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Musik-Rezension: Charlotte Sometimes / Waves and the Both of Us

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  1. 3 Musik-Rezension: Charlotte Sometimes / Waves and the Both of Us

Yes, she can … uhm, could:
Charlotte Sometimes / Waves and the Both of Us

Charlotte Sometimes

Charlotte Who? Charlotte What? Nein, nicht Good Charlotte. Auch nicht die Tom Wolf’sche Charlotte Simons. Man kann in der aktuellen Charlotte-Schwemme ja schon mal den Überblick verlieren. Charlotte Sometimes also. Klingt nach pseudo-intellektuellem College-Gitarrenschrammelgehabe. Und tatsächlich ist das der Sound der Sometimes, gepaart mit ‚mutigen‘ Texten wie etwa im Titeltrack Waves and the Both of Us: I want your hands on my hips /I want you kissing my lips /I want the moon and the stars /I want the whole nine yards /I take off your shirt, you pull up my skirt etc. Wo die echte Dame genießt und schweigt, lässt hier eher Namensvetterin Roche grüßen. Klar, dass das Album sowie seine Vorgänger-EP vom März 2008 in den USA sofort mit dem ursprünglich als Elternwarnung gedachten, recht eigentlich aber als eine Art Qualitätsgarantie und mithin Kaufempfehlung für die Kids fungierenden „Explicit Lyrics“-Sticker versehen wurden.

Charlotte Sometimes EP

Waves and the Both of Us im Ganzen lässt sich wohl am ehesten als eigenwilliger, selbstbestimmter Frauenpoprock beschreiben, ganz so, wie er schon 1984 von Cindy Lauper mit She Bop propagiert wurde. Weitere Seelenschwestern findet die Sometimes möglicherweise in den so genannten ‚starken Frauen‘ wie der Etheridge, Morissette oder Crow, die, anstatt dümmlich mit dem Popo zu wackeln, Ende der 80er- bis Mitte der 90er-Jahre den Feminismus in die Singer-/Songwriter-Szene trugen und zeigten, dass es Frauen mit sowohl Charme als auch Hirn gibt, die auch noch richtig Musik machen können. Damals war das, vor allem in den prüden USA, neu. Reihenweise College-Studentinnen und jene, die Marketing-Fachleute gern als Adult Alternative-Hörer bezeichnen, fanden hier ihre musikalische Heimat.

Charlotte Sometimes

Bei uns hingegen gibt es weder eine richtige College-Radio-Szene, noch finden wir es sonderlich aufregend, wenn vom Geiste ihrer just befreiten Sexualität beseelte US-Studentinnen, die gerade das f*?!-Wort zu benutzen gelernt haben, ihr neugewonnenes Körperverständnis auf Platte gepresst nach außen tragen. Insofern ist Importeur point music ein nicht geringes Risiko eingegangen, das in den USA bei Geffen erschienene Waves and the Both of Us im deutschen Markt einzuführen. Dabei zuzuhören, wie ‚böse‘ Mädchen erwachsen werden, braucht, abgesehen von identitätskrisengeschüttelten Abiturientinnen und Studienanfängerinnen, kein Mensch.

 and both of Us

Je weiter man aber hört, desto besser wird das Album. Und das liegt nicht an jenem Automatismus der dafür sorgt, dass man sich mit der Zeit an die Musik gewöhnt – sondern daran, dass das Album tatsächlich von Song zu Song an Attitüde verliert und an Tiefe wie Profil gewinnt. Wer sich also den mitunter recht mühevollen Prozess der Frauwerdung, Selbstbefreiung, kurz: Emanzipation von Charlotte Sometimes ersparen will, ist mit Charlotte SometimesSongs wie Ex-Girlfriend Syndrome, AEIOU und Toy Soldier gut bedient – das sind tolle Stücke, getragen von Charlotte Sometimes’ augen-, nein, ohrenfälliger unermüdlicher Energie. Der Schlusstrack schließlich, das hintersinnige Pilot, versöhnt vollends mit dem etwas aufgesetzt wirkenden Einstieg. Wenn die Sometimes es schafft, ihre – auch in ihrem Blog www.foreversometimes.com zu bestaunende – rehäugig aus dem Zauberwald herausstaunende Pseudo-Naivität hinter sich zu lassen, könnte sie sich, verfeinert und gereift, in die illustre Riege von Female Fronted-Acts wie Liz Phair, A Fine Frenzy oder Fiona Apple einreihen. Sie ist auf dem besten Wege.

Tipp: Richtig viel Mühe hat man sich mit charlottesometimesmusic.com gegeben. Online-affine Hipster können sich hier ihre ganz persönliche Charlotte Sometimes basteln. Einfach PDF herunterladen, und dann ran an Farbdrucker, Schere und Klebestift. Das Erwachsenwerden üben wir dann später.

Charlotte Sometimes Bastelbogen

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