht gegeben hätte). Man kann also konstatieren, dass unser Test-Trio auch bei voll hochgezogener Lautstärke und einiger zu verrichtender „Tiefbauarbeit“ trotzdem jederzeit sauber auflöst und auch feine tonale Nuancen zur Geltung bringt.
Auralic Taurus MKII von oben und …
Verlassen wir die Niederungen des Red-Book-Standards, schließlich stehen hier 7.000 Euro rum! Jetzt geht es ans Eingemachte, wir servieren Ahmad Jamals Album Saturday Morning, als 88,2-Flac-Datei, zugespielt über ein Samsung-Ultrabook (installiert wurde der dem Auralic Vega beiliegende Auralic-USB-ASIO-Treiber). Heiliger Strohsack! Der Opener „Back to the Future“, im Grunde eine reine Groove-Improvisation ohne allzu hohen kompositorischen Wert, basiert auf flinkem, akzentuiertem Schlagzeugspiel, treibender Percussion (hauptsächlich Congas), virtuosem Klavier und einem mit Humor gespielten akustischen Bass. Unsere Test-Kombi versetzte mich direkt in den Aufnahmeraum. Als zum ersten Mal im Stück das Crashbecken erklang, zuckte ich fast zusammen, so direkt, fühlbar und überraschend flog es mir um die Ohren. Das war wirklich sensationell und ging weit über das hinaus, was ich bisher je mit einem Kopfhörer erleben durfte. Doch wir sprechen hier nicht nur von billigen Effekten – jeder Schlagzeuger weiß, wie wichtig die Obertonzusammensetzung beim Becken ist. Becken können rein, glasklar, hell klingen, aber auch dumpf, dunkel, körnig, zischelig, rasselnd. Und genau das bringt unser Trio absolut überzeugend rüber. Tonal pieksauber, mit geradezu heftiger Dynamik und einem frappierenden Detailreichtum.
… von unten
Zeit für einen Quervergleich: Als nächstes ließ ich den Auralic Vega links liegen und befeuerte den Taurus mit dem analogen Ausgangssignal meines B.M.C. PureDac. Auch dieser kommt ja mit einem recht ambitionierten Kopfhörerverstärker daher, dem eine eigene Lautstärkeregelung sowie je ein Klinken-, als auch ein symmetrischer Ausgang spendiert wurde. Großes Glück des Rezensenten: Ja, man hörte einen deutlichen Unterschied, insbesondere in Sachen Tonalität und Raumdarstellung. Wenn man die Höhen einmal synästhetisch betrachtet, dann zeichnet der B.M.C. PureDAC Schlagzeugbecken eher silbern, während der Taurus ins Goldene spielt. Der Taurus gibt die Höhen einen Tick abgerundeter wieder – nicht verhangen, aber etwas sanfter, ohne dabei aber Details zu verlieren. Auch im Bass scheint mir der Taurus ein wenig zupackender und voluminöser zu sein; Tiefbass ist, so stellte ich bereits an anderer Stelle fest, keine echte Spezialität des PureDAC.
Wenn es um die Raumdarstellung geht, gefällt mir hingegen der Auftritt des PureDAC etwas besser. Ich mag es, wenn die Bühne lupenrein sortiert und trotzdem angemessen groß ist. Der B.M.C. PureDAC nagelt die Schallquellen buchstäblich im Panorama fest. Geschmackssache. Es gibt auch Menschen, denen diese Vorstellung ein wenig zu statisch gerät – mir gefällt’s. Der Auralic Taurus ist diesbezüglich etwas gutmütiger und lässt den einzelnen Schallquellen etwas mehr „Bewegungsspielraum“. Er kann allerdings – und das ist wichtig – den Hörer gleichermaßen angemessen weit in die Tiefe, was hier natürlich axiale Tiefe meint, hören lassen. Was die Dynamik angeht, scheinen mir beide Geräte gleichauf: Sie spielen spritzig und alert, aber nie vorschnell. Hier Unterschiede heraushören zu wollen, wäre audiophile Erbsenzählerei.
Eine kleine Extrarunde habe ich auch noch mit dem Audiolab 8200CDQ gedreht – auch er fungierte dann als Wandler –, bei der ich das Kopfhörersignal des Audiolab mit dem des Auralic Taurus verglich, der hierfür wiederum analog per XLR mit dem Audiolab verbunden wurde. Gut, hier war die Sache klar: Der Taurus hatte in allen Disziplinen die Nase vorn. Stöpselte man vom Taurus in den 8200CDQ um, dann war schon ein gewisser „Abstieg“ zu spüren, insbesondere im Bereich der Feinauflösung. Der Taurus spielt einfach ungemein detailverliebt auf und rückt einen zudem auch gefühlt näher ans Geschehen. Auch die Bühnendarstellung gerät mit dem 8200CDQ weniger präzise und etwas kleiner.
Der Auralic Taurus als Vorstufe in der Referenzanlage
Nachdem ich mir die Ohren nun lang genug mit dem wirklich puscheligen, dem Ohr schmeichelnden Over-Ear-Schaumstoff gewärmt hatte, hatte ich Lust auf eine kleine Solo-Runde mit dem Auralic Taurus als Vorverstärker. Da er zwei Eingänge mitbringt, davon einen symmetrischen, könnte er in einer kleinen, hochwertigen Hochpegelkette ja auch als Preamp reüssieren. Und er könnte nicht nur, er kann.
Als Quelle verwendete ich einen geliehenen Marantz SA 7003 CD-Spieler, dessen Analogausgang ließ ich einmal in den Taurus und einmal in einen Analogeingang des Audiolab 8200CDQ Pre-DACs laufen. Ich hörte das Album Dizzy Spell von The Schramms. Klarer Punktsieg für den Taurus. Track 3 („Tell me again“) beginnt langsam und fast ein wenig kammermusikalisch: Nur Gitarre, Bass, eine (leider synthetische) Hammondorgel und eine getretene Hi-Hat als Taktgeber. Ab 01‘16“ schwingt sich der Song dann in einen hymnischen Refrain – und es öffnen sich weite Hallräume auf der Gitarre. Der Auralic Taurus lieferte hier rundheraus überzeugend ab: detailversessen, dynamisch und mit einer großen, aber glaubhaften Bühnendarstellung. Selbst bei der getretenen Hi-Hat war noch die Klangfarbe der Becken zu spüren, der ruhige erste Teil des Songs kam kontrastreich und leuchtend vor einem sattschwarzen Hintergrund, während der Refrain dann mit unbändiger Spielfreude gegeben wurde. Über die Audiolab-Vorstufe erschienen die Positionierungen der Schallquellen im Raum etwas unklarer und weniger festgenagelt, auch wirkte der Gesamtvortrag ein wenig blasser, kontrastärmer.
Test: Audeze LCD-3 und Auralic Taurus MKII | Kopfhörer, Kopfhörer-Verstärker