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Das Leben des HiFi-Testers ist reich an Abwechslungen; großes Glück und große Mühsal gehen oft Hand in Hand: So schön es ist, einen fünfstellig gepreisten Standlautsprecher in den eigenen vier Wänden erproben zu dürfen, so sehr kann es auch ganz profan nerven, selbigen in absurd großer Kartonage über zwei enge Altbautreppen in die Wohnung zu kegeln, aus der Verpackung zu schälen – und nach dem Test das alles zur Strafe „retour“… Insofern hatte die Endstufe Edge A2-300 des schwedischen Herstellers XTZ (www.xtz-deutschland.de) bei mir von Anfang an einen Stein im Brett: Schlappe 2.300 Gramm Gewicht, die Grundfläche eines Subnotebooks und die Höhe einer querliegenden Zigarettenschachtel – unter solchen Arbeitsbedingungen geht man dann doch gern ans Werk, auch wenn der Endverbraucherpreis von 495 Euro zunächst nicht unbedingt auf ein highfideles Erweckungserlebnis hoffen lässt. Oder doch?
Schauen wir doch erst mal, was geboten wird: zunächst einmal ein ziemlich elegantes, hervorragend verarbeitetes Gehäuse mit einem Mix aus Stahl und gebürstetem Aluminium. Die Front zieren das XTZ-Logo sowie eine LED – und das war’s auch schon. Rückseitig finden wir einen Kaltgeräteanschluss, einen harten Netzschalter, ein Cinchdoppel als Eingang nebst Gain-Poti – und natürlich zwei Paar hochwertig anmutende Anschlussterminals für Lautsprecher. Unterhalb dieser verstecken sich noch zwei Schiebeschalter: Der linke macht die Endstufe bei Bedarf zum Monoblock – bei nochmals gesteigerter Ausgangsleistung beim Betrieb mit zwei Edge-Amps, versteht sich. Und der rechte gestattet, den Amp zum „Dauerläufer“ zu machen, wenn man auf die – in der Praxis bei mir zuverlässig arbeitende – Einschaltelektronik verzichten möchte, die den XTZ Edge A2-300 beim Aufspüren eines anliegenden Signals aus dem verdienten Standby-Schlummer erweckt.
Praktisch: Die XTZ Edge A2-300 lässt sich durch ihr 9,5-Zoll-Format in klassischen 19-Zoll-Racks montieren, gerne auch als Doppel – entsprechende Montagewinkel sind als Zubehör erhältlich. Das eröffnet natürlich eine fast unbegrenzte Zahl von Einsatzszenarien – vom heimischen Wohnzimmer bis hin zur aufwändigen Partybeschallung erscheint so Einiges möglich.
Unter der Haube des XTZ Edge A2-300 werkelt – man ahnt es schon bei der Lektüre der technischen Daten in Bezug auf Umfang und Gewicht des Geräts – bestens beleumundete Class-D-Technologie. Und zwar die neuesten Module aus dem Hause ICEpower – ein dänisches Unternehmen mit enger Anbindung an Bang & Olufsen – mit einer Leistung von 2 x 300 Watt an 4 Ohm, einem Signal-Rausch-Abstand von 113 dB sowie einem Dämpfungsfaktor jenseits von 1500. Nun gibt es ja Class-D-Module wie Sand am Meer, warum gerade ICEpower? Das wollte ich von Berthold Daubner, XTZ Deutschland, wissen. Die Antwort: „Wir haben uns für ICEpower entschieden, da das Unternehmen über eine gewaltige Erfahrung mit Class-D Modulen verfügt und diese insbesondere in der Anfangszeit als eines der ersten Unternehmen wirklich Hifi-tauglich gestaltet hat.“ Die OEM-Kundenliste von ICEpower ist übrigens lang und beeindruckend: B&W, Pioneer, Sony, Alpine, aber auch Car-Hifi von Audi über BMW bis Mercedes – wer solche Kunden mit großen Stückzahlen beliefern und zufriedenstellen kann, der dürfte als Zulieferer verlässlich sein. Außerdem, so Daubner weiter: „Die bei uns eingesetzten neuen Module sind dank des hohen Forschungsaufwandes bei ICEpower mittlerweile den klassischen Class-A/B-Verstärkern bezüglich zahlreicher Parameter überlegen.“ Das ist natürlich eine Ansage, die wir verifizieren wollen – wir ziehen um in den Hörraum!
XTZ Edge A2-300: Klang & Vergleiche
Machen wir keine Umschweife: Was XTZ hier abliefert, ist für mich tatsächlich eine kleine Sensation. Diese Endstufe kann sich in so mancher Disziplin mit Verstärkern messen, die ein Vielfaches kosten. Was mich vor allem für sie einnimmt, ist ihre blitzsaubere, klare, weite, kohärente Raumdarstellung im Verbund mit einer ganz erstaunlichen Grob- wie Feindynamik. Ein schöner Prüfstein für dieses Talent ist das Album 19 der Musikerin Adele (auf Amazon anhören). Nehmen wir die klassische, akustische Ballade „Make you Feel my Love“. Das kammermusikalische Arrangement aus Klavier, Streichern, Gesang mit teilweisem Doppel in der zweiten Stimme ist auf diesem Album tontechnisch geradezu meisterhaft eingefangen. Die XTZ Edge A2-300 macht daraus ein echtes Konzerterlebnis: Das vom Tieftonbereich bis zum Diskant vergleichsweise breit aufgefächert mikrofonierte Klavier flutet mühelos den Raum. Und die einzelnen Protagonisten der Streichergruppe verteilen sich harmonisch von links nach rechts, sind jeder für sich bestens ortbar, haben Luft zum Atmen. Die Stimme manifestiert sich realistisch in der Mitte, aber nicht als statischer Punkt, sondern durchaus mit Leben und einer gewissen Bewegung gefüllt. Dabei spielt die XTZ Edge A2-300 durchaus ein Stück weit nach vorne, die Bühne beginnt vor der Lautsprechergrundlinie und entfaltet sich auch horizontal über die Positionen der Lautsprecher hinaus – ohne dabei aber überbreit zu wirken oder auseinanderzufallen: sehr gut, sehr livehaftig ist das!
Auch in Sachen Dynamik gelingt es der Endstufe, alle „Entwicklungen“ im Song sauber mitzuzeichnen. Ganz gleich, ob Adele ein sanftes Vibrato in der Bruststimme haucht oder im Refrain mit Verve in die Kopfstimme, egal, ob sie die Klaviertasten streichelt oder richtig in die Vollen greift: Die XTZ Edge A2-300 verschleppt nichts, spielt schlackenlos, befreit, flink und dynamisch auf. Das funktioniert auch während der Passagen, bei denen die Streicher vergleichsweise laut aufspielen und Adele einzelne Worte sanft und im zarten Tremolo leise „zu Ende singt“.
Ebenfalls auf der Habenseite der XTZ Edge A2-300: der Bass. Ganz erstaunlich, was diese „halbe Portion“ (in Bezug aufs Rack-Maß) zustande bringt. Hier geht es nicht nur bis ganz unten in den Keller, und zwar gefühlt neutral, ohne Tricksereien im Oberbass. Das alles kommt zudem mit einer enormen Präzision, Kontrolle, Geschwindigkeit. Der rotzige Track „Gunga Din“ von den Libertines (Album: Anthems For Doomed Youth) (auf Amazon anhören) zeigt es: Fette, knallende Bassdrum und ein lupenreiner Dub-Reggae-Bass machen das Stück zu einem echten Partykracher, der aber eben auch nur dann richtig kickt, wenn die HiFi-Anlage das Untergeschoss entsprechend auszubauen vermag. Die XTZ Edge A2 hat richtig Reserven, bringt den Tieftöner meiner Harbeth sichtbar zum Vibrieren – und den Hörraum gleich mit. Auffallend ist, dass die Endstufe hierbei nicht nur Impulsspitzen, sprich das Einschwingen der Basstöne ohne Verzug in den Raum knallt, sondern auch stehende beziehungsweise langsam ausklingende Töne verlustfrei liefert, ohne dass ihr die Puste ausgehen würde. Dabei drückt und zerrt es weder im Mittel-, noch im Hochtonbereich: Hier bleibt alles klar und sauber.
Nicht ganz so perfekt, aber angesichts der Preisklasse immer noch völlig auf der „sicheren Seite“ sind der Obertonbereich sowie seine Feinauflösung. Tonal gesehen kommt die XTZ-Endstufe mit einem minimalen Schwenk ins Präsente, jedoch noch nicht unbotmäßig crisp oder gleißend. Trotz der weiten Durchzeichnung bis ganz nach oben ist das Differenzierungsvermögen der Endstufe hier aber nicht so ausgeprägt, wie man das vielleicht von Verstärkern höherer Preisklassen gewohnt ist. Man hört das bei Stücken, die in diesem Frequenzabschnitt einen Fokus legen, zum Beispiel bei „Paralysed“ von der Band Ride (Album: Nowhere) (auf Amazon anhören). Hier ist „obenrum“ ziemlich was los: Der Schlagzeuger spart nicht am Einsatz von Ride- und Crashbecken, auch die Snaredrum hat viel Präsenz in den Höhen – und im Voicing kommt dem Schlagzeug auch noch eine sehr obertonreich abgemischte, verhallte Gitarre in die Quere. Da liegt also einiges tonal dicht beieinander – und die XTZ-Endstufe sortiert diese einzelnen Klangquellen nicht ganz so trennscharf voneinander wie andere Vertreter der Zunft, beispielsweise mein Vollverstärker H90 des Herstellers Hegel, der allerdings mit 1.695 Euro Preis das Portemonnaie entsprechend heftiger belastet. Das gilt übrigens unabhängig von der Vorstufe – auch wenn man eine Quelle direkt „anleint“ und die Lautstärke über das Gain-Poti der XTZ-Endstufe regelt. Die Unterscheidung beziehungsweise Differenzierung der Schallquellen bei diesem Song gelingt dem XTZ-Verstärker eher über die Positionen der einzelnen Akteure im Stereo-Panorama als übers Tonale oder über das Voicing.
Die Mittenwiedergabe der XTZ Edge A2-300 gerät wiederum sehr ausgereift. So ist beispielsweise der Song „All Of Me Wants All of You“ von Sufjan Stevens (Album: Carrie & Lowell) im Mittenbereich ähnlich dicht gepackt wie der zuvor genannte Song der Band Ride im Oberton: Mehrere, flirrende, mittenlastige Gitarren, die melancholische Stimme des Sängers (teils mit einer zweiten Stimme als fugato), dazu sehr verhaltene Keyboardflächen: All das löst der XTZ-Verstärker bestens voneinander – ohne dabei allzu studiohaft zu sezieren, die Musik bleibt als Ganzes, als organischer Fluss erhalten. Dem Klischee nach ist diese Form der Mittendarstellung ja durchaus eine bevorzugte Domäne von Röhrenkonzepten; ein Quervergleich mit meinen Audreal-Monoblöcken zeigt jedoch, dass sich beide Amps hier qualitativ nicht viel nehmen. Aber: Die schweren Audreal-Jungs kosten im Paar mal eben das Vierfache des XTZ-Endverstärkers. Und – wenn wir schon vergleichen – im Bass sind die Audreal-Blöcke bei weitem nicht so lieferfähig wie der kühle Kleine aus dem Norden. „Obenrum“ hingegen lösen sie besser auf, wenn auch eine leichte, röhrentypische Verrundung im allerhöchsten Hochton zu konstatieren ist.
Die XTZ Edge A2-300 zeigt sich übrigens als gutmütiger Spielpartner – unabhängig vom angekabelten Lautsprecher. So treibt sie sowohl die leistungshungrige Nubert nuLine 244 (Wirkungsgrad: eher magere 83,5 dB/W/m) ähnlich stoisch an wie meine Harbeth 30.1 (85 dB), bleibt aber auch bei der vergleichsweise anspruchslosen Quadral Rondo kultiviert. Insgesamt gefällt mir übrigens die Paarung Edge/Harbeth am besten – die leichte Milde im Obertonbereich, die die Harbeth auszeichnet und überhaupt ihre Kohärenz über alle Lagen hinweg ergänzen sich ideal mit dem durchaus anspringenden, involvierenden Spielgeist der XTZ-Endstufe. Ach ja: Diese Endstufe, und das finde ich bei dem fairen Preis erstaunlich, erscheint mir auch sehr langzeittauglich. Trotz ihrer durchaus munteren Gangart ist sie kein Blender, der zu Beginn beeindruckt, um dann schon nach kurzer Zeit nur „nerven“, sie bringt genügend Feingeist und Musikalität mit, um den Hörer auch langfristig zufriedenzustellen.
Noch ein paar Worte zum „Leistungsverhalten“. Bereits sehr leise spielt der XTZ-Endverstärker tonal „vollständig“ – mit profundem, klarem Bass, gut aufgelösten Mitten und einem luftigen, wenn auch eben nicht perfekt ausdifferenzierten Obertonbereich. Diese insgesamt gute Balance hält sich bis weit über Zimmerlautstärke. Wenn man es hingegen mit echten Partypegeln versucht, gewissermaßen also das „letzte Viertel“ der Verstärkerleistung abruft, ergeben sich gewisse Komprimierungseffekte und auch sehr leichte Verzerrungen, was aber beim normalen Einsatz dieser Endstufen, zumindest im häuslichen Bereich, nicht ins Gewicht fallen dürfte. Immerhin konzediert der Hersteller ja auch selbst, dass die THD bei Höchstleistung dann auch in den einstelligen Prozentbereich hochgeht (ausgehend von respektablen 0,005 Prozent bei bis zu 100 Watt Leistungsabruf). Trotzdem behaupte ich, dass sich die XTZ-Endstufe selbst für die Beschallung von kleineren Veranstaltungen nicht hinter anderen Endstufen verstecken muss – schon gar nicht in dieser Preisklasse und schon gar nicht hinter dem, was PA-Elektronikhersteller in diesem Segment so abliefern; wer hier auf der richtigen Seite sein möchte, kauft einfach zwei Stück und macht die XTZ Edge A2-300 zu Monos.
Test: XTZ Edge A2-300 | Endstufe