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Seinem Debütprodukt auf dem übervölkerten Kopfhörermarkt gleich den Namen „Classics“ zu verpassen, das hatte schon Chuzpe. Doch eineinhalb Jahre und etliche Preise – darunter auch der begehrte Publikumspreis der weltweit größten Kopfhörermesse CamJam 2016 – später ist der 99 Classics des rumänischen Anbieters (deutscher Vertrieb: www.headphonecompany.com) Meze auf dem Weg, sich seinen ambitionierten Titel zu verdienen. Umso überraschender, dass mit dem Meze 99 Neo nun bereits ein zweiter Einstiegshörer zur Verfügung steht: ähnlicher Preis (249 Euro statt 309 Euro), gleiches Prinzip (geschlossen). Eine Sparversion des Classics also? Ein modischer Facelift? Oder eine klanggeschmackliche Alternative? Klären wir jetzt mal.
Auf den ersten Blick sieht es so aus, als schicke Entwickler Antonio Meze derzeit zwei nahezu baugleiche Hörer ins Rennen. Sowohl der 99 Classics als auch der 99 Neo sind ohrumschließende Hörer für den Mobil- und Heimgebrauch mit angenehm geringem Gewicht von rund 260 Gramm. Beide arbeiten geschlossen mit Hilfe dynamischer Treiber von 40 Millimetern Durchmesser aus dem Polyestermaterial Mylar, die von einem kräftigen Neodym-Antrieb zur Bewegung motiviert werden. Das Bügelsystem, das sich nach wochenlanger Intensivnutzung immer noch stufenlos automatisch und bombenfest haltend dem Schädel anpasst, pendelt sich beim Meze 99 Neo nicht zuletzt dank angenehm weicher Kunstlederpolster ebenfalls innerhalb der idealen Tragekomfortzone zwischen „schraubzwingengleich eingequetscht“ und „hauchzart aufliegend“ ein. Beide Hörer sitzen bequem ohne Druck und sicher ohne Wackeln. Prädikat: aufs Laufband mitzunehmen, zum Kunstturnen eher daheim zu lassen.
Der erste Unterschied zwischen Meze Classics und Meze 99 Neo, der ins Auge fällt, sind die Hörschalen. Diese sind beim Classics nämlich aus Walnussholz und beim 99 Neo aus verwindungssteifen Polymerschalen gefertigt, deren Oberflächentextur schön natürlich hervortritt und den Hörer dadurch um Nichts weniger edel wirken lässt als seinen hölzernen Vorgänger. Anders als beim Classics trennt Ohrpolster und Hörerschale ein die optische Wertigkeit unterstreichender Aluring. Die Querstreben, die den für einen mobilen Hörer doch recht ausladenden, allerdings abermals vorbildlich verwindungssteifen Bügel stützen, geben sich beim 99 Neo zudem silber- statt messingfarben.
Das Meze mit der dezent entvintageten Optik des 99 Neo eine jüngere, mobilere Zielgruppe in den Blick nimmt, verraten auch zwei technische Eigenheiten des 99 Neo. Erstens zeigt sich dessen Impedanz mit 26 Ohm (32 Ohm beim Classics) nochmals verringert sowie sein Wirkungsgrad mit 103 dB/1 mW ausreichend hoch, was eine noch unproblematischere Ansteuerung über die schwächlichen Ausgänge leistungsschwacher Mobilgeräte verheißt, und zweitens sein Hersteller wahlweise konsequent oder knauserig in puncto Lieferumfang: Käufer des Meze 99 Neo müssen sich mit einem einzigen, hochwertig gewebeummantelten Kabel von 1,5 Metern Länge mit Headset-Funktion und Kabelfernbedienung für mobile Endgeräte mit passendem 3,5-mm-auf-6,3-mm-Klinkenadapter zufriedengeben, während dem Classics zusätzlich ein klangpuristisches 3-Meter-Kabel für den Hausgebrauch beiliegt. Dass Mezes Neuer im Gegensatz zum Stubenrocker Classics für den bequemen Transport zusammengeklappt werden kann, versteht sich da eigentlich von selbst – ist uneigentlich aber leider nicht der Fall. Das stabile Hardcase im Carbon-Look tröstet über die fehlende Verknirpsungsmöglichkeit aber in den allermeisten Fällen hinweg.
Noch mobiltauglicher als beim Meze Classics ist zudem die Schallisolierung des Meze 99 Neo in beide Richtungen gelungen. Zwar übertragen die Ohrpolster für einen Mobilhörer nach wie vor für meinen Geschmack etwas zu viel Körperschall, sodass beim Gehen deutlich Trittgeräusche zu hören sind, ansonsten ist die Isolierung jedoch sowohl stark genug, um im krachlauten öffentlichen Nahverkehr der Berliner Verkehrsbetriebe stets sauber zwischen Judith Holofernes von Wir sind Helden und Jayden Backes von Wir sind Hellersdorf unterscheiden zu können, als auch ausreichend durchlässig für verkehrs- und und gesundheitsrelevante Ansagen wie „Geh mal Seite, Opfer!“. Die Isolierung nach außen hin gestaltet sich ähnlich, sprich: Man kann den Meze 99 Neo im Büro tragen, sich dort allerdings nicht gänzlich unbemerkt die volle Dröhnung geben. Mein aktueller Mobilhörer B&W P7 kapselt da etwas stärker ab, Jayden und ich sind allerdings der Meinung, dass der Meze 99 Neo als geschlossener Mobilhörer für die Öffentlichkeit gerade das für alle Verkehrsteilnehmer optimale Maß an Offenheit mitbringt – und zudem auch, ehrlich gesagt, viel weniger „opferverdächtig“ aussieht und klingt als der beinahe royal anmutende Classics.
Der Meze 99 Neo wirkt nicht nur optisch jünger, moderner, urbaner, sondern fokussiert auch klanglich eine weniger klassisch audiophile denn erlebnisorientierte Zielgruppe. Ein Feintuning? Oder eine fundamental andere Signatur?
Test: Meze 99 Neo | Kopfhörer