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Dies ist ein auffälliger Lautsprecher: Mit über 1,20 Meter Höhe nicht klein gewachsen, wird er aufgrund der 38 cm breiten Schallwand auch keine Slim-Line-Preise einheimsen. Das 50er-Jahre „Zitat“ im unteren Teil der Front in Kombination mit dem Breitbänder oben lässt unzweifelhaft etwas Retro-Musiktruhen-artiges rüberschwingen – was aber irgendwie durch die dreieckigen Form des Gehäuses kontrastiert wird. Und ich rede hier nicht von sich leicht nach hinten hin verjüngenden Seitenwänden, ich rede wirklich von einem Dreieck:
Der beige Farbton unseres ZU Presence Testmusters ist zweifellos der dezenteste im Angebot der Amis. Wer lieber einen Ferrari ins Wohnzimmer schieben möchte … just as you like:
Als die Kollegen Jörg und Martin neugierig zum ersten Soundcheck rüberkamen, gab’s zwei Positionen:
Jörg: „Endlich mal ein richtig gut designter Lautsprecher!“
Martin: „Ich finde ihn eher hässlich, aber er widerlegt meine klanglichen Vorurteile …“
Das dreieckige Gehäuse dient primär akustischen Zwecken. Stehende Wellen haben hier einsichtigerweise geringere Chance sich auszubreiten als dies bei parallel ausgeführten Wänden der Fall wäre – und entsprechend sinkt die Resonanzanfälligkeit der „Box“. Um Letztere weiter zu minimieren, wurde auch ein neues Gehäusematerial eingeführt: Es besteht aus einem Schichtholzkern, welcher von zwei dünnen Lagen MDF gesandwiched und anschließend mit einer speziellen Art Kunstharz behandelt wird, welcher sonst üblicherweise im Bootsbau Verwendung findet (Gelcoal). Adam Decaria – Sean Caseys Partner bei ZU – wird nicht müde zu betonen, dass dieser Composite-Werkstoff sich resonanztechnisch viel besser verhalte als reines MDF, und wie wichtig das mit dem Gelcoat sei … allerdings spricht er auch indirekt eine Warnung aus: MDF klinge scheinbar vertrauenswürdiger, wenn man mit dem Knöchel dagegen klopft. Und tatsächlich, macht man das bei der Presence, denkt man unwillkürlich eher an Ikea-Ware als an Resonanzoptimierung … gut, ich übertreibe ein wenig.
Die Presence ist ein geschlossener Lautsprecher. Klingt nicht spektakulär, ist heutzutage aber relativ selten, vertrauen die meisten Hersteller doch aufs Bassreflex-Design. Auf den ersten Blick mag es auch verwundern, wenn eine Firma wie ZU, die in fetten Lettern „Wirkungsgrad“ predigt, diesen durch ein geschlossenes Design verschenkt. Nun, „Impulstreue“ wird ja noch deutlicher gefordert – und da haben konventionelle Bassreflex-Boxen schon eher ein Problem, wie ihnen auch ein Dämpfungsabriss unterhalb der Resonanzfrequenz nachgesagt wird, sprich, ganz unten kann‘s schon mal mulmig werden. Für die Leute von ZU Audio Grund genug, die Kiste zu zu machen. Circa 42 Liter stehen dem Bassabteil der Presence zur Verfügung. Das ist für den proklamierten Tiefgang – bis 16 Hz soll’s runter gehen – nicht die Welt. Als Gegengift dient Treiberfläche und Class-D Power: Insgesamt vier hart aufgehängte 10-Zöller aus dem Pro-Regal des Herstellers Eminence stehen für die untersten zwei Oktaven bereit. Angetrieben werden sie von zwei internen Hypex-Sub-Modulen à 180 Watt pro Kanal. „Ach, Kinders, endlich wieder Fläche in der guten Stube!“, war denn auch mein erster Gedanke, als mir ein Test angeboten wurde, „Wird schon nicht völlig abgezehrt tönen …“.
Wie Ihnen richtig aufgefallen ist: Die Presence ist ein teilaktiver Lautsprecher. Folglich lässt sich im Bass so manches einstellen. Den Dreher für die Phase können Sie dabei allerdings ignorieren (also bei 0 Grad stehen lassen), schließlich muss hier kein getrennt stehender Sub ins Klanggeschehen integriert werden. Allerdings sollten Sie sich um die obere und die untere Grenzfrequenz sowie die Lautstärke kümmern. ZU Audio empfiehlt, mit folgenden Werten anzufangen: unten 20 Hz, oben 50 Hz und der Pegelsteller auf 12 Uhr. Und noch etwas: Der Knopf „Bass Boost“ sollte standardmäßig auf 6 dB stehen, der Lautstärkepegel wird dann auf der Strecke 50 Hz – 20 Hz nach unten hin entsprechend angehoben (also bei 20 Hz +6 dB). Hier zeigt sich, dass elektrisch nachgeholfen wird, was aufgrund des überschaubaren Gehäusevolumens so nicht möglich wäre.
Es bieten sich allerdings noch weitergehende Möglichkeiten an: Wenn man die Brücke zwischen den beiden Cardas-Terminals auf der linken Seite entfernt, lässt sich der Hypex Amp komplett aus dem Signalweg nehmen – und dann kann man für externe Befeuerung sorgen. Freilich muss dabei auch an eine adäquate Bassentzerrung gedacht werden, reines Bi-Amping reicht hier natürlich nicht. Diese Option zu haben, ist nicht übel, wenngleich die meisten sie wohl nicht ausüben werden, denn, wie man bei ZU Audio durchaus realistisch formuliert: „If you are not a sound engineer, or have not done much work with crossovers, parametric equalization or other forms of signal processing, you are in for a ride.” Zudem ist die Flexibilität im Bassbereich (je nach Rauminteraktion und/oder persönlichem Geschmack) auch mit der internen Verstärker-Lösung naturgemäß weit größer als mit rein passiven Konzepten. Es gibt wenig Veranlassung, sie zu übergehen. (Gleichwohl arbeitet die ZU-Truppe an einem externen Bass-Amp-Upgrade-Modul …)
Schauen wir nach oben und kommen zum Herzstück der Presence, dem ZU 10,3 Zoll Full-Range Driver, liebevoll auch Zu103FR genannt. Markenzeichen eines jeden Lautsprechers der Amerikaner ist ein filterlos betriebener Breitbänder – und so auch hier. Das an den Lautsprecherstrippen liegende Musiksignal wird via des rechten Cardas-Terminals über die (ZU-eigene) Innenverkabelung direkt an den Treiber gereicht. Kein Kondensator, keine Spule, kein Widerstand oder was auch immer liegen im Weg. Der Hersteller hält dies für ganz entscheidend, um Dinge wie Timing, Dynamik und die zeitliche Kohärenz (siehe Gruppenlaufzeit, Sprungantwort) der Musikwiedergabe zu erhalten.
Das Chassis als solches sieht eigentlich genauso aus wie das in der Druid – allerdings wurden ein noch stärkerer Magnet und größere Polplatten verwendet, der Antrieb also kräftiger dimensioniert. Das Gros der Zutaten für diesen Treiber stammt ebenfalls von Eminence, allerdings wird er ZU-seitig mit eigenen Elementen modifiziert (wie dem spitzen Phaseplug, den Polplatten, der Beschichtung der Membran, dem Zierring, der nicht nur ziert, sondern auch das Chassis insgesamt starrer machen soll, …). Neu ist das hohe Level des Paarmatchings, mit dem die Treiber für die Boxen ausgesucht werden. Der Hersteller gibt als Benchmark 0,1 dB (!) an. Der Full-Ranger arbeitet in einem nur schwach mit Dämpfungsmaterial versehenen (geschlossenen) 12l-Volumen.
Unter dem Breitbänder sitzt das ZU-typische Hochtonhorn. Es kommt ab 10.000 Hz mit 6dB/Oktave ins Spiel, ein einziger Mundorf Silver/Oil-Cap plus Widerstand dienen hierbei als Hochpass. Es geht hier also „nur“ um die höchsten Höhen, die der 10-Zöller oben drüber naturgemäß nicht mehr erreichen kann. Gleichwohl startet der Presence-Supertweeter damit um 2 kHz früher als alle anderen ZU Audio Modelle. Übrigens: Beim Druid-Modell wurde der Hochton-Pegel bewusst um 3 dB abgesenkt wurde, und zwar als Ausgleich dafür, dass auch die untersten Oktaven prinzipbedingt nicht voll da sind. Diese Maßnahmen hat man verständlicherweise bei der ZU Presence sein lassen. Der Hochtöner der Presence sitzt in der gleichen Kammer wie die beiden Basstreiber.
Test: ZU Audio Presence | Aktivlautsprecher, Standlautsprecher