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Musical Fidelity Nu-Vista 600: Soundcheck

Inhaltsverzeichnis

  1. 2 Musical Fidelity Nu-Vista 600: Soundcheck
Das aufwendig gestaltete Metallkleid des Musical Fidelity ist perfekt verarbeitet

Das aufwendig gestaltete Metallkleid des Musical Fidelity ist perfekt verarbeitet

Etwas überrascht hat mich der Musical Fidelity Nu-Vista 600 dann doch. Sollte ich seinen Klangcharakter möglichst kurz zusammenfassen – „reine Lehre mit tonalem Charakter“ würde als Leitspruch durchaus taugen. Was daran erstaunlich sein soll, fragen Sie? Röhren verleihen doch häufig einen gewissen Charakter … Ja, mag sein. Aber Musical Fidelitys neuer Hybrid-Amp tendiert eher ins Schlanke denn ins Warme, und so geht das Röhrenklischee ja eigentlich nicht.

Tonale Vergleiche

Gegenüber einer „Vollröhre“ wie der Unison Research Triode 25 (2.900 Euro), die grundsätzlich etwas sonorer daherkommt, gilt Obiges sowieso, aber auch im Vergleich zu einem „Volltransistor“ wie dem jüngst getesteten B.M.C. Audio CS 3 (circa 6.000 Euro), der in Sachen tonaler Neutralität als Maßstab durchgehen darf. Sogar in Relation zu meiner Vor/End-Kombination aus Octave-Pre und Musical-Fidelity-Endstufen (in Summe circa 15.000 Euro), die ich als minimal schlanker denn Normalnull einschätze, geht der Nu-Vista 600 als straffer, tonal etwas leichter durch. Gleichwohl, überinterpretieren darf man das nun auch nicht: Diesem Charakterzug wohnt nichts Dramatisches inne, sondern eher was Akzidentielles. Und er passt ganz gut zu den Stärken des Nu-Vista 600, als da wären: Auflösung, Abbildungspräzision und Impulsgenauigkeit.

howe-the-listenerDoch um noch kurz beim Tonalen zu verweilen: Der Tiefbass ist voll da. Das ist selten, häufig wird ja ganz unten verrundet – nicht so beim Nu-Vista, der teilt die unterste Oktave mit Nachdruck aus. Und mit erstaunlich viel Struktur, was übrigens für den gesamten Tieftonbereich gilt, der sehr trocken und sehnig präsentiert wird. Vom mittleren über den oberen Bass bis in den Grundton hinein zieht sich eine leichte Senke gegenüber einer gedachten Neutral-Linie – und zwar eine „ansteigende Senke“: Je mehr man sich den Mitten nähert, desto geringer fällt die Abweichung aus. Woran ich das festmache? Bassdrums habe ich von Amps dieser Klasse schon mal mit mehr Saft und Schmackes gehört, aber grundtonstarke Stimmen (Leonhard Cohen, Howe Gelb, Gregory Porter etc.) wirken nur minimal leichter als sonst. Lässt man die unteren Mitten dann hinter sich, geht’s lehrbuchartig linear weiter bis in die höchsten Höhen hinauf.

musical-nuvista-600

Andere Qualitäten

Ben_Harper_the_Will_to_LiveWichtiger als die tonale Mischung sind mir andere Qualitäten – und die besitzt der Musical Fidelity Nu-Vista 600. Um zu verdeutlichen, was ich oben mit „reiner Lehre“ meinte, ein Musikbeispiel: Ben Harpers „Roses from my friends“ vom Album The will to live (auf Amazon anhören). Eine ruhige Nummer mit Streichquartett, zartem Gesang, gezupfter Gitarre und zum Refrain kräftig einsetzendem Bass & Schlagzeug. Als besonderes Schmankerl hat man dem Sliden übers Griffbrett und den Umgreif- und Nebengeräuschen des Gitarrenspiels anscheinend eine eigene, ziemlich prominente Spur im Mix gegönnt. Über meine Vor/End-Kombi wirkt das so, als setze sie hinter dieser „Effektspur“ noch mal ein Ausrufezeichen, sprich: Die „Live-dabei-Simulations-Geräusche“ werden etwas nach vorne gezoomt und ziemlich groß dargestellt. Schon spektakulär.

Anschlussfeld des Musical Fidelity Nu-Vista 600

Anschlussfeld des Musical Fidelity Nu-Vista 600

Mit dem Musical-Fidelity-Vollverstärker kommen die Geräusche nicht ganz so weit auf den Zuhörer zu. Es wirkt zudem etwas kompakter dimensioniert, man könnte auch sagen: realistischer. (Wobei die Aussage impliziert, dass man weiß, was der Toningenieur im Mix erreichen wollte, aber die Diskussion führt hier wohl zu weit.) Vor allem aber mehr in den gesamtmusikalischen Kontext eingebunden – mehr Bestandteil, weniger Show. Damit aber auch: weniger sensationell als zuvor. Doch auch, wenn sich das Gebotene nun etwas weiter von mir entfernt und räumlich kleiner skaliert abspielt, habe ich nicht den Eindruck, es würden Details unterschlagen. Nein, die sind alle da, und das, obwohl ich hier mit einer mehr als doppelt so teuren Verstärkerkombination vergleiche – das Auflösungsvermögen des Musical Fidelity Nu-Vista 600 ist wirklich erstklassig. Aber der Song wird halt aus einer anderen Perspektive präsentiert: weniger wie mit der Nase vorm riesigen Wandgemälde, mehr filigrane Zeichnung in Halbdistanz, um es einmal überpointiert zu sagen.

Welchen Fuß hätten Sie denn gerne? Dem Nu-Vista 600 liegen Filzgleiter und einschraubbare Spikes (siehe links unten) bei

Welchen Fuß hätten Sie denn gerne? Dem Nu-Vista 600 liegen Filzgleiter sowie einschraubbare Spikes (siehe links unten & nächstes Bild) bei

Der feine Pinselstrich des Nu-Vista 600 fällt bei der Raumdarstellung immer wieder auf. So klar abgezirkelt und akkurat stellt er die Klangquellen auf die Bühne, dass meine Kombi eher das Hintertreffen hat, denn sie grenzt die Musiker etwas weicher voneinander ab (was man aber, je nach Geschmack, auch schätzen kann). Minimal plastischer – also nicht nur randscharf, sondern dreidimensional – will es mir mit dem Nu-Vista 600 auch scheinen. Der B.M.C. Audio CS 3 spielte zwar noch eine Spur griffiger, doch die körperhafte Gestaltung von Stimmen und Instrumenten bleibt trotzdem eine Domäne des Musical-Fidelity-Amps. Dass mein Vor/End-Gespann das nicht ganz so gut hinbekommt, führe ich auf die Mikrofonie der Doppeltrioden im Octave HP300 zurück – stelle ich den nämlich zwecks Vibrations-Entkopplung auf bFly-Audio-Gerätefüße wird’s deutlich besser, dito wenn ich die zwar recht teuren, aber sehr effektiven Kryna-Röhrengitter über die Glaskolben ziehe. Nun, dergleichen hat der Nu-Vista 600 offenbar nicht nötig, die These der so gut wie nicht vorhandenen Mikrofonieneigung der Nuvistoren wirkt plausibel, so präzise wie er vorgeht.

Spike des Nu-Vista 600

Der Bühnenraum selbst – das klang schon an – beginnt dabei ziemlich genau auf der Grundlinie der Lautsprecher, nicht davor, nicht dahinter, und wird angenehm tief ausgeleuchtet. Hier macht sich, quasi als Nebenwirkung, auch die Straffheit im Bass/Grundtonbereich unterstützend bemerkbar, jedenfalls versperrt kein „Wärmedunst“ die Durchsicht nach hinten. Auffallend groß wirkt der Bühnenraum mit dem Musical Fidelity gleichwohl nicht, denn die Breite wird durch die Lautsprecher festgelegt – links und rechts darüber hinaus geht es zumeist nicht. Man darf das als „Normalmaß“ ansehen. Zusammenfassend lässt sich sagen: Wer seinen auditiven Kick durch ein uferloses Raumgefühl kriegt, wird hier weniger bedient – wer akkurate, plastische Abbildungsqualität und transparente Staffelung der Musiker im Bühnenraum sucht, kommt dagegen sehr auf seine Kosten.

Neben dem sehr hohen Auflösungsvermögen und der präzis-griffigen Abbildungsqualität müssen als weitere Stärke des Nu-Vista 600 die Impulswiedergabe beziehungsweise das Dynamikverhalten erwähnt werden – insbesondere mikrodynamisch ist er ganz weit vorne. Grobdynamisches wird zwar ebenfalls sehr unmittelbar und „schnell-hart“ serviert, in Sachen Impact gibt‘s aber schon Vertreter der Zunft, die noch mehr hinlangen – dies liegt an der eher drahtig-differenzierten als satt-massiven Vortragsart im Untergeschoss. Der erwähnte B.M.C. CS 3 beispielsweise wirkt bei „Hauruck“-Attacken initial zwar schnell, der Musical Fidelity aber noch zackiger, er modelliert Transienten etwas schärfer. Dafür bietet der B.M.C. „nach dem Startschuss“ (der Attackphase) unterm Strich noch mehr Wumms und Durchschlagskraft. Beispiel: Setzt ein Schlagzeuger zum Solo an, wirkt jeder einzelne Hit auf die Drums mit dem Nu-Vista 600 im durchaus positiven Sinne härter, mit dem CS 3 hat das Drumset aber insgesamt mehr Wucht.

Pro Kanal arbeiten in der Endstufe vier Ausgangstransistoren

Pro Kanal arbeiten in der Endstufe vier Ausgangstransistoren

aidan_baker_alreadyFeindynamisch macht dem Musical Fidelity Nu-Vista 600 so leicht keiner etwas vor. Das Stück „Mein Zwilling, Mein Verlorener“ ist da sehr aufschlussreich: So leicht, selbstverständlich-unmittelbar und doch ungepresst kommen Gitarrenpicking, Frauenstimme sowie dieses elektronisches Gebritzel und Rauschen, das immer mal wieder eingeblendet wird, doch ziemlich selten rüber. Das Stück gleicht einem Balanceakt, die Aidan Baker-Platte Already Drowning (auf Amazon) ist insgesamt recht „hot“ im Hochton, und so auch dieses Lied. „Freundlichere“, langzeittaugliche Amps verrunden die Impulse meist etwas zu viel, nehmen Spannung raus, die eigentlich da bleiben sollte – tendiert ein Verstärker dagegen dazu, den Hochton auch nur leicht zu betonen, kann es hier schon wieder zu viel des Guten werden. Transienten wirken dann nicht natürlich, sondern angestrengt-forciert, leicht artifiziell. Beides geht dem Musical Fidelity völlig ab, Impulse kommen mit ihm quasi naturidentisch, sind also ganz selbstverständlich „da“ – ungefiltert und unforciert. Klasse ist das.

Der Musical Fidelity Nu-Vista 600 ist auch mit schwarzer Front zu haben

Der Musical Fidelity Nu-Vista 600 ist auch mit schwarzer Front zu haben

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Test: Musical Fidelity Nu-Vista 600 | Vollverstärker

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